“Everyone in this world is one of three kinds: a good Terminator, a bad Terminator, or neutral”, sagt Mamaw in “Hillbilly Elegy”, der Autobiografie von J. D. Vance – einem weltweiten Bestseller. Der Charakter von Mamaw basiert auf der Großmutter von Vance. J. D. Vance zieht seine Grenzen im echten Leben ähnlich klar. Gut und böse, Freund und Feind – aber auch neutral?
Seit Beginn der Woche ist J.D. Vance offiziell die Nummer zwei von Donald Trump und würde im Fall eines Wahlsiegs Vizepräsident werden. Wer der Feind im echten Leben ist, hat Vance bereits deutlich gemacht, schreibt Michael Radunski: Die Volksrepublik sei die “größte Bedrohung” für die USA. Vance ist ein sogenannter Asia-First-Republikaner. Sein Ziel: Die USA sollen sich künftig mehr auf China statt auf andere Brandherde der Welt konzentrieren. Das hätte auch dramatische Auswirkungen auf Europa.
Derweil muss sich Peking auf Westafrika konzentrieren, denn dort gibt es außenpolitische Probleme. Die von China gebaute und finanzierte Niger-Benin-Ölpipeline stellt die außenpolitische Nichteinmischungsdoktrin der Volksrepublik vor neue Herausforderungen. Eine Rebellengruppe, die die Rückkehr des abgesetzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum fordert, hat die Pipeline schwer beschädigt und ihren Betrieb unterbrochen. Unser Africa.Table-Kollege Arne Schütte erklärt den Konflikt.
Die Kollegen von Africa.Table haben für Sie in dieser Woche auch ein spannendes und hochaktuelles Live-Briefing vorbereitet. Das Thema: “In Afrika investieren: die Erfahrungen von Volkswagen.” Natürlich geht es auch um China – schließlich macht der Wettbewerb nicht an den Landesgrenzen halt. Darüber sprechen wird in unserem Table-Café in Berlin Thomas Schäfer, Vorstand der Marke Volkswagen und SAFRI-Vorsitzender. Hier können Sie sich anmelden. Sie wollen vor Ort dabei sein? Dann schreiben Sie eine Mail an africa.content@table.media.
Mutiger Regierungskritiker, gerissener Geschäftsmann oder geschickter Betrüger? Guo Wengui 郭文贵 ist vermutlich vor allem letzteres: ein skrupelloser Blender. Finn Mayer-Kuckuk stellt Ihnen den gefallenen Geschäftsmann, der diese Woche in den USA verurteilt wurde, im Heads vor.
James David Vance will die US-Außenpolitik neu ausrichten. Direkt nach seiner Nominierung als möglicher Vize-Präsident unter Donald Trump kündigte Vance an, der Schwerpunkt einer Trump-Vance-Administration werde auf China liegen. Die Volksrepublik sei die “größte Bedrohung” für die USA. Oder wie Vance es in einer Rede im vergangenen Jahr auf den Punkt brachte: “Dort ist der wahre Feind.”
Wichtig für Europa: Vance ist ein sogenannter Asia-First-Republikaner. Sein Ziel: Statt sich um die unterschiedlichsten Brandherde der Welt zu kümmern, sollen sich die USA künftig vor allem auf China konzentrieren. Der Senator aus Ohio ist überzeugt: Die USA verlieren derzeit an Boden gegen China, weil man zu abgelenkt sei. Diese “Ablenkung” ist für Vance vor allem Amerikas Unterstützung für Europa und die Ukraine.
In seiner China-Politik geht es Vance vor allem um zwei Punkte:
Beim Thema Handel liegt Vance ganz auf der Linie von Donald Trump. Der hatte in seiner ersten Amtszeit einen Handelskrieg gegen China begonnen. Nun droht er, die Zölle auf alle chinesischen Importe auf 60 Prozent zu erhöhen.
Auch Vance ist überzeugt, dass höhere Zölle auf chinesische Importe die wirtschaftliche Entwicklung in den USA verbessern werden. Im Interview mit “Face the Nation” sagte Vance diese Woche: “Wenn sie Zölle erheben, bedeutet das im Grunde, dass wir Sie dafür bestrafen, dass Sie in China Sklavenarbeit einsetzen und diese Produkte in die USA importieren. Im Endeffekt werden dadurch mehr Produkte in Amerika hergestellt, also in Pennsylvania, in Ohio und in Michigan.” Im Parteiprogramm der Republikaner heißt es zudem, dass man China den Status als “most-favoured-nation” aberkennen möchte.
Vance selbst bezeichnet seine Haltung als “wirtschaftlich nationalistisch”. Das heißt: Vance glaubt, durch die Förderung der heimischen US-Produktion könne man dem Aufstieg Chinas direkt entgegenwirken. “Wir sollten mehr von unseren Sachen herstellen”, sagt Vance und fügt hinzu: “selbst auf Kosten von ein paar Basispunkten BIP”. Und das wäre wohl nur ein Nebeneffekt von immer höheren Zöllen.
Interessant dabei ist: Auch die derzeitige US-Regierung unter Joe Biden setzt auf Zölle. Sie hat inzwischen Abgaben im Wert von 18 Milliarden US-Dollar auf chinesische Waren erhoben – darunter einen 100-Prozent-Zoll auf Elektrofahrzeuge.
Doch Vance steht E-Autos und erneuerbaren Energien skeptisch gegenüber. So unterstützte er unlängst einen Gesetzentwurf zur Abschaffung staatlicher Steuererleichterungen für Elektrofahrzeuge. Denn E-Autos würden aus seiner Sicht lediglich dazu beitragen, Arbeitsplätze amerikanischer Arbeiter nach China zu verlagern. Dass in den USA aktuell kaum E-Autos von chinesischen Firmen verkauft werden, sagt Vance allerdings nicht.
Generell sieht Vance im Umweltschutz eine Schwäche – auch der EU. “Die Tatsache, dass Europa schwächer geworden ist, liegt daran, dass sie deindustrialisiert haben … weil sie nach dem Vorbild der Biden-Regierung eine Agenda für grüne Energie verfolgt haben und das zwangsläufig China und Russland stärkt“. Joe Bidens “CHIPS and Science Act” bezeichnete Vance hingegen als “großartiges Gesetz” – als einer von ganz wenigen Republikanern. Der Beschluss von 2022 soll die Produktion von Halbleiterchips in den USA fördern, um besser mit China und anderen Ländern konkurrieren können.
