Table.Briefing: China

Buch-Spezial Sommer 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sommerzeit ist Lesezeit, deshalb präsentieren wir Ihnen auch in diesem Jahr ausgewählte Literatur rund um China. Es geht um aktuelle Themen wie Doping oder die Lebenseinstellung junger Leute im System Xi Jinping, es geht aber auch um große Linien und Trends wie die deutsche Verstrickung im China-Geschäft oder die Taiwan-Frage.

Die Auswahl mag mit diesen Titeln etwas düster erscheinen. Es ist auch ein Buch zur Unterdrückung in Xinjiang dabei oder wie schlimm sich China unter Xi Jinping verändert hat. Doch das reflektiert die Lage am Buchmarkt, auf dem Werke dominieren, aus denen große Desillusionierung zu China spricht.

Dennoch handelt es sich um gut lesbare und erkenntnisreiche Bücher von Autorinnen und Autoren, die ihre Themen mit Spannung und Engagement behandeln. Falls Sie also auch im Urlaub nicht genug von China bekommen können, ist sicher etwas für Sie dabei.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

China-Bücher für den Sommer: Die Lese-Empfehlungen der Redaktion

Für eine Weile in andere Welten abtauchen: Lesepause in einem Buchladen in Shanghai.

Andreas Fulda – “Germany and China”

Der deutsche Politologe Andreas Fulda von der Uni Nottingham wird häufig zu Unrecht als Hardliner bezeichnet, der nur aus Prinzip an der Volksrepublik China kein gutes Haar lässt. Zwar bewertet Fulda das autokratische Regime in Peking tatsächlich sehr kritisch, doch dabei ist er sachlich und stringent in seiner Argumentation. Diese Sachlichkeit macht auch sein neues, englischsprachiges Buch “Germany and China – How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” so lesenswert.

Intensiv setzt sich Fulda mit Paradigmen der deutschen Außenpolitik auseinander, die jahrzehntelang das Verhältnis Deutschlands zu China geformt haben. Er erklärt, weshalb die Losung “Wandel durch Handel”, aber auch Frank-Walter Steinmeiers “Verflechtung und Integration” auf sehr problematischen Grundannahmen basieren und wie mit deren Hilfe der repressive Charakter von Autokratien heruntergespielt wurde. Anhand von Beispielen aus verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen untersucht Fulda, wie die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel im Interesse kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteile eine immer engere Bindung an China angestrebt haben. Daraus leitet der Autor die Gefahren einer zunehmenden Verflechtung nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und die internationale Weltordnung ab.

Fulda gelingt es, Ursachen und Ausprägungen einer starken Verflechtung zwischen einer Demokratie und einer Autokratie nachzuzeichnen, ohne den Eindruck zu erwecken, mit jemandem abrechnen zu wollen. Stattdessen kreiert er einen wertvollen Beitrag für den deutschen China-Diskurs. Sein Fazit: Wenn wir unsere China-Politik nicht grundsätzlich verändern, werden wir teuer dafür bezahlen. Marcel Grzanna

Andreas Fulda: “Germany and China – How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security”, Bloomsbury, 242 Seiten, Preis: 27,40 €

Peter Hessler – “Other Rivers”

“River Town”, Peter Hesslers dokumentarischer, aber sehr persönlicher Bericht über seine Zeit als Provinz-Lehrer in der Stadt Fuling, war ein Überraschungserfolg – vor allem auch in China, wo man den Blick von außen auf die Veränderungen kurz vor dem Bau des Drei-Schuchten-Damms mit großem Interesse las.

Im Jahr 2019 ist der Amerikaner nach 25 Jahren zurückgekehrt, um wieder junge Chinesen in Literatur und journalistischem Schreiben zu unterrichten, dieses Mal an der Universität von Chengdu. Angelegt als Fortsetzung von “River Town” trifft Hessler auf ein völlig verändertes Umfeld. Jedes Klassenzimmer ist mit Kameras ausgestattet. Auf den Campus kommt nur, wer sein Gesicht scannen lässt. Die Studenten erscheinen ihm im Gegensatz zu früher kaum noch naiv und idealistisch, sondern abgebrüht und mitunter bitter. Er nennt sie die “Generation Xi”, die sich der Überwachung und dem gesellschaftlichen Druck angepasst hat, dabei aber auch einigermaßen resigniert erscheint.

Hessler vergleicht ihre Biografien mit denen seiner ehemaligen Studenten aus Fuling, zum Beispiel die der Lehrerin Emily, deren Bruder Selbstmord begangen hat, weil er im Tempo und der Ellbogenmentalität der Öffnungsjahre unter die Räder geraten ist. Es braucht Jahre des Vertrauens, um als Ausländer solche Geschichten erzählt zu bekommen, sagt Hessler.

Diese Stärke zeichnet auch “Other Rivers” aus: Hessler hat ein ehrliches Interesse für die Menschen hinter den Statistiken, die er humorvoll und viel Empathie zu Wort kommen lässt. Gleichzeitig wirkt auch er selbst abgebrühter als früher. Er ist mittlerweile Vater von Zwillingstöchtern, die er inmitten der Corona-Pandemie auf eine chinesische Schule schickt.

Der Alltag wird zu einem Hindernislauf, der an die Geschichten von George Orwell und Franz Kafka erinnert. Dann kommen auch noch anonyme Anschuldigungen hinzu, er habe China in seinem Unterricht in den Schmutz gezogen. Am Ende wird sein Vertrag nicht verlängert, ohne dass ihm jemand klare Gründe nennen will. Sein Fazit: “Alles hat sich verändert, nichts hat sich verändert”. Fabian Peltsch

Peter Hessler: “Other Rivers. A chinese education”, Penguin Press, 464 Seiten, 15,99 Euro.

