新年快乐! Wir wünschen Ihnen ein frohes neues Jahr 2025!
In den vergangenen Jahren waren die Tage zwischen den Jahren nicht überall ruhig: 2020 wurde kurz vor Silvester noch die politische Einigung zum Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China durchgedrückt. 2022 brodelte es zum Jahresende in der Volksrepublik nach den Weissblattprotesten wegen der strengen Corona-Maßnahmen. Einen Überblick dazu, was 2024 zwischen den Jahren los war, geben wir Ihnen in der heutigen Ausgabe.
Die Verschärfung der staatlichen Kontrolle aus Peking über die chinesische Gesellschaft während der letzten zehn Jahre steht in besonderem Widerspruch zu dem Ziel der Regierung, den Konsum anzukurbeln, schreibt der US-Wirtschaftswissenschaftler Stephen S. Roach in unserem heutigen Standpunkt. Laut Roach wirft das eine grundlegende Frage auf: Ist das politische System Chinas mit der modernen Konsumkultur unvereinbar?
Untersuchungen auf Rindfleisch: Das Handelsministerium in Peking hat eine Untersuchung von Rindfleisch-Importen eingeleitet. Hintergrund ist, dass ein Überangebot an Ware den chinesischen Rinderzüchtern zu schaffen macht. Je nach Ausgang der Untersuchung drohen Lieferanten aus Brasilien, Argentinien und Australien Sanktionen in Form von höheren Importzöllen. Die chinesischen Behörden nehmen dafür die Einfuhren von Frischfleisch, Rinderköpfen und tiefgefrorenem Rindfleisch unter die Lupe. Angestoßen haben die Untersuchung nach Ministeriumsangaben chinesische Viehzuchtverbände. Sie beklagen, der starke Anstieg der Einfuhrmengen habe die heimische Branche “ernsthaft geschädigt”.
Expresslinie nach Ningbo: Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven hat nun eine direkte Schiffslinie nach Ningbo. Von der chinesischen Hafenstadt steuert eine neue Expresslinie in 26 Tagen Wilhelmshaven an. Das erste Schiff ist unterwegs, es soll am 24. Januar einlaufen. Als Direktverbindung zwischen China und Nordeuropa ist die Linie einzigartig. Von Wilhelmshaven aus geht die Ware weiter mit der Bahn bis nach Budapest, aber auch per Schiff an die Küste der USA.
Verlängerte Anti-Dumpinguntersuchung: Das chinesische Handelsministerium hat die Anti-Dumpinguntersuchung gegen Brandy aus der Europäischen Union um drei Monate verlängert. Die Untersuchung, die am im Januar 2024 begonnen hatte, sollte in einem Jahr abgeschlossen sein. Aufgrund der “Komplexität” der Untersuchung werde diese aber bis zum 5. April verlängert, teilte das Ministerium in einer kurzen Erklärung mit, ohne nähere Angaben zu machen. Die drei Monate sind weniger als die volle mögliche Verlängerung, die zulässig wäre. Seit Oktober hat China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen gegen Branntwein aus der EU verhängt. Importeure von Brandy aus der EU müssen einen Zusatzzoll zwischen 30,6 Prozent und 39 Prozent hinterlegen.
Hongkong setzt Kopfgelder auf Demokratieaktivisten aus: Die Polizei in Hongkong hat Haftbefehle gegen sechs im Ausland lebende Demokratieaktivisten erlassen und Kopfgelder in Höhe von einer Million Hongkong-Dollar (rund 129.000 USD) für Hinweise ausgesetzt, die zu ihrer Festnahme führen. Den Aktivisten werden unter anderem Abspaltung, Umsturz und Kollaboration mit ausländischen Kräften vorgeworfen. Zu den Betroffenen zählen Chloe Cheung, Carmen Lau und Tony Chung, die erklärten, ihre Arbeit trotz der Haftbefehle fortzusetzen. Außerdem ließ die Regierung die Pässe von sieben weiteren Aktivisten nach dem nationalen Sicherheitsgesetz annullieren, darunter prominente Persönlichkeiten wie Frances Hui. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Maßnahmen scharf als transnationale Repression und Bruch internationaler Standards.
Comac liefert weitere C919 aus: Der staatliche chinesische Flugzeugbauer Comac hat das Jahr 2024 mit der Auslieferung von zehn weiteren C919-Jets abgeschlossen. Die Flugzeuge wurden an heimische Fluggesellschaften übergeben. Mit der Lieferung dieser Flugzeuge hat Comac insgesamt 14 C919 in Betrieb. Die meisten Maschinen werden von China Eastern Airlines betrieben, die insgesamt neun Exemplare in ihrer Flotte haben. China Southern Airlines betreibt derzeit drei C919, während Air China zwei Exemplare führt.
Xi bekräftigt Beziehung zu Russland: Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat Medienberichten zufolge in einer Neujahrsbotschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin die Beziehung Chinas zu Russland bekräftigt. Die Volksrepublik und Russland würden “Hand in Hand” auf dem “richtigen Weg voranschreiten, ohne Bündnisse einzugehen, ohne Konfrontation und ohne Drittstaaten ins Visier zu nehmen”, sagte Xi laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. China sei bereit, die chinesisch-russischen Beziehungen weiter zu vertiefen und den engen Austausch mit Putin fortzusetzen. Auch Putin übermittelte Neujahrswünsche an Xi. Beide Länder sicherten sich Unterstützung in ihren Rollen als Vorsitzende der Brics-Staaten und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zu.