Halbleiter führen auch direkt zum zweiten Punkt von Vances China-Politik: Taiwan. Zu Jahresbeginn erklärte Vance im Fernsehsender “Real America’s Voice”: Wenn Festlandchina Taiwan angreife, würden die USA viele Chips und neue Technologien verlieren, “die für die moderne Wirtschaft notwendig sind”. Sein Fazit: “Wir können nicht zulassen, dass die Chinesen in Taiwan einmarschieren.”
An diesem Punkt sollten vor allem die Europäer genau hinhören. Damit man Taiwan effektiv verteidigen könne, müssten die USA laut Vance Waffen und Unterstützung aus anderen Regionen der Welt abziehen. Vance nennt hierbei vor allem die Ukraine. So ist Vance überzeugt: Krieg in der Ukraine sei “eine Einladung zur chinesischen Aggression, weil sie wissen, dass wir nicht über die Waffensysteme verfügen, um sowohl die Ukraine als auch Taiwan zu unterstützen”. Schon kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatte Vance erklärt: “Ich muss ehrlich sein, es ist mir egal, was mit der Ukraine passiert.”
Ganz so harsch wollte Vance es dann wohl doch nicht stehen lassen. In der New York Times erklärt er, dass die von der Ukraine geforderten Patriot-Luftabwehrsysteme für Taiwan ebenso wichtig seien. “Diese Waffen braucht nicht nur die Ukraine. Sollte China Taiwan ins Visier nehmen, wäre das Patriot-Raketensystem für dessen Verteidigung von entscheidender Bedeutung.”
Das stimmt. Und tatsächlich haben die USA zugesagt, Patriot-Raketen an Taiwan zu liefern. Allerdings kommt es zu Verzögerungen – auch aufgrund von Lieferungen an die Ukraine. Für Vance ein Zeichen falscher Politik. Er ist überzeugt: Man müsse China zeigen, wie stark die USA wirklich sind – und zwar vor Ort, nicht irgendwo in Europa.
All das sollte für Europa nicht überraschend sein. Im Februar war Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Im Bayrischen Hof forderte Vance die Europäer auf, mehr Verantwortung für ihre militärische Verteidigung zu übernehmen, insbesondere auch für die eigene Herstellung von Waffen und Munition. “Dann können die USA ihre Ressourcen gegen ein aggressives China einsetzen.” Unter einer Trump-Vance-Administration werden die USA wohl ihre Ressourcen bündeln – gegen China. Bleibt abzuwarten, ob auch die Europäer die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Die von China gebaute und finanzierte Niger-Benin-Ölpipeline stellt die außenpolitische Nichteinmischungsdoktrin der Volksrepublik vor neue Herausforderungen. Eine Rebellengruppe, die die Rückkehr des abgesetzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum fordert, hat die Pipeline schwer beschädigt und ihren Betrieb unterbrochen. Die Rebellen erklärten, ihr Angriff auf die Pipeline ziele darauf ab, Nigers chinesische Partner dazu zu bringen, das Ölgeschäft mit der nigrischen Junta zu kündigen.
Die knapp 2000 Kilometer lange Niger-Benin-Pipeline verbindet die Ölfelder im Osten Nigers über Benin mit dem Atlantischen Ozean und ermöglicht erstmals den Export von nigrischem Rohöl. Die Pipeline soll die nigrische Ölproduktion von gegenwärtig 20.000 Barrel pro Tag um weitere 90.000 für den Export bestimmte Barrel pro Tag erhöhen. Betreiber der Leitung ist der chinesische Staatskonzern China National Petroleum Corporation (CNPC), der einzige Ölkonzern, der in Niger Öl fördert. CNPC begann 2019 mit dem Bau. Offiziell eingeweiht wurde die Pipeline im November 2023 – kurz nach dem nigrischen Militärputsch im Juli des gleichen Jahres.
Gemäß seiner außenpolitischen Doktrin der Nichteinmischung verurteilte China den Militärputsch damals nicht, sondern arrangierte sich stattdessen lautlos mit den neuen Machthabern: Solange die eigenen wirtschaftlichen Interessen abgesichert sind, schert es Peking nicht, wer in den Partnerhauptstädten die Zügel in der Hand hält.
Für die nigrische Junta wurde die Pipeline zu einer wichtigen Lebensader. Nach dem Putsch hatten viele ehemalige Partner die Zusammenarbeit mit Niger aufgekündigt, was auch den finanziellen Spielraum der Militärmachthaber stark einschränkte. Über die Erlöse aus dem Ölexport sollte wieder Geld in die Staatskassen fließen.
Doch selbst bevor der Anschlag auf die Pipeline Mitte Juni die Ausfuhren endgültig unterband, konnte durch die Leitung nur eine einzige Ladung Öl exportiert werden. Grund dafür ist ein anhaltender diplomatischer Streit zwischen Niger und Benin.
Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hatte Benin nach dem Militärputsch Sanktionen gegen Niger verhängt, einschließlich Grenzschließungen, um das Militär zu zwingen, die Macht an die gewählte Regierung zurückzugeben. Der beninische Präsident Patrice Talon forderte damals lautstark die Wiedereinsetzung Bazoums und sprach sich sogar für eine militärische Intervention der Ecowas aus. Auch nach der Aufhebung der Sanktionen im Februar weigerte sich Niger jedoch, die Grenze nach Benin wieder zu öffnen. Barrikaden, die ursprünglich in Erwartung eines bewaffneten Eingreifens der Ecowas errichtet wurden, blockieren noch immer die Straße zwischen den beiden Ländern. Benin untersagte daraufhin das Verladen nigrischen Öls. Mitte Mai konnten chinesische Vermittler noch eine Einigung erzielen, die allerdings nur kurz Bestand hatte.
In dieser ohnehin schon komplexen Gemengelage versucht nun ein weiterer Player, die längste Pipeline Afrikas für seine Zwecke zu nutzen. Die Rebellengruppe Front patriotique pour la Libération (FPL) verübte im Juni einen Anschlag auf die Leitung und drohte weitere Angriffe an. Die Gruppe, die sich nach dem Staatsstreich im Juli 2023 bildete, fordert die Annullierung des Ölgeschäfts mit CNPC und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. FPL stört sich besonders an einem 400-Millionen-Dollar-Deal mit CNPC aus dem April, der die Junta finanziell über Wasser halte.
Die Lösung des Streits ist für alle drei beteiligten Länder von großer Bedeutung: Benin verdient an den Transitgebühren und will außerdem weiterhin Importgüter für Niger umschlagen; Niger muss dringend sein Rohöl exportieren, um einen Staatsbankrott zu verhindern; China unterhält gute Beziehungen zu beiden Ländern, ist Abnehmer der Ölexporte und hat ein Interesse am Schutz seiner Investitionen in der Region.