Xue Yinxian & Yang Weidong – “Chinas Doping”

Im Jahr 1990 traf die damalige chinesische Sportärztin Xue Yinxian eine schicksalhafte Entscheidung. Sie widersetzte sich den Anweisungen ihrer Vorgesetzten und verabreichte den ihr anvertrauten Sportlern der chinesischen Nationalmannschaft keine Dopingmittel mehr, so wie sie es seit den 1970er-Jahren stets getan hatte. Die Konsequenzen veränderten ihr Leben und das ihrer Familie.

In den Jahren danach durfte sie zwar weiterhin als Ärztin in einem Krankenhaus praktizieren. Allerdings wurde sie trotz ihrer Qualifikationen nie wieder befördert. Ihr jüngster Sohn, ebenfalls Mediziner, wurde von der Sport-Administration aus dem Staatsdienst entlassen und praktizierte nie wieder als Arzt. 2007 kam ihr Mann ums Leben, als er im Haus der Familie bei einem Gerangel von einem hochrangigen Sportfunktionär die Treppen heruntergestoßen wurde. Ihr ältester Sohn, der Dokumentarfilme und Künstler Yang Weidong, saß später vier Monate in Haft für die Produktion eines gesellschaftskritischen Interviewfilms. Weil sie an die Öffentlichkeit gegangen war mit ihrer Dopingbeichte, nahm der Druck auf Xue Yinxian und ihre Familie immer weiter zu. 2017 nutzte sie eine medizinische Untersuchung in Deutschland, um gemeinsam mit Yang Weidong und dessen Frau politisches Asyl in Deutschland zu beantragen.

Chinas Doping ist eine siebenbändige Sammlung der Tagebücher von Xue Yinxian, die im Original abgedruckt und kommentiert sind. Sie zeichnen die Geschichte des chinesischen Staatsdopings der 1970er- und 1980er-Jahre anhand von Xues Arbeit minutiös nach und schildern die Ereignisse in den Jahren danach bis zur Flucht nach Deutschland im Jahr 2017. Die Serie ist ein Zeitdokument, das viel über das China nach Mao Zedong erzählt und den Aufstieg des chinesischen Sports in die internationale Weltspitze begleitet. Marcel Grzanna

Xue Yinxian/Yang Weidong: Chinas Doping (中国毒品), Sieben Bände, Gesamtpreis: 294,00 Euro.

Stephan Thome – “Schmales Gewässer, gefährliche Strömung”

Die Behauptung, Taiwan habe schon immer zu China gehört, lässt sich leicht entkräften. Tatsächlich brauchten die chinesischen Machthaber lange – zu lange – um die strategische Bedeutung der Insel vollumfänglich zu umreißen. Kaiser Kangxi (reg. 1661-1722) sprach von Taiwan noch als “Klumpen Dreck” jenseits des Meeres. Erst das Interesse der Ausländer, allen voran der Holländer und Japaner, sorgte für ein Umdenken.

“Schmales Gewässer, gefährliche Strömung” ist das zweite Sachbuch des auf Taiwan lebenden Romanschriftstellers, das sich mit den historisch einzigartigen Entwicklungen der Insel beschäftigt. Während Thomes anderes Taiwan-Buch vor allem ein kurzweiliges Landesporträt für die Reisetasche darstellte, geht es hier um knallharte Geopolitik. Mit schriftstellerischem Sinn für Spannungsbögen beleuchtet Thome mögliche Szenarien einer militärischen Eskalation in der Taiwanstraße. Seine historischen Herleitungen sind präzise und faszinierend. Wer weiß beispielsweise noch, dass selbst preußische Politiker einst Begehrlichkeiten hegten, auf “Formosa ein deutsches Hongkong” zu errichten?

Dass Taiwan sich nun schon seit 70 Jahren auf eine Invasion vom Festland vorbereitet, ist bekannt. Der neue Risikofaktor ist nun Xi Jinping, der sich von der schwächelnden Wirtschaft und anderen internen Problemen zu einem “Jetzt oder nie” gedrängt fühlen könnte. “In der stolz geblähten Brust, mit der sich China heute auf der internationalen Bühne präsentiert, schlägt ein nervöses Herz”, schreibt Thome. Schon jetzt setze die Volksrepublik auf Sanktionen, Desinformationskampagnen und Einschüchterung, um die Moral der demokratisch regierten Insel zu unterwandern. Sein Buch sei ein Anstoß, sich diesen und anderen Herausforderungen in der mutmaßlich “gefährlichsten Region der Erde” noch ernsthafter zu stellen. Fabian Peltsch

Stephan Thome: “Schmales Gewässer, gefährliche Strömung. Über den Konflikt in der Taiwanstraße”, Suhrkamp, 366 Seiten, 25 Euro.

Tahir Hamut Izgil “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung”

Was über die Unterdrückung in Xinjiang bekannt ist, wirkt bedrückend und verstörend. Die geleakten Dokumente über Folter und Unterdrückung geben Einblick in ein schauderhaftes Syste,. Und dann gibt es noch dieses Buch: “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung – Uigurische Notizen” von Tahir Hamut Izgil. Direkt aus dem Alltag in Xinjiang. Nüchtern erzählt, den wahren Horror immer nur andeutend und dadurch ein Muss für Leute, die wissen wollen, wie Unterdrückung und Angst die gesamte Gesellschaft der Uiguren in Xinjiang zerstört.