Chinas Kurzvideomarkt hat offenbar seinen Höhepunkt erreicht: Die Zahl der Nutzer auf Apps wie Douyin, Kuaishou und WeChat sind laut einem Branchenbericht erstmals gesunken. Die Gesamtzahl der Nutzer von Kurzvideo-Apps in China hat Ende Juni 1,05 Milliarden erreicht – etwa 300 Millionen weniger als im Dezember 2023. Das geht aus einem Bericht der Rundfunkregulierungsbehörde National Radio and Television Administration(“中国短视频发展研究报告(2024″) hervor, der am Montag veröffentlicht wurde.
Zhengzhou verbietet Telefone an Schulen: Zhengzhou hat die Nutzung von Mobiltelefonen an Grundschulen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen verboten – als erste Stadt des Landes. Die Schulen müssen strenge Beschränkungen für das Mitbringen von Handys auf dem Schulgelände einhalten und “keine Handys dürfen in Klassenzimmer mitgebracht werden, außer zu Unterrichtszwecken”, heißt es in der Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses der Hauptstadt von Henan aus der vergangenen Woche. Die Schulen müssen außerdem “angemessene” öffentliche Telefone installieren, damit Schüler bei Bedarf mit ihren Eltern Kontakt aufnehmen können.
Chinesische Flotte macht Halt in Vietnam: Trotz ihrer langjährigen Streitigkeiten um das Südchinesische Meer rücken China und Vietnam in Verteidigungsfragen offenbar näher zusammen. Eine chinesische Marineflotte hat wenige Tage nach Gesprächen über gemeinsame Seepatrouillen in Vietnam Halt gemacht. Die Flotte – angeführt vom Zerstörer “Changsha” und dem Amphibienschiff “Jinggangshan” – legte am Samstag in Da Nang an der Ostküste Vietnams an, wie aus einer Erklärung des Südlichen Kommandos der Volksbefreiungsarmee hervorgeht. Die Flotte wurde von vietnamesischen Marinebeamten und chinesischen Diplomaten begrüßt. Amelie Richter/Fabian Peltsch
Der taiwanische Präsident Lai Ching-te hat sich trotz der Spannungen für einen gleichberechtigten und respektvollen Austausch mit China ausgesprochen. “Taiwan hofft auf einen gesunden und geordneten Austausch mit China auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Würde“, sagte Lai am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Jahreswechsel.
Zugleich äußerte er jedoch Zweifel an der Bereitschaft dazu seitens Pekings. Lai verwies in dem Zusammenhang auf Einschränkungen für chinesische Touristen und Studenten, die Taiwan besuchen wollen. Chinesische Staatsbürger könnten ungehindert in Länder wie die USA und Japan reisen, aber gegenüber Taiwan gebe es umfassende Kontrollen. “Zeigt das wirklich guten Willen gegenüber Taiwan? Kann man nicht alle gleich behandeln?”
Zudem bekräftigte Lai auch den Wunsch Taiwans nach Selbstbestimmung und rief angesichts der Bedrohung durch autoritäre Staaten zu mehr Einigkeit unter den Demokratien auf. Er verwies auf die militärische Gefahr, die durch die Zusammenarbeit zwischen China und Russland im indopazifischen Raum entstehen könnte.
Chinas Präsident Xi Jinping hatte zuvor in seiner Neujahrsansprache den Anspruch Chinas auf Taiwan untermauert. In der von den chinesischen Staatsmedien übertragenen Ansprache sagte er: “Chinesen auf beiden Seiten der Taiwan-Straße sind eine Familie. Niemand kann unsere Blutsbande durchtrennen.”rtr
2024 war für China das wärmste Jahr seit Beginn der landesweiten Aufzeichnungen vor gut 60 Jahren. Die nationale Durchschnittstemperatur lag im vergangenen Jahr bei 10,92 Grad Celsius, mehr als ein Grad höher als 2023, wie das Serviceportal der China Meteorological Administration am Mittwoch bekannt gab. Es ist das zweite Jahr in Folge, in dem neue Wärme-Rekorde gebrochen wurden.
Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen in der Volksrepublik im Jahr 1961 lagen alle im 21. Jahrhundert, so das Serviceportal. Für das dicht besiedelte Shanghai war 2024 das wärmste Jahr seit der Qing-Dynastie, wie aus Daten des Shanghaier Wetteramts hervorging: Die Durchschnittstemperatur der Stadt lag bei 18,8 Grad Celsius, die heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Shanghai im Jahr 1873. rtr/ari
China hat die Gehälter im öffentlichen Dienst angehoben. Einem Bericht von Bloomberg zufolge sollen die Gehälter der Regierungsangestellten teilweise bereits rückwirkend seit Juli um mindestens 500 Yuan pro Monat gestiegen sein. Bloomberg berief sich auf mit dem Schritt vertraute Quellen. Dem Bericht zufolge entspricht die Gehaltserhöhung, variierend je nach Grundgehalt, etwa fünf Prozent. Sie sollen sich demnach auf ein breites Spektrum von Beschäftigten im öffentlichen Sektor auswirken, darunter Lehrer, Polizisten und Bürokraten im ganzen Land. China hatte zuletzt 2015 offiziell Lohnerhöhungen für Beamte angekündigt. Seither gab es immer wieder Gerüchte um eine Erhöhung, offiziell bekanntgegeben wurde jedoch nichts.
