Table.Briefing: China

China macht Stromnetze Solar-fit + Filterung von CO2 aus der Luft

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir bieten Ihnen heute eine Ausgabe, in der es um Klima und Energie geht. Christiane Kühl vergleicht die Lage des chinesischen Stromnetzes mit der in Deutschland. In beiden Ländern kommt jedes Jahr enorm viel Solarkapazität hinzu. Wenn mittags schön die Sonne scheint, werden die Leitungen mit viel kostbarem Strom geflutet. Dieser findet allerdings nicht in Echtzeit Abnehmer.

China steckt jetzt rund 80 Milliarden Euro in die Modernisierung und Stabilisierung der Netze, um die grüne Energie auch effektiv nutzen zu können. So wird der Höhepunkt der Emissionen vermutlich viel früher erreicht als angekündigt.

Doch in China ist nicht nur die Vermeidung des Treibhausgasausstoßes angesagt, sondern auch die Idee, ihn wieder rückgängig zu machen. Die Technik, Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre zu entfernen, hat Anhänger, aber auch Kritiker. Letztere sagen: Der Fokus sollte auf der Vermeidung von Emissionen liegen, nicht darauf, sie nachträglich rückgängig zu machen.

Erstmals hat China nun eine Anlage getestet, die CO₂ direkt aus der Luft saugt. Mit seinen Fähigkeiten in der Massenproduktion könnte China die Kosten für diese Technologie drücken.

Auch in den USA fließen Milliarden für solche Projekte, und Unternehmen wie Climeworks aus der Schweiz melden große Fortschritte. Trotzdem bleibt die Technologie teuer und kompliziert, schreibt Nico Beckert.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Stromnetz: So will Peking den Weg für Erneuerbare freimachen

Baustelle einer West-Ost-Stromtrasse bei Korla in Xinjiang: China investiert derzeit Milliarden ins Stromnetz, um die wachsenden Erneuerbaren-Kapazitäten einspeisen zu können.

China baut die Kapazitäten für erneuerbare Energien immer schneller aus. Die Herausforderung ist, ähnlich wie in Deutschland und anderen Ländern, das Stromnetz. Die Regierung weiß, dass sie die Netze dringend modernisieren und ausbauen muss, um das explosive Wachstum der erneuerbaren Energien auch als Elektrizität nutzbar machen zu können. Seit Februar deutet Peking erhebliche Steigerungen der Investitionen in das Stromnetz an. Nun haben die beiden staatlichen Netzbetreiber, State Grid und das kleinere China Southern Grid, Milliarden-Investitionsziele in Rekordhöhe bekannt gegeben.

Die Zahlen sind gewaltig. State Grid will 2024 rund 600 Milliarden Yuan (77 Milliarden Euro) in den Netzausbau investieren. Das Unternehmen versorgt 1,1 Milliarden Menschen und 88 Prozent der Fläche Chinas mit Strom. Southern Grid wird gut 40 Milliarden Yuan (gut fünf Milliarden Euro) dafür ausgeben. Beide Summen liegen mehr als zehn Prozent über dem Vorjahr und deutlich höher als die noch zu Jahresbeginn herausgegebenen Ziele.

Rekordsummen für den Ausbau der Stromnetze nötig

“Dies könnte der Beginn einer neuen Phase sein, in der rekordverdächtige Investitionsbudgets der Netze zur Norm werden”, meinen die Klima-Experten der Beratungsagentur Trivium China. Diese würden zu Rekordinvestitionen in “Stromverteilungsnetze, Fernübertragungskapazitäten, die Digitalisierung der Infrastruktur und die netzweite Energiespeicherung” führen – mit guten Aussichten für Chinas Dekarbonisierung.

Im zweiten Quartal sind Chinas CO₂-Emissionen um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken; es ist der erste Rückgang seit dem Ende der Pandemie. Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten halten eine frühere Wende für durchaus möglich. Im ersten Halbjahr legte nach Daten der Nationalen Energiebehörde (NEA) die Stromerzeugung aus Photovoltaik um 47 Prozent und die aus Windenergie um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Solar und Wind erzeugten damit ein Fünftel des gesamten Stroms.

Doch ihr Anteil an der installierten Kapazität ist deutlich höher als am Strommix – vor allem bei der Photovoltaik, deren Anteil an der Kapazität Ende 2023 nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Caixin bei 21 Prozent lag. Solarstrom habe aber nur drei Prozent zur Stromerzeugung beigetragen. Der starke Solarstrom-Zuwachs in diesem Jahr deutet zwar darauf hin, dass sich die Solar-Nutzungsrate inzwischen verbessert hat. Dennoch zeigt sich in dieser Zahl, wie dringend die Modernisierung der Stromnetze ist.

Aktionsplan für moderne Stromnetze

“Die jüngsten Budgets der beiden Netzbetreiber und eine noch nie dagewesene Zahl netzbezogener Maßnahmen zeigen, wie ernst es den politischen Entscheidungsträgern mit dem Thema ist”, schreiben die Trivium-Experten. Tatsächlich werden die Investitionen flankiert von politischen Beschlüssen. So gab die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) gemeinsam mit der NEA und der Nationalen Datenbehörde Ende Juli einen Vier-Jahres-Aktionsplan zum Aufbau eines “neuen Stromsystems” bis 2027 heraus. Dazu gehören neben dem Ausbau der Stromnetze auch hohe Investitionen in

  • den Aufbau eines digitalen Stromnetzes,
  • die Einführung von Vehicle-to-Grid-Technologien, bei denen E-Autos nicht nur genau dann laden, wenn viel Strom da ist, sondern die Energie bei Engpässen sogar zeitweilig wieder abgeben,
  • die CO₂-sparende Nachrüstung von Kohlekraftwerken für den Übergang und
  • den Aufbau von Energiespeicherkapazitäten der neuesten Generation.

Fernleitungen brauchen stabile Auslastung

China baut laut Trivium ohnehin bereits “fieberhaft” neue Ultrahochspannungsleitungen, um den in abgelegenen Westprovinzen erzeugten Ökostrom in die Industriezentren und Metropole der Küsten zu transportieren. Dabei entstehe die technische Herausforderung, dass solche Leitungen mit gleichbleibend hoher Auslastung betrieben werden müssen, was allein mit den naturgemäß schwankenden Solar- und Windanlagen nicht möglich ist. “Veränderungen der Windverhältnisse während der Nachfragespitzen können die Stromerzeugung einbrechen lassen”, schreibt Caixin. “Das hat in vielen Regionen Chinas trotz eines Überschusses an neu installierter Energieerzeugungskapazität zu Stromengpässen geführt.”

Die NDRC hat daher laut Caixin kürzlich sogar die Regeln zur Mindestabnahme von Ökostrom durch die Netzbetreiber gelockert – damit diese Gelegenheit bekommen, ihre Netze zu flexibilisieren und Energiespeicher zu bauen. In dem Aktionsplan ist von “fortschrittlichen Technologien zur Leistungsregulierung” in den Fernleitungen die Rede. Ziel ist es, den als Backup eingespeisten Kohlestrom schrittweise zu reduzieren. Gebraucht wird dafür neue Hochtechnologie.

Wichtig ist laut Caixin zudem eine parallele Reform des Strommarktes und der Preismechanismen. Das Preissystem sei ursprünglich für stabile fossile Energieträger wie Kohle entwickelt wurden und passe nun nicht mehr. “Bei diesem Plan geht es um alles oder nichts”, glauben die Trivium-Experten. “Das Rekordwachstum der erneuerbaren Energien kann China ohne eine höhere Netzflexibilität und eine Verbesserung der Infrastruktur nicht aufrechterhalten.”