Für China stellt sich jedoch auch die grundsätzliche Frage nach der Effektivität der außenpolitischen Doktrin der Nichteinmischung. Bislang ist die Volksrepublik gut damit gefahren, über die Angelegenheiten anderer Länder zu schweigen. Doch die nigrische FPL zwingt Peking mit ihrem Angriff auf die neue Pipeline, die Situation neu zu bewerten: Entweder legt China die Karten auf den Tisch, beharrt auf seinen ökonomischen Interessen und stellt sich offen an die Seite der Junta. Alternativ könnte China versuchen, mit der FPL zu verhandeln, würde damit allerdings die Junta vor den Kopf stoßen.
In jedem Fall ergibt sich für die chinesische Außenpolitik eine neue Situation, in der der altgediente Ansatz nicht mehr genügt. Wie Peking sich letztlich verhält, bleibt abzuwarten. Der Fall der nigrischen Ölpipeline könnte jedenfalls Aufschluss darüber geben, wie die Volksrepublik künftig mit der heiklen Frage der (Nicht-) Einmischung umgeht.
VW hat in Anhui Weltpremiere des ersten Modells seiner neuen E-Auto-Marke gefeiert. Das Fahrzeug, das genau wie die Marke ID. Unyx heißt, ist ein E-SUV Coupé und soll bereits diesen Sommer auf den Markt kommen. Auf der Autoshow in Beijing im April wurde es bereits vorgestellt. Man wolle damit vor allem “junge, lifestyleorientierte Zielgruppen gewinnen”, sagte Stefan Mecha, VW-Markenchef in der Volksrepublik.
Bis 2026 sind vier weitere Modelle der neuen Marke geplant, darunter SUVs und Limousinen. Die Submarke soll in China ein eigenes Händlernetz mit 40 Verkaufsräumen in 20 Städten erhalten. Die Grundversion des knapp 4,7 Meter langen ID. Unyx mit 210 kW (286 PS) und einer 77-kWh-Batterie soll eine Reichweite von bis zu 621 km nach CLTC (China Light-Duty Test Cycle) schaffen.
Wie VW erklärt, handelt es sich bei dem ersten Modell weitgehend um den Cupra Tavascan, jedoch mit neu gestaltetem Innenraum und leicht verändertem Design der Frontpartie. Das Elektroauto wurde im neuen Innovations- und Entwicklungszentrum von VW in Hefei entwickelt. Mit der Ankündigung reagiert VW auch auf den Erfolg von BYD – der chinesische Hersteller hatte die Wolfsburger 2023 als Marktführer in China abgelöst. fpe
Die Welthandelsorganisation WTO hat nach eigenen Angaben nicht ausreichend verlässliche Daten, um die umstrittene Industriepolitik Chinas bewerten zu können. Es gebe überall einen Mangel an Transparenz, etwa bei Elektroautos sowie in der Aluminium- und Stahlbranche, teilte die WTO am Mittwoch in Genf mit. Die USA und die EU werfen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vor, Schlüsselbranchen mit hohen staatlichen Subventionen zu stützen. Diese würden dann die Weltmärkte mit im Überfluss produzierten Billiggütern fluten.
Die WTO betonte, die Führung in Peking stelle zu wenig Informationen zur Verfügung, um die Subventionen angemessen bewerten zu können. Demnach enthalten Chinas Meldungen zu Subvention “keine Informationen über die Höhe der Ausgaben in Sektoren, in denen staatliche Unterstützung wahrscheinlich globale Auswirkungen hat.” Als Beispiel dafür werden Aluminium, Elektrofahrzeuge, Solarmodule, Glas, Schiffbau, Halbleiter oder Stahl genannt.
Die Präsenz chinesischer Staatsunternehmen mache es laut WTO schwierig, sich ein vollständiges Bild über die Höhe der staatlichen Subventionen zu machen. Die WTO gibt ihren Bewertungsbericht zu Chinas Industriepolitik alle drei Jahre heraus. Er wird an zwei Tagen diese Woche, Mittwoch und Freitag, in Genf diskutiert. Alle WTO-Delegationen können sich dann dazu äußern. China wird dort von Vize-Wirtschaftsminister Li Fei vertreten.
Peking wies die Behauptungen der WTO zurück und argumentierte in seinem eigenen Bericht, dass “Industriesubventionen wichtige politische Instrumente” für Entwicklungsländer seien, um ihre Volkswirtschaften zu modernisieren und den Lebensstandard zu erhöhen. Die Regierung erklärte, sie sei bereit, bei der WTO über die Subventionen zu sprechen, allerdings in einem begrenzten Rahmen. Die Richtung und Ziele solcher Diskussionen sollten klar definiert sein, um allgemeine Diskussionen über staatliche Interventionen oder Industriepolitik zu verhindern, hieß es in der chinesischen Antwort, die ebenfalls am Mittwoch veröffentlicht wurde. “Die Diskussion darf auf keinen Fall die Wirtschaftssysteme und Entwicklungsmodelle der Mitglieder berühren.”
Peking hatte diese Woche die WTO aufgefordert, ein Streitbeilegungs-Gremium einzurichten, das seine Beschwerde vom März über US-Subventionen für Elektrofahrzeuge untersucht. Demnach konnten beide Seiten keine Einigung nach Gesprächen erzielen. ari/rtr
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den größten Baustellen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Und auch die Parteiführung dürfte sich in diesen Tagen bei ihrem Dritten Plenum damit beschäftigen. Nun gibt das Statistikamt des Landes bekannt, dass die Arbeitslosigkeit junger Menschen im Juni gesunken ist. Sie liegt bei den 16- bis 24-Jährigen bei 13,2 Prozent, im Mai lag die Rate noch bei 14,2 Prozent.
Im Sommer des vergangenen Jahres hatten die chinesischen Behörden die Jugendarbeitslosigkeit noch mit 21,3 Prozent angegeben – anschließend die Veröffentlichung dieses gesonderten Werts dann aber eingestellt. Seitdem es im Dezember eine neue Berechnungsmethode gibt, werden die Zahlen wieder veröffentlicht.
Die allgemeine Arbeitslosigkeit lag im Juni unverändert bei fünf Prozent. Die offiziellen Zahlen des Statistikamts geben auch deswegen nur ein unvollständiges Bild der Gesamtlage im Land ab, weil nur die Menschen, die offiziell in den Städten registriert sind, erfasst werden, Menschen auf dem Land nicht. Letztere machen aber rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. flee
Die chinesische App Tiktok bleibt weiter Gatekeeper im Sinne des Digital Markets Act (DMA). In erster Instanz hat das Europäische Gericht die Klage der Tiktok-Muttergesellschaft Bytedance gegen die Einstufung abgewiesen. Das Unternehmen zeigte sich enttäuscht über diese Entscheidung. “Tiktok ist eine Plattform, die wichtigen Wettbewerb mit etablierten Anbietern fördert”, sagte eine Sprecherin. Tiktok werde nun seine “nächsten Schritte abwägen”. Die Plattform kann gegen das Urteil Berufung beim EuGH einlegen.