Die Erhöhung ist nun Teil der Bemühungen, den Binnenkonsum anzukurbeln und die Moral im öffentlichen Dienst anzuheben. Der chinesische Handelsexperte und Jurist Henry Gao merkte an, dass der Schritt eine gegenteilige Auswirkung haben könnte: “Berichten zufolge ist die Erhöhung lediglich ein Ersatz für die Abschaffung der wahrscheinlich lukrativeren Jahresendprämien. Beamte könnten dies als Verlust empfinden und Ressentiments schüren”, schrieb Gao auf der Plattform X. Die weitere Umsetzung und Auswirkung der Erhöhung ist noch nicht abzusehen, da die finanzielle Leistungsfähigkeit der Regionalbehörden aufgrund der jüngsten wirtschaftlichen Belastungen weiterhin ungewiss ist. ari
Chinesische Hacker sind in das Computersystem des US-Finanzministeriums eingedrungen und haben Datensätze gestohlen. Das geht aus einem Schreiben des Ministeriums an Mitglieder des US-Kongresses hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Demnach wurden bei dem als “schwerwiegender Vorfall” bezeichneten Angriff Daten gestohlen, die keiner Geheimhaltungsstufe unterliegen. Das Ministerium wurde von ihrem IT-Sicherheitsdienstleister BeyondTrust alarmiert und arbeitet nun mit der US-Behörde für Cyber- und Infrastruktursicherheit (CISA) und dem FBI zusammen, um die Auswirkungen des Hackerangriffs zu bewerten.
Chinas Außenministeriumssprecherin Mao Ning erklärte am Dienstag, China habe sich “immer gegen jegliche Form von Hackerangriffen gestellt”. Peking lehne “die Verleumdungsangriffe der USA gegen China ohne jegliche faktische Grundlage entschieden ab”. BeyondTrust bestätigte, Anfang Dezember 2024 einen Sicherheitsvorfall im Zusammenhang mit seinem Fernwartungsprodukt identifiziert zu haben. Das Unternehmen habe Maßnahmen ergriffen und die betroffenen Kunden sowie die Strafverfolgungsbehörden informiert.
Dem Schreiben zufolge verschafften sich die Angreifer Zugang zu einem Schlüssel, den BeyondTrust zur Absicherung eines Cloud-basierten Dienstes verwendet. Damit konnten die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen umgehen und aus der Ferne auf bestimmte Arbeitsplatzrechner des Ministeriums zugreifen. Es gebe jedoch “keinerlei Hinweise” darauf, dass der Angreifer darüber hinaus Zugriff auf IT-Systeme des Finanzministeriums gehabt habe, hieß es von Seiten des Ministeriums. rtr/fpe
Chinas technische Kompetenz ist schlichtweg herausragend. Von Infrastrukturen von Weltrang und umweltfreundlichen Städten bis hin zu Raumfahrtsystemen und Hochgeschwindigkeitszügen hat Chinas beeindruckende Akkumulation von hochmodernem Sachkapital eine tragende Rolle bei seiner wirtschaftlichen Entwicklung gespielt. Doch lassen sich Chinas technische Leistungen auf der Angebotsseite nicht auf die sozialtechnischen Bemühungen auf der Nachfrageseite übertragen, insbesondere nicht auf die Ankurbelung der Verbrauchernachfrage.
Die Diskrepanz ergibt sich aus dem modernen politischen System des Landes, das Stabilität und Kontrolle betont. Während diese Ausrichtung es China ermöglicht hat, der “ultimative Produzent” der Welt zu werden, ist es ihm nicht gelungen, die DNA der chinesischen Verbraucher zu entschlüsseln. Sozialtechnik durch staatliches Diktat steht in krassem Gegensatz zu dem anreizbasierten, freizügigen, individualistischen Geist, der menschliches Verhalten und Konsummuster im Westen prägt. Da der Anteil des Konsums der privaten Haushalte am chinesischen BIP nach wie vor unter 40 Prozent liegt – verglichen mit rund 65 Prozent in den hochentwickelten Volkswirtschaften -, hat China für seine langjährige Rhetorik über eine konsumorientierte Neuausrichtung wenig vorzuweisen.
Die US-amerikanische Erfahrung, wie sie in John Kenneth Galbraiths Gesellschaft im Überfluss dargestellt ist, entschlüsselt die DNA einer Konsumgesellschaft. Zu den wichtigsten Merkmalen gehören die Aufwärtsmobilität von Einkommen und Vermögen, offene Kommunikation und die Verbreitung von Informationen, Individualismus und die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen, die Verringerung der Ungleichheit der Lebensstile, der Vermögenstransfer zwischen den Generationen und schließlich die Möglichkeit, politische Vertreter zu wählen. Der westliche Konsumismus ist ein sehr stark aspirationsgeprägtes Lebensmodell.
Das wirft eine grundlegende Frage auf: Ist das politische System Chinas mit der modernen Konsumkultur unvereinbar? Diese Frage stellt sich umso mehr angesichts des neuerdings in China verfolgten technologischen Autoritarismus, der im Widerspruch zu den grundlegenden Freiheiten zu stehen scheint, auf denen die Konsumkultur beruht. Die jüngsten technologischen Fortschritte (vor allem bei der Gesichtserkennung und anderen Formen der Überwachung) in Verbindung mit einem Sozialkreditsystem und einer verschärften Zensur stehen in einem geradezu diametralen Gegensatz zur Konsumgesellschaft, wie wir sie im Westen kennen.
Letztlich ist es viel einfacher, den Staatsapparat zu mobilisieren, um Einfluss auf die Produzenten auszuüben, als den Verbrauchern grundlegende Freiheiten zuzugestehen. Das geht auf die Anfänge der Volksrepublik zurück, als Chinas Produzenten unter der strengen Kontrolle der staatlichen Planungskommission standen. Und es gilt auch heute wieder, da das Pendel der chinesischen Wirtschaftsmacht von der einst dynamischen und unternehmerischen Privatwirtschaft zu staatseigenen Unternehmen zurückgeschwungen ist.