Ökostrom-Mindestquote für die Provinzen

Hinzu kommt, dass der Kohlestrom in manchen Provinzen traditionell politischen Schutz genießt. Deshalb führte Peking 2019 Mindestquoten für die Erneuerbaren im Strommix einer jeden Provinz ein, die seither jedes Jahr steigen. Die Anfang August von NDRC und NEA bekannt gegebenen Provinzquoten für 2024 liegen für 14 Provinzen um vier Prozent höher als 2023, für sechs Provinzen um mehr als sechs Prozent höher, und bei allen anderen dazwischen. Dies sei ein “ungewöhnlich hoher Anstieg im Jahresvergleich”, schreiben die Trivium-Analysten.

Ab 2025 soll es zudem eine ebenfalls jährlich steigende Erneuerbaren-Quote im Produktionsprozess für elektrolytisches Aluminium geben. Es ist eine besonders energieintensive Industrie, die demnächst in Chinas Emissionshandel aufgenommen werden soll. Die Trivium-Experten begrüßen den Plan: “Eine höhere Industrie-Nachfrage nach erneuerbaren Energien wird entscheidend dafür sein, dass diese nicht nur aufgebaut, sondern auch genutzt werden.” Bestehende Pläne für den gesamten Alu-Sektor bis 2025 sehen bereits vor, dass dieser bis Ende nächsten Jahres mindestens ein Viertel seines Strombedarfs durch Erneuerbare decken muss. Es bleibt viel zu tun.


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Direct Air Capture: So treiben China und die USA die neue Technologie voran

Neue DAC-Anlage von Climeworks auf Island.
Neue DAC-Anlage von Climeworks auf Island.

Bei der sogenannten Direct Air Capture (DAC)-Technologie gibt es jüngst einige Erfolgsmeldungen: Erstmals hat auch China erfolgreich eine größere DAC-Anlage getestet, und Unternehmen wie Climeworks und CarbonCapture vermelden neue Entwicklungen. Die Fortschritte sind bedeutend, denn um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen zukünftig große CO₂-Mengen aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft gespeichert werden. Wird China mit seinen großen Industriekapazitäten auch dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen? Welche Rolle spielen die US-Subventionen in Milliardenhöhe? Und was ist von den Entwicklungen westlicher Unternehmen zu halten?

Chinas Fähigkeiten in der Massenproduktion könnten DAC-Technologien helfen

Die von China erstmals erfolgreich getestete DAC-Anlage ist eine in einem Schiffscontainer installierte sogenannte CarbonBox. Sie soll jährlich 600 Tonnen CO₂ aus der Umgebungsluft filtern. Die Volksrepublik hat mit Subventionen bereits eine Massenproduktion in der Solar- und Batterieproduktion aufgebaut und damit maßgeblich zur immensen Kostenreduktion bei diesen wichtigen Energiewende-Technologien beigetragen. Kann das auch bei DAC-Technologien funktionieren?

Chinas “Unternehmen und lokale Regierungen suchen das ‘nächste große Ding'” der Klimatechnologien, zeigt sich Cory Combs, Energie-Experte der Beratungsfirma Trivium China, optimistisch. Sobald die Kosten und das Investitionsrisiko sinken, könnten die Investitionen in China steigen, sagt Combs. Wegmarken wie der Test der CarbonBox seien “wichtige Signale”. Bisher habe die Zentralregierung jedoch noch keinen allzu großen Fokus auf DAC gelegt. Mit ihrem “Fokus auf innovationsgetriebenes Wachstum” könnte die Zentralregierung in Zukunft aber Subventionen und andere Unterstützung für DAC-Technologien bereitstellen, so Combs.

Chinas Fähigkeiten in der Massenproduktion könnten dazu beitragen, die Kosten für neuartige DAC-Filter oder andere Ausrüstung zu senken”, sagt auch Julia Attwood, Spezialistin für industrielle Dekarbonisierung bei BloombergNEF. Allerdings unterscheidet sich die DAC-Technologie in vielerlei Hinsicht von Solaranlagen und Batterien, sodass Chinas Stärken in der Massenproduktion nicht so stark zum Tragen kämen:

  • Anders als bei Solar und Batterien fallen bei DAC-Anlagen recht hohe Betriebskosten an, weil die Technologie sehr viel Energie verbraucht. “Der Energiebedarf wird zukünftig rund 30 bis 50 Prozent der Kosten ausmachen”, sagt Thomas Schöb, wissenschaftlicher Projektkoordinator des Forschungsprojekts DACStorE am Forschungszentrum Jülich, zu Table.Briefings.
  • Fraglich ist auch, “wie weit die Fertigung automatisiert und standardisiert werden kann“, sagt Schöb. DAC-Anlagen werden derzeit oft in Handarbeit produziert. Schöb rechnet bei einer Automatisierung mit “erheblichen Kostensenkungen”. Das Potenzial sei vermutlich aber geringer als bei Batterien und Solarmodulen. Ihm zufolge seien langfristig Kosten von 200 Euro pro Tonne bei der Abscheidung und zehn bis 20 Euro für Transport und Speicherung möglich.

DAC-Firmen: Verdopplung der Effizienz und Pläne für modulare Anlagen

DAC-Unternehmen in Europa und den USA melden ebenfalls neue Entwicklungen. Das US-Unternehmen CarbonCapture etwa stellte im Juni 2024 ein modulares DAC-System in einem Schiffscontainer vor, das der chinesischen CarbonBox ähnelt. In einer Fabrik in Arizona soll die Massenproduktion anlaufen. Auch das Schweizer Unternehmen Climeworks hat kürzlich einen Durchbruch gemeldet: Neues Filtermaterial soll doppelt so viel CO₂ auffangen, nur die Hälfte der Energie verbrauchen und dreimal länger nutzbar sein als die bisher eingesetzte Technologie. Dem Unternehmen zufolge sei man auf einem guten Weg, die Kosten pro gefilterter und gespeicherter Tonne CO₂ bis 2030 auf 400 bis 600 US-Dollar zu senken. Nach derzeitigem Kurs wären das rund 360 bis 540 Euro. Heute liegen die Kosten noch doppelt so hoch. Durch technologische Fortschritte, eine Massenproduktion und größere Fabriken sollen die Kosten nach 2030 noch weiter sinken, so das Unternehmen.

Diese hohen Kosten zeigen die großen Herausforderungen der DAC-Technologie. Bisher kaufen Unternehmen wie Microsoft, JP Morgan Chase, der Facebook-Mutterkonzern Meta, Klarna oder Stripe CO₂-Zertifikate aus DAC-Anlagen auf freiwilliger Basis und in recht geringem Umfang. Sollen in Zukunft aber hunderte Millionen Tonnen CO₂ mit DAC-Anlagen kompensiert werden, ist ein Preis von 400 US-Dollar laut Experten zu hoch. Viele Jahre lag der Zielwert für die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit von DAC bei 100 US-Dollar. Doch wenig deutet darauf hin, dass dieser Wert schnell erreicht wird.

USA stellen Milliardenförderung in Aussicht

Förderprojekte und Steuererleichterungen durch die US-Regierung könnten der DAC-Technologie in den nächsten Jahren neuen Schwung verleihen. Die Biden-Administration hat 3,5 Milliarden US-Dollar an Förderung bereitgestellt, die fließen soll, wenn die Unternehmen bestimmte Meilensteine erreichen. Mit dem Geld wollten die USA ursprünglich vier sogenannte DAC-Hubs fördern – regionale DAC-Zentren, an denen mehrere Anlagen zum Filtern und Speichern von CO₂ entstehen sollen. Das klingt zunächst nach viel Geld. Allerdings konnten bisher nur zwei vielversprechende Standorte identifiziert werden. Ein Teil der Fördersumme wird deshalb noch zurückgehalten beziehungsweise für Grundlagenforschung verwendet, bis zwei weitere Hubs identifiziert werden können.

