Table.Briefing: China

Deutsch-chinesischer Finanzdialog + Uigurische Bloggerin im Interview

Liebe Leserin, lieber Leser,

in China ist Ferienzeit: Auf das Mondfest am Freitag folgte am Sonntag der Nationalfeiertag zur Gründung der Volksrepublik. Zumindest ein Politiker und seine Mitarbeitenden hatten aber nicht frei, sondern reisten nach Frankfurt am Main: Vizepremier He Lifeng traf dort mit Bundesfinanzminister Christian Lindner zum dritten Hochrangigen Deutsch-Chinesischen Finanzdialog zusammen, dem ersten seit vier Jahren. Die Zeichen standen in Frankfurt auf Kooperation, wie sich aus der gemeinsamen Erklärung nach dem Treffen liest. Beide wollen Markthürden senken, gegenseitige Investitionen ermutigen und auch global zusammenarbeiten.

Konkrete Details waren, wie so oft bei solchen Treffen, eher Mangelware. Doch allein das Zustandekommen des Treffens kann derzeit als Erfolg der Diplomatie gelten. Noch vor wenigen Monaten wurde Lindner direkt vor einer China-Reise ausgeladen. Zu viele Parteifreunde und -Freundinnen aus seiner China-kritischen FDP waren nach Taipeh gereist. Nun stehen eher die Grünen am Pranger, weil Außenministerin Annalena Baerbock Staatschef Xi Jinping einen Diktator nannte.

Staatssekretärin Jennifer Morgan durfte daher vergangene Woche in Peking nur Klimazar Xie Zhenhua treffen. Noch im April hatte man ihr Zugang zu mehreren hochrangigen Politikern gewährt. Die Erfahrung Lindners zeigt aber, dass solcher Ärger in Peking nicht ewig währt. Eine Normalisierung dürfte also mit der Zeit auch gegenüber dem Auswärtigen Amt erfolgen, sofern keine neuen Störungen erfolgen.

Seit einigen Wochen debattieren deutsche China-Forscher über die Frage, ob in Xinjiang wieder Normalität eingekehrt sei. So hatten es zwei deutsche Sinologen unlängst in einem Bericht für die NZZ dargestellt, der einen heftigen Streit unter den Fachkollegen ausgelöst hatte. Nun äußert sich im Interview mit Table.Media eine Uigurin. Die Menschen hätten weiterhin Angst, offen zu sprechen, und sie selbst könne weiterhin nicht mit ihrer Familie in Kontakt treten, sagt die in Deutschland geborene Shahnura Kasim, die auf Tiktok und Instagram die Menschenrechtslage in Xinjiang beklagt.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche.

Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Finanzdialog zeigt Willen zu gegenseitiger Marktöffnung

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Chinas Vizepremier He Lifeng vereinbarten auf dem 3. Hochrangigen Deutsch-Chinesischen Finanzdialogs in Frankfurt am Main mehr Marktöffnung und Zusammenarbeit.

Am Ende schütteln sich Bundesfinanzminister Christian Lindner und Chinas Vizepremier He Lifeng die Hände und lächeln recht entspannt in die Kameras. Lindner klopft He auf die Schulter. Viel ist in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Abschluss des dritten Hochrangigen Chinesisch-Deutschen Finanzdialogs in Frankfurt am Main die Rede von Zusammenarbeit und Übereinstimmung. Wenn es Knackpunkte gab, so werden diese nicht deutlich.

Deutschland und China wollten den Marktzugang für die jeweils andere Seite erweitern, sagte Lindner am Sonntag ganz allgemein. Dies solle im Sinne fairer Wettbewerbsbedingungen geschehen. “Das schafft Chancen auf beiden Seiten für mehr verantwortungsvollen Handel und Investitionen.” Die Bundesregierung hatte sich unter anderem besseren Zugang für deutsche Banken in China gewünscht.

In der gemeinsamen Erklärung heißt es zum Thema Banken:

  • Deutschland begrüße die Fortschritte Chinas beim Aufbau besserer regulatorischer Bedingungen für ausländische Banken.
  • Die zuständigen Behörden beider Seiten hätten vereinbart, einen Dialog zu führen über Voraussetzungen für die Befreiung der Niederlassungspflicht für chinesische Banken in Deutschland. China wolle mindestens eine Bank “ermutigen”, eine Tochtergesellschaft in Frankfurt am Main als Europa-Hub zu gründen – ein Anliegen Berlins.
  • Beide Seiten ermutigten qualifizierte deutsche Finanzunternehmen zur aktiven Teilnahme am chinesischen Interbankenmarkt, etwa durch die Ausgabe sogenannter “Panda-Anleihen”, Investitionen in RMB-Anleihen und die Teilnahme am chinesischen Interbanken-Devisenmarkt.
  • Beide Seiten unterstützen deutsche Banken bei RMB-Geschäften und -Finanzdienstleistungen

Vertreter aus Konzernen und Banken

Auch He Lifeng sprach sich beim Pressestatement für eine Öffnung der Finanzmärkte aus. Die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden für Versicherer sollen laut He verstärkt werden

An dem Dialog hatten neben Lindner und He auch Vertreter der Bundesbank, der chinesischen Zentralbank und der Aufsichtsbehörden im Finanzsektor teilgenommen. Auch die größten Konzerne aus der Branche waren zeitweise mit Chefs oder Topmanagern unter anderem der Deutschen Börse, der Deutschen Bank, der Allianz, der bundeseigenen KfW und der Landesbank Baden-Württemberg dabei – ebenso wie auf chinesischer Seite die vier führenden Staatsbanken, darunter die Bank of China.

Globale Finanzthemen

Doch es ging auch um die große Weltpolitik. Beide Länder bekannten sich in ihrer Erklärung laut Lindner “klar zu einer offenen Weltwirtschaft und zum Multilateralismus” im Rahmen internationaler Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO oder dem Internationalen Währungsfonds. Laut He wollen sie die Kooperation gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung verstärken.

Beide Politiker sprachen zudem über die Schuldenlast vieler armer Entwicklungsländer, auch das ein Anliegen des Westens. China habe sich dazu bekannt, den Mechanismus der G20-Ländergruppe zur Schuldenrestrukturierung von Ländern in Schwierigkeiten zu nutzen. Das sei ausdrücklich zu begrüßen, sagte Lindner. “Denn ohne China als so einem wichtigen Akteur der Weltpolitik sind Lösungen nicht vorstellbar.” China ist in vielen Entwicklungsländern einer der größten Gläubiger und erlässt praktisch nie deren Schulden.

Normale Kommunikation im Finanzsektor

Es ist kein ganz einfacher Zeitpunkt in den deutsch-chinesischen Beziehungen, und so darf schon das Zustandekommen des Treffens als Erfolg gelten. Derzeit gibt es gleich mehrere Problempunkte: Berlin will voraussichtlich Produkte der Telekommunikationskonzerne Huawei und ZTE aus Teilen seines Mobilfunknetzes entfernen lassen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in einem Interview mit dem US-Sender Fox News Staatschef Xi Jinping als “Diktator” bezeichnet und diese Bezeichnung im deutschen Fernsehen noch einmal bekräftigt. Auch gibt es in mehreren Ministerien Sorgen über den im Bund zustimmungspflichtigen Verkauf von Volkswagens Gasturbinen-Tochter MAN Energy Solutions an CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co, das zum staatlichen Werftenkonzern China State Shipbuilding Corporation (CSSC) gehört.

Die letzte Runde des Finanzdialogs fand Anfang 2019 statt und damit vor der Corona-Pandemie. Lindner sprach sich nun dafür aus, den Dialog künftig jährlich und nicht nur alle zwei Jahre auszutragen. Die Finanzpolitik gehört also offenbar zu den Feldern, die auch in Zeiten des “De-Risking” weitgehend normal funktionieren – und die gemeinsame Erklärung ließ durchscheinen, dass es dabei eher um ein Mehr an Kooperation ging, als um eine Entflechtung. Auch die EU hat laut Handelskommissar Valdis Dombrovskis bei seinem Besuch in China eine Arbeitsgruppe für Finanzdienstleistungen eingerichtet.

Auswärtiges Amt spürt noch den Ärger Pekings

Der hochrangige Gesprächspartner dürfte zudem ein Signal gewesen sein, dass China der FDP die Taiwan-Besuche mehrerer führender Politiker der Partei, einschließlich der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, und Kritik an der Volksrepublik nicht mehr gegen die Partei auslegt. Eine solche Vergebung scheint gegenüber dem Auswärtigen Amt aus Sicht Pekings noch nicht geboten.