Der Autor gilt als einer der prominentesten modernen Lyriker in uigurischer Sprache. Und zugleich ist er wohl der einzige uigurische Schriftsteller, der es lebend ins Ausland geschafft hat. Izgil nutzt das, um von den grausamen Vorgängen in seiner Heimat zu berichten.

Auf knappen 270 Seiten zeigt Izgil, wie schnell und umfassend die chinesische Zentralregierung ihren Unterdrückungsapparat in der Provinz Xinjiang aufbaut: “Innerhalb von nur ein paar Tagen hatte man Schulen, Ämter und sogar Krankenhäuser in ‘Studienzentren’ umgewandelt und hastig mit Eisentüren, Gitterstäben vor den Fenstern und Stacheldraht versehen. Die Bevölkerung war starr vor Angst. Uns war klar geworden, dass es sich bei den ‘Studienzentren’ um Konzentrationslager handelte.”

Erschreckend nüchtern schildert Izgil die Verunsicherung der Menschen, den stetig wachsenden Druck, die allgegenwärtigen Kontrollen. Er beschreibt, wie jeder einzelne versucht, sich mit den Umständen zu arrangieren: von Eli, dem Buchhändler, bis hin zu Perhat, seinem langjährigen Freund. Sie alle kann es treffen. Und sie alle wird es treffen auf den Seiten von “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung”. Unerbittlich zieht sich die Schlinge zu.

Den wahren Horror deutet Izgil immer nur an. Als die Nachbarschaftspolizei ihn mal wieder zum Gespräch einbestellt, steht die Tür eines anderen Zimmers offen. Izgil wagt einen kurzen Blick. “In der Zelle stand ein schwerer eiserner ‘Tigerstuhl’ zum Verhören und Foltern von Gefangenen. Das Eisengitter, mit dem man den Oberkörper des Gefangenen im Stuhl fixierte, stand offen, die Eisenringe für Hände und Füße hingen zu beiden Seiten herab.” 

Irgendwann entschließen sich Izgil, seine Frau und Tochter doch noch zur Flucht. Es ist fast schon zu spät. Nur unter dem Vorwand, seine Tochter benötige eine spezielle medizinische Behandlung, dürfen sie in die USA ausreisen. Sie kommen mit dem Leben davon. Ihre Freunde, Verwandten und Bekannten nicht. Michael Radunski

Tahir Hamut Izgil: In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung – Uigurische Notizen, Hanser Verlag, München, 2024, 272 Seiten, 25 Euro.

Lea Sahay – “Das Ende des Chinesischen Traums”

Xi Jinping sprach zu Beginn seiner Amtszeit 2012 vom chinesischen Traum und versprach: Alles werde für jeden besser. Die Voraussetzungen waren da. China war in wenigen Jahrzehnten von einem der ärmsten Länder zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Der Fleiß, die Offenheit und der Aufstiegswille der Chinesen versprachen eine rosige Zukunft. Stattdessen hat sich China unter Xi Jinping zum Alptraum entwickelt

Die Journalistin Lea Sahay hat diesen Wandel hautnah miterlebt. Als 16-Jährige Gastschülerin kam sie ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen 2008 nach Peking und war begeistert. Sie erlebte herzliche und stolze Menschen. Noch bevor sie einige Jahre später in das Land zurückkehrte, dachte sie wie so viele: Hier liegt die Zukunft. 

Als Korrespondentin der Wirtschaftswoche erlebte sie ab 2016 das pulsierende Shanghai, den Tech-Boom, beobachtete aber auch den machthungrigen Kurs von Staatschef Xi und seinen Überwachungsstaat, den er mit immer perfideren Mitteln auszubauen wusste, um gegen Uiguren, die Hongkonger Demokratiebewegung und jede und jeden vorzugehen, der oder die seiner Propaganda nicht folgen wollen. 

Und dann kam Corona. Nicht wissend, vor welchen gravierenden Veränderungen die Welt stehen würde, saß Sahay im Januar 2020 in einem Zug nach Wuhan und erlebte – inzwischen als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung – in den kommenden Wochen und Jahren ein System um einen einzigen Mann, der vertuschte, Feindbilder schuf, die Pandemie ideologisierte und einen schier unvorstellbaren Kontrollwahn auslöste. 

Die Journalistin hat oft darüber berichtet, wie Menschen in China zu Opfern der Partei wurden, und nun bekam sie am eigenen Leib zu spüren, wie grausam das System ist. Von einem Tag auf den anderen war ihr achtmonatiger Sohn Jonathan an einer seltenen Immunstörung erkrankt und kämpfte mit dem Tod. Lea Sahay und ihr Mann mussten zusehen, wie die Ärzte ihren Sohn nicht sofort behandelten – wegen der Corona-Bestimmungen. Als die Ärzte sich ihm dann doch annahmen, saßen sie drei Wochen lang jeden Tag neun Stunden vor der Tür der Intensivstation. Ihren Sohn sehen durften sie nicht.

Der Kontrast zu ihren ersten Jahren in China könnte heute nicht größer sein. Sahay schildert in ihrem Buch nicht nur die korrupten und chronisch desolaten Zustände in den Krankenhäusern in einem Land mit globalem Führungsanspruch. Altersarmut, sinkende Geburtenraten, eine geplatzte Immobilienblase, in deren Zuge das mühselig ersparte Vermögen von Millionen Menschen verpufft ist. Xis Antwort auf all dieses Probleme: Noch mehr Kontrolle, noch mehr Unterdrückung. 