Die zwei DAC-Hubs in Texas und Louisiana könnten langfristig bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar an staatlicher Förderung erhalten. Das Geld wird aber in Etappen ausgezahlt. Der Standort in Louisiana, mit dem ab 2030 eine Million Tonnen CO₂ aus der Luft gefiltert werden soll, hat beispielsweise erst 50 Millionen US-Dollar an Förderung erhalten. Für den Bau der Anlage floss bisher keine Förderung. Das Projekt befindet sich noch in einer frühen Phase. Die beteiligten Unternehmen müssen erst die Anwohner überzeugen und sich um Genehmigungen für den Betrieb kümmern.

Zudem sieht der Inflation Reduction Act (IRA) einen Steuerrabatt von 180 US-Dollar pro Tonne an aus der Atmosphäre gefiltertem CO₂ vor. Mit diesen Förderprogrammen gelten die USA als “führend bei der politischen Unterstützung von DAC“, wie die Internationale Energieagentur schreibt. Beide großen US-Parteien sind Befürworter von DAC. Doch selbst die angekündigte Milliardenförderung in den USA werde kaum ausreichen, warnen die Analysten der Beratungsfirma Rhodium Group. Um zu einer nennenswerten DAC-Industrie zu gelangen, die ausreichend CO₂ aus der Luft auffangen könnte, müsste “der Umfang der politischen Maßnahmen [in den USA] etwa 20-mal größer sein als die derzeitige politische Unterstützung”, schätzen die Rhodium-Analysten.

  • Batterien
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  • Inflation Reduction Act
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News

KI-Chips: Wie Huawei China unabhängig macht

Mit einer neuen Generation von Spezialprozessoren will Huawei einem Bericht des Wall Street Journals zufolge den Weltmarktführer Nvidia herausfordern. Nach Tests bei Internet- und Telekomfirmen stehe der Chip “Ascend 910C” des chinesischen Konzerns kurz vor der Markteinführung. Er sei technologisch auf Augenhöhe mit Nvidias speziell für den chinesischen Markt zugeschnittenem Prozessor “H100” und solle ab Oktober verkauft werden.

Um den technologischen und militärischen Aufstieg der Volksrepublik zu bremsen, haben die USA den Export von Hochtechnologie dorthin immer weiter eingeschränkt. Chinesische Unternehmen haben daher unter anderem ihre Bemühungen zur Entwicklung eigener Prozessoren intensiviert. Die KI-Chips von Huawei gelten als die leistungsstärksten, die in China erhältlich sind und nicht von Nvidia stammen. Um seine Marktanteile zu verteidigen, hat Nvidia in den vergangenen Monaten mehrere abgespeckte Versionen seiner Chips für den chinesischen Markt vorgestellt.

Dem Bericht des Wall Street Journal zufolge sind die TikTok-Mutter Bytedance, der Suchmaschinen-Betreiber Baidu und der Telekom-Konzern China Mobile an Huaweis “Ascend 910C” interessiert. Erste Bestellungen könnten mehr als 70.000 Prozessoren mit einem Auftragsvolumen von insgesamt rund zwei Milliarden Dollar umfassen. Damit lägen die Chips preislich auf dem Niveau der Konkurrenzprodukte von Nvidia, die ebenfalls mehrere Zehntausend Dollar pro Stück kosten können. rtr

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E-Commerce: Shein wirbt Ex-EU-Kommissar Oettinger an

Shein hat den ehemaligen EU-Kommissar Günther Oettinger angeworben, um seine Lobbyarbeit in Europa zu stärken. Das berichtete “Bloomberg” unter Berufung auf einen Vertreter des chinesischen Fast-Fashion-Riesen. Shein bereitet derzeit seinen Börsengang in London vor und benötigt demnach regulatorische Hilfe in der EU. Dabei soll Oettinger als Berater helfen. Der 70 Jahre alte CDU-Politiker war EU-Kommissar für Energie, digitale Wirtschaft und Gesellschaft sowie Budget-Kommissar.

Oettinger ist auch Mitglied im Beirat des Beratungsunternehmens Kekst CNC, an das Shein laut Transparenzregister der Europäischen Union im vergangenen Jahr bis zu 199.999 Euro gezahlt hat. Shein und andere Online-Händler aus China bereiten dem europäischen E-Commerce derzeit Kopfzerbrechen. Die EU-Kommission debattiert bereits seit Längerem die Abschaffung der 150-Euro-Steuerfreigrenze für die Einfuhr von Paketen. Ob das den gewünschten Effekt haben wird, ist jedoch unklar – denn viele Produkte auf den chinesischen Plattformen kosten deutlich weniger als 150 Euro. ari

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Online-Versandhandel: Wie die Otto-Gruppe unter der chinesischen Konkurrenz leidet

Der Onlinehändler Otto fordert die Politik auf, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem E-Commerce-Markt herzustellen. Es gebe Anbieter auf neuen Marktplätzen, die sich nicht an grundlegende Regeln fairen Wettbewerbs hielten, sagte der Chef der Otto-Einzelgesellschaft Marc Opelt. “Wir wünschen uns von der Politik und den Kontrollbehörden wie dem Zoll, diese Geschäftsmodelle stärker in den Blick zu nehmen.”

Konkurrenten mit Verbindung nach China setzen den Otto-Versandhandel zunehmend unter Druck. 91 Prozent der Verbraucher kennen inzwischen Marktplätze mit asiatischen Waren wie Temu, Shein und Wish, wie eine Umfrage des IFH belegt. 43 Prozent nutzen sie. Die Werte liegen jeweils mehr als zehn Prozentpunkte höher als vor einem Jahr. Vor allem Temu, dessen Mutter PDD Holdings inzwischen in Irland sitzt, ist stark gewachsen. Im Februar verzeichnete temu.com in Deutschland rund 29 Millionen Besuche und lag hinter Otto auf Platz drei. Shein hat seinen Sitz mittlerweile in Singapur. 

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) äußert sich besorgt. Fairer Wettbewerb sei für die Entwicklung des Onlinehandels wichtig, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. “Das ist vor allem im Konkurrenzkampf mit fernöstlichen Unternehmen wie Temu und Shein im Moment nicht gegeben.” Ein Teil der Waren halte EU-Vorgaben zu Produktsicherheit, Umweltschutz und Steuerrecht nicht ein. Es entstünden Gefahren für Verbraucher und Wettbewerbsverzerrungen. Genth fordert Bundesregierung und EU zum Handeln auf. “Wildwuchs und Wild-West im Onlinehandel müssen beendet werden.” Temu teilt auf Anfrage mit, es sei selbstverständlich, dass man Gesetze und Vorschriften einhalte. 

In einer Stellungnahme äußert die Otto Group auch Anerkennung für die neue Konkurrenz. Diese sei technologisch sehr weit, beispielsweise bei KI, nutzte Gamification und sei schnell. Von den Wettbewerbern könne man lernen. “Und das tun wir.” dpa

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  • Plattformen

Presseschau

China deutet härteres Vorgehen gegen “Separatisten” an SÜDDEUTSCHE
Illegale Migration an EU-Ostgrenze: Wie Polen Druck auf China ausübt – mit Erfolg TAGESSPIEGEL
South China Sea: US Navy’s newest air-to-air missile could erase China’s aerial advantage SCMP
China schießt gegen Deutschland: Xi Jinpings olympisches Machtspiel – China steht wegen Dopingvorwürfen am Pranger – und wehrt sich T-ONLINE
Custody ruling in same-sex case hailed as LGBTQ+ milestone in China THE GUARDIAN
Beijing to boost financial support for military personnel and veterans SCMP
Warum die Unternehmen keine Abkehr von China wollen WIWO
China: Womit keiner rechnet – viele ärmere Länder wehren sich plötzlich mit Zöllen gegen Importe aus der Volksrepublik ZEIT
Fast alle chinesischen Banken weigern sich, Zahlungen aus Russland abzuwickeln BUSINESS INSIDER
Betrug in China treibt deutschen Händler von Öko-Zertifikaten in die Insolvenz NZZ
China setzt auf künstlichen Sand: Ist das die Lösung für die globale Ressourcenkrise? TELEPOLIS
Zerbrochene Rakete: China gesteht Probleme ein NAU
China resubmits application to build contested big embassy in London REUTERS

Standpunkt

Überkapazitäten: Wie der Abbau gelingen kann

Von Yu Yongding
Yu Yongding
Der Ökonom Yu Yongding ist ehemaliger Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS).