Die Verschärfung der staatlichen Kontrolle über die chinesische Gesellschaft während der letzten zehn Jahre steht in besonderem Widerspruch zu dem Ziel der Regierung, den Konsum anzukurbeln. In 2013, kurz nach seinem Amtsantritt, startete Präsident Xi Jinping eine das Konzept der “Massenlinie” aufgreifende Bildungskampagne, um vier “schlechte Gewohnheiten” – Formalismus, Bürokratie, Hedonismus und Extravaganz – zu bekämpfen, die seiner Meinung nach die Hauptursachen für den sozialen Verfall und die Korruption innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas waren. Diese Bemühungen, die zunächst als Nebenaspekt von Xis Anti-Korruptionskampagne angesehen wurden, haben inzwischen ein Eigenleben entwickelt.
Xi verschärfte seinen Fokus auf schlechte Gewohnheiten 2021, als er mit einem behördlichen Vorgehen gegen Internetplattformen nicht nur chinesische Unternehmer wie Jack Ma von Alibaba ins Visier nahm, sondern auch die sogenannten Lifestyle-Exzesse im Zusammenhang mit Videospielen, Online-Musik, Fan-Kultur von Prominenten und privatem Nachhilfeunterricht. Diese staatlich gelenkten sozialtechnischen Maßnahmen deuten darauf hin, dass die chinesischen Behörden wenig Toleranz für den in der DNA westlicher Konsumgesellschaften verankerten Möglichkeitssinn und Optimismus haben.
Ein weiteres Beispiel für dieses Missverhältnis zwischen Ehrgeiz und Regulierungsmentalität sind die wiederholten Versuche Chinas, den demografischen Gegenwind einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung in den Griff zu bekommen, die infolge der inzwischen aufgegebenen Ein-Kind-Politik noch bis Ende dieses Jahrhunderts zurückgehen wird. Die chinesische Regierung hat vor kurzem Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate angekündigt, darunter eine bessere Unterstützung für Geburten, die Ausweitung der Kinderbetreuung und andere Schritte zum Aufbau einer “geburtenfreundlichen” Gesellschaft. Dies ist jedoch nur die jüngste in einer Reihe von Maßnahmen nach der Verabschiedung einer Zwei-Kind-Politik im Jahr 2015 und einer Drei-Kind-Politik im Jahr 2021.
Trotz dieser Bemühungen liegt die Geburtenrate in China nach wie vor deutlich unter dem zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl nötigen Reproduktionsniveau von 2,1 Lebendgeburten pro Frau im gebärfähigen Alter. Umfragedaten deuten auf zwei Gründe hin: die Besorgnis über die stark steigenden Kosten der Kindererziehung und die tief verwurzelten kulturellen Normen der Kleinfamilie. Der letztgenannte Punkt unterstreicht die verhaltensbedingten Aspekte des Problems – nämlich, dass sich eine Generation jüngerer Chinesen an Ein-Kind-Familien gewöhnt hat. Dieser sehr menschliche Widerstand gegen den Versuch der Regierung, Familienplanungspraktiken zu erzwingen, ist der Strategie Pekings, die Verbrauchernachfrage zu steigern, nicht unähnlich.
Der Schlüssel zur Erschließung des chinesischen Verbraucherpotenzials liegt darin, Angst in Vertrauen umzuwandeln. Dies erfordert nichts Geringeres als einen grundlegenden Wandel in der Denkweise, die den Entscheidungen der privaten Haushalte zugrunde liegt. Doch genau hier ist die Regierung in eine Sackgasse geraten. Anreize für menschliches Verhalten zu schaffen ist etwas völlig anderes, als von staatlich gelenkten Banken zu verlangen, die Kreditvergabe für Infrastrukturprojekte anzukurbeln, oder von Staatsunternehmen, in Immobilien zu investieren.
Ich gebe zu, dass ich ein chinesisches Problem aus westlicher Sicht beleuchte, und die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man derartige Probleme aus der Perspektive Chinas selbst betrachten muss. Dennoch berührt die Steigerung des Konsums den Kern der menschlichen Erfahrung: Ist eine blühende Konsumkultur chinesischer Prägung, die dem Anspruchsethos der westlichen Gesellschaften widerspricht, überhaupt möglich?
Die letztliche Lösung des Problems des chronischen Minderverbrauchs in China könnte durchaus von diesen tiefgreifenden Überlegungen zum menschlichen Verhalten abhängen. Auf einer jüngsten Sitzung der Zentralen Wirtschaftskonferenz Chinas wurden weitere starke Konsumimpulse angedeutet. Doch wenn die chinesischen Behörden weiterhin darauf beharren, ihre Kontrolle über soziale Normen und den menschlichen Geist zu verschärfen, könnten alle Anreizmaßnahmen der Welt – von Trade-in-Kampagnen bis hin zu Reformen des sozialen Sicherheitsnetzes – vergeblich sein.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale. Er ist ehemaliger Vorsitzender von Morgan Stanley Asia und der Verfasser von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).
Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
Hinweis der Redaktion: Über China zu diskutieren heißt heute – mehr denn je – kontrovers debattieren. Wir möchten die Vielfalt der Standpunkte abbilden, damit Sie einen Einblick in die Breite der Debatte gewinnen können. Standpunkte spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.
Paul Enggruber ist seit Dezember Head of China bei Travel Tiger, einem Anbieter von Campingmodulen aus Köln. Enggruber lebt und arbeitet seit 2015 in China. Zuletzt war er als Head of Innovation & Digital Hub China beim baden-württembergischen Metallverarbeitungsunternehmen Fischer tätig.
Tünde Saller ist seit November General Manager bei Deutsche Leasing China. Saller arbeitet seit mehr als 26 Jahren für den Finanzdienstleister. Ihr Einsatzort ist Shanghai.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
“Hallo 2025” wünschen diese Schüler einer Grundschule in Handan in der Provinz Hebei aus der Vogelperspektive. Auch wenn das chinesische Jahr der Schlange erst Ende Januar mit Chinesisch Neujahr beginnt, wurde der kalendarische Übergang ins Jahr 2025 doch auch in China gefeiert, etwa mit einem großen “kontrollierten” Feuerwerk in der Stadt Foshan in der Provinz Guangdong.