Die Kommission hatte Tiktok im September 2023 als Gatekeeper (Torwächter) nach dem DMA benannt. Im November 2023 erhob Bytedance eine Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss und reichte auch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein. Den lehnte das Gericht ab, ebenso wie jetzt die Klage.
Der europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte das Urteil. Ebenso Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter für den DMA. Schwab sagte, Bytedance “muss sich jetzt an unsere europäischen Vorschriften halten, die den Schutz der Nutzer und einen fairen Wettbewerb sowie einen gleichberechtigten Zugang zu den Diensten gewährleisten sollen.”
Das Gericht nannte mehrere Gründe für die Abweisung:
Das Gericht entdeckte allerdings auch Fehler, die die Kommission bei der Benennung gemacht habe. Diese hätten letztendlich aber keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses gehabt. So stellte das Gericht fest,
Sollte Tiktok auf eine Berufung verzichten, hat das Urteil mehrere Implikationen für Tiktok: Es unterliegt weiterhin den strengen Auflagen und Kontrollen als Gatekeeper. Zudem muss Tiktok möglicherweise seine Geschäftsstrategie anpassen, um den Anforderungen des DMA gerecht zu werden und Sanktionen zu vermeiden. vis
Mutiger Regierungskritiker, gerissener Geschäftsmann oder geschickter Betrüger? Guo Wengui 郭文贵 ist vermutlich vor allem letzteres: ein skrupelloser Blender. Der im Exil lebende chinesische Geschäftsmann wurde am Dienstag von einem US-Gericht schuldig gesprochen: Der 55-Jährige hat seine Online-Follower um Milliardensummen gebracht, indem er todsichere Investitionen versprach. Die Strafe für Betrug, Veruntreuung und Geldwäsche wird Mitte November verkündet.
In den USA genoss Guo zunächst hohe Sympathie, weil er sich als politischer Aktivist im Kampf gegen die Kommunisten stilisierte. Zu seinen besten Kumpels gehörte der rechtsradikale Vordenker Stephen Bannon, der erste Chefstratege Donald Trumps. Guos kritische Haltung gegenüber dem chinesischen System hatte aber immer einen Beigeschmack: Als Immobilieninvestor hat er seinerzeit in China sehr von Kontakten zur Führung profitiert.
Guo war 2014 in die USA geflohen, weil die Polizei ihm in China auf den Fersen war. Sie hat wegen Bestechung, Entführung und Vergewaltigung gegen ihn ermittelt, vor allem aber wegen Betrug an den Anlegern in seiner Firma. Guo behauptete dagegen, politisch verfolgt zu sein und belastendes Material gegen chinesische Top-Kader zu besitzen. Tatsächlich hatte er – offenbar durch Bestechung – Zugang zu Videomaterial von den Sicherheitsbehörden, das hochrangige Persönlichkeiten belastete.
In den USA konnte er das Betrügen dann nicht lassen. In rechten und konservativen Kreisen gewann er schnell eine Anhängerschaft, der er ab 2018 Märchen vom schnellen Reichtum durch Investitionen in seine Firmen erzählte. Wer sein Geld bei ihm anlege, könne nur gewinnen. “Ich bin reich, ich kümmere mich um Euch”, versprach er in Videos unter anderem auf Twitter und Facebook. Offenbar stellte er bei Investitionen in seine Medienprojekte eine emotionale Mischung aus üppiger Rendite, dem Kampf gegen den Kommunismus und der Verbreitung von rechtslastigen “Wahrheiten” in Aussicht.
Die Follower überwiesen ihm, wie jetzt im Gerichtsverfahren bekannt wurde, rund eine Milliarde Dollar. Unter anderem leistete Guo sich davon ein Anwesen mit 4.000 Quadratmetern Wohnfläche, eine Luxusyacht und einen Lamborghini. Einer seiner Teppiche wird auf 350.000 Dollar geschätzt. Nachhaltige Investitionen sind das nicht.
Doch es gibt noch viel mehr Räubergeschichten um Guo. Er hatte zusammen mit Bannon zwei Onlinemedien gegründet, die später ausschließlich durch die Verbreitung von Falschmeldungen auffielen. Unter anderem priesen sie – wie Trump – ein Malariamedikament als Heilmittel gegen Covid-19.
Wenn US-Medien ihn weiterhin, auch im Rahmen der Berichte über seine Verurteilung, als “Regierungskritiker” bezeichnen, gehen sie zugleich einer weiteren seiner Lügengeschichten auf den Leim. Er äußerte sich nämlich erst kritisch über die KP, nachdem er als gesuchter Verbrecher aus China geflohen war; vorher machte er dort illegale Geschäfte und beutete das System aus, wo es ging. Erst in den USA passte er seine Masche unter dem Einfluss Bannons an. Gemeinsam unterstellten sie Joe Biden, mit China gemeinsame Sache zu machen und stellten Trump als den einzigen dar, der den Kommunisten die Stirn bieten könne.
Die beiden, Bannon und Guo, heckten 2020 eine besonders wilde Geschichte aus. Sie verkündeten auf Guos Yacht im Hafen von New York die Gründung eines “Neuen Bundesstaats China”. Der Chef der Exilregierung? Guo. Das Ziel des Staates lautete, die KP zu stürzen. Guo eröffnete sogar eine Botschaft in New York. Doch selbst der rechte Sender Fox News fand die Aktion höchst fragwürdig. Es wurde auch nichts draus, außer der wichtigsten Währung für rechte Agitatoren und für Hochstapler: Aufmerksamkeit. Finn Mayer-Kuckuk
Kara Němečková wird neue Research Fellow zum CEIAS (Central European Institute of Asian Studies) im neu gegründeten Büro in Prag. Němečková war zuvor External Relations Manager beim Thinktank CHOICE.
Danny Alexander verlässt die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank AIIB. Der Brite war als Vizepräsident einer der ranghöchsten westlichen Vertreter bei der von Peking unterstützten Investitionsbank. Der ehemalige Chefsekretär des UK-Schatzamtes wechselt zu HSBC.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Zwar gibt es zwischen China und Nepal weiter den Streit, zu welcher Seite die Spitze des Mount Everests gehört. Und auch über die Höhe sind sich beide Staaten uneins. Den schöneren Blick bietet der höchste Berg der Welt von der chinesischen Seite aus – zumindest bei Sonnenaufgang.