In den letzten Monaten waren die chinesischen Überkapazitäten ein zentrales – und kontrovers diskutiertes – Thema unter Ökonomen und politischen Entscheidungsträgern in aller Welt. Die Sorgen sind zwar nicht völlig unbegründet, aber doch überzogen und das Problem durchaus lösbar.

Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte entwickelte sich China von einer durch Mangel gekennzeichneten Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft, die zwischen unzureichender Gesamtnachfrage und Überhitzung pendelt. Aus diesem Grund hat die chinesische Regierung häufig versucht, Überkapazitäten zu beseitigen, sobald diese auftraten. Im Jahr 2003 beispielsweise griff man rigoros gegen Überkapazitäten in der Stahlindustrie durch, was zur Schließung vieler Stahlwerke führte.

Nach der weltweiten Finanzkrise 2008 brachen Chinas Exporte ein, weswegen sich die Wirtschaft deutlich abkühlte. Im ersten Quartal 2009 wuchs das chinesische BIP nur noch um 6,1 Prozent, den niedrigsten Wert in mehr als einem Jahrzehnt. Um diesem Schock entgegenzuwirken, setzte die chinesische Regierung ein Konjunkturprogramm im Ausmaß von 4 Billionen Renminbi (517 Milliarden Euro) um. Gestützt auf massive Investitionen – die Anlageinvestitionen stiegen 2009 um 30,1 Prozent und 2010 um 23,8 Prozent (im Jahresvergleich) – erholte sich Chinas Wirtschaft deutlich und erreichte 2010 ein Wachstum von 10,6 Prozent.

Obwohl die Gesamtnachfrage ebenfalls rasch anzog, konnte das Gesamtangebot nicht Schritt halten, da es eine gewisse Zeit dauert, bis sich neue Investitionen in erhöhter Produktionskapazität niederschlagen. (Die Dauer der Verzögerung hängt von der Art der Investition ab.) Dieses Ungleichgewicht trug zu einem Anstieg der Inflation bei, wobei der Verbraucherpreisindex 2010 um 3 Prozent stieg.

Ausweitung der Kapazitäten reagieren verzögert

Als das Wachstum des Verbraucherpreisindex im März 2011 einen Höchststand von 5,4 Prozent erreichte, kündigte die chinesische Regierung an, oberste politische Priorität des Jahres sei die Eindämmung der Inflation. Und das gelang auch eindrucksvoll: Von 2009 bis 2011 sank das Verhältnis zwischen Haushaltsdefizit und BIP in China von 2,8 Prozent auf 1,1 Prozent, und die Neukreditvergabe ging von 9,6 Billionen Renminbi auf 7,5 Billionen Renminbi zurück.

Doch die mit den zuvor getätigten Investitionen einhergehenden Produktionskapazitäten waren bereits im Entstehen, wenn nicht gar schon in Betrieb. Als die fiskalische und geldpolitische Straffung die Gesamtnachfrage verringerte, entstand folglich ein neues Missverhältnis, und die Überkapazitäten stiegen in zahlreichen Branchen, darunter Stahl, Automobile, Zement, Aluminium-Elektrolyse, Pestizide, Photovoltaik und Glas drastisch an.

Inflationsdruck hätte auch ohne Straffung nachgelassen

Zu diesem Zeitpunkt war das VPI-Wachstum auf unter 3 Prozent gefallen, und der Erzeugerpreisindex lag im negativen Bereich. Unter diesen Umständen wäre die typische Reaktion auf steigende Überkapazitäten eine Rückkehr zur fiskalischen und monetären Expansion gewesen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Stattdessen beschloss die chinesische Regierung jedoch, die Straffung fortzusetzen. Infolgedessen sank das BIP-Wachstum 2012 auf 7,7 Prozent und ist seitdem kontinuierlich zurückgegangen.

Im Nachhinein erscheint es durchaus möglich, dass der Inflationsdruck auch ohne die fiskal- und geldpolitische Straffung im Jahr 2011 aufgrund des allmählichen Aufbaus neuer Produktionskapazitäten nachgelassen hätte. Wäre die Politik zu einer moderaten fiskal- und geldpolitischen Expansion übergegangen und hätte gleichzeitig den Markt ermutigt, beim Abbau sektoraler Überkapazitäten im Jahr 2012 eine entscheidende Rolle zu spielen, wäre es durchaus denkbar, dass China in den darauffolgenden Jahren höhere BIP-Wachstumsraten erzielt hätte.

Lehren aus der Vergangenheit

Wir können die Vergangenheit nicht ändern, sehr wohl aber können wir die Lehren daraus ziehen, um eine bessere Zukunft zu sichern. Im Falle Chinas heißt das, eine expansivere Finanz- und Geldpolitik zu betreiben. Dies würde dazu beitragen, auf makroökonomischer Ebene “Überkapazitäten” abzubauen, was einem “Mangel an effektiver Nachfrage” gleichkäme. Gleichzeitig wäre mehr Raum für den Abbau von Überkapazitäten auf sektoraler Ebene zu schaffen – ein Prozess, bei dem Chinas Regierung dem Markt eine entscheidende Rolle überlassen sollte.

Alle diese Maßnahmen würden erheblich zu einer Verbesserung der chinesischen Handelsbilanz beitragen. Obwohl es nicht zu rechtfertigen ist, dass Länder im Namen ihrer “nationalen Sicherheit” eine protektionistische Handelspolitik verfolgen – wie es beispielsweise die Vereinigten Staaten tun – muss China sicherstellen, alle Regeln der Welthandelsorganisation einzuhalten.

In dieser Hinsicht verlief die dritte Plenartagung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, die Anfang dieses Monats stattfand, ermutigend. Wie im Kommuniqué der Tagung festgehalten, plant China, “die Fähigkeit zur Öffnung” seiner Wirtschaft zu verbessern, “neue Impulse für den Außenhandel” zu fördern und durch die erweiterte Zusammenarbeit mit anderen Ländern “neue Institutionen” zur Unterstützung einer offenen Weltwirtschaft zu entwickeln. Solange sich alle Parteien zu wechselseitig vorteilhaften – und respektvollen – Beziehungen verpflichten, ist kein Handelsstreit unlösbar.

Yu Yongding ist ehemaliger Präsident der chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und früherer Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Von 2004 bis 2006 war er Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.

Übersetzung: Helga Klinger-Groier

Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org

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  • Überkapazitäten

Personalien

Frank Hartmann hat seinen Posten als Leiter der Asien-Abteilung des Auswärtigen Amts angetreten. Er war zuletzt Boschafter in Kairo und löst Petra Sigmund ab.

Wanlu Wei ist seit August Head of China Division beim Hamburger Versicherungsmakler Funk. Wei hat einen Master in Marketing von der Tongji Universität. Zuletzt war sie Operations Manager bei der deutschen Niederlassung der Chuango Security Technology Corp, die auf intelligente Haus- und Sicherheitssysteme spezialisiert ist.  

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Pekinger sind landesweit dafür bekannt, für alles mögliche Spitznamen zu vergeben. So auch im Fall des Hauptquartiers von Chinas Staats- und Propagandasender CCTV. Kurz und knapp zur Eröffnung Olympischen Sommerspiele im Jahre 2008 fertiggestellt – zumindest Rohbau und Fassade, der Einzug fand erst 2012 statt – war dieses monumentale Bauwerk im Peking-Jargon wegen seiner Form schnell bekannt als “Unterhose”. Das erfreute weder den Architekten Ole Scheeren, ein Deutscher, noch die Regierung in Peking. Abgesehen davon, dass sich auf der Schrägen immer besonders viel vom Pekinger Staub ablegt, haben die Pekinger ihre Unterhose akzeptiert als festen Bestandteil der Skyline im Pekinger Geschäftsviertel CBD.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    China steckt jetzt rund 80 Milliarden Euro in die Modernisierung und Stabilisierung der Netze, um die grüne Energie auch effektiv nutzen zu können. So wird der Höhepunkt der Emissionen vermutlich viel früher erreicht als angekündigt.