Das bekam vergangene Woche Baerbocks Klimabeauftragte und Staatssekretärin Jennifer Morgan zu spüren. Auf ihrer dreitägigen Reise nach China traf Morgan mit ihrem Counterpart, Klimazar Xie Zhenhua, nur einen einzigen hochrangigen Politiker – wenn auch den wichtigsten für ihr Portfolio. Andere hatten angeblich keine Zeit. Immerhin traf sie am Rande eines Dialogforums an der Tsinghua-Universität noch Vize-Umweltminister Zhao Yingmin, und damit einen gleichrangigen Politiker.

Dialog zu Sicherheit mit Kanzleramtsminister Schmidt

Angesichts des aktuellen Umgangs mit der FDP – die ebenso wie die Grünen in Deutschland zu den China-Falken gehören – ist aber zu erwarten, dass auch im Umgang mit dem Auswärtigen Amt wieder Normalität einkehren wird. Die Halbwertszeit des Pekinger Ärgers reicht nie ewig. Lindner war im Mai noch direkt vor einer Reise nach Peking kurzfristig ausgeladen worden, vermutlich als Reaktion auf die Taiwan-Reisen der FDP-Gruppen. Und nun schickte Peking sogar den ranghöheren He Lifeng nach Frankfurt statt des Finanzministers, der offenbar kurz vor dem Ruhestand steht.

Auch andere Dialogformate leben derzeit wieder auf. Wenig beachtet von der Öffentlichkeit fand am vergangenen Dienstag der Hochrangige Deutsch-Chinesische Sicherheitsdialog zum vierten Mal statt. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt von der SPD empfing dabei den Leiter der Zentralen Kommission der KPCh für Politik und Recht, Chen Wenqing. Das teilte das Bundespresseamt mit, ohne Details zu den Gesprächen zu nennen. Der Dialog geht zurück auf eine Initiative der chinesischen Regierung aus dem Jahr 2016 und war ebenfalls durch die Pandemie unterbrochen worden.

  • Bundespresseamt
  • Christian Lindner
  • Finanzen
  • Geopolitik
  • KP Chinas

Interview

“Ich muss nicht in Xinjiang sein, um zu beweisen, was dort passiert”

Die Vloggerin Shahnura Kasim berichtet über die Menschenrechtslage in Xinjiang.

In einem Beitrag für die NZZ erklärten zwei deutsche China-Wissenschafter nach einer Xinjiang-Reise, dass sich die Menschenrechtslage dort normalisiert habe. Auch schrieben sie, dass die von der chinesischen Zentralregierung angestoßenen Modernisierungen aufseiten der uigurischen Bevölkerung unübersehbar auf Sympathie stoßen würden. Sie haben Verwandte vor Ort. Was ist Ihr Eindruck, hat sich die Lage wirklich normalisiert?  

Zu behaupten, die Situation dort hätte sich normalisiert, ist eine unverschämte, unprofessionelle und unmögliche Aussage. Vermutlich kennen diese Wissenschaftler keine Uiguren persönlich oder haben sich nie mit einer oder einem unterhalten. Wir haben nie Hilfe in Sachen “Modernisierung” gebraucht, denn wir waren nie unzivilisierte Menschen. Wir Uiguren sind ein Volk mit einer langen Geschichte und einer prachtvollen Kultur. Aber über sowas wird nicht geredet. Denn das erfordert Wissen und Informationen und vor allem Zeit. Die Aussagen, es wäre alles wieder normal, sind einfach und ohne Recherche zu tätigen – denn es sind einfach die Aussagen der chinesischen Regierung. Es ist eine Unverschämtheit, so etwas als Wissenschaftler zu wiederholen, denn Wissenschaftler haben ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Viele glauben ihnen blind, und das ist auch das Ziel der chinesischen Regierung. Ich bin mir sicher, dass es eine Gegenleistung für solche Propaganda-Aussagen gibt.  

Die Forscher erklärten, sie seien auf eigene Initiative und eigene Kosten nach Xinjiang gereist. Wie ist die Situation für Ihre Familie und Bekannte vor Ort? Können Sie Xinjiang besuchen oder mit den Menschen direkt sprechen?   

Man kann in die Region einreisen, aber ob man dort Privatsphäre und Freiheit hat, ist eine andere Sache. Viele Journalisten sind dorthin gereist, es gibt sogar kurze Doku-Filme von deutschen Journalisten, die 24/7 dort überwacht wurden und auch nur dorthin gehen durften, wo die chinesischen Behörden es erlaubten. Eine generelle Diskriminierung bekommt man so vor Ort nicht mit, in menschenleeren Straßen, wo keiner mit irgendjemandem redet, aus Angst eingesperrt zu werden. Wenn ja alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, warum können wir dann immer noch nicht unsere Familien kontaktieren? Wieso können wir nicht wie jeder normale Mensch in die Heimat reisen? Wieso können wir nicht mal telefonieren oder facetimen?  

Ihre Kritiker sagen, Sie selbst seien noch nie in China gewesen und könnten die Situation vor Ort nicht einschätzen. Was entgegnen Sie darauf?  

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Verwandtschaft kenne ich nicht einmal, denn ich habe nur meine Eltern und Geschwister hier. Meine Eltern können ihre eigenen Eltern nicht sehen und das seit mehr als 20 Jahren. Die letzten fünf Jahre waren schlimm genug – und es wird schlimmer von Tag zu Tag, denn es gibt keinen Aufschrei der Welt und so macht die chinesische Regierung immer weiter. Ich muss nicht dort sein, um beweisen zu können, was dort passiert. Wir haben Satelliten-Bilder, wir haben Aussagen von Menschenrechtlern, die im Europäischen Parlament arbeiten. Wir haben Uiguren, die in diesen schrecklichen Lagern waren und davon berichten – Menschen, die dort gelebt haben und jetzt im Ausland sind. Wir haben die “Xinjiang Police Files”, die geleakten Dokumente. Wir haben schon zu viele Beweise, um etwas verleugnen zu können.  

Die Forscher schreiben auch, dass die Menschen in Xinjiang zwischen 2010 und 2016 selbst unter den Folgen eines “massivem islamistischem Terrors” litten, etwa Bombenanschlägen und bewaffneten Attacken. Sind Ihnen Uiguren bekannt, die die Maßnahmen der chinesischen Regierung gutheißen? 

Sobald es um Muslime geht, spricht man schnell von Terrorismus, weil man dadurch einfacher radikale Maßnahmen durchsetzen kann. Uiguren sind keine Terroristen und waren auch nie welche. Und selbst wenn es so wäre, wäre das kein Grund Konzentrationslager aufzubauen, Frauen und Männer zu sterilisieren, Kinder zur Zwangsadoption freizugeben, Menschen einer Gehirnwäsche zu unterziehen.  

Natürlich gibt es Uiguren, die die Situation schönreden und behaupten es wäre alles bestens. Die stehen jedoch in enger Zusammenarbeit mit chinesischen Behörden. Meine Mama hat einen Heimatslosen-Pass, weil sie nicht für die Behörden arbeiten und keine “Spionage” betreiben wollte. Meinem Papa wurde bereits 2013 der Kontakt zu seiner Familie verboten, aus demselben Grund. Das Projekt “Neue Seidenstraße” konnte nur ein Erfolg werden, weil es niemanden interessiert, ob wir sterben oder nicht. Diese Menschen rennen alle nur ihren wirtschaftlichen Interessen hinterher und profitieren von uns Uiguren, Stichwort Zwangsarbeit.  

Ihr Instagram-Account heißt “Freedom for East-Turkestan”. Der Begriff ist auch unter Uiguren eng mit politischen, ethnischen und kulturellen Kontroversen verbunden. Peking verbindet den Namen mit Separatismus und Terrorismus. Ist es eine radikale Position, sich für ein freies Ostturkestan einzusetzen? 

Es ist niemals eine radikale Position, sich für die Freiheit eines Volkes einzusetzen. Für uns Uiguren heißt unser Land Ostturkestan und nicht anders. Peking verbindet alles, was mit Uiguren zu tun hat, direkt mit Terrorismus und Separatismus, aber sie schauen nicht auf ihre eigenen Taten. Wir alle wissen, es passiert ein Genozid. Der erste High-Tech-Genozid in der Geschichte. Dementsprechend ist es eher Terrorismus, wenn man Pro-China ist – denn das bedeutet, man ist gegen Menschenrechte und alles was einen Menschen ausmacht. 