“Everyone in this world is one of three kinds: a good Terminator, a bad Terminator, or neutral”, sagt Mamaw in “Hillbilly Elegy”, der Autobiografie von J. D. Vance – einem weltweiten Bestseller. Der Charakter von Mamaw basiert auf der Großmutter von Vance. J. D. Vance zieht seine Grenzen im echten Leben ähnlich klar. Gut und böse, Freund und Feind – aber auch neutral?
Seit Beginn der Woche ist J.D. Vance offiziell die Nummer zwei von Donald Trump und würde im Fall eines Wahlsiegs Vizepräsident werden. Wer der Feind im echten Leben ist, hat Vance bereits deutlich gemacht, schreibt Michael Radunski: Die Volksrepublik sei die “größte Bedrohung” für die USA. Vance ist ein sogenannter Asia-First-Republikaner. Sein Ziel: Die USA sollen sich künftig mehr auf China statt auf andere Brandherde der Welt konzentrieren. Das hätte auch dramatische Auswirkungen auf Europa.
Derweil muss sich Peking auf Westafrika konzentrieren, denn dort gibt es außenpolitische Probleme. Die von China gebaute und finanzierte Niger-Benin-Ölpipeline stellt die außenpolitische Nichteinmischungsdoktrin der Volksrepublik vor neue Herausforderungen. Eine Rebellengruppe, die die Rückkehr des abgesetzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum fordert, hat die Pipeline schwer beschädigt und ihren Betrieb unterbrochen. Unser Africa.Table-Kollege Arne Schütte erklärt den Konflikt.
Die Kollegen von Africa.Table haben für Sie in dieser Woche auch ein spannendes und hochaktuelles Live-Briefing vorbereitet. Das Thema: “In Afrika investieren: die Erfahrungen von Volkswagen.” Natürlich geht es auch um China – schließlich macht der Wettbewerb nicht an den Landesgrenzen halt. Darüber sprechen wird in unserem Table-Café in Berlin Thomas Schäfer, Vorstand der Marke Volkswagen und SAFRI-Vorsitzender. Hier können Sie sich anmelden. Sie wollen vor Ort dabei sein? Dann schreiben Sie eine Mail an africa.content@table.media.
Mutiger Regierungskritiker, gerissener Geschäftsmann oder geschickter Betrüger? Guo Wengui 郭文贵 ist vermutlich vor allem letzteres: ein skrupelloser Blender. Finn Mayer-Kuckuk stellt Ihnen den gefallenen Geschäftsmann, der diese Woche in den USA verurteilt wurde, im Heads vor.
James David Vance will die US-Außenpolitik neu ausrichten. Direkt nach seiner Nominierung als möglicher Vize-Präsident unter Donald Trump kündigte Vance an, der Schwerpunkt einer Trump-Vance-Administration werde auf China liegen. Die Volksrepublik sei die “größte Bedrohung” für die USA. Oder wie Vance es in einer Rede im vergangenen Jahr auf den Punkt brachte: “Dort ist der wahre Feind.”
Wichtig für Europa: Vance ist ein sogenannter Asia-First-Republikaner. Sein Ziel: Statt sich um die unterschiedlichsten Brandherde der Welt zu kümmern, sollen sich die USA künftig vor allem auf China konzentrieren. Der Senator aus Ohio ist überzeugt: Die USA verlieren derzeit an Boden gegen China, weil man zu abgelenkt sei. Diese “Ablenkung” ist für Vance vor allem Amerikas Unterstützung für Europa und die Ukraine.
In seiner China-Politik geht es Vance vor allem um zwei Punkte:
Beim Thema Handel liegt Vance ganz auf der Linie von Donald Trump. Der hatte in seiner ersten Amtszeit einen Handelskrieg gegen China begonnen. Nun droht er, die Zölle auf alle chinesischen Importe auf 60 Prozent zu erhöhen.
Auch Vance ist überzeugt, dass höhere Zölle auf chinesische Importe die wirtschaftliche Entwicklung in den USA verbessern werden. Im Interview mit “Face the Nation” sagte Vance diese Woche: “Wenn sie Zölle erheben, bedeutet das im Grunde, dass wir Sie dafür bestrafen, dass Sie in China Sklavenarbeit einsetzen und diese Produkte in die USA importieren. Im Endeffekt werden dadurch mehr Produkte in Amerika hergestellt, also in Pennsylvania, in Ohio und in Michigan.” Im Parteiprogramm der Republikaner heißt es zudem, dass man China den Status als “most-favoured-nation” aberkennen möchte.
Vance selbst bezeichnet seine Haltung als “wirtschaftlich nationalistisch”. Das heißt: Vance glaubt, durch die Förderung der heimischen US-Produktion könne man dem Aufstieg Chinas direkt entgegenwirken. “Wir sollten mehr von unseren Sachen herstellen”, sagt Vance und fügt hinzu: “selbst auf Kosten von ein paar Basispunkten BIP”. Und das wäre wohl nur ein Nebeneffekt von immer höheren Zöllen.
Interessant dabei ist: Auch die derzeitige US-Regierung unter Joe Biden setzt auf Zölle. Sie hat inzwischen Abgaben im Wert von 18 Milliarden US-Dollar auf chinesische Waren erhoben – darunter einen 100-Prozent-Zoll auf Elektrofahrzeuge.
Doch Vance steht E-Autos und erneuerbaren Energien skeptisch gegenüber. So unterstützte er unlängst einen Gesetzentwurf zur Abschaffung staatlicher Steuererleichterungen für Elektrofahrzeuge. Denn E-Autos würden aus seiner Sicht lediglich dazu beitragen, Arbeitsplätze amerikanischer Arbeiter nach China zu verlagern. Dass in den USA aktuell kaum E-Autos von chinesischen Firmen verkauft werden, sagt Vance allerdings nicht.
Generell sieht Vance im Umweltschutz eine Schwäche – auch der EU. “Die Tatsache, dass Europa schwächer geworden ist, liegt daran, dass sie deindustrialisiert haben … weil sie nach dem Vorbild der Biden-Regierung eine Agenda für grüne Energie verfolgt haben und das zwangsläufig China und Russland stärkt“. Joe Bidens “CHIPS and Science Act” bezeichnete Vance hingegen als “großartiges Gesetz” – als einer von ganz wenigen Republikanern. Der Beschluss von 2022 soll die Produktion von Halbleiterchips in den USA fördern, um besser mit China und anderen Ländern konkurrieren können.