“Das Ende des chinesischen Traums” ist ein persönliches und erschütterndes Buch. Es zeigt, wie düster China unter Xi Jinping geworden ist. Trotz der schwierigen Recherchebedingungen für ausländische Journalisten während und nach der Pandemie ist es Sahay zugleich gelungen, mit vielen Chinesinnen und Chinesen in Kontakt zu kommen und sie über ihre Träume und Ängste erzählen zu lassen. Sahay weiß diese Gespräche eindrücklich in ihr Buch zu verweben. “Die Tragik von Xi Jinpings chinesischem Traum”, resümiert Sahay: “Dass er den Menschen vorschreiben will, wie ihre Träume auszusehen haben.” Felix Lee

Lea Sahay: Das Ende des Chinesischen Traums, Droemer, erscheint am 2. September 2024, 288 Seiten, 24 Euro.

Chen Jian – “Zhou Enlai”

Geschichte und Politik wird von Menschen gemacht. Das klingt banal – und kann doch sehr kompliziert sein. Vor allem im Fall von China. Als Xi Jinping 2012 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei ernannt wurde, glaubten viele, Xi würde als großer Reformer China in ein neues Zeitalter führen. Es kam ziemlich anders – und zeigt doch, wie wichtig es ist, die handelnden Personen möglichst genau zu kennen. Deshalb ist “Zhou Enlai – A Life” von Chen Jian nicht nur ein gutes, sondern auch ein wichtiges Buch.

Zhou war eine der prägendsten Figuren der Volksrepublik. Er war 27 Jahre lang Chinas Ministerpräsident, zehn Jahre lang Außenminister. Er gilt als Architekt des chinesischen Verwaltungsapparates und entschied viele Jahre über die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Und doch stand Zhou immer im Schatten des großen Steuermanns Mao Zedong. Nun wird ihm mit “Zhou Enlai – A Life” eine herausragenden Biographie gewidmet.

Dem Professor der New York University und NYU Shanghai ist ein erstaunliches Werk voll an Fakten und Anekdoten gelungen. Auf satten 840 Seiten rückt er Zhou Enlai in den Fokus, den er eigentlich schon viel früher verdient gehabt hätte. Es ist das differenzierte Porträt eines Mannes, der mal vorpreschender Revolutionär war, mal zurückhaltender Meisterdiplomat. Der mit Henry Kissinger und Richard Nixon die erste Reise eines US-Präsidenten nach China vorbereitet. Und der sich jahrzehntelang in den Intrigen, Macht- und Grabenkämpfen der KP behaupten konnte.

Von der Gründung der Volksrepublik, über den “Großen Sprung nach vorn” bis hin zur Kulturrevolution – es sind viele Ereignisse, die Zhou in führenden Funktionen erlebt und mitgeprägt hat. Bemerkenswert in Bezug auf die aktuell so oft gepriesene enge Freundschaft zwischen Russland und China: Als die Sowjetunion 1968 in Tschechoslowakei überfiel, hielt Zhou Enlai drei Tage später eine flammende Rede und bezeichnete die Sowjetunion als sozialimperialistische Gefahr für die Welt. Man sollte Geschichte kennen, um die Zukunft besser zu gestalten. Michael Radunski

Chen Jian: Zhou Enlai – A Life, Havard University Press, Mai 2024, 840 Seiten, 36,95 Euro.

  • Kultur
  • Uiguren
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Termine

21.08.2024, 10:30 Uhr Beijing time
German Chamber of Commerce, webcast: Presentation of the German Chamber’s 17th Annual Salary Survey Mehr

21.08.2024, 12:15 Uhr, Tilst (Dänemark)
Danish Export Association, Seminar (in Präsenz): Grow your business in China with WeChat & Zhihu Mehr

22.08.2024, 09:00 Uhr Beijing time
German Chamber of Commerce, summit (in Beijing): HR Summit & Presentation of the German Chamber’s 17th Labor Market and Salary Report 2024|2025 Mehr

22.08.2024, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Navigating Profit Repatriation in China’s Foreign Exchange Environment Mehr

29.08.2024, 19:00 Uhr, Hamburg
Museum für Kunst und Gewerbe, Kurator:innenführung: Inspiration China Mehr

03.09.2024, 18:30
Konfuzius-Institut Bremen, Präsenz und Zoom: Vortrag: “Was versteht China unter dem “Sozialismus chinesischer Prägung im Neuen Zeitalter” und welche Folgen hat das Konzept für die künftige chinesische Innen-, Außen- und Global-Politik?” Mehr

News

Antimon: Warum Peking die Ausfuhr einschränkt

China setzt das Metall Antimon auf die Liste der Rohstoffe mit Exportbeschränkungen. Ab dem 15. September gelten Ausfuhrkontrollen für Antimonmetalle, -erze und -oxide, teilten das Handelsministerium und die Zollverwaltung in Peking mit. China ist einer der Hauptförderer von Antimon.

Grund für die Beschränkung des Exports seien der Schutz der nationalen Sicherheit und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen wie die Nichtverbreitung von Kernwaffen, sagte ein Ministeriumssprecher. Zugleich betonte er, dass die Maßnahmen nicht gegen ein bestimmtes Land oder eine Region gerichtet seien.

Antimon wird zur Herstellung von Autobatterien und Solaranlagen eingesetzt. Es ist aber auch entscheidend für den Bau von Waffen und militärischer Ausrüstung wie Nachtsichtgeräten. Aus diesem Grund steht Antimon in den USA bereits auf einer Liste von Mineralien, die für die wirtschaftliche und nationale Sicherheit bedeutsam sind.