Gibt es für Sie keine Alternative für Xinjiang unter chinesischer Regierung?  

Dazu sage ich nur: Wir Uiguren wollen keine Autonomie, wir sind jetzt als Autonomie eingetragen und sehen was passiert. Wir wollen Demokratie, ein eigenes unabhängiges Land, mit unserer eigenen Regierung, eigenem Gesetz und eigenem Präsidenten. Wir haben lange genug gelitten und das ist das Mindeste, was wir verlangen dürfen: ein freies, unabhängiges Ostturkestan.  

Tut der Westen genug? Wer sollte Ihrer Meinung nach mehr Gehör bekommen? 

Keineswegs tut der Westen viel. Es müssen mehr Sanktionen gesetzt werden. Mehr chinesische Produkte müssen boykottiert werden. Der Genozid muss als Begriff in diesem Zusammenhang überall anerkannt werden. Uiguren brauchen eine größere und stärkere mediale Präsenz. Wir brauchen mehr Gehör und keine Wissenschaftler, deren Lügen dann auch noch veröffentlicht werden.  

Die 20-jährige Vloggerin Shahnura Kasim macht auf Instagram und Tiktok auf das Schicksal der Uiguren in Xinjiang aufmerksam. Sie selbst ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. 2019 erfuhr ihre Familie, dass ihre Großmutter in Xinjiang in einem Umerziehungslager interniert wurde und ihre Tante vermisst wird. Kasim lebt und studiert in München, wo sie neben den Kurzvideos für ihre knapp 14.000 Follower auch mit Demonstrationen auf die Situation der Uiguren hinweist.

  • Menschenrechte
  • Uiguren

News

E-Auto-Handel zwischen EU und Großbritannien drohen Zölle – wegen China

Die Einfuhr von Elektroautos und Komponenten aus China betrifft auch einen Brexit-Vertrag zwischen der EU und Großbritannien. Das Problem: Im Rahmen eines Post-Brexit-Abkommens zwischen der EU und Großbritannien wird ab Januar ein Zoll von zehn Prozent auf alle zwischen beiden Seiten gehandelten Elektrofahrzeuge fällig, wenn weniger als 45 Prozent ihres Wertes aus der EU und Großbritannien stammen. Das ist schwer zu erreichen für die Autoindustrie, die laut Bloomberg derzeit die meisten Batterien für Elektrofahrzeuge – in der Regel etwa 40 Prozent des Fahrzeugwerts – aus Asien bezieht. Die Branche übt daher Druck auf Brüssel aus, die Frist um drei Jahre zu verlängern.

EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis hat das Problem erkannt. “Wir hoffen, dass wir Zölle vermeiden können. Die Industrie auf beiden Seiten macht Druck”, sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Man könne das aber ohne Öffnung des Brexit-Vertrags hinbekommen. “Wir haben dabei natürlich auch den starken Anstieg der E-Auto-Einfuhr aus China im Hinterkopf”, so Dombrovskis. “Wenn die EU und Großbritannien sich jetzt gegenseitig mit Zöllen belegen, wird das unserer Industrie nicht helfen, sondern wenn überhaupt nur China.”

Dombrovskis verteidigte die Forderung der EU-Kommission nach Strafzöllen auf chinesische E-Autos. Das Prüfungsverfahren werde in den nächsten Tagen eingeleitet, sagte Dombrovskis. Einige Staaten hätten Bedenken angemeldet, man sei “in engem Kontakt.” Kürzlich hatte es Berichte gegeben, auch Tesla und andere internationale Autobauer könnten von möglichen Strafzöllen getroffen werden. Dombrovskis schloss das nicht aus: “Sagen wir es so: Es ist noch keine Entscheidung gefallen, aber das Verfahren ist nicht auf chinesische Marken beschränkt.”

Bundeskanzler Olaf Scholz hat unterdessen Bedenken gegen mögliche Strafzölle geäußert. “Ich bin davon nicht sehr überzeugt, um es höflich auszudrücken”, sagte Scholz der Wirtschaftswoche. “Unser Wirtschaftsmodell sollte nicht auf Protektionismus beruhen, sondern auf der Attraktivität unserer Produkte.” ck

  • Autoindustrie
  • Elektromobilität
  • Handel
  • Zölle

Nachfolge im Finanzministerium vorbereitet

Die Kommunistische Partei hat Lan Fo’an zum neuen Parteichef des Finanzministeriums ernannt. Damit ist er auf dem besten Weg, der nächste Finanzminister zu werden. Lan wird Liu Kun in dieser Funktion ablösen, der nach Angaben des Ministeriums vorerst Chinas Finanzminister bleibt.

Lan war zuvor Parteichef der nordchinesischen Provinz Shanxi. Sein Rücktritt von diesem Posten wurde parallel Ende vergangener Woche von staatlichen Medien bekannt gegeben. Der heute 61-Jährige hatte seine Karriere 1985 nach einem Finanzstudium in Hubei in der Finanzabteilung der südlichen Provinz Guangdong begonnen. Im Jahr 2021 wurde er zunächst stellvertretender Parteichef von Shanxi, bevor er im Dezember 2022 an die Spitze rückte.

Liu, Kun war seit 2018 Chinas Finanzminister und behielt trotz Erreichen des Rentenalters für Minister von 65 Jahren bei der Regierungsumbildung auf dem Nationalen Volkskongress im März vorerst seinen Posten. Nun geht er offenbar in den Ruhestand. Liu war laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin ein “überzeugter Reformer, der Chinas Steuersystem verbessern wollte und sich mit den Billionen Dollar an nicht bilanzierten Krediten lokalen Regierungen, sogenannten versteckten Schulden, befasste”. Diese Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen und wartet nun auf Lan. ck/rtr

China importiert Mais aus der Ukraine

Chinesische Importeure sollen in den vergangenen zwei Wochen in großem Umfang Futtermais aus der Ukraine gekauft haben. Das berichtet Reuters unter Berufung auf Händler in Asien und Europa. Die Händler konnten aber keine exakte Zahl nennen. Einige Schätzungen europäischer Händler aber reichten von 500.000 bis eine Million Tonnen für Lieferungen zwischen Oktober und Dezember. Eine ukrainische Regierungsquelle bestätigte die Maisverkäufe an China.

“Importeure in China haben etwa zehn bis 12 Panamax-Ladungen (eine Schiffskapazität hat mehr als 60.000 Tonnen Getreide) ukrainischen Mais für die Verschiffung im November/Dezember gekauft”, sagte der Singapurer Händler eines internationalen Getreidehandelsunternehmens. “Die Ukraine ist derzeit das billigste Herkunftsland für Mais.” Das liegt an dem Ende des Getreideabkommens, das Russland nicht mehr verlängern wollte. Seither sind die Preise in der Ukraine stark gefallen; das Land exportiert in geringerer Menge Getreide über rumänische Häfen oder eine neue Schifffahrtsroute vom Hafen Odessa dicht an der eigenen Küste entlang. Bislang gab es dabei keine Zwischenfälle.

China ist traditionell einer der größten Käufer von ukrainischem Mais zur Deckung seines Tierfutterbedarfs. Auch war China der größte Abnehmer ukrainischen Getreides im Rahmen des im Juli abgelaufenen Abkommen; knapp ein Viertel des während des Abkommens verschifften Getreides (24,2 Prozent) ging in die Volksrepublik. China forderte daher damals ebenso wie die USA, die Vereinten Nationen und andere Russland öffentlich auf, zu dem Deal zurückzukehren. Und nur wenige Tage nach dem Ende des Abkommens kündigte China an, den Handel mit der Ukraine ausbauen zu wollen. rtr/ck

  • Handel
  • Ukraine

Produktions-Aktivität steigt erstmals seit sechs Monaten 

Die Produktionstätigkeit in China ist im September zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder gestiegen. Der Einkaufsmanagerindex (PMI), der auf einer Umfrage unter den wichtigsten Herstellern in China basiert, stieg von 49,7 auf 50,2, wie das Nationale Statistikamt am Samstag mitteilte. Der Wert liegt damit knapp über der 50-Punkte-Marke, die eine Kontraktion von einer Expansion unterscheidet. Auch der PMI für das nicht-verarbeitende Gewerbe, darunter Dienstleistungssektor und das Baugewerbe, stieg auf 51,7 an, gegenüber 51,0 im August. Der zusammengesetzte PMI, der das verarbeitende und das nicht-verarbeitende Gewerbe umfasst, kletterte von 51,3 auf 52,0. “Der PMI für das verarbeitende Gewerbe und die guten Zahlen für die Industriegewinne deuten darauf hin, dass die Wirtschaft allmählich die Talsohle erreicht hat”, sagte Zhou Hao, Chefökonom bei Guotai Junan International. rtr/ck

  • Konjunktur
  • Wirtschaft

Malediven bekommen China-freundlichen Präsidenten

Der als China-freundlich geltende Mohamed Muizzu wird neuer Präsident der Malediven. Der Bürgermeister der Hauptstadt Malé gewann die Stichwahl am Samstag mit mehr als 54 Prozent der Stimmen. Muizzu hatte seinen Wahlkampf gegen den Indien-freundlichen Amtsinhaber Ibrahim Solih unter das Motto “Indien raus” gestellt. China und Indien ringen seit langem um Einfluss in der strategisch wichtigen Region. Traditionell gehörten die Malediven zum Einflussgebiet Indiens.