    Doch in China ist nicht nur die Vermeidung des Treibhausgasausstoßes angesagt, sondern auch die Idee, ihn wieder rückgängig zu machen. Die Technik, Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre zu entfernen, hat Anhänger, aber auch Kritiker. Letztere sagen: Der Fokus sollte auf der Vermeidung von Emissionen liegen, nicht darauf, sie nachträglich rückgängig zu machen.

    Erstmals hat China nun eine Anlage getestet, die CO₂ direkt aus der Luft saugt. Mit seinen Fähigkeiten in der Massenproduktion könnte China die Kosten für diese Technologie drücken.

    Auch in den USA fließen Milliarden für solche Projekte, und Unternehmen wie Climeworks aus der Schweiz melden große Fortschritte. Trotzdem bleibt die Technologie teuer und kompliziert, schreibt Nico Beckert.

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    Stromnetz: So will Peking den Weg für Erneuerbare freimachen

    Baustelle einer West-Ost-Stromtrasse bei Korla in Xinjiang: China investiert derzeit Milliarden ins Stromnetz, um die wachsenden Erneuerbaren-Kapazitäten einspeisen zu können.

    China baut die Kapazitäten für erneuerbare Energien immer schneller aus. Die Herausforderung ist, ähnlich wie in Deutschland und anderen Ländern, das Stromnetz. Die Regierung weiß, dass sie die Netze dringend modernisieren und ausbauen muss, um das explosive Wachstum der erneuerbaren Energien auch als Elektrizität nutzbar machen zu können. Seit Februar deutet Peking erhebliche Steigerungen der Investitionen in das Stromnetz an. Nun haben die beiden staatlichen Netzbetreiber, State Grid und das kleinere China Southern Grid, Milliarden-Investitionsziele in Rekordhöhe bekannt gegeben.

    Die Zahlen sind gewaltig. State Grid will 2024 rund 600 Milliarden Yuan (77 Milliarden Euro) in den Netzausbau investieren. Das Unternehmen versorgt 1,1 Milliarden Menschen und 88 Prozent der Fläche Chinas mit Strom. Southern Grid wird gut 40 Milliarden Yuan (gut fünf Milliarden Euro) dafür ausgeben. Beide Summen liegen mehr als zehn Prozent über dem Vorjahr und deutlich höher als die noch zu Jahresbeginn herausgegebenen Ziele.

    Rekordsummen für den Ausbau der Stromnetze nötig

    “Dies könnte der Beginn einer neuen Phase sein, in der rekordverdächtige Investitionsbudgets der Netze zur Norm werden”, meinen die Klima-Experten der Beratungsagentur Trivium China. Diese würden zu Rekordinvestitionen in “Stromverteilungsnetze, Fernübertragungskapazitäten, die Digitalisierung der Infrastruktur und die netzweite Energiespeicherung” führen – mit guten Aussichten für Chinas Dekarbonisierung.

    Im zweiten Quartal sind Chinas CO₂-Emissionen um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken; es ist der erste Rückgang seit dem Ende der Pandemie. Offiziell peilt China den Emissionsgipfel erst bis 2030 an – doch Experten halten eine frühere Wende für durchaus möglich. Im ersten Halbjahr legte nach Daten der Nationalen Energiebehörde (NEA) die Stromerzeugung aus Photovoltaik um 47 Prozent und die aus Windenergie um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Solar und Wind erzeugten damit ein Fünftel des gesamten Stroms.

    Doch ihr Anteil an der installierten Kapazität ist deutlich höher als am Strommix – vor allem bei der Photovoltaik, deren Anteil an der Kapazität Ende 2023 nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Caixin bei 21 Prozent lag. Solarstrom habe aber nur drei Prozent zur Stromerzeugung beigetragen. Der starke Solarstrom-Zuwachs in diesem Jahr deutet zwar darauf hin, dass sich die Solar-Nutzungsrate inzwischen verbessert hat. Dennoch zeigt sich in dieser Zahl, wie dringend die Modernisierung der Stromnetze ist.

    Aktionsplan für moderne Stromnetze

    “Die jüngsten Budgets der beiden Netzbetreiber und eine noch nie dagewesene Zahl netzbezogener Maßnahmen zeigen, wie ernst es den politischen Entscheidungsträgern mit dem Thema ist”, schreiben die Trivium-Experten. Tatsächlich werden die Investitionen flankiert von politischen Beschlüssen. So gab die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) gemeinsam mit der NEA und der Nationalen Datenbehörde Ende Juli einen Vier-Jahres-Aktionsplan zum Aufbau eines “neuen Stromsystems” bis 2027 heraus. Dazu gehören neben dem Ausbau der Stromnetze auch hohe Investitionen in

    • den Aufbau eines digitalen Stromnetzes,
    • die Einführung von Vehicle-to-Grid-Technologien, bei denen E-Autos nicht nur genau dann laden, wenn viel Strom da ist, sondern die Energie bei Engpässen sogar zeitweilig wieder abgeben,
    • die CO₂-sparende Nachrüstung von Kohlekraftwerken für den Übergang und
    • den Aufbau von Energiespeicherkapazitäten der neuesten Generation.

    Fernleitungen brauchen stabile Auslastung

    China baut laut Trivium ohnehin bereits “fieberhaft” neue Ultrahochspannungsleitungen, um den in abgelegenen Westprovinzen erzeugten Ökostrom in die Industriezentren und Metropole der Küsten zu transportieren. Dabei entstehe die technische Herausforderung, dass solche Leitungen mit gleichbleibend hoher Auslastung betrieben werden müssen, was allein mit den naturgemäß schwankenden Solar- und Windanlagen nicht möglich ist. “Veränderungen der Windverhältnisse während der Nachfragespitzen können die Stromerzeugung einbrechen lassen”, schreibt Caixin. “Das hat in vielen Regionen Chinas trotz eines Überschusses an neu installierter Energieerzeugungskapazität zu Stromengpässen geführt.”

    Die NDRC hat daher laut Caixin kürzlich sogar die Regeln zur Mindestabnahme von Ökostrom durch die Netzbetreiber gelockert – damit diese Gelegenheit bekommen, ihre Netze zu flexibilisieren und Energiespeicher zu bauen. In dem Aktionsplan ist von “fortschrittlichen Technologien zur Leistungsregulierung” in den Fernleitungen die Rede. Ziel ist es, den als Backup eingespeisten Kohlestrom schrittweise zu reduzieren. Gebraucht wird dafür neue Hochtechnologie.

    Wichtig ist laut Caixin zudem eine parallele Reform des Strommarktes und der Preismechanismen. Das Preissystem sei ursprünglich für stabile fossile Energieträger wie Kohle entwickelt wurden und passe nun nicht mehr. “Bei diesem Plan geht es um alles oder nichts”, glauben die Trivium-Experten. “Das Rekordwachstum der erneuerbaren Energien kann China ohne eine höhere Netzflexibilität und eine Verbesserung der Infrastruktur nicht aufrechterhalten.”

    Ökostrom-Mindestquote für die Provinzen

    Hinzu kommt, dass der Kohlestrom in manchen Provinzen traditionell politischen Schutz genießt. Deshalb führte Peking 2019 Mindestquoten für die Erneuerbaren im Strommix einer jeden Provinz ein, die seither jedes Jahr steigen. Die Anfang August von NDRC und NEA bekannt gegebenen Provinzquoten für 2024 liegen für 14 Provinzen um vier Prozent höher als 2023, für sechs Provinzen um mehr als sechs Prozent höher, und bei allen anderen dazwischen. Dies sei ein “ungewöhnlich hoher Anstieg im Jahresvergleich”, schreiben die Trivium-Analysten.