新年快乐! Wir wünschen Ihnen ein frohes neues Jahr 2025!
In den vergangenen Jahren waren die Tage zwischen den Jahren nicht überall ruhig: 2020 wurde kurz vor Silvester noch die politische Einigung zum Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China durchgedrückt. 2022 brodelte es zum Jahresende in der Volksrepublik nach den Weissblattprotesten wegen der strengen Corona-Maßnahmen. Einen Überblick dazu, was 2024 zwischen den Jahren los war, geben wir Ihnen in der heutigen Ausgabe.
Die Verschärfung der staatlichen Kontrolle aus Peking über die chinesische Gesellschaft während der letzten zehn Jahre steht in besonderem Widerspruch zu dem Ziel der Regierung, den Konsum anzukurbeln, schreibt der US-Wirtschaftswissenschaftler Stephen S. Roach in unserem heutigen Standpunkt. Laut Roach wirft das eine grundlegende Frage auf: Ist das politische System Chinas mit der modernen Konsumkultur unvereinbar?
Untersuchungen auf Rindfleisch: Das Handelsministerium in Peking hat eine Untersuchung von Rindfleisch-Importen eingeleitet. Hintergrund ist, dass ein Überangebot an Ware den chinesischen Rinderzüchtern zu schaffen macht. Je nach Ausgang der Untersuchung drohen Lieferanten aus Brasilien, Argentinien und Australien Sanktionen in Form von höheren Importzöllen. Die chinesischen Behörden nehmen dafür die Einfuhren von Frischfleisch, Rinderköpfen und tiefgefrorenem Rindfleisch unter die Lupe. Angestoßen haben die Untersuchung nach Ministeriumsangaben chinesische Viehzuchtverbände. Sie beklagen, der starke Anstieg der Einfuhrmengen habe die heimische Branche “ernsthaft geschädigt”.
Expresslinie nach Ningbo: Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven hat nun eine direkte Schiffslinie nach Ningbo. Von der chinesischen Hafenstadt steuert eine neue Expresslinie in 26 Tagen Wilhelmshaven an. Das erste Schiff ist unterwegs, es soll am 24. Januar einlaufen. Als Direktverbindung zwischen China und Nordeuropa ist die Linie einzigartig. Von Wilhelmshaven aus geht die Ware weiter mit der Bahn bis nach Budapest, aber auch per Schiff an die Küste der USA.
Verlängerte Anti-Dumpinguntersuchung: Das chinesische Handelsministerium hat die Anti-Dumpinguntersuchung gegen Brandy aus der Europäischen Union um drei Monate verlängert. Die Untersuchung, die am im Januar 2024 begonnen hatte, sollte in einem Jahr abgeschlossen sein. Aufgrund der “Komplexität” der Untersuchung werde diese aber bis zum 5. April verlängert, teilte das Ministerium in einer kurzen Erklärung mit, ohne nähere Angaben zu machen. Die drei Monate sind weniger als die volle mögliche Verlängerung, die zulässig wäre. Seit Oktober hat China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen gegen Branntwein aus der EU verhängt. Importeure von Brandy aus der EU müssen einen Zusatzzoll zwischen 30,6 Prozent und 39 Prozent hinterlegen.
Hongkong setzt Kopfgelder auf Demokratieaktivisten aus: Die Polizei in Hongkong hat Haftbefehle gegen sechs im Ausland lebende Demokratieaktivisten erlassen und Kopfgelder in Höhe von einer Million Hongkong-Dollar (rund 129.000 USD) für Hinweise ausgesetzt, die zu ihrer Festnahme führen. Den Aktivisten werden unter anderem Abspaltung, Umsturz und Kollaboration mit ausländischen Kräften vorgeworfen. Zu den Betroffenen zählen Chloe Cheung, Carmen Lau und Tony Chung, die erklärten, ihre Arbeit trotz der Haftbefehle fortzusetzen. Außerdem ließ die Regierung die Pässe von sieben weiteren Aktivisten nach dem nationalen Sicherheitsgesetz annullieren, darunter prominente Persönlichkeiten wie Frances Hui. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Maßnahmen scharf als transnationale Repression und Bruch internationaler Standards.
Comac liefert weitere C919 aus: Der staatliche chinesische Flugzeugbauer Comac hat das Jahr 2024 mit der Auslieferung von zehn weiteren C919-Jets abgeschlossen. Die Flugzeuge wurden an heimische Fluggesellschaften übergeben. Mit der Lieferung dieser Flugzeuge hat Comac insgesamt 14 C919 in Betrieb. Die meisten Maschinen werden von China Eastern Airlines betrieben, die insgesamt neun Exemplare in ihrer Flotte haben. China Southern Airlines betreibt derzeit drei C919, während Air China zwei Exemplare führt.
Xi bekräftigt Beziehung zu Russland: Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat Medienberichten zufolge in einer Neujahrsbotschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin die Beziehung Chinas zu Russland bekräftigt. Die Volksrepublik und Russland würden “Hand in Hand” auf dem “richtigen Weg voranschreiten, ohne Bündnisse einzugehen, ohne Konfrontation und ohne Drittstaaten ins Visier zu nehmen”, sagte Xi laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. China sei bereit, die chinesisch-russischen Beziehungen weiter zu vertiefen und den engen Austausch mit Putin fortzusetzen. Auch Putin übermittelte Neujahrswünsche an Xi. Beide Länder sicherten sich Unterstützung in ihren Rollen als Vorsitzende der Brics-Staaten und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) zu.