Muizzu gilt hingegen als Verbündeter des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Abdulla Yameen, der vor Solih fünf Jahre regiert hatte. Yameen hatte den Beitritt zu Chinas “Belt and Road”-Initiative (BRI) unterschrieben und sich um chinesische Kredite für den Tourismus und andere Projekte bemüht. ck

  • Geopolitik
  • Indien

Presseschau

Finanzminister Lindner will Handel zwischen Deutschland und China stärken HANDELSBLATT
In blow to India, pro-China candidate wins Maldives election WASHINGTONPOST
AfD: Maximilian Krah, das Geld aus China und die Geheimdienste T-ONLINE
Schikane an umstrittenen Inselchen: “Gefahr, dass China eine Eskalation provoziert” MERKUR
Die USA können Chinas Aufstieg nicht aufhalten – und sollten aufhören, es zu versuchen MERKUR
Schweiz trägt Sanktionen der EU gegen China nicht mit BOERSE
“Sehr gefährlich”: Putins Top-Propagandist warnt plötzlich vor China FR
China: Reisen als patriotische Tat RHEINPFALZ
EU-Kommissar verteidigt mögliche Strafzölle auf E-Autos aus China BOERSE
Warum sich in Russland Container aus China stapeln CAPITAL
Chinas Produktionstätigkeit steigt erstmals seit sechs Monaten MANAGER-MAGAZIN
Stimmung hellt sich auf: China – Einkaufsmanagerindex setzt Aufwärtstrend fort FINANZEN
Industrie und Dienstleistungssektor in China wachsen kaum noch WIWO
Die 1,4 Milliarden Einwohner Chinas reichen nicht aus, um die leeren Häuser des Landes zu füllen, sagt ein ehemaliger Beamter BUSINESS INSIDER
Hohe Jugendarbeitslosigkeit: Trübe Wirtschaftslage – Lotto-Boom in China ZDF
MAN Energy Solutions hat ein China-Problem SUEDDEUTSCHE
Tesla: Überarbeitetes Model Y in China aufgetaucht IT-TIMES
China to help Pakistan launch miniature satellite in Chang’e 6 lunar mission HINDUSTAN TIMES

Heads

Vita Golod – Vorsitzende des ukrainischen Sinologen-Verbands

Vita Golod hat die Hoffnung auf China als Friedensmediator nicht verloren. Peking warte auf einen guten Moment dafür, ist sich die ukrainische Sinologin sicher. “Beide Seiten müssen bereit sein, zu verhandeln”, sagt Golod. Das sei das Hauptnarrativ der chinesischen Forschenden, die Kiew kürzlich besucht hätten. Golod ist seit 2019 die Vorsitzende der ukrainischen Sinologen-Vereinigung. Der Thinktank hat mehr als 200 Mitglieder und will laut Golod den Austausch über die Volksrepublik fördern. Viele Veranstaltungen seien seit Beginn der russischen Invasion nur noch online möglich – das sei sie seit der Covid-Pandemie aber ohnehin gewohnt gewesen, sagt Golod. Sie wünscht sie dennoch wieder mehr persönlichen Austausch. 

Der Beginn des russischen Krieges gegen ihr Heimatland hat nicht nur ihren Alltag in Kiew verändert, sondern auch den Verband: “Wir haben fast alle bisherigen Kontakte zur chinesischen Wissenschaft verloren, aber mit jungen Forschenden neue aufgebaut. Sie betrachten die Ukraine als ein europäisches Land”, sagt Golod. Zu Beginn des Krieges hätten sich noch einige chinesische Ansprech- und Austauschpartner gemeldet und Empathie für die Situation ausgedrückt. Das sei mittlerweile aber nicht mehr der Fall. 

Dabei wäre der Kontakt und eine Reise nach China für ihre Feldforschung und Sprachkenntnisse so wichtig, sagt die Sinologin. Alles verändere sich dort so schnell. Eine Reise sei derzeit aber schwierig. Vor allem auch, weil Golod einen heiklen Themen-Schwerpunkt hat: Sie forscht aktuell am renommierten Krymskiy-Institut für Orientalistik zu chinesischen Muslimen und deren Identität aus der Perspektive des chinesischen Nationalismus

Doktorarbeit zu asiatischer Geldpolitik

Mit der chinesischen Sprache kam Golod bereits sehr früh in Kontakt: Ihre Eltern schickten sie auf eine spezielle Schule, an der intensiv Mandarin unterrichtet wird. “In der damaligen Sowjetunion gab es nur drei solcher Schulen, eine davon in Kiew.” Ihre Eltern hatten sich eine besondere Schule für sie gewünscht, sagt Golod. Außerdem sei diese nah an ihrem Zuhause und eine Ganztagesschule gewesen. Zehn Jahre lang hatte sie jeden Tag Chinesisch-Unterricht bei ukrainischen, aber auch bei chinesischen Lehrenden. Die Volksrepublik besuchen konnte sie wegen Reisebeschränkungen der Sowjetunion damals aber nicht. 

Dass sie fließend Mandarin spricht, half ihr, am Institut für Internationale Beziehungen an der Nationale Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew aufgenommen zu werden. Dort schloss sie ein Bachelor- und ein Master-Studium ab. Im Rahmen des ersten Studiums ging sie für ein Jahr an das Taiwanese Mandarin Center an der Normal University in Taipeh. “Das hat mir mit den Sprachkenntnissen sehr geholfen. Ich habe jede Chance genutzt, Mandarin zu sprechen.” 

Taiwan spielte später auch in ihrer Dissertation eine Rolle. Für ihren Doktortitel am Institut für Weltwirtschaft und Institut für Internationale Beziehungen an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine habe sie ihren Schwerpunkt auf die Geldpolitik in Ländern im asiatisch-pazifischen Raum und dabei speziell auf Taiwan gelegt, sagt die Sinologin. 

Zu viel Populismus in Berichterstattung

Golod hat seit Februar 2023 rund 50 Interviews gegeben. Sie hofft, dass ihre Expertise als China-Wissenschaftlerin die chinesische Position aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen kann. Sie bedauert, dass die Politik die Sinologie heute immer mehr beeinflusst. “Das Thema ist mehr denn je eine internationale Angelegenheit”, fügt sie hinzu. Golod würde gerne eine ausgewogenere China-Berichterstattung in der Ukraine sehen. Sie findet diese zu populistisch, was für ein Land im Kriegszustand sehr gefährlich sei.

Für das Ukraine-China-Magazin, das der Sinologen-Verband jährlich herausgibt, wünscht sie sich wieder mehr Beiträge von chinesischen Kollegen – aber auch andere internationale Beiträge von Forschenden aus anderen Ländern. “Es ist wichtig, dass unterschiedliche Gesichtspunkte zu China gezeigt werden”, sagt Golod. Ab November wird sie in die USA gehen: Am Carolina Asia Center der University of North Carolina in Chapel Hill will sie ihre Forschung fortsetzen und das Netzwerk für den Sinologen-Verband weiter ausbauen, so Golod. Amelie Richter

Personalie

Mark Lambert wird neuer stellvertretender Staatssekretär für China und Taiwan. Das teilte das Außenministerium in einer Pressemitteilung mit. Auch wird er demnach das Büro für China-Koordinierung im US-Außenministerium leiten. Das sogenannte China House war Ende vergangenen Jahres gegründet worden, um die China-Politik zu vereinheitlichen und besser zu koordinieren.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Im Hongkonger Stadtviertel Tai Hang prozessieren Bewohner mit einem rot glühenden Drachen durch die Menge. Der Brauch geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Damals soll eine dort ansässige Gemeinde vor dem Mondfest von einer Plage, einem Taifun und einer Python heimgesucht worden sein. Erst ein dreitägiger Drachentanz konnte das Unheil austreiben. Heute kommen für das Straßenfest bis zu 300 Tänzer zusammen, die einen selbstgebastelten Drachen aus rund 72.000 brennenden Räucherstäbchen durch die engen Gassen balancieren.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Konkrete Details waren, wie so oft bei solchen Treffen, eher Mangelware. Doch allein das Zustandekommen des Treffens kann derzeit als Erfolg der Diplomatie gelten. Noch vor wenigen Monaten wurde Lindner direkt vor einer China-Reise ausgeladen. Zu viele Parteifreunde und -Freundinnen aus seiner China-kritischen FDP waren nach Taipeh gereist. Nun stehen eher die Grünen am Pranger, weil Außenministerin Annalena Baerbock Staatschef Xi Jinping einen Diktator nannte.