    Ab 2025 soll es zudem eine ebenfalls jährlich steigende Erneuerbaren-Quote im Produktionsprozess für elektrolytisches Aluminium geben. Es ist eine besonders energieintensive Industrie, die demnächst in Chinas Emissionshandel aufgenommen werden soll. Die Trivium-Experten begrüßen den Plan: “Eine höhere Industrie-Nachfrage nach erneuerbaren Energien wird entscheidend dafür sein, dass diese nicht nur aufgebaut, sondern auch genutzt werden.” Bestehende Pläne für den gesamten Alu-Sektor bis 2025 sehen bereits vor, dass dieser bis Ende nächsten Jahres mindestens ein Viertel seines Strombedarfs durch Erneuerbare decken muss. Es bleibt viel zu tun.


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    Direct Air Capture: So treiben China und die USA die neue Technologie voran

    Neue DAC-Anlage von Climeworks auf Island.
    Neue DAC-Anlage von Climeworks auf Island.

    Bei der sogenannten Direct Air Capture (DAC)-Technologie gibt es jüngst einige Erfolgsmeldungen: Erstmals hat auch China erfolgreich eine größere DAC-Anlage getestet, und Unternehmen wie Climeworks und CarbonCapture vermelden neue Entwicklungen. Die Fortschritte sind bedeutend, denn um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen zukünftig große CO₂-Mengen aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft gespeichert werden. Wird China mit seinen großen Industriekapazitäten auch dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen? Welche Rolle spielen die US-Subventionen in Milliardenhöhe? Und was ist von den Entwicklungen westlicher Unternehmen zu halten?

    Chinas Fähigkeiten in der Massenproduktion könnten DAC-Technologien helfen

    Die von China erstmals erfolgreich getestete DAC-Anlage ist eine in einem Schiffscontainer installierte sogenannte CarbonBox. Sie soll jährlich 600 Tonnen CO₂ aus der Umgebungsluft filtern. Die Volksrepublik hat mit Subventionen bereits eine Massenproduktion in der Solar- und Batterieproduktion aufgebaut und damit maßgeblich zur immensen Kostenreduktion bei diesen wichtigen Energiewende-Technologien beigetragen. Kann das auch bei DAC-Technologien funktionieren?

    Chinas “Unternehmen und lokale Regierungen suchen das ‘nächste große Ding'” der Klimatechnologien, zeigt sich Cory Combs, Energie-Experte der Beratungsfirma Trivium China, optimistisch. Sobald die Kosten und das Investitionsrisiko sinken, könnten die Investitionen in China steigen, sagt Combs. Wegmarken wie der Test der CarbonBox seien “wichtige Signale”. Bisher habe die Zentralregierung jedoch noch keinen allzu großen Fokus auf DAC gelegt. Mit ihrem “Fokus auf innovationsgetriebenes Wachstum” könnte die Zentralregierung in Zukunft aber Subventionen und andere Unterstützung für DAC-Technologien bereitstellen, so Combs.

    Chinas Fähigkeiten in der Massenproduktion könnten dazu beitragen, die Kosten für neuartige DAC-Filter oder andere Ausrüstung zu senken”, sagt auch Julia Attwood, Spezialistin für industrielle Dekarbonisierung bei BloombergNEF. Allerdings unterscheidet sich die DAC-Technologie in vielerlei Hinsicht von Solaranlagen und Batterien, sodass Chinas Stärken in der Massenproduktion nicht so stark zum Tragen kämen:

    • Anders als bei Solar und Batterien fallen bei DAC-Anlagen recht hohe Betriebskosten an, weil die Technologie sehr viel Energie verbraucht. “Der Energiebedarf wird zukünftig rund 30 bis 50 Prozent der Kosten ausmachen”, sagt Thomas Schöb, wissenschaftlicher Projektkoordinator des Forschungsprojekts DACStorE am Forschungszentrum Jülich, zu Table.Briefings.
    • Fraglich ist auch, “wie weit die Fertigung automatisiert und standardisiert werden kann“, sagt Schöb. DAC-Anlagen werden derzeit oft in Handarbeit produziert. Schöb rechnet bei einer Automatisierung mit “erheblichen Kostensenkungen”. Das Potenzial sei vermutlich aber geringer als bei Batterien und Solarmodulen. Ihm zufolge seien langfristig Kosten von 200 Euro pro Tonne bei der Abscheidung und zehn bis 20 Euro für Transport und Speicherung möglich.

    DAC-Firmen: Verdopplung der Effizienz und Pläne für modulare Anlagen

    DAC-Unternehmen in Europa und den USA melden ebenfalls neue Entwicklungen. Das US-Unternehmen CarbonCapture etwa stellte im Juni 2024 ein modulares DAC-System in einem Schiffscontainer vor, das der chinesischen CarbonBox ähnelt. In einer Fabrik in Arizona soll die Massenproduktion anlaufen. Auch das Schweizer Unternehmen Climeworks hat kürzlich einen Durchbruch gemeldet: Neues Filtermaterial soll doppelt so viel CO₂ auffangen, nur die Hälfte der Energie verbrauchen und dreimal länger nutzbar sein als die bisher eingesetzte Technologie. Dem Unternehmen zufolge sei man auf einem guten Weg, die Kosten pro gefilterter und gespeicherter Tonne CO₂ bis 2030 auf 400 bis 600 US-Dollar zu senken. Nach derzeitigem Kurs wären das rund 360 bis 540 Euro. Heute liegen die Kosten noch doppelt so hoch. Durch technologische Fortschritte, eine Massenproduktion und größere Fabriken sollen die Kosten nach 2030 noch weiter sinken, so das Unternehmen.

    Diese hohen Kosten zeigen die großen Herausforderungen der DAC-Technologie. Bisher kaufen Unternehmen wie Microsoft, JP Morgan Chase, der Facebook-Mutterkonzern Meta, Klarna oder Stripe CO₂-Zertifikate aus DAC-Anlagen auf freiwilliger Basis und in recht geringem Umfang. Sollen in Zukunft aber hunderte Millionen Tonnen CO₂ mit DAC-Anlagen kompensiert werden, ist ein Preis von 400 US-Dollar laut Experten zu hoch. Viele Jahre lag der Zielwert für die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit von DAC bei 100 US-Dollar. Doch wenig deutet darauf hin, dass dieser Wert schnell erreicht wird.

    USA stellen Milliardenförderung in Aussicht

    Förderprojekte und Steuererleichterungen durch die US-Regierung könnten der DAC-Technologie in den nächsten Jahren neuen Schwung verleihen. Die Biden-Administration hat 3,5 Milliarden US-Dollar an Förderung bereitgestellt, die fließen soll, wenn die Unternehmen bestimmte Meilensteine erreichen. Mit dem Geld wollten die USA ursprünglich vier sogenannte DAC-Hubs fördern – regionale DAC-Zentren, an denen mehrere Anlagen zum Filtern und Speichern von CO₂ entstehen sollen. Das klingt zunächst nach viel Geld. Allerdings konnten bisher nur zwei vielversprechende Standorte identifiziert werden. Ein Teil der Fördersumme wird deshalb noch zurückgehalten beziehungsweise für Grundlagenforschung verwendet, bis zwei weitere Hubs identifiziert werden können.

    Die zwei DAC-Hubs in Texas und Louisiana könnten langfristig bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar an staatlicher Förderung erhalten. Das Geld wird aber in Etappen ausgezahlt. Der Standort in Louisiana, mit dem ab 2030 eine Million Tonnen CO₂ aus der Luft gefiltert werden soll, hat beispielsweise erst 50 Millionen US-Dollar an Förderung erhalten. Für den Bau der Anlage floss bisher keine Förderung. Das Projekt befindet sich noch in einer frühen Phase. Die beteiligten Unternehmen müssen erst die Anwohner überzeugen und sich um Genehmigungen für den Betrieb kümmern.