Die Exportbeschränkungen können als eine Gegenmaßnahme zu US-Sanktionen für Chips und andere Technologien gewertet werden. In den andauernden Handelsstreitigkeiten hat Peking bereits den Export anderer wichtiger Rohstoffe und Seltenen Erden wie Grafit, Gallium und Germanium eingeschränkt, die unter anderem für E-Auto-Batterien und Halbleiter benötigt werden. Das Land verfügt über die weltweit größten Vorkommen Seltener Erden. jul

  • Chips
  • Handelskrieg
  • Handelsstreit
  • Rohstoffe
  • Seltene Erden

Industrieproduktion: Warum die Zahlen weiter enttäuschen

Das Wachstum der chinesischen Industrieproduktion ist unter den Erwartungen geblieben und nährt Spekulationen um neue staatliche Konjunkturhilfen. Das Nationale Statistikbüro teilte am Donnerstag mit, im Juli habe die Fertigung um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Analysten hatten nach einer Reuters-Umfrage mit 5,2 Prozent gerechnet. Im Juni hatte das Wachstum noch 5,3 Prozent betragen.

Nach Angaben der Statistiker entwickelten sich die Einzelhandelsumsätze dabei positiv, sie legten im Juli um 2,7 Prozent zu. Erwartet wurden 2,6 Prozent. Im Juni waren sie um 2,0 Prozent gewachsen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA hat nach der Pandemie deutlich an Wachstumsdynamik eingebüßt und sucht nach Wegen, die Wirtschaft wiederzubeleben. Das Bruttoinlandsprodukt war von April bis Juni mit einem Plus von 4,7 Prozent so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr.

“Die Daten zeigen, dass die Wirtschaft einen schwachen Start in die zweite Jahreshälfte hatte”, sagte der Experte von ANZ China, Xing Zhaopeng, zu den frischen Konjunkturdaten vom Juli. Zwar strebt die Regierung in Peking dieses Jahr immer noch ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent an. Analysten warnen allerdings, dass China in eine anhaltende wirtschaftliche Flaute geraten könne.

Die Zentralbank stemmt sich gegen den Abschwung: Sie pumpte 577,7 Milliarden Yuan (rund 73,5 Milliarden Euro) in Form kurzfristiger Anleihengeschäfte ins Finanzsystem, um die Banken mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Sie hatte jüngst angekündigt, die finanzielle Unterstützung für die Wirtschaft zu verstärken und dabei einen stärkeren Fokus auf die Ankurbelung des Konsums zu legen. Am Dienstag entscheidet die Notenbank wieder über eine der Schlüsselzinsen – die sogenannte Loan Prime Rate (LPR). Der geldpolitische Schlüsselsatz dient zur Festlegung der Verbraucherkredit- und Hypothekenzinsen.

Neben dem Leitzins könnte die Zentralbank Experten zufolge demnächst auch an einer anderen Stellschraube drehen – dem Mindestreservesatz (RRR) der Banken. Dieser war bereits Anfang Februar um einen halben Prozentpunkt gesenkt worden. Je geringer der RRR ist, desto mehr Spielraum haben die Geldinstitute zur Vergabe von Krediten. rtr

  • Handel
  • Industrie
  • Konsum
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China-Abhängigkeit: Warum die deutsche Wirtschaft weiter schwächelt

Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist laut Vizekanzler Robert Habeck hartnäckiger als von der Ampel-Regierung angenommen. Die Erholung habe sich immer wieder verzögert, obwohl schon mehrfach Licht am Ende des Tunnels ausgemacht worden sei, sagte der Wirtschaftsminister am Mittwoch in Berlin zu Journalisten. Dies hänge auch mit der starken Abhängigkeit vom Handel mit China zusammen. “China schwächelt”, so der Grünen-Politiker. Außerdem fehlten nötige Investitionen in die Infrastruktur, und es sei zu spät auf den Fachkräftemangel reagiert worden. “Das schlägt jetzt alles zu Buche und ist eben nicht mit einem Fingerschnippen zu beenden.”

Die deutsche Wirtschaft steckt aktuell mit einem Bein in der Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 Prozent, nachdem es in den ersten drei Monaten des Jahres noch zu einem Wachstum von 0,2 Prozent gereicht hatte. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.

Habeck sagte, es brauche mehr Anreize für Investitionen. Zumindest sei im zweiten Halbjahr mit niedrigeren Zinsen zu rechnen. 49 Einzelmaßnahmen sollen helfen, Deutschland attraktiver für Unternehmen und Investoren sowie ausländische Fachkräfte zu machen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP setzt darauf, dass das Maßnahmenbündel im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von rund einem halben Prozentpunkt führt. Das wären 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung. Ökonomen sind skeptisch, ob dies erreicht werden kann. rtr

  • Deutschland
  • Fachkräftemangel
  • Handel
  • Wirtschaftsentwicklung

Personalie: Jörg Wuttke tritt seine neue Tätigkeit bei der DGA Group an

Der ehemalige Generalrepräsentant der BASF in China, Jörg Wuttke, hat offiziell seine neue Tätigkeit als Partner bei der Beratungsfirma DGA Group in Washington angetreten. “Er stärkt bereits jetzt unsere Fähigkeit, Kunden bei der Navigation durch ein kompliziertes globales Geschäftsumfeld zu unterstützen und ihre Geschäftsstrategien für Momente erhöhter Chancen und Risiken zu entwickeln”, sagte einer Mitteilung zufolge Dan K. Rosenthal, Managing Partner von DGA.