    Staatssekretärin Jennifer Morgan durfte daher vergangene Woche in Peking nur Klimazar Xie Zhenhua treffen. Noch im April hatte man ihr Zugang zu mehreren hochrangigen Politikern gewährt. Die Erfahrung Lindners zeigt aber, dass solcher Ärger in Peking nicht ewig währt. Eine Normalisierung dürfte also mit der Zeit auch gegenüber dem Auswärtigen Amt erfolgen, sofern keine neuen Störungen erfolgen.

    Seit einigen Wochen debattieren deutsche China-Forscher über die Frage, ob in Xinjiang wieder Normalität eingekehrt sei. So hatten es zwei deutsche Sinologen unlängst in einem Bericht für die NZZ dargestellt, der einen heftigen Streit unter den Fachkollegen ausgelöst hatte. Nun äußert sich im Interview mit Table.Media eine Uigurin. Die Menschen hätten weiterhin Angst, offen zu sprechen, und sie selbst könne weiterhin nicht mit ihrer Familie in Kontakt treten, sagt die in Deutschland geborene Shahnura Kasim, die auf Tiktok und Instagram die Menschenrechtslage in Xinjiang beklagt.

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    Finanzdialog zeigt Willen zu gegenseitiger Marktöffnung

    Bundesfinanzminister Christian Lindner und Chinas Vizepremier He Lifeng vereinbarten auf dem 3. Hochrangigen Deutsch-Chinesischen Finanzdialogs in Frankfurt am Main mehr Marktöffnung und Zusammenarbeit.

    Am Ende schütteln sich Bundesfinanzminister Christian Lindner und Chinas Vizepremier He Lifeng die Hände und lächeln recht entspannt in die Kameras. Lindner klopft He auf die Schulter. Viel ist in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Abschluss des dritten Hochrangigen Chinesisch-Deutschen Finanzdialogs in Frankfurt am Main die Rede von Zusammenarbeit und Übereinstimmung. Wenn es Knackpunkte gab, so werden diese nicht deutlich.

    Deutschland und China wollten den Marktzugang für die jeweils andere Seite erweitern, sagte Lindner am Sonntag ganz allgemein. Dies solle im Sinne fairer Wettbewerbsbedingungen geschehen. “Das schafft Chancen auf beiden Seiten für mehr verantwortungsvollen Handel und Investitionen.” Die Bundesregierung hatte sich unter anderem besseren Zugang für deutsche Banken in China gewünscht.

    In der gemeinsamen Erklärung heißt es zum Thema Banken:

    • Deutschland begrüße die Fortschritte Chinas beim Aufbau besserer regulatorischer Bedingungen für ausländische Banken.
    • Die zuständigen Behörden beider Seiten hätten vereinbart, einen Dialog zu führen über Voraussetzungen für die Befreiung der Niederlassungspflicht für chinesische Banken in Deutschland. China wolle mindestens eine Bank “ermutigen”, eine Tochtergesellschaft in Frankfurt am Main als Europa-Hub zu gründen – ein Anliegen Berlins.
    • Beide Seiten ermutigten qualifizierte deutsche Finanzunternehmen zur aktiven Teilnahme am chinesischen Interbankenmarkt, etwa durch die Ausgabe sogenannter “Panda-Anleihen”, Investitionen in RMB-Anleihen und die Teilnahme am chinesischen Interbanken-Devisenmarkt.
    • Beide Seiten unterstützen deutsche Banken bei RMB-Geschäften und -Finanzdienstleistungen

    Vertreter aus Konzernen und Banken

    Auch He Lifeng sprach sich beim Pressestatement für eine Öffnung der Finanzmärkte aus. Die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden für Versicherer sollen laut He verstärkt werden

    An dem Dialog hatten neben Lindner und He auch Vertreter der Bundesbank, der chinesischen Zentralbank und der Aufsichtsbehörden im Finanzsektor teilgenommen. Auch die größten Konzerne aus der Branche waren zeitweise mit Chefs oder Topmanagern unter anderem der Deutschen Börse, der Deutschen Bank, der Allianz, der bundeseigenen KfW und der Landesbank Baden-Württemberg dabei – ebenso wie auf chinesischer Seite die vier führenden Staatsbanken, darunter die Bank of China.

    Globale Finanzthemen

    Doch es ging auch um die große Weltpolitik. Beide Länder bekannten sich in ihrer Erklärung laut Lindner “klar zu einer offenen Weltwirtschaft und zum Multilateralismus” im Rahmen internationaler Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO oder dem Internationalen Währungsfonds. Laut He wollen sie die Kooperation gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung verstärken.

    Beide Politiker sprachen zudem über die Schuldenlast vieler armer Entwicklungsländer, auch das ein Anliegen des Westens. China habe sich dazu bekannt, den Mechanismus der G20-Ländergruppe zur Schuldenrestrukturierung von Ländern in Schwierigkeiten zu nutzen. Das sei ausdrücklich zu begrüßen, sagte Lindner. “Denn ohne China als so einem wichtigen Akteur der Weltpolitik sind Lösungen nicht vorstellbar.” China ist in vielen Entwicklungsländern einer der größten Gläubiger und erlässt praktisch nie deren Schulden.

    Normale Kommunikation im Finanzsektor

    Es ist kein ganz einfacher Zeitpunkt in den deutsch-chinesischen Beziehungen, und so darf schon das Zustandekommen des Treffens als Erfolg gelten. Derzeit gibt es gleich mehrere Problempunkte: Berlin will voraussichtlich Produkte der Telekommunikationskonzerne Huawei und ZTE aus Teilen seines Mobilfunknetzes entfernen lassen.

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in einem Interview mit dem US-Sender Fox News Staatschef Xi Jinping als “Diktator” bezeichnet und diese Bezeichnung im deutschen Fernsehen noch einmal bekräftigt. Auch gibt es in mehreren Ministerien Sorgen über den im Bund zustimmungspflichtigen Verkauf von Volkswagens Gasturbinen-Tochter MAN Energy Solutions an CSIC Longjiang GH Gas Turbine Co, das zum staatlichen Werftenkonzern China State Shipbuilding Corporation (CSSC) gehört.

    Die letzte Runde des Finanzdialogs fand Anfang 2019 statt und damit vor der Corona-Pandemie. Lindner sprach sich nun dafür aus, den Dialog künftig jährlich und nicht nur alle zwei Jahre auszutragen. Die Finanzpolitik gehört also offenbar zu den Feldern, die auch in Zeiten des “De-Risking” weitgehend normal funktionieren – und die gemeinsame Erklärung ließ durchscheinen, dass es dabei eher um ein Mehr an Kooperation ging, als um eine Entflechtung. Auch die EU hat laut Handelskommissar Valdis Dombrovskis bei seinem Besuch in China eine Arbeitsgruppe für Finanzdienstleistungen eingerichtet.

    Auswärtiges Amt spürt noch den Ärger Pekings

    Der hochrangige Gesprächspartner dürfte zudem ein Signal gewesen sein, dass China der FDP die Taiwan-Besuche mehrerer führender Politiker der Partei, einschließlich der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, und Kritik an der Volksrepublik nicht mehr gegen die Partei auslegt. Eine solche Vergebung scheint gegenüber dem Auswärtigen Amt aus Sicht Pekings noch nicht geboten.

    Das bekam vergangene Woche Baerbocks Klimabeauftragte und Staatssekretärin Jennifer Morgan zu spüren. Auf ihrer dreitägigen Reise nach China traf Morgan mit ihrem Counterpart, Klimazar Xie Zhenhua, nur einen einzigen hochrangigen Politiker – wenn auch den wichtigsten für ihr Portfolio. Andere hatten angeblich keine Zeit. Immerhin traf sie am Rande eines Dialogforums an der Tsinghua-Universität noch Vize-Umweltminister Zhao Yingmin, und damit einen gleichrangigen Politiker.