Chinas Kurzvideomarkt hat offenbar seinen Höhepunkt erreicht: Die Zahl der Nutzer auf Apps wie Douyin, Kuaishou und WeChat sind laut einem Branchenbericht erstmals gesunken. Die Gesamtzahl der Nutzer von Kurzvideo-Apps in China hat Ende Juni 1,05 Milliarden erreicht – etwa 300 Millionen weniger als im Dezember 2023. Das geht aus einem Bericht der Rundfunkregulierungsbehörde National Radio and Television Administration(“中国短视频发展研究报告(2024″) hervor, der am Montag veröffentlicht wurde.
Zhengzhou verbietet Telefone an Schulen: Zhengzhou hat die Nutzung von Mobiltelefonen an Grundschulen, weiterführenden Schulen und Berufsschulen verboten – als erste Stadt des Landes. Die Schulen müssen strenge Beschränkungen für das Mitbringen von Handys auf dem Schulgelände einhalten und “keine Handys dürfen in Klassenzimmer mitgebracht werden, außer zu Unterrichtszwecken”, heißt es in der Entscheidung des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses der Hauptstadt von Henan aus der vergangenen Woche. Die Schulen müssen außerdem “angemessene” öffentliche Telefone installieren, damit Schüler bei Bedarf mit ihren Eltern Kontakt aufnehmen können.
Chinesische Flotte macht Halt in Vietnam: Trotz ihrer langjährigen Streitigkeiten um das Südchinesische Meer rücken China und Vietnam in Verteidigungsfragen offenbar näher zusammen. Eine chinesische Marineflotte hat wenige Tage nach Gesprächen über gemeinsame Seepatrouillen in Vietnam Halt gemacht. Die Flotte – angeführt vom Zerstörer “Changsha” und dem Amphibienschiff “Jinggangshan” – legte am Samstag in Da Nang an der Ostküste Vietnams an, wie aus einer Erklärung des Südlichen Kommandos der Volksbefreiungsarmee hervorgeht. Die Flotte wurde von vietnamesischen Marinebeamten und chinesischen Diplomaten begrüßt. Amelie Richter/Fabian Peltsch
Der taiwanische Präsident Lai Ching-te hat sich trotz der Spannungen für einen gleichberechtigten und respektvollen Austausch mit China ausgesprochen. “Taiwan hofft auf einen gesunden und geordneten Austausch mit China auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Würde“, sagte Lai am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Jahreswechsel.
Zugleich äußerte er jedoch Zweifel an der Bereitschaft dazu seitens Pekings. Lai verwies in dem Zusammenhang auf Einschränkungen für chinesische Touristen und Studenten, die Taiwan besuchen wollen. Chinesische Staatsbürger könnten ungehindert in Länder wie die USA und Japan reisen, aber gegenüber Taiwan gebe es umfassende Kontrollen. “Zeigt das wirklich guten Willen gegenüber Taiwan? Kann man nicht alle gleich behandeln?”
Zudem bekräftigte Lai auch den Wunsch Taiwans nach Selbstbestimmung und rief angesichts der Bedrohung durch autoritäre Staaten zu mehr Einigkeit unter den Demokratien auf. Er verwies auf die militärische Gefahr, die durch die Zusammenarbeit zwischen China und Russland im indopazifischen Raum entstehen könnte.
Chinas Präsident Xi Jinping hatte zuvor in seiner Neujahrsansprache den Anspruch Chinas auf Taiwan untermauert. In der von den chinesischen Staatsmedien übertragenen Ansprache sagte er: “Chinesen auf beiden Seiten der Taiwan-Straße sind eine Familie. Niemand kann unsere Blutsbande durchtrennen.”rtr
2024 war für China das wärmste Jahr seit Beginn der landesweiten Aufzeichnungen vor gut 60 Jahren. Die nationale Durchschnittstemperatur lag im vergangenen Jahr bei 10,92 Grad Celsius, mehr als ein Grad höher als 2023, wie das Serviceportal der China Meteorological Administration am Mittwoch bekannt gab. Es ist das zweite Jahr in Folge, in dem neue Wärme-Rekorde gebrochen wurden.
Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen in der Volksrepublik im Jahr 1961 lagen alle im 21. Jahrhundert, so das Serviceportal. Für das dicht besiedelte Shanghai war 2024 das wärmste Jahr seit der Qing-Dynastie, wie aus Daten des Shanghaier Wetteramts hervorging: Die Durchschnittstemperatur der Stadt lag bei 18,8 Grad Celsius, die heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Shanghai im Jahr 1873. rtr/ari
China hat die Gehälter im öffentlichen Dienst angehoben. Einem Bericht von Bloomberg zufolge sollen die Gehälter der Regierungsangestellten teilweise bereits rückwirkend seit Juli um mindestens 500 Yuan pro Monat gestiegen sein. Bloomberg berief sich auf mit dem Schritt vertraute Quellen. Dem Bericht zufolge entspricht die Gehaltserhöhung, variierend je nach Grundgehalt, etwa fünf Prozent. Sie sollen sich demnach auf ein breites Spektrum von Beschäftigten im öffentlichen Sektor auswirken, darunter Lehrer, Polizisten und Bürokraten im ganzen Land. China hatte zuletzt 2015 offiziell Lohnerhöhungen für Beamte angekündigt. Seither gab es immer wieder Gerüchte um eine Erhöhung, offiziell bekanntgegeben wurde jedoch nichts.