    Zudem sieht der Inflation Reduction Act (IRA) einen Steuerrabatt von 180 US-Dollar pro Tonne an aus der Atmosphäre gefiltertem CO₂ vor. Mit diesen Förderprogrammen gelten die USA als “führend bei der politischen Unterstützung von DAC“, wie die Internationale Energieagentur schreibt. Beide großen US-Parteien sind Befürworter von DAC. Doch selbst die angekündigte Milliardenförderung in den USA werde kaum ausreichen, warnen die Analysten der Beratungsfirma Rhodium Group. Um zu einer nennenswerten DAC-Industrie zu gelangen, die ausreichend CO₂ aus der Luft auffangen könnte, müsste “der Umfang der politischen Maßnahmen [in den USA] etwa 20-mal größer sein als die derzeitige politische Unterstützung”, schätzen die Rhodium-Analysten.

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    News

    KI-Chips: Wie Huawei China unabhängig macht

    Mit einer neuen Generation von Spezialprozessoren will Huawei einem Bericht des Wall Street Journals zufolge den Weltmarktführer Nvidia herausfordern. Nach Tests bei Internet- und Telekomfirmen stehe der Chip “Ascend 910C” des chinesischen Konzerns kurz vor der Markteinführung. Er sei technologisch auf Augenhöhe mit Nvidias speziell für den chinesischen Markt zugeschnittenem Prozessor “H100” und solle ab Oktober verkauft werden.

    Um den technologischen und militärischen Aufstieg der Volksrepublik zu bremsen, haben die USA den Export von Hochtechnologie dorthin immer weiter eingeschränkt. Chinesische Unternehmen haben daher unter anderem ihre Bemühungen zur Entwicklung eigener Prozessoren intensiviert. Die KI-Chips von Huawei gelten als die leistungsstärksten, die in China erhältlich sind und nicht von Nvidia stammen. Um seine Marktanteile zu verteidigen, hat Nvidia in den vergangenen Monaten mehrere abgespeckte Versionen seiner Chips für den chinesischen Markt vorgestellt.

    Dem Bericht des Wall Street Journal zufolge sind die TikTok-Mutter Bytedance, der Suchmaschinen-Betreiber Baidu und der Telekom-Konzern China Mobile an Huaweis “Ascend 910C” interessiert. Erste Bestellungen könnten mehr als 70.000 Prozessoren mit einem Auftragsvolumen von insgesamt rund zwei Milliarden Dollar umfassen. Damit lägen die Chips preislich auf dem Niveau der Konkurrenzprodukte von Nvidia, die ebenfalls mehrere Zehntausend Dollar pro Stück kosten können. rtr

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    E-Commerce: Shein wirbt Ex-EU-Kommissar Oettinger an

    Shein hat den ehemaligen EU-Kommissar Günther Oettinger angeworben, um seine Lobbyarbeit in Europa zu stärken. Das berichtete “Bloomberg” unter Berufung auf einen Vertreter des chinesischen Fast-Fashion-Riesen. Shein bereitet derzeit seinen Börsengang in London vor und benötigt demnach regulatorische Hilfe in der EU. Dabei soll Oettinger als Berater helfen. Der 70 Jahre alte CDU-Politiker war EU-Kommissar für Energie, digitale Wirtschaft und Gesellschaft sowie Budget-Kommissar.

    Oettinger ist auch Mitglied im Beirat des Beratungsunternehmens Kekst CNC, an das Shein laut Transparenzregister der Europäischen Union im vergangenen Jahr bis zu 199.999 Euro gezahlt hat. Shein und andere Online-Händler aus China bereiten dem europäischen E-Commerce derzeit Kopfzerbrechen. Die EU-Kommission debattiert bereits seit Längerem die Abschaffung der 150-Euro-Steuerfreigrenze für die Einfuhr von Paketen. Ob das den gewünschten Effekt haben wird, ist jedoch unklar – denn viele Produkte auf den chinesischen Plattformen kosten deutlich weniger als 150 Euro. ari

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    Online-Versandhandel: Wie die Otto-Gruppe unter der chinesischen Konkurrenz leidet

    Der Onlinehändler Otto fordert die Politik auf, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem E-Commerce-Markt herzustellen. Es gebe Anbieter auf neuen Marktplätzen, die sich nicht an grundlegende Regeln fairen Wettbewerbs hielten, sagte der Chef der Otto-Einzelgesellschaft Marc Opelt. “Wir wünschen uns von der Politik und den Kontrollbehörden wie dem Zoll, diese Geschäftsmodelle stärker in den Blick zu nehmen.”

    Konkurrenten mit Verbindung nach China setzen den Otto-Versandhandel zunehmend unter Druck. 91 Prozent der Verbraucher kennen inzwischen Marktplätze mit asiatischen Waren wie Temu, Shein und Wish, wie eine Umfrage des IFH belegt. 43 Prozent nutzen sie. Die Werte liegen jeweils mehr als zehn Prozentpunkte höher als vor einem Jahr. Vor allem Temu, dessen Mutter PDD Holdings inzwischen in Irland sitzt, ist stark gewachsen. Im Februar verzeichnete temu.com in Deutschland rund 29 Millionen Besuche und lag hinter Otto auf Platz drei. Shein hat seinen Sitz mittlerweile in Singapur. 

    Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) äußert sich besorgt. Fairer Wettbewerb sei für die Entwicklung des Onlinehandels wichtig, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. “Das ist vor allem im Konkurrenzkampf mit fernöstlichen Unternehmen wie Temu und Shein im Moment nicht gegeben.” Ein Teil der Waren halte EU-Vorgaben zu Produktsicherheit, Umweltschutz und Steuerrecht nicht ein. Es entstünden Gefahren für Verbraucher und Wettbewerbsverzerrungen. Genth fordert Bundesregierung und EU zum Handeln auf. “Wildwuchs und Wild-West im Onlinehandel müssen beendet werden.” Temu teilt auf Anfrage mit, es sei selbstverständlich, dass man Gesetze und Vorschriften einhalte. 

    In einer Stellungnahme äußert die Otto Group auch Anerkennung für die neue Konkurrenz. Diese sei technologisch sehr weit, beispielsweise bei KI, nutzte Gamification und sei schnell. Von den Wettbewerbern könne man lernen. “Und das tun wir.” dpa

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    Presseschau

    China deutet härteres Vorgehen gegen “Separatisten” an SÜDDEUTSCHE
    Illegale Migration an EU-Ostgrenze: Wie Polen Druck auf China ausübt – mit Erfolg TAGESSPIEGEL
    South China Sea: US Navy’s newest air-to-air missile could erase China’s aerial advantage SCMP
    China schießt gegen Deutschland: Xi Jinpings olympisches Machtspiel – China steht wegen Dopingvorwürfen am Pranger – und wehrt sich T-ONLINE
    Custody ruling in same-sex case hailed as LGBTQ+ milestone in China THE GUARDIAN
    Beijing to boost financial support for military personnel and veterans SCMP
    Warum die Unternehmen keine Abkehr von China wollen WIWO
    China: Womit keiner rechnet – viele ärmere Länder wehren sich plötzlich mit Zöllen gegen Importe aus der Volksrepublik ZEIT
    Fast alle chinesischen Banken weigern sich, Zahlungen aus Russland abzuwickeln BUSINESS INSIDER
    Betrug in China treibt deutschen Händler von Öko-Zertifikaten in die Insolvenz NZZ
    China setzt auf künstlichen Sand: Ist das die Lösung für die globale Ressourcenkrise? TELEPOLIS
    Zerbrochene Rakete: China gesteht Probleme ein NAU
    China resubmits application to build contested big embassy in London REUTERS

    Standpunkt

    Überkapazitäten: Wie der Abbau gelingen kann

    Von Yu Yongding
    Yu Yongding
    Der Ökonom Yu Yongding ist ehemaliger Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS).