    Dialog zu Sicherheit mit Kanzleramtsminister Schmidt

    Angesichts des aktuellen Umgangs mit der FDP – die ebenso wie die Grünen in Deutschland zu den China-Falken gehören – ist aber zu erwarten, dass auch im Umgang mit dem Auswärtigen Amt wieder Normalität einkehren wird. Die Halbwertszeit des Pekinger Ärgers reicht nie ewig. Lindner war im Mai noch direkt vor einer Reise nach Peking kurzfristig ausgeladen worden, vermutlich als Reaktion auf die Taiwan-Reisen der FDP-Gruppen. Und nun schickte Peking sogar den ranghöheren He Lifeng nach Frankfurt statt des Finanzministers, der offenbar kurz vor dem Ruhestand steht.

    Auch andere Dialogformate leben derzeit wieder auf. Wenig beachtet von der Öffentlichkeit fand am vergangenen Dienstag der Hochrangige Deutsch-Chinesische Sicherheitsdialog zum vierten Mal statt. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt von der SPD empfing dabei den Leiter der Zentralen Kommission der KPCh für Politik und Recht, Chen Wenqing. Das teilte das Bundespresseamt mit, ohne Details zu den Gesprächen zu nennen. Der Dialog geht zurück auf eine Initiative der chinesischen Regierung aus dem Jahr 2016 und war ebenfalls durch die Pandemie unterbrochen worden.

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    Interview

    “Ich muss nicht in Xinjiang sein, um zu beweisen, was dort passiert”

    Die Vloggerin Shahnura Kasim berichtet über die Menschenrechtslage in Xinjiang.

    In einem Beitrag für die NZZ erklärten zwei deutsche China-Wissenschafter nach einer Xinjiang-Reise, dass sich die Menschenrechtslage dort normalisiert habe. Auch schrieben sie, dass die von der chinesischen Zentralregierung angestoßenen Modernisierungen aufseiten der uigurischen Bevölkerung unübersehbar auf Sympathie stoßen würden. Sie haben Verwandte vor Ort. Was ist Ihr Eindruck, hat sich die Lage wirklich normalisiert?  

    Zu behaupten, die Situation dort hätte sich normalisiert, ist eine unverschämte, unprofessionelle und unmögliche Aussage. Vermutlich kennen diese Wissenschaftler keine Uiguren persönlich oder haben sich nie mit einer oder einem unterhalten. Wir haben nie Hilfe in Sachen “Modernisierung” gebraucht, denn wir waren nie unzivilisierte Menschen. Wir Uiguren sind ein Volk mit einer langen Geschichte und einer prachtvollen Kultur. Aber über sowas wird nicht geredet. Denn das erfordert Wissen und Informationen und vor allem Zeit. Die Aussagen, es wäre alles wieder normal, sind einfach und ohne Recherche zu tätigen – denn es sind einfach die Aussagen der chinesischen Regierung. Es ist eine Unverschämtheit, so etwas als Wissenschaftler zu wiederholen, denn Wissenschaftler haben ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Viele glauben ihnen blind, und das ist auch das Ziel der chinesischen Regierung. Ich bin mir sicher, dass es eine Gegenleistung für solche Propaganda-Aussagen gibt.  

    Die Forscher erklärten, sie seien auf eigene Initiative und eigene Kosten nach Xinjiang gereist. Wie ist die Situation für Ihre Familie und Bekannte vor Ort? Können Sie Xinjiang besuchen oder mit den Menschen direkt sprechen?   

    Man kann in die Region einreisen, aber ob man dort Privatsphäre und Freiheit hat, ist eine andere Sache. Viele Journalisten sind dorthin gereist, es gibt sogar kurze Doku-Filme von deutschen Journalisten, die 24/7 dort überwacht wurden und auch nur dorthin gehen durften, wo die chinesischen Behörden es erlaubten. Eine generelle Diskriminierung bekommt man so vor Ort nicht mit, in menschenleeren Straßen, wo keiner mit irgendjemandem redet, aus Angst eingesperrt zu werden. Wenn ja alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, warum können wir dann immer noch nicht unsere Familien kontaktieren? Wieso können wir nicht wie jeder normale Mensch in die Heimat reisen? Wieso können wir nicht mal telefonieren oder facetimen?  

    Ihre Kritiker sagen, Sie selbst seien noch nie in China gewesen und könnten die Situation vor Ort nicht einschätzen. Was entgegnen Sie darauf?  

    Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Verwandtschaft kenne ich nicht einmal, denn ich habe nur meine Eltern und Geschwister hier. Meine Eltern können ihre eigenen Eltern nicht sehen und das seit mehr als 20 Jahren. Die letzten fünf Jahre waren schlimm genug – und es wird schlimmer von Tag zu Tag, denn es gibt keinen Aufschrei der Welt und so macht die chinesische Regierung immer weiter. Ich muss nicht dort sein, um beweisen zu können, was dort passiert. Wir haben Satelliten-Bilder, wir haben Aussagen von Menschenrechtlern, die im Europäischen Parlament arbeiten. Wir haben Uiguren, die in diesen schrecklichen Lagern waren und davon berichten – Menschen, die dort gelebt haben und jetzt im Ausland sind. Wir haben die “Xinjiang Police Files”, die geleakten Dokumente. Wir haben schon zu viele Beweise, um etwas verleugnen zu können.  

    Die Forscher schreiben auch, dass die Menschen in Xinjiang zwischen 2010 und 2016 selbst unter den Folgen eines “massivem islamistischem Terrors” litten, etwa Bombenanschlägen und bewaffneten Attacken. Sind Ihnen Uiguren bekannt, die die Maßnahmen der chinesischen Regierung gutheißen? 

    Sobald es um Muslime geht, spricht man schnell von Terrorismus, weil man dadurch einfacher radikale Maßnahmen durchsetzen kann. Uiguren sind keine Terroristen und waren auch nie welche. Und selbst wenn es so wäre, wäre das kein Grund Konzentrationslager aufzubauen, Frauen und Männer zu sterilisieren, Kinder zur Zwangsadoption freizugeben, Menschen einer Gehirnwäsche zu unterziehen.  

    Natürlich gibt es Uiguren, die die Situation schönreden und behaupten es wäre alles bestens. Die stehen jedoch in enger Zusammenarbeit mit chinesischen Behörden. Meine Mama hat einen Heimatslosen-Pass, weil sie nicht für die Behörden arbeiten und keine “Spionage” betreiben wollte. Meinem Papa wurde bereits 2013 der Kontakt zu seiner Familie verboten, aus demselben Grund. Das Projekt “Neue Seidenstraße” konnte nur ein Erfolg werden, weil es niemanden interessiert, ob wir sterben oder nicht. Diese Menschen rennen alle nur ihren wirtschaftlichen Interessen hinterher und profitieren von uns Uiguren, Stichwort Zwangsarbeit.  

    Ihr Instagram-Account heißt “Freedom for East-Turkestan”. Der Begriff ist auch unter Uiguren eng mit politischen, ethnischen und kulturellen Kontroversen verbunden. Peking verbindet den Namen mit Separatismus und Terrorismus. Ist es eine radikale Position, sich für ein freies Ostturkestan einzusetzen? 

    Es ist niemals eine radikale Position, sich für die Freiheit eines Volkes einzusetzen. Für uns Uiguren heißt unser Land Ostturkestan und nicht anders. Peking verbindet alles, was mit Uiguren zu tun hat, direkt mit Terrorismus und Separatismus, aber sie schauen nicht auf ihre eigenen Taten. Wir alle wissen, es passiert ein Genozid. Der erste High-Tech-Genozid in der Geschichte. Dementsprechend ist es eher Terrorismus, wenn man Pro-China ist – denn das bedeutet, man ist gegen Menschenrechte und alles was einen Menschen ausmacht. 

    Gibt es für Sie keine Alternative für Xinjiang unter chinesischer Regierung?  

    Dazu sage ich nur: Wir Uiguren wollen keine Autonomie, wir sind jetzt als Autonomie eingetragen und sehen was passiert. Wir wollen Demokratie, ein eigenes unabhängiges Land, mit unserer eigenen Regierung, eigenem Gesetz und eigenem Präsidenten. Wir haben lange genug gelitten und das ist das Mindeste, was wir verlangen dürfen: ein freies, unabhängiges Ostturkestan.  