Die DGA Group bietet Strategieberatung unter anderem für Unternehmen. Sie ist 2021 entstanden, als die große Anwaltskanzlei Dentons ins Consulting eingestiegen ist; bis Juni 2024 stand “DGA” für “Dentons Global Advisors”. DGA hatte zuvor das Beratungsunternehmen der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright übernommen. Die Firma arbeitet unter anderem mit Joschka Fischer zusammen, der heute ebenfalls Beratungsdienste anbietet. fin

  • Jörg Wuttke
  • USA

Blick aus China

Gesellschaft: Warum die Partei brisante Probleme nicht angeht

Am 8. August machte ein Anwalt in den sozialen Medien einen schockierenden Vorgang öffentlich: Es ging um massiven Handel mit Leichen zu medizinischen Zwecken durch regierungsnahe Organisationen. Die Zensoren löschten den Beitrag umgehend. Einzelne Nachrichtenagenturen, wie die renommierte Caixin, griffen ihn zwar auf, aber auch die meisten ihrer Berichte wurden schnell wieder gelöscht.

Wie im Rest der Welt legen die Chinesen großen Wert auf die Wahrung der Totenwürde. Das verantwortliche Unternehmen, Shanxi Osteorad Biomaterial, wurde bereits angeklagt, gegen 75 Beteiligte wurden Ermittlungen eingeleitet. Dennoch ist die Situation äußerst unangenehm für eine Regierung, die stets bemüht ist, sich als allmächtig zu präsentieren und versucht, alles zu kontrollieren.

44 Gewebebanken: Die Branche ist chaotisch

Gerichtsdokumenten zufolge erwarb Osteorad zwischen 2017 und 2023 mindestens 4.000 Leichen von Bestattungsunternehmen und Krankenhäusern in sechs Provinzen, ohne die Zustimmung der Toten oder ihrer Angehörigen. Die Leichen wurden verarbeitet, um Implantatmaterial für Operationen zum Wiederaufbau von Knochen herzustellen. Dieses wurde an Krankenhäuser im ganzen Land verkauft.

Bei den beiden beteiligten Krankenhäusern in Qingdao, Shandong, und Guilin, Guangxi, handelt es sich um öffentliche Krankenhäuser. Auch die meisten Bestattungsunternehmen in China sind öffentlich finanzierte Einrichtungen. Osteorad hat als Hauptakteur in diesem Fall einen noch bedeutenderen Hintergrund: Das Unternehmen mit Sitz in Taiyuan, der Hauptstadt der Provinz Shanxi, ist dem Chinesischen Institut für Strahlenschutz angegliedert. Die Einrichtung wurde 1962 gegründet, um die damals noch junge Atomindustrie des Landes zu unterstützen.

Im Zuge der Anwendung von Strahlenbehandlung, einem Schlüsselverfahren zur Bearbeitung menschlicher Knochen für die Verwendung als Implantate, gründete das Unternehmen 1999 Chinas Gewebebank. In China soll es insgesamt 44 Gewebebanken geben. Woher die anderen 43 Gewebebanken ihr Material beziehen, ist unbekannt. Es existieren keine staatlichen Vorschriften, die diese chaotische Branche regulieren.

Gleiche Tanks für Speiseöl und Diesel

Der Leichenhandelsring ist der zweite große Skandal innerhalb eines Monats, in den Chinas staatlich unterstützte Institutionen verwickelt sind. In einem Enthüllungsbericht, wie man ihn in den letzten Jahren selten gesehen hat, berichtete die Zeitung “Beijing News” Anfang Juli, dass die staatliche “China Grain Reserves Corporation” (Sinograin), die für die zentralen Getreidereserven der Regierung zuständig ist, seit Jahren Speiseöl, Sirup und Diesel abwechselnd in denselben Tankwagen transportiert.

Nach dem Entladen von Diesel wurden die Tanks nicht einmal gereinigt, bevor sie mit Speiseöl oder Sirup befüllt wurden. Wie immer gab es keine Entschuldigung. Sowohl Sinograin als auch der Staatsrat gaben lapidare Erklärungen ab, in denen sie eine Untersuchung und ein verbessertes Management versprachen.

Die Lebensmittelsicherheit ist ein chronisches Problem für das Land. In seinen ersten Tagen als Parteichef machte Xi Jinping einige scharfe Bemerkungen zu diesem Thema: “Unsere Partei regiert China. Wenn wir nicht einmal bei der Lebensmittelsicherheit gute Leistungen erbringen können, wird man unsere Eignung (als Regierungspartei) infrage stellen.” Getreu seiner risikobewussten Art sagte er auch: “Lebensmittelsicherheit ist ein Thema mit einem niedrigen Brennpunkt … es könnte zu massiven Unruhen führen.”

Behörden fehlt der Anreiz, Probleme zu lösen

Doch trotz der viel gepriesenen Bemühungen um eine bessere Regierungsführung und die Bekämpfung der Korruption seit seinem Amtsantritt, und ungeachtet einer immer strengeren Zensur kommt es immer wieder zu Skandalen, die das tägliche Leben der Menschen berühren. Was die Lebensmittelsicherheit betrifft, hat die chinesische Gesellschaft die Hoffnung so gut wie aufgegeben.