Halbleiter führen auch direkt zum zweiten Punkt von Vances China-Politik: Taiwan. Zu Jahresbeginn erklärte Vance im Fernsehsender “Real America’s Voice”: Wenn Festlandchina Taiwan angreife, würden die USA viele Chips und neue Technologien verlieren, “die für die moderne Wirtschaft notwendig sind”. Sein Fazit: “Wir können nicht zulassen, dass die Chinesen in Taiwan einmarschieren.”
An diesem Punkt sollten vor allem die Europäer genau hinhören. Damit man Taiwan effektiv verteidigen könne, müssten die USA laut Vance Waffen und Unterstützung aus anderen Regionen der Welt abziehen. Vance nennt hierbei vor allem die Ukraine. So ist Vance überzeugt: Krieg in der Ukraine sei “eine Einladung zur chinesischen Aggression, weil sie wissen, dass wir nicht über die Waffensysteme verfügen, um sowohl die Ukraine als auch Taiwan zu unterstützen”. Schon kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatte Vance erklärt: “Ich muss ehrlich sein, es ist mir egal, was mit der Ukraine passiert.”
Ganz so harsch wollte Vance es dann wohl doch nicht stehen lassen. In der New York Times erklärt er, dass die von der Ukraine geforderten Patriot-Luftabwehrsysteme für Taiwan ebenso wichtig seien. “Diese Waffen braucht nicht nur die Ukraine. Sollte China Taiwan ins Visier nehmen, wäre das Patriot-Raketensystem für dessen Verteidigung von entscheidender Bedeutung.”
Das stimmt. Und tatsächlich haben die USA zugesagt, Patriot-Raketen an Taiwan zu liefern. Allerdings kommt es zu Verzögerungen – auch aufgrund von Lieferungen an die Ukraine. Für Vance ein Zeichen falscher Politik. Er ist überzeugt: Man müsse China zeigen, wie stark die USA wirklich sind – und zwar vor Ort, nicht irgendwo in Europa.
All das sollte für Europa nicht überraschend sein. Im Februar war Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Im Bayrischen Hof forderte Vance die Europäer auf, mehr Verantwortung für ihre militärische Verteidigung zu übernehmen, insbesondere auch für die eigene Herstellung von Waffen und Munition. “Dann können die USA ihre Ressourcen gegen ein aggressives China einsetzen.” Unter einer Trump-Vance-Administration werden die USA wohl ihre Ressourcen bündeln – gegen China. Bleibt abzuwarten, ob auch die Europäer die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Die von China gebaute und finanzierte Niger-Benin-Ölpipeline stellt die außenpolitische Nichteinmischungsdoktrin der Volksrepublik vor neue Herausforderungen. Eine Rebellengruppe, die die Rückkehr des abgesetzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum fordert, hat die Pipeline schwer beschädigt und ihren Betrieb unterbrochen. Die Rebellen erklärten, ihr Angriff auf die Pipeline ziele darauf ab, Nigers chinesische Partner dazu zu bringen, das Ölgeschäft mit der nigrischen Junta zu kündigen.
Die knapp 2000 Kilometer lange Niger-Benin-Pipeline verbindet die Ölfelder im Osten Nigers über Benin mit dem Atlantischen Ozean und ermöglicht erstmals den Export von nigrischem Rohöl. Die Pipeline soll die nigrische Ölproduktion von gegenwärtig 20.000 Barrel pro Tag um weitere 90.000 für den Export bestimmte Barrel pro Tag erhöhen. Betreiber der Leitung ist der chinesische Staatskonzern China National Petroleum Corporation (CNPC), der einzige Ölkonzern, der in Niger Öl fördert. CNPC begann 2019 mit dem Bau. Offiziell eingeweiht wurde die Pipeline im November 2023 – kurz nach dem nigrischen Militärputsch im Juli des gleichen Jahres.
Gemäß seiner außenpolitischen Doktrin der Nichteinmischung verurteilte China den Militärputsch damals nicht, sondern arrangierte sich stattdessen lautlos mit den neuen Machthabern: Solange die eigenen wirtschaftlichen Interessen abgesichert sind, schert es Peking nicht, wer in den Partnerhauptstädten die Zügel in der Hand hält.
Für die nigrische Junta wurde die Pipeline zu einer wichtigen Lebensader. Nach dem Putsch hatten viele ehemalige Partner die Zusammenarbeit mit Niger aufgekündigt, was auch den finanziellen Spielraum der Militärmachthaber stark einschränkte. Über die Erlöse aus dem Ölexport sollte wieder Geld in die Staatskassen fließen.
Doch selbst bevor der Anschlag auf die Pipeline Mitte Juni die Ausfuhren endgültig unterband, konnte durch die Leitung nur eine einzige Ladung Öl exportiert werden. Grund dafür ist ein anhaltender diplomatischer Streit zwischen Niger und Benin.
Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hatte Benin nach dem Militärputsch Sanktionen gegen Niger verhängt, einschließlich Grenzschließungen, um das Militär zu zwingen, die Macht an die gewählte Regierung zurückzugeben. Der beninische Präsident Patrice Talon forderte damals lautstark die Wiedereinsetzung Bazoums und sprach sich sogar für eine militärische Intervention der Ecowas aus. Auch nach der Aufhebung der Sanktionen im Februar weigerte sich Niger jedoch, die Grenze nach Benin wieder zu öffnen. Barrikaden, die ursprünglich in Erwartung eines bewaffneten Eingreifens der Ecowas errichtet wurden, blockieren noch immer die Straße zwischen den beiden Ländern. Benin untersagte daraufhin das Verladen nigrischen Öls. Mitte Mai konnten chinesische Vermittler noch eine Einigung erzielen, die allerdings nur kurz Bestand hatte.
In dieser ohnehin schon komplexen Gemengelage versucht nun ein weiterer Player, die längste Pipeline Afrikas für seine Zwecke zu nutzen. Die Rebellengruppe Front patriotique pour la Libération (FPL) verübte im Juni einen Anschlag auf die Leitung und drohte weitere Angriffe an. Die Gruppe, die sich nach dem Staatsstreich im Juli 2023 bildete, fordert die Annullierung des Ölgeschäfts mit CNPC und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. FPL stört sich besonders an einem 400-Millionen-Dollar-Deal mit CNPC aus dem April, der die Junta finanziell über Wasser halte.
Die Lösung des Streits ist für alle drei beteiligten Länder von großer Bedeutung: Benin verdient an den Transitgebühren und will außerdem weiterhin Importgüter für Niger umschlagen; Niger muss dringend sein Rohöl exportieren, um einen Staatsbankrott zu verhindern; China unterhält gute Beziehungen zu beiden Ländern, ist Abnehmer der Ölexporte und hat ein Interesse am Schutz seiner Investitionen in der Region.