    Tut der Westen genug? Wer sollte Ihrer Meinung nach mehr Gehör bekommen? 

    Keineswegs tut der Westen viel. Es müssen mehr Sanktionen gesetzt werden. Mehr chinesische Produkte müssen boykottiert werden. Der Genozid muss als Begriff in diesem Zusammenhang überall anerkannt werden. Uiguren brauchen eine größere und stärkere mediale Präsenz. Wir brauchen mehr Gehör und keine Wissenschaftler, deren Lügen dann auch noch veröffentlicht werden.  

    Die 20-jährige Vloggerin Shahnura Kasim macht auf Instagram und Tiktok auf das Schicksal der Uiguren in Xinjiang aufmerksam. Sie selbst ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. 2019 erfuhr ihre Familie, dass ihre Großmutter in Xinjiang in einem Umerziehungslager interniert wurde und ihre Tante vermisst wird. Kasim lebt und studiert in München, wo sie neben den Kurzvideos für ihre knapp 14.000 Follower auch mit Demonstrationen auf die Situation der Uiguren hinweist.

    • Menschenrechte
    • Uiguren

    News

    E-Auto-Handel zwischen EU und Großbritannien drohen Zölle – wegen China

    Die Einfuhr von Elektroautos und Komponenten aus China betrifft auch einen Brexit-Vertrag zwischen der EU und Großbritannien. Das Problem: Im Rahmen eines Post-Brexit-Abkommens zwischen der EU und Großbritannien wird ab Januar ein Zoll von zehn Prozent auf alle zwischen beiden Seiten gehandelten Elektrofahrzeuge fällig, wenn weniger als 45 Prozent ihres Wertes aus der EU und Großbritannien stammen. Das ist schwer zu erreichen für die Autoindustrie, die laut Bloomberg derzeit die meisten Batterien für Elektrofahrzeuge – in der Regel etwa 40 Prozent des Fahrzeugwerts – aus Asien bezieht. Die Branche übt daher Druck auf Brüssel aus, die Frist um drei Jahre zu verlängern.

    EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis hat das Problem erkannt. “Wir hoffen, dass wir Zölle vermeiden können. Die Industrie auf beiden Seiten macht Druck”, sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Man könne das aber ohne Öffnung des Brexit-Vertrags hinbekommen. “Wir haben dabei natürlich auch den starken Anstieg der E-Auto-Einfuhr aus China im Hinterkopf”, so Dombrovskis. “Wenn die EU und Großbritannien sich jetzt gegenseitig mit Zöllen belegen, wird das unserer Industrie nicht helfen, sondern wenn überhaupt nur China.”

    Dombrovskis verteidigte die Forderung der EU-Kommission nach Strafzöllen auf chinesische E-Autos. Das Prüfungsverfahren werde in den nächsten Tagen eingeleitet, sagte Dombrovskis. Einige Staaten hätten Bedenken angemeldet, man sei “in engem Kontakt.” Kürzlich hatte es Berichte gegeben, auch Tesla und andere internationale Autobauer könnten von möglichen Strafzöllen getroffen werden. Dombrovskis schloss das nicht aus: “Sagen wir es so: Es ist noch keine Entscheidung gefallen, aber das Verfahren ist nicht auf chinesische Marken beschränkt.”

    Bundeskanzler Olaf Scholz hat unterdessen Bedenken gegen mögliche Strafzölle geäußert. “Ich bin davon nicht sehr überzeugt, um es höflich auszudrücken”, sagte Scholz der Wirtschaftswoche. “Unser Wirtschaftsmodell sollte nicht auf Protektionismus beruhen, sondern auf der Attraktivität unserer Produkte.” ck

    • Autoindustrie
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    • Handel
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    Nachfolge im Finanzministerium vorbereitet

    Die Kommunistische Partei hat Lan Fo’an zum neuen Parteichef des Finanzministeriums ernannt. Damit ist er auf dem besten Weg, der nächste Finanzminister zu werden. Lan wird Liu Kun in dieser Funktion ablösen, der nach Angaben des Ministeriums vorerst Chinas Finanzminister bleibt.

    Lan war zuvor Parteichef der nordchinesischen Provinz Shanxi. Sein Rücktritt von diesem Posten wurde parallel Ende vergangener Woche von staatlichen Medien bekannt gegeben. Der heute 61-Jährige hatte seine Karriere 1985 nach einem Finanzstudium in Hubei in der Finanzabteilung der südlichen Provinz Guangdong begonnen. Im Jahr 2021 wurde er zunächst stellvertretender Parteichef von Shanxi, bevor er im Dezember 2022 an die Spitze rückte.

    Liu, Kun war seit 2018 Chinas Finanzminister und behielt trotz Erreichen des Rentenalters für Minister von 65 Jahren bei der Regierungsumbildung auf dem Nationalen Volkskongress im März vorerst seinen Posten. Nun geht er offenbar in den Ruhestand. Liu war laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin ein “überzeugter Reformer, der Chinas Steuersystem verbessern wollte und sich mit den Billionen Dollar an nicht bilanzierten Krediten lokalen Regierungen, sogenannten versteckten Schulden, befasste”. Diese Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen und wartet nun auf Lan. ck/rtr

    China importiert Mais aus der Ukraine

    Chinesische Importeure sollen in den vergangenen zwei Wochen in großem Umfang Futtermais aus der Ukraine gekauft haben. Das berichtet Reuters unter Berufung auf Händler in Asien und Europa. Die Händler konnten aber keine exakte Zahl nennen. Einige Schätzungen europäischer Händler aber reichten von 500.000 bis eine Million Tonnen für Lieferungen zwischen Oktober und Dezember. Eine ukrainische Regierungsquelle bestätigte die Maisverkäufe an China.

    “Importeure in China haben etwa zehn bis 12 Panamax-Ladungen (eine Schiffskapazität hat mehr als 60.000 Tonnen Getreide) ukrainischen Mais für die Verschiffung im November/Dezember gekauft”, sagte der Singapurer Händler eines internationalen Getreidehandelsunternehmens. “Die Ukraine ist derzeit das billigste Herkunftsland für Mais.” Das liegt an dem Ende des Getreideabkommens, das Russland nicht mehr verlängern wollte. Seither sind die Preise in der Ukraine stark gefallen; das Land exportiert in geringerer Menge Getreide über rumänische Häfen oder eine neue Schifffahrtsroute vom Hafen Odessa dicht an der eigenen Küste entlang. Bislang gab es dabei keine Zwischenfälle.

    China ist traditionell einer der größten Käufer von ukrainischem Mais zur Deckung seines Tierfutterbedarfs. Auch war China der größte Abnehmer ukrainischen Getreides im Rahmen des im Juli abgelaufenen Abkommen; knapp ein Viertel des während des Abkommens verschifften Getreides (24,2 Prozent) ging in die Volksrepublik. China forderte daher damals ebenso wie die USA, die Vereinten Nationen und andere Russland öffentlich auf, zu dem Deal zurückzukehren. Und nur wenige Tage nach dem Ende des Abkommens kündigte China an, den Handel mit der Ukraine ausbauen zu wollen. rtr/ck

    • Handel
    • Ukraine

    Produktions-Aktivität steigt erstmals seit sechs Monaten 

    Die Produktionstätigkeit in China ist im September zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder gestiegen. Der Einkaufsmanagerindex (PMI), der auf einer Umfrage unter den wichtigsten Herstellern in China basiert, stieg von 49,7 auf 50,2, wie das Nationale Statistikamt am Samstag mitteilte. Der Wert liegt damit knapp über der 50-Punkte-Marke, die eine Kontraktion von einer Expansion unterscheidet. Auch der PMI für das nicht-verarbeitende Gewerbe, darunter Dienstleistungssektor und das Baugewerbe, stieg auf 51,7 an, gegenüber 51,0 im August. Der zusammengesetzte PMI, der das verarbeitende und das nicht-verarbeitende Gewerbe umfasst, kletterte von 51,3 auf 52,0. “Der PMI für das verarbeitende Gewerbe und die guten Zahlen für die Industriegewinne deuten darauf hin, dass die Wirtschaft allmählich die Talsohle erreicht hat”, sagte Zhou Hao, Chefökonom bei Guotai Junan International. rtr/ck

    • Konjunktur
    • Wirtschaft

    Malediven bekommen China-freundlichen Präsidenten

    Der als China-freundlich geltende Mohamed Muizzu wird neuer Präsident der Malediven. Der Bürgermeister der Hauptstadt Malé gewann die Stichwahl am Samstag mit mehr als 54 Prozent der Stimmen. Muizzu hatte seinen Wahlkampf gegen den Indien-freundlichen Amtsinhaber Ibrahim Solih unter das Motto “Indien raus” gestellt. China und Indien ringen seit langem um Einfluss in der strategisch wichtigen Region. Traditionell gehörten die Malediven zum Einflussgebiet Indiens.