Fälle wie verseuchtes Speiseöl oder gestohlene Leichen erregen zwar den Zorn der Öffentlichkeit. Aber sie stellen kaum eine unmittelbare Gefahr für das Regime dar. In einem so großen Land wie China, das keinen echten Rechtsstaat kennt, erfordert die Lösung solcher komplexen Probleme einen hohen Verwaltungsaufwand. Der Regierung fehlt es an einem entsprechenden Anreiz, diese anzugehen. Schließlich betreffen die Probleme nur die Menschen an der Basis, während die Mächtigen und Privilegierten die Mittel haben, sie zu umgehen.

  • Gesellschaft
  • Lebensmittelindustrie
  • Telekommunikation

Presseschau

China, Iran, Russland: Eine Allianz der Skrupellosen will die US-Wahlen manipulieren NZZ
Abschreckung gegen China: Japans Marine setzt auf unbemannte Schiffe TELEPOLIS
Immobilienkrise, verschuldete Provinzen, rückläufige Nachfrage – die Schwächen der chinesischen Wirtschaft zeigen sich immer deutlicher NZZ
Zähes Warten auf Chinas Konjunkturerholung BÖRSEN-ZEITUNG
Chinas Dauerkrise: China muss zur Zinskontrolle greifen FUW
Decoding China: Die Gunst der Stunde in Bangladesch DW
Lindner in der Bredouille: Milliarden Steuern gehen offenbar durch chinesischen Betrug flöten MERKUR
Trotz Kohleausbau: China ist der weltgrößte Emittent, nun aber sinken die CO₂-Emissionen – kann das von Dauer sein? DER STANDARD
Weltgrößter Stahlproduzent aus China Baowu warnt vor einer Branchenkrise, die 2008 noch übertreffen wird BUSINESS INSIDER
China kündigt Exportkontrollen für wichtiges Metall Antimon an WELT
Topmanager der BASF Jörg Wuttke: Wie ein Deutscher zum Chinaversteher wurde und Pekings Machtapparat anging SPIEGEL
Moskauer Puschkin-Museum zeigt westeuropäische Kunst in China FAZ

Personalie

Huan-Hai Chou hat seinen Posten bei Mercedes-Benz China gewechselt. Seit August ist er Senior Manager Vertical Sales Solutions, wo ihm ein Team zur Umgestaltung der Systemlandschaft für den End2End-Verkauf untersteht. Zuvor war er Senior Manager IT Digital Service Sales & Commerce. Sein Einsatzort bleibt Peking.

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Dessert

Früh übt sich: In chinesischen Buchläden dürfen die Kunden nicht nur ein bisschen in der Lektüre blättern. Es gilt als ganz normal, dass sie sich irgendwo im Laden auf den Boden oder Treppenabsatz setzen und die Werke von vorn bis hinten durchlesen. Für die Buchläden dürfte dabei trotzdem noch genug herausspringen. China ist eines der Länder mit der höchsten Leserquote.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    Sommerzeit ist Lesezeit, deshalb präsentieren wir Ihnen auch in diesem Jahr ausgewählte Literatur rund um China. Es geht um aktuelle Themen wie Doping oder die Lebenseinstellung junger Leute im System Xi Jinping, es geht aber auch um große Linien und Trends wie die deutsche Verstrickung im China-Geschäft oder die Taiwan-Frage.

    Die Auswahl mag mit diesen Titeln etwas düster erscheinen. Es ist auch ein Buch zur Unterdrückung in Xinjiang dabei oder wie schlimm sich China unter Xi Jinping verändert hat. Doch das reflektiert die Lage am Buchmarkt, auf dem Werke dominieren, aus denen große Desillusionierung zu China spricht.

    Dennoch handelt es sich um gut lesbare und erkenntnisreiche Bücher von Autorinnen und Autoren, die ihre Themen mit Spannung und Engagement behandeln. Falls Sie also auch im Urlaub nicht genug von China bekommen können, ist sicher etwas für Sie dabei.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
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    Analyse

    China-Bücher für den Sommer: Die Lese-Empfehlungen der Redaktion

    Für eine Weile in andere Welten abtauchen: Lesepause in einem Buchladen in Shanghai.

    Andreas Fulda – “Germany and China”

    Der deutsche Politologe Andreas Fulda von der Uni Nottingham wird häufig zu Unrecht als Hardliner bezeichnet, der nur aus Prinzip an der Volksrepublik China kein gutes Haar lässt. Zwar bewertet Fulda das autokratische Regime in Peking tatsächlich sehr kritisch, doch dabei ist er sachlich und stringent in seiner Argumentation. Diese Sachlichkeit macht auch sein neues, englischsprachiges Buch “Germany and China – How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” so lesenswert.

    Intensiv setzt sich Fulda mit Paradigmen der deutschen Außenpolitik auseinander, die jahrzehntelang das Verhältnis Deutschlands zu China geformt haben. Er erklärt, weshalb die Losung “Wandel durch Handel”, aber auch Frank-Walter Steinmeiers “Verflechtung und Integration” auf sehr problematischen Grundannahmen basieren und wie mit deren Hilfe der repressive Charakter von Autokratien heruntergespielt wurde. Anhand von Beispielen aus verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen untersucht Fulda, wie die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel im Interesse kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteile eine immer engere Bindung an China angestrebt haben. Daraus leitet der Autor die Gefahren einer zunehmenden Verflechtung nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und die internationale Weltordnung ab.