Für China stellt sich jedoch auch die grundsätzliche Frage nach der Effektivität der außenpolitischen Doktrin der Nichteinmischung. Bislang ist die Volksrepublik gut damit gefahren, über die Angelegenheiten anderer Länder zu schweigen. Doch die nigrische FPL zwingt Peking mit ihrem Angriff auf die neue Pipeline, die Situation neu zu bewerten: Entweder legt China die Karten auf den Tisch, beharrt auf seinen ökonomischen Interessen und stellt sich offen an die Seite der Junta. Alternativ könnte China versuchen, mit der FPL zu verhandeln, würde damit allerdings die Junta vor den Kopf stoßen.
In jedem Fall ergibt sich für die chinesische Außenpolitik eine neue Situation, in der der altgediente Ansatz nicht mehr genügt. Wie Peking sich letztlich verhält, bleibt abzuwarten. Der Fall der nigrischen Ölpipeline könnte jedenfalls Aufschluss darüber geben, wie die Volksrepublik künftig mit der heiklen Frage der (Nicht-) Einmischung umgeht.
VW hat in Anhui Weltpremiere des ersten Modells seiner neuen E-Auto-Marke gefeiert. Das Fahrzeug, das genau wie die Marke ID. Unyx heißt, ist ein E-SUV Coupé und soll bereits diesen Sommer auf den Markt kommen. Auf der Autoshow in Beijing im April wurde es bereits vorgestellt. Man wolle damit vor allem “junge, lifestyleorientierte Zielgruppen gewinnen”, sagte Stefan Mecha, VW-Markenchef in der Volksrepublik.
Bis 2026 sind vier weitere Modelle der neuen Marke geplant, darunter SUVs und Limousinen. Die Submarke soll in China ein eigenes Händlernetz mit 40 Verkaufsräumen in 20 Städten erhalten. Die Grundversion des knapp 4,7 Meter langen ID. Unyx mit 210 kW (286 PS) und einer 77-kWh-Batterie soll eine Reichweite von bis zu 621 km nach CLTC (China Light-Duty Test Cycle) schaffen.
Wie VW erklärt, handelt es sich bei dem ersten Modell weitgehend um den Cupra Tavascan, jedoch mit neu gestaltetem Innenraum und leicht verändertem Design der Frontpartie. Das Elektroauto wurde im neuen Innovations- und Entwicklungszentrum von VW in Hefei entwickelt. Mit der Ankündigung reagiert VW auch auf den Erfolg von BYD – der chinesische Hersteller hatte die Wolfsburger 2023 als Marktführer in China abgelöst. fpe
Die Welthandelsorganisation WTO hat nach eigenen Angaben nicht ausreichend verlässliche Daten, um die umstrittene Industriepolitik Chinas bewerten zu können. Es gebe überall einen Mangel an Transparenz, etwa bei Elektroautos sowie in der Aluminium- und Stahlbranche, teilte die WTO am Mittwoch in Genf mit. Die USA und die EU werfen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vor, Schlüsselbranchen mit hohen staatlichen Subventionen zu stützen. Diese würden dann die Weltmärkte mit im Überfluss produzierten Billiggütern fluten.
Die WTO betonte, die Führung in Peking stelle zu wenig Informationen zur Verfügung, um die Subventionen angemessen bewerten zu können. Demnach enthalten Chinas Meldungen zu Subvention “keine Informationen über die Höhe der Ausgaben in Sektoren, in denen staatliche Unterstützung wahrscheinlich globale Auswirkungen hat.” Als Beispiel dafür werden Aluminium, Elektrofahrzeuge, Solarmodule, Glas, Schiffbau, Halbleiter oder Stahl genannt.
Die Präsenz chinesischer Staatsunternehmen mache es laut WTO schwierig, sich ein vollständiges Bild über die Höhe der staatlichen Subventionen zu machen. Die WTO gibt ihren Bewertungsbericht zu Chinas Industriepolitik alle drei Jahre heraus. Er wird an zwei Tagen diese Woche, Mittwoch und Freitag, in Genf diskutiert. Alle WTO-Delegationen können sich dann dazu äußern. China wird dort von Vize-Wirtschaftsminister Li Fei vertreten.
Peking wies die Behauptungen der WTO zurück und argumentierte in seinem eigenen Bericht, dass “Industriesubventionen wichtige politische Instrumente” für Entwicklungsländer seien, um ihre Volkswirtschaften zu modernisieren und den Lebensstandard zu erhöhen. Die Regierung erklärte, sie sei bereit, bei der WTO über die Subventionen zu sprechen, allerdings in einem begrenzten Rahmen. Die Richtung und Ziele solcher Diskussionen sollten klar definiert sein, um allgemeine Diskussionen über staatliche Interventionen oder Industriepolitik zu verhindern, hieß es in der chinesischen Antwort, die ebenfalls am Mittwoch veröffentlicht wurde. “Die Diskussion darf auf keinen Fall die Wirtschaftssysteme und Entwicklungsmodelle der Mitglieder berühren.”
Peking hatte diese Woche die WTO aufgefordert, ein Streitbeilegungs-Gremium einzurichten, das seine Beschwerde vom März über US-Subventionen für Elektrofahrzeuge untersucht. Demnach konnten beide Seiten keine Einigung nach Gesprächen erzielen. ari/rtr
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den größten Baustellen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Und auch die Parteiführung dürfte sich in diesen Tagen bei ihrem Dritten Plenum damit beschäftigen. Nun gibt das Statistikamt des Landes bekannt, dass die Arbeitslosigkeit junger Menschen im Juni gesunken ist. Sie liegt bei den 16- bis 24-Jährigen bei 13,2 Prozent, im Mai lag die Rate noch bei 14,2 Prozent.
Im Sommer des vergangenen Jahres hatten die chinesischen Behörden die Jugendarbeitslosigkeit noch mit 21,3 Prozent angegeben – anschließend die Veröffentlichung dieses gesonderten Werts dann aber eingestellt. Seitdem es im Dezember eine neue Berechnungsmethode gibt, werden die Zahlen wieder veröffentlicht.
Die allgemeine Arbeitslosigkeit lag im Juni unverändert bei fünf Prozent. Die offiziellen Zahlen des Statistikamts geben auch deswegen nur ein unvollständiges Bild der Gesamtlage im Land ab, weil nur die Menschen, die offiziell in den Städten registriert sind, erfasst werden, Menschen auf dem Land nicht. Letztere machen aber rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. flee
Die chinesische App Tiktok bleibt weiter Gatekeeper im Sinne des Digital Markets Act (DMA). In erster Instanz hat das Europäische Gericht die Klage der Tiktok-Muttergesellschaft Bytedance gegen die Einstufung abgewiesen. Das Unternehmen zeigte sich enttäuscht über diese Entscheidung. “Tiktok ist eine Plattform, die wichtigen Wettbewerb mit etablierten Anbietern fördert”, sagte eine Sprecherin. Tiktok werde nun seine “nächsten Schritte abwägen”. Die Plattform kann gegen das Urteil Berufung beim EuGH einlegen.