    Muizzu gilt hingegen als Verbündeter des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Abdulla Yameen, der vor Solih fünf Jahre regiert hatte. Yameen hatte den Beitritt zu Chinas “Belt and Road”-Initiative (BRI) unterschrieben und sich um chinesische Kredite für den Tourismus und andere Projekte bemüht. ck

    • Geopolitik
    • Indien

    Presseschau

    Finanzminister Lindner will Handel zwischen Deutschland und China stärken HANDELSBLATT
    In blow to India, pro-China candidate wins Maldives election WASHINGTONPOST
    AfD: Maximilian Krah, das Geld aus China und die Geheimdienste T-ONLINE
    Schikane an umstrittenen Inselchen: “Gefahr, dass China eine Eskalation provoziert” MERKUR
    Die USA können Chinas Aufstieg nicht aufhalten – und sollten aufhören, es zu versuchen MERKUR
    Schweiz trägt Sanktionen der EU gegen China nicht mit BOERSE
    “Sehr gefährlich”: Putins Top-Propagandist warnt plötzlich vor China FR
    China: Reisen als patriotische Tat RHEINPFALZ
    EU-Kommissar verteidigt mögliche Strafzölle auf E-Autos aus China BOERSE
    Warum sich in Russland Container aus China stapeln CAPITAL
    Chinas Produktionstätigkeit steigt erstmals seit sechs Monaten MANAGER-MAGAZIN
    Stimmung hellt sich auf: China – Einkaufsmanagerindex setzt Aufwärtstrend fort FINANZEN
    Industrie und Dienstleistungssektor in China wachsen kaum noch WIWO
    Die 1,4 Milliarden Einwohner Chinas reichen nicht aus, um die leeren Häuser des Landes zu füllen, sagt ein ehemaliger Beamter BUSINESS INSIDER
    Hohe Jugendarbeitslosigkeit: Trübe Wirtschaftslage – Lotto-Boom in China ZDF
    MAN Energy Solutions hat ein China-Problem SUEDDEUTSCHE
    Tesla: Überarbeitetes Model Y in China aufgetaucht IT-TIMES
    China to help Pakistan launch miniature satellite in Chang’e 6 lunar mission HINDUSTAN TIMES

    Heads

    Vita Golod – Vorsitzende des ukrainischen Sinologen-Verbands

    Vita Golod hat die Hoffnung auf China als Friedensmediator nicht verloren. Peking warte auf einen guten Moment dafür, ist sich die ukrainische Sinologin sicher. “Beide Seiten müssen bereit sein, zu verhandeln”, sagt Golod. Das sei das Hauptnarrativ der chinesischen Forschenden, die Kiew kürzlich besucht hätten. Golod ist seit 2019 die Vorsitzende der ukrainischen Sinologen-Vereinigung. Der Thinktank hat mehr als 200 Mitglieder und will laut Golod den Austausch über die Volksrepublik fördern. Viele Veranstaltungen seien seit Beginn der russischen Invasion nur noch online möglich – das sei sie seit der Covid-Pandemie aber ohnehin gewohnt gewesen, sagt Golod. Sie wünscht sie dennoch wieder mehr persönlichen Austausch. 

    Der Beginn des russischen Krieges gegen ihr Heimatland hat nicht nur ihren Alltag in Kiew verändert, sondern auch den Verband: “Wir haben fast alle bisherigen Kontakte zur chinesischen Wissenschaft verloren, aber mit jungen Forschenden neue aufgebaut. Sie betrachten die Ukraine als ein europäisches Land”, sagt Golod. Zu Beginn des Krieges hätten sich noch einige chinesische Ansprech- und Austauschpartner gemeldet und Empathie für die Situation ausgedrückt. Das sei mittlerweile aber nicht mehr der Fall. 

    Dabei wäre der Kontakt und eine Reise nach China für ihre Feldforschung und Sprachkenntnisse so wichtig, sagt die Sinologin. Alles verändere sich dort so schnell. Eine Reise sei derzeit aber schwierig. Vor allem auch, weil Golod einen heiklen Themen-Schwerpunkt hat: Sie forscht aktuell am renommierten Krymskiy-Institut für Orientalistik zu chinesischen Muslimen und deren Identität aus der Perspektive des chinesischen Nationalismus

    Doktorarbeit zu asiatischer Geldpolitik

    Mit der chinesischen Sprache kam Golod bereits sehr früh in Kontakt: Ihre Eltern schickten sie auf eine spezielle Schule, an der intensiv Mandarin unterrichtet wird. “In der damaligen Sowjetunion gab es nur drei solcher Schulen, eine davon in Kiew.” Ihre Eltern hatten sich eine besondere Schule für sie gewünscht, sagt Golod. Außerdem sei diese nah an ihrem Zuhause und eine Ganztagesschule gewesen. Zehn Jahre lang hatte sie jeden Tag Chinesisch-Unterricht bei ukrainischen, aber auch bei chinesischen Lehrenden. Die Volksrepublik besuchen konnte sie wegen Reisebeschränkungen der Sowjetunion damals aber nicht. 

    Dass sie fließend Mandarin spricht, half ihr, am Institut für Internationale Beziehungen an der Nationale Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew aufgenommen zu werden. Dort schloss sie ein Bachelor- und ein Master-Studium ab. Im Rahmen des ersten Studiums ging sie für ein Jahr an das Taiwanese Mandarin Center an der Normal University in Taipeh. “Das hat mir mit den Sprachkenntnissen sehr geholfen. Ich habe jede Chance genutzt, Mandarin zu sprechen.” 

    Taiwan spielte später auch in ihrer Dissertation eine Rolle. Für ihren Doktortitel am Institut für Weltwirtschaft und Institut für Internationale Beziehungen an der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine habe sie ihren Schwerpunkt auf die Geldpolitik in Ländern im asiatisch-pazifischen Raum und dabei speziell auf Taiwan gelegt, sagt die Sinologin. 

    Zu viel Populismus in Berichterstattung

    Golod hat seit Februar 2023 rund 50 Interviews gegeben. Sie hofft, dass ihre Expertise als China-Wissenschaftlerin die chinesische Position aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen kann. Sie bedauert, dass die Politik die Sinologie heute immer mehr beeinflusst. “Das Thema ist mehr denn je eine internationale Angelegenheit”, fügt sie hinzu. Golod würde gerne eine ausgewogenere China-Berichterstattung in der Ukraine sehen. Sie findet diese zu populistisch, was für ein Land im Kriegszustand sehr gefährlich sei.

    Für das Ukraine-China-Magazin, das der Sinologen-Verband jährlich herausgibt, wünscht sie sich wieder mehr Beiträge von chinesischen Kollegen – aber auch andere internationale Beiträge von Forschenden aus anderen Ländern. “Es ist wichtig, dass unterschiedliche Gesichtspunkte zu China gezeigt werden”, sagt Golod. Ab November wird sie in die USA gehen: Am Carolina Asia Center der University of North Carolina in Chapel Hill will sie ihre Forschung fortsetzen und das Netzwerk für den Sinologen-Verband weiter ausbauen, so Golod. Amelie Richter

    Personalie

    Mark Lambert wird neuer stellvertretender Staatssekretär für China und Taiwan. Das teilte das Außenministerium in einer Pressemitteilung mit. Auch wird er demnach das Büro für China-Koordinierung im US-Außenministerium leiten. Das sogenannte China House war Ende vergangenen Jahres gegründet worden, um die China-Politik zu vereinheitlichen und besser zu koordinieren.

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    Dessert

    Im Hongkonger Stadtviertel Tai Hang prozessieren Bewohner mit einem rot glühenden Drachen durch die Menge. Der Brauch geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Damals soll eine dort ansässige Gemeinde vor dem Mondfest von einer Plage, einem Taifun und einer Python heimgesucht worden sein. Erst ein dreitägiger Drachentanz konnte das Unheil austreiben. Heute kommen für das Straßenfest bis zu 300 Tänzer zusammen, die einen selbstgebastelten Drachen aus rund 72.000 brennenden Räucherstäbchen durch die engen Gassen balancieren.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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