    Fulda gelingt es, Ursachen und Ausprägungen einer starken Verflechtung zwischen einer Demokratie und einer Autokratie nachzuzeichnen, ohne den Eindruck zu erwecken, mit jemandem abrechnen zu wollen. Stattdessen kreiert er einen wertvollen Beitrag für den deutschen China-Diskurs. Sein Fazit: Wenn wir unsere China-Politik nicht grundsätzlich verändern, werden wir teuer dafür bezahlen. Marcel Grzanna

    Andreas Fulda: “Germany and China – How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security”, Bloomsbury, 242 Seiten, Preis: 27,40 €

    Peter Hessler – “Other Rivers”

    “River Town”, Peter Hesslers dokumentarischer, aber sehr persönlicher Bericht über seine Zeit als Provinz-Lehrer in der Stadt Fuling, war ein Überraschungserfolg – vor allem auch in China, wo man den Blick von außen auf die Veränderungen kurz vor dem Bau des Drei-Schuchten-Damms mit großem Interesse las.

    Im Jahr 2019 ist der Amerikaner nach 25 Jahren zurückgekehrt, um wieder junge Chinesen in Literatur und journalistischem Schreiben zu unterrichten, dieses Mal an der Universität von Chengdu. Angelegt als Fortsetzung von “River Town” trifft Hessler auf ein völlig verändertes Umfeld. Jedes Klassenzimmer ist mit Kameras ausgestattet. Auf den Campus kommt nur, wer sein Gesicht scannen lässt. Die Studenten erscheinen ihm im Gegensatz zu früher kaum noch naiv und idealistisch, sondern abgebrüht und mitunter bitter. Er nennt sie die “Generation Xi”, die sich der Überwachung und dem gesellschaftlichen Druck angepasst hat, dabei aber auch einigermaßen resigniert erscheint.

    Hessler vergleicht ihre Biografien mit denen seiner ehemaligen Studenten aus Fuling, zum Beispiel die der Lehrerin Emily, deren Bruder Selbstmord begangen hat, weil er im Tempo und der Ellbogenmentalität der Öffnungsjahre unter die Räder geraten ist. Es braucht Jahre des Vertrauens, um als Ausländer solche Geschichten erzählt zu bekommen, sagt Hessler.

    Diese Stärke zeichnet auch “Other Rivers” aus: Hessler hat ein ehrliches Interesse für die Menschen hinter den Statistiken, die er humorvoll und viel Empathie zu Wort kommen lässt. Gleichzeitig wirkt auch er selbst abgebrühter als früher. Er ist mittlerweile Vater von Zwillingstöchtern, die er inmitten der Corona-Pandemie auf eine chinesische Schule schickt.

    Der Alltag wird zu einem Hindernislauf, der an die Geschichten von George Orwell und Franz Kafka erinnert. Dann kommen auch noch anonyme Anschuldigungen hinzu, er habe China in seinem Unterricht in den Schmutz gezogen. Am Ende wird sein Vertrag nicht verlängert, ohne dass ihm jemand klare Gründe nennen will. Sein Fazit: “Alles hat sich verändert, nichts hat sich verändert”. Fabian Peltsch

    Peter Hessler: “Other Rivers. A chinese education”, Penguin Press, 464 Seiten, 15,99 Euro.

    Xue Yinxian & Yang Weidong – “Chinas Doping”

    Im Jahr 1990 traf die damalige chinesische Sportärztin Xue Yinxian eine schicksalhafte Entscheidung. Sie widersetzte sich den Anweisungen ihrer Vorgesetzten und verabreichte den ihr anvertrauten Sportlern der chinesischen Nationalmannschaft keine Dopingmittel mehr, so wie sie es seit den 1970er-Jahren stets getan hatte. Die Konsequenzen veränderten ihr Leben und das ihrer Familie.

    In den Jahren danach durfte sie zwar weiterhin als Ärztin in einem Krankenhaus praktizieren. Allerdings wurde sie trotz ihrer Qualifikationen nie wieder befördert. Ihr jüngster Sohn, ebenfalls Mediziner, wurde von der Sport-Administration aus dem Staatsdienst entlassen und praktizierte nie wieder als Arzt. 2007 kam ihr Mann ums Leben, als er im Haus der Familie bei einem Gerangel von einem hochrangigen Sportfunktionär die Treppen heruntergestoßen wurde. Ihr ältester Sohn, der Dokumentarfilme und Künstler Yang Weidong, saß später vier Monate in Haft für die Produktion eines gesellschaftskritischen Interviewfilms. Weil sie an die Öffentlichkeit gegangen war mit ihrer Dopingbeichte, nahm der Druck auf Xue Yinxian und ihre Familie immer weiter zu. 2017 nutzte sie eine medizinische Untersuchung in Deutschland, um gemeinsam mit Yang Weidong und dessen Frau politisches Asyl in Deutschland zu beantragen.

    Chinas Doping ist eine siebenbändige Sammlung der Tagebücher von Xue Yinxian, die im Original abgedruckt und kommentiert sind. Sie zeichnen die Geschichte des chinesischen Staatsdopings der 1970er- und 1980er-Jahre anhand von Xues Arbeit minutiös nach und schildern die Ereignisse in den Jahren danach bis zur Flucht nach Deutschland im Jahr 2017. Die Serie ist ein Zeitdokument, das viel über das China nach Mao Zedong erzählt und den Aufstieg des chinesischen Sports in die internationale Weltspitze begleitet. Marcel Grzanna

    Xue Yinxian/Yang Weidong: Chinas Doping (中国毒品), Sieben Bände, Gesamtpreis: 294,00 Euro.

    Stephan Thome – “Schmales Gewässer, gefährliche Strömung”

    Die Behauptung, Taiwan habe schon immer zu China gehört, lässt sich leicht entkräften. Tatsächlich brauchten die chinesischen Machthaber lange – zu lange – um die strategische Bedeutung der