Die Erhöhung ist nun Teil der Bemühungen, den Binnenkonsum anzukurbeln und die Moral im öffentlichen Dienst anzuheben. Der chinesische Handelsexperte und Jurist Henry Gao merkte an, dass der Schritt eine gegenteilige Auswirkung haben könnte: “Berichten zufolge ist die Erhöhung lediglich ein Ersatz für die Abschaffung der wahrscheinlich lukrativeren Jahresendprämien. Beamte könnten dies als Verlust empfinden und Ressentiments schüren”, schrieb Gao auf der Plattform X. Die weitere Umsetzung und Auswirkung der Erhöhung ist noch nicht abzusehen, da die finanzielle Leistungsfähigkeit der Regionalbehörden aufgrund der jüngsten wirtschaftlichen Belastungen weiterhin ungewiss ist. ari
Chinesische Hacker sind in das Computersystem des US-Finanzministeriums eingedrungen und haben Datensätze gestohlen. Das geht aus einem Schreiben des Ministeriums an Mitglieder des US-Kongresses hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Demnach wurden bei dem als “schwerwiegender Vorfall” bezeichneten Angriff Daten gestohlen, die keiner Geheimhaltungsstufe unterliegen. Das Ministerium wurde von ihrem IT-Sicherheitsdienstleister BeyondTrust alarmiert und arbeitet nun mit der US-Behörde für Cyber- und Infrastruktursicherheit (CISA) und dem FBI zusammen, um die Auswirkungen des Hackerangriffs zu bewerten.
Chinas Außenministeriumssprecherin Mao Ning erklärte am Dienstag, China habe sich “immer gegen jegliche Form von Hackerangriffen gestellt”. Peking lehne “die Verleumdungsangriffe der USA gegen China ohne jegliche faktische Grundlage entschieden ab”. BeyondTrust bestätigte, Anfang Dezember 2024 einen Sicherheitsvorfall im Zusammenhang mit seinem Fernwartungsprodukt identifiziert zu haben. Das Unternehmen habe Maßnahmen ergriffen und die betroffenen Kunden sowie die Strafverfolgungsbehörden informiert.
Dem Schreiben zufolge verschafften sich die Angreifer Zugang zu einem Schlüssel, den BeyondTrust zur Absicherung eines Cloud-basierten Dienstes verwendet. Damit konnten die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen umgehen und aus der Ferne auf bestimmte Arbeitsplatzrechner des Ministeriums zugreifen. Es gebe jedoch “keinerlei Hinweise” darauf, dass der Angreifer darüber hinaus Zugriff auf IT-Systeme des Finanzministeriums gehabt habe, hieß es von Seiten des Ministeriums. rtr/fpe
Chinas technische Kompetenz ist schlichtweg herausragend. Von Infrastrukturen von Weltrang und umweltfreundlichen Städten bis hin zu Raumfahrtsystemen und Hochgeschwindigkeitszügen hat Chinas beeindruckende Akkumulation von hochmodernem Sachkapital eine tragende Rolle bei seiner wirtschaftlichen Entwicklung gespielt. Doch lassen sich Chinas technische Leistungen auf der Angebotsseite nicht auf die sozialtechnischen Bemühungen auf der Nachfrageseite übertragen, insbesondere nicht auf die Ankurbelung der Verbrauchernachfrage.
Die Diskrepanz ergibt sich aus dem modernen politischen System des Landes, das Stabilität und Kontrolle betont. Während diese Ausrichtung es China ermöglicht hat, der “ultimative Produzent” der Welt zu werden, ist es ihm nicht gelungen, die DNA der chinesischen Verbraucher zu entschlüsseln. Sozialtechnik durch staatliches Diktat steht in krassem Gegensatz zu dem anreizbasierten, freizügigen, individualistischen Geist, der menschliches Verhalten und Konsummuster im Westen prägt. Da der Anteil des Konsums der privaten Haushalte am chinesischen BIP nach wie vor unter 40 Prozent liegt – verglichen mit rund 65 Prozent in den hochentwickelten Volkswirtschaften -, hat China für seine langjährige Rhetorik über eine konsumorientierte Neuausrichtung wenig vorzuweisen.
Die US-amerikanische Erfahrung, wie sie in John Kenneth Galbraiths Gesellschaft im Überfluss dargestellt ist, entschlüsselt die DNA einer Konsumgesellschaft. Zu den wichtigsten Merkmalen gehören die Aufwärtsmobilität von Einkommen und Vermögen, offene Kommunikation und die Verbreitung von Informationen, Individualismus und die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen, die Verringerung der Ungleichheit der Lebensstile, der Vermögenstransfer zwischen den Generationen und schließlich die Möglichkeit, politische Vertreter zu wählen. Der westliche Konsumismus ist ein sehr stark aspirationsgeprägtes Lebensmodell.
Das wirft eine grundlegende Frage auf: Ist das politische System Chinas mit der modernen Konsumkultur unvereinbar? Diese Frage stellt sich umso mehr angesichts des neuerdings in China verfolgten technologischen Autoritarismus, der im Widerspruch zu den grundlegenden Freiheiten zu stehen scheint, auf denen die Konsumkultur beruht. Die jüngsten technologischen Fortschritte (vor allem bei der Gesichtserkennung und anderen Formen der Überwachung) in Verbindung mit einem Sozialkreditsystem und einer verschärften Zensur stehen in einem geradezu diametralen Gegensatz zur Konsumgesellschaft, wie wir sie im Westen kennen.
Letztlich ist es viel einfacher, den Staatsapparat zu mobilisieren, um Einfluss auf die Produzenten auszuüben, als den Verbrauchern grundlegende Freiheiten zuzugestehen. Das geht auf die Anfänge der Volksrepublik zurück, als Chinas Produzenten unter der strengen Kontrolle der staatlichen Planungskommission standen. Und es gilt auch heute wieder, da das Pendel der chinesischen Wirtschaftsmacht von der einst dynamischen und unternehmerischen Privatwirtschaft zu staatseigenen Unternehmen zurückgeschwungen ist.