Die Kommission hatte Tiktok im September 2023 als Gatekeeper (Torwächter) nach dem DMA benannt. Im November 2023 erhob Bytedance eine Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss und reichte auch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein. Den lehnte das Gericht ab, ebenso wie jetzt die Klage.
Der europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte das Urteil. Ebenso Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter für den DMA. Schwab sagte, Bytedance “muss sich jetzt an unsere europäischen Vorschriften halten, die den Schutz der Nutzer und einen fairen Wettbewerb sowie einen gleichberechtigten Zugang zu den Diensten gewährleisten sollen.”
Das Gericht nannte mehrere Gründe für die Abweisung:
Das Gericht entdeckte allerdings auch Fehler, die die Kommission bei der Benennung gemacht habe. Diese hätten letztendlich aber keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses gehabt. So stellte das Gericht fest,
Sollte Tiktok auf eine Berufung verzichten, hat das Urteil mehrere Implikationen für Tiktok: Es unterliegt weiterhin den strengen Auflagen und Kontrollen als Gatekeeper. Zudem muss Tiktok möglicherweise seine Geschäftsstrategie anpassen, um den Anforderungen des DMA gerecht zu werden und Sanktionen zu vermeiden. vis
Mutiger Regierungskritiker, gerissener Geschäftsmann oder geschickter Betrüger? Guo Wengui 郭文贵 ist vermutlich vor allem letzteres: ein skrupelloser Blender. Der im Exil lebende chinesische Geschäftsmann wurde am Dienstag von einem US-Gericht schuldig gesprochen: Der 55-Jährige hat seine Online-Follower um Milliardensummen gebracht, indem er todsichere Investitionen versprach. Die Strafe für Betrug, Veruntreuung und Geldwäsche wird Mitte November verkündet.
In den USA genoss Guo zunächst hohe Sympathie, weil er sich als politischer Aktivist im Kampf gegen die Kommunisten stilisierte. Zu seinen besten Kumpels gehörte der rechtsradikale Vordenker Stephen Bannon, der erste Chefstratege Donald Trumps. Guos kritische Haltung gegenüber dem chinesischen System hatte aber immer einen Beigeschmack: Als Immobilieninvestor hat er seinerzeit in China sehr von Kontakten zur Führung profitiert.
Guo war 2014 in die USA geflohen, weil die Polizei ihm in China auf den Fersen war. Sie hat wegen Bestechung, Entführung und Vergewaltigung gegen ihn ermittelt, vor allem aber wegen Betrug an den Anlegern in seiner Firma. Guo behauptete dagegen, politisch verfolgt zu sein und belastendes Material gegen chinesische Top-Kader zu besitzen. Tatsächlich hatte er – offenbar durch Bestechung – Zugang zu Videomaterial von den Sicherheitsbehörden, das hochrangige Persönlichkeiten belastete.
In den USA konnte er das Betrügen dann nicht lassen. In rechten und konservativen Kreisen gewann er schnell eine Anhängerschaft, der er ab 2018 Märchen vom schnellen Reichtum durch Investitionen in seine Firmen erzählte. Wer sein Geld bei ihm anlege, könne nur gewinnen. “Ich bin reich, ich kümmere mich um Euch”, versprach er in Videos unter anderem auf Twitter und Facebook. Offenbar stellte er bei Investitionen in seine Medienprojekte eine emotionale Mischung aus üppiger Rendite, dem Kampf gegen den Kommunismus und der Verbreitung von rechtslastigen “Wahrheiten” in Aussicht.
Die Follower überwiesen ihm, wie jetzt im Gerichtsverfahren bekannt wurde, rund eine Milliarde Dollar. Unter anderem leistete Guo sich davon ein Anwesen mit 4.000 Quadratmetern Wohnfläche, eine Luxusyacht und einen Lamborghini. Einer seiner Teppiche wird auf 350.000 Dollar geschätzt. Nachhaltige Investitionen sind das nicht.
Doch es gibt noch viel mehr Räubergeschichten um Guo. Er hatte zusammen mit Bannon zwei Onlinemedien gegründet, die später ausschließlich durch die Verbreitung von Falschmeldungen auffielen. Unter anderem priesen sie – wie Trump – ein Malariamedikament als Heilmittel gegen Covid-19.
Wenn US-Medien ihn weiterhin, auch im Rahmen der Berichte über seine Verurteilung, als “Regierungskritiker” bezeichnen, gehen sie zugleich einer weiteren seiner Lügengeschichten auf den Leim. Er äußerte sich nämlich erst kritisch über die KP, nachdem er als gesuchter Verbrecher aus China geflohen war; vorher machte er dort illegale Geschäfte und beutete das System aus, wo es ging. Erst in den USA passte er seine Masche unter dem Einfluss Bannons an. Gemeinsam unterstellten sie Joe Biden, mit China gemeinsame Sache zu machen und stellten Trump als den einzigen dar, der den Kommunisten die Stirn bieten könne.
Die beiden, Bannon und Guo, heckten 2020 eine besonders wilde Geschichte aus. Sie verkündeten auf Guos Yacht im Hafen von New York die Gründung eines “Neuen Bundesstaats China”. Der Chef der Exilregierung? Guo. Das Ziel des Staates lautete, die KP zu stürzen. Guo eröffnete sogar eine Botschaft in New York. Doch selbst der rechte Sender Fox News fand die Aktion höchst fragwürdig. Es wurde auch nichts draus, außer der wichtigsten Währung für rechte Agitatoren und für Hochstapler: Aufmerksamkeit. Finn Mayer-Kuckuk
Kara Němečková wird neue Research Fellow zum CEIAS (Central European Institute of Asian Studies) im neu gegründeten Büro in Prag. Němečková war zuvor External Relations Manager beim Thinktank CHOICE.
Danny Alexander verlässt die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank AIIB. Der Brite war als Vizepräsident einer der ranghöchsten westlichen Vertreter bei der von Peking unterstützten Investitionsbank. Der ehemalige Chefsekretär des UK-Schatzamtes wechselt zu HSBC.
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Zwar gibt es zwischen China und Nepal weiter den Streit, zu welcher Seite die Spitze des Mount Everests gehört. Und auch über die Höhe sind sich beide Staaten uneins. Den schöneren Blick bietet der höchste Berg der Welt von der chinesischen Seite aus – zumindest bei Sonnenaufgang.