    In den letzten Monaten waren die chinesischen Überkapazitäten ein zentrales – und kontrovers diskutiertes – Thema unter Ökonomen und politischen Entscheidungsträgern in aller Welt. Die Sorgen sind zwar nicht völlig unbegründet, aber doch überzogen und das Problem durchaus lösbar.

    Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte entwickelte sich China von einer durch Mangel gekennzeichneten Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft, die zwischen unzureichender Gesamtnachfrage und Überhitzung pendelt. Aus diesem Grund hat die chinesische Regierung häufig versucht, Überkapazitäten zu beseitigen, sobald diese auftraten. Im Jahr 2003 beispielsweise griff man rigoros gegen Überkapazitäten in der Stahlindustrie durch, was zur Schließung vieler Stahlwerke führte.

    Nach der weltweiten Finanzkrise 2008 brachen Chinas Exporte ein, weswegen sich die Wirtschaft deutlich abkühlte. Im ersten Quartal 2009 wuchs das chinesische BIP nur noch um 6,1 Prozent, den niedrigsten Wert in mehr als einem Jahrzehnt. Um diesem Schock entgegenzuwirken, setzte die chinesische Regierung ein Konjunkturprogramm im Ausmaß von 4 Billionen Renminbi (517 Milliarden Euro) um. Gestützt auf massive Investitionen – die Anlageinvestitionen stiegen 2009 um 30,1 Prozent und 2010 um 23,8 Prozent (im Jahresvergleich) – erholte sich Chinas Wirtschaft deutlich und erreichte 2010 ein Wachstum von 10,6 Prozent.

    Obwohl die Gesamtnachfrage ebenfalls rasch anzog, konnte das Gesamtangebot nicht Schritt halten, da es eine gewisse Zeit dauert, bis sich neue Investitionen in erhöhter Produktionskapazität niederschlagen. (Die Dauer der Verzögerung hängt von der Art der Investition ab.) Dieses Ungleichgewicht trug zu einem Anstieg der Inflation bei, wobei der Verbraucherpreisindex 2010 um 3 Prozent stieg.

    Ausweitung der Kapazitäten reagieren verzögert

    Als das Wachstum des Verbraucherpreisindex im März 2011 einen Höchststand von 5,4 Prozent erreichte, kündigte die chinesische Regierung an, oberste politische Priorität des Jahres sei die Eindämmung der Inflation. Und das gelang auch eindrucksvoll: Von 2009 bis 2011 sank das Verhältnis zwischen Haushaltsdefizit und BIP in China von 2,8 Prozent auf 1,1 Prozent, und die Neukreditvergabe ging von 9,6 Billionen Renminbi auf 7,5 Billionen Renminbi zurück.

    Doch die mit den zuvor getätigten Investitionen einhergehenden Produktionskapazitäten waren bereits im Entstehen, wenn nicht gar schon in Betrieb. Als die fiskalische und geldpolitische Straffung die Gesamtnachfrage verringerte, entstand folglich ein neues Missverhältnis, und die Überkapazitäten stiegen in zahlreichen Branchen, darunter Stahl, Automobile, Zement, Aluminium-Elektrolyse, Pestizide, Photovoltaik und Glas drastisch an.

    Inflationsdruck hätte auch ohne Straffung nachgelassen

    Zu diesem Zeitpunkt war das VPI-Wachstum auf unter 3 Prozent gefallen, und der Erzeugerpreisindex lag im negativen Bereich. Unter diesen Umständen wäre die typische Reaktion auf steigende Überkapazitäten eine Rückkehr zur fiskalischen und monetären Expansion gewesen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Stattdessen beschloss die chinesische Regierung jedoch, die Straffung fortzusetzen. Infolgedessen sank das BIP-Wachstum 2012 auf 7,7 Prozent und ist seitdem kontinuierlich zurückgegangen.

    Im Nachhinein erscheint es durchaus möglich, dass der Inflationsdruck auch ohne die fiskal- und geldpolitische Straffung im Jahr 2011 aufgrund des allmählichen Aufbaus neuer Produktionskapazitäten nachgelassen hätte. Wäre die Politik zu einer moderaten fiskal- und geldpolitischen Expansion übergegangen und hätte gleichzeitig den Markt ermutigt, beim Abbau sektoraler Überkapazitäten im Jahr 2012 eine entscheidende Rolle zu spielen, wäre es durchaus denkbar, dass China in den darauffolgenden Jahren höhere BIP-Wachstumsraten erzielt hätte.

    Lehren aus der Vergangenheit

    Wir können die Vergangenheit nicht ändern, sehr wohl aber können wir die Lehren daraus ziehen, um eine bessere Zukunft zu sichern. Im Falle Chinas heißt das, eine expansivere Finanz- und Geldpolitik zu betreiben. Dies würde dazu beitragen, auf makroökonomischer Ebene “Überkapazitäten” abzubauen, was einem “Mangel an effektiver Nachfrage” gleichkäme. Gleichzeitig wäre mehr Raum für den Abbau von Überkapazitäten auf sektoraler Ebene zu schaffen – ein Prozess, bei dem Chinas Regierung dem Markt eine entscheidende Rolle überlassen sollte.

    Alle diese Maßnahmen würden erheblich zu einer Verbesserung der chinesischen Handelsbilanz beitragen. Obwohl es nicht zu rechtfertigen ist, dass Länder im Namen ihrer “nationalen Sicherheit” eine protektionistische Handelspolitik verfolgen – wie es beispielsweise die Vereinigten Staaten tun – muss China sicherstellen, alle Regeln der Welthandelsorganisation einzuhalten.

    In dieser Hinsicht verlief die dritte Plenartagung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, die Anfang dieses Monats stattfand, ermutigend. Wie im Kommuniqué der Tagung festgehalten, plant China, “die Fähigkeit zur Öffnung” seiner Wirtschaft zu verbessern, “neue Impulse für den Außenhandel” zu fördern und durch die erweiterte Zusammenarbeit mit anderen Ländern “neue Institutionen” zur Unterstützung einer offenen Weltwirtschaft zu entwickeln. Solange sich alle Parteien zu wechselseitig vorteilhaften – und respektvollen – Beziehungen verpflichten, ist kein Handelsstreit unlösbar.

    Yu Yongding ist ehemaliger Präsident der chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und früherer Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Von 2004 bis 2006 war er Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.

    Übersetzung: Helga Klinger-Groier

    Copyright: Project Syndicate, 2024.
    www.project-syndicate.org

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    Personalien

    Frank Hartmann hat seinen Posten als Leiter der Asien-Abteilung des Auswärtigen Amts angetreten. Er war zuletzt Boschafter in Kairo und löst Petra Sigmund ab.

    Wanlu Wei ist seit August Head of China Division beim Hamburger Versicherungsmakler Funk. Wei hat einen Master in Marketing von der Tongji Universität. Zuletzt war sie Operations Manager bei der deutschen Niederlassung der Chuango Security Technology Corp, die auf intelligente Haus- und Sicherheitssysteme spezialisiert ist.  

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    Dessert

    Pekinger sind landesweit dafür bekannt, für alles mögliche Spitznamen zu vergeben. So auch im Fall des Hauptquartiers von Chinas Staats- und Propagandasender CCTV. Kurz und knapp zur Eröffnung Olympischen Sommerspiele im Jahre 2008 fertiggestellt – zumindest Rohbau und Fassade, der Einzug fand erst 2012 statt – war dieses monumentale Bauwerk im Peking-Jargon wegen seiner Form schnell bekannt als “Unterhose”. Das erfreute weder den Architekten Ole Scheeren, ein Deutscher, noch die Regierung in Peking. Abgesehen davon, dass sich auf der Schrägen immer besonders viel vom Pekinger Staub ablegt, haben die Pekinger ihre Unterhose akzeptiert als festen Bestandteil der Skyline im Pekinger Geschäftsviertel CBD.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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