Die Verschärfung der staatlichen Kontrolle über die chinesische Gesellschaft während der letzten zehn Jahre steht in besonderem Widerspruch zu dem Ziel der Regierung, den Konsum anzukurbeln. In 2013, kurz nach seinem Amtsantritt, startete Präsident Xi Jinping eine das Konzept der “Massenlinie” aufgreifende Bildungskampagne, um vier “schlechte Gewohnheiten” – Formalismus, Bürokratie, Hedonismus und Extravaganz – zu bekämpfen, die seiner Meinung nach die Hauptursachen für den sozialen Verfall und die Korruption innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas waren. Diese Bemühungen, die zunächst als Nebenaspekt von Xis Anti-Korruptionskampagne angesehen wurden, haben inzwischen ein Eigenleben entwickelt.
Xi verschärfte seinen Fokus auf schlechte Gewohnheiten 2021, als er mit einem behördlichen Vorgehen gegen Internetplattformen nicht nur chinesische Unternehmer wie Jack Ma von Alibaba ins Visier nahm, sondern auch die sogenannten Lifestyle-Exzesse im Zusammenhang mit Videospielen, Online-Musik, Fan-Kultur von Prominenten und privatem Nachhilfeunterricht. Diese staatlich gelenkten sozialtechnischen Maßnahmen deuten darauf hin, dass die chinesischen Behörden wenig Toleranz für den in der DNA westlicher Konsumgesellschaften verankerten Möglichkeitssinn und Optimismus haben.
Ein weiteres Beispiel für dieses Missverhältnis zwischen Ehrgeiz und Regulierungsmentalität sind die wiederholten Versuche Chinas, den demografischen Gegenwind einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung in den Griff zu bekommen, die infolge der inzwischen aufgegebenen Ein-Kind-Politik noch bis Ende dieses Jahrhunderts zurückgehen wird. Die chinesische Regierung hat vor kurzem Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate angekündigt, darunter eine bessere Unterstützung für Geburten, die Ausweitung der Kinderbetreuung und andere Schritte zum Aufbau einer “geburtenfreundlichen” Gesellschaft. Dies ist jedoch nur die jüngste in einer Reihe von Maßnahmen nach der Verabschiedung einer Zwei-Kind-Politik im Jahr 2015 und einer Drei-Kind-Politik im Jahr 2021.
Trotz dieser Bemühungen liegt die Geburtenrate in China nach wie vor deutlich unter dem zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl nötigen Reproduktionsniveau von 2,1 Lebendgeburten pro Frau im gebärfähigen Alter. Umfragedaten deuten auf zwei Gründe hin: die Besorgnis über die stark steigenden Kosten der Kindererziehung und die tief verwurzelten kulturellen Normen der Kleinfamilie. Der letztgenannte Punkt unterstreicht die verhaltensbedingten Aspekte des Problems – nämlich, dass sich eine Generation jüngerer Chinesen an Ein-Kind-Familien gewöhnt hat. Dieser sehr menschliche Widerstand gegen den Versuch der Regierung, Familienplanungspraktiken zu erzwingen, ist der Strategie Pekings, die Verbrauchernachfrage zu steigern, nicht unähnlich.
Der Schlüssel zur Erschließung des chinesischen Verbraucherpotenzials liegt darin, Angst in Vertrauen umzuwandeln. Dies erfordert nichts Geringeres als einen grundlegenden Wandel in der Denkweise, die den Entscheidungen der privaten Haushalte zugrunde liegt. Doch genau hier ist die Regierung in eine Sackgasse geraten. Anreize für menschliches Verhalten zu schaffen ist etwas völlig anderes, als von staatlich gelenkten Banken zu verlangen, die Kreditvergabe für Infrastrukturprojekte anzukurbeln, oder von Staatsunternehmen, in Immobilien zu investieren.
Ich gebe zu, dass ich ein chinesisches Problem aus westlicher Sicht beleuchte, und die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man derartige Probleme aus der Perspektive Chinas selbst betrachten muss. Dennoch berührt die Steigerung des Konsums den Kern der menschlichen Erfahrung: Ist eine blühende Konsumkultur chinesischer Prägung, die dem Anspruchsethos der westlichen Gesellschaften widerspricht, überhaupt möglich?
Die letztliche Lösung des Problems des chronischen Minderverbrauchs in China könnte durchaus von diesen tiefgreifenden Überlegungen zum menschlichen Verhalten abhängen. Auf einer jüngsten Sitzung der Zentralen Wirtschaftskonferenz Chinas wurden weitere starke Konsumimpulse angedeutet. Doch wenn die chinesischen Behörden weiterhin darauf beharren, ihre Kontrolle über soziale Normen und den menschlichen Geist zu verschärfen, könnten alle Anreizmaßnahmen der Welt – von Trade-in-Kampagnen bis hin zu Reformen des sozialen Sicherheitsnetzes – vergeblich sein.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
Stephen S. Roach lehrt an der Universität Yale. Er ist ehemaliger Vorsitzender von Morgan Stanley Asia und der Verfasser von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).
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Paul Enggruber ist seit Dezember Head of China bei Travel Tiger, einem Anbieter von Campingmodulen aus Köln. Enggruber lebt und arbeitet seit 2015 in China. Zuletzt war er als Head of Innovation & Digital Hub China beim baden-württembergischen Metallverarbeitungsunternehmen Fischer tätig.
Tünde Saller ist seit November General Manager bei Deutsche Leasing China. Saller arbeitet seit mehr als 26 Jahren für den Finanzdienstleister. Ihr Einsatzort ist Shanghai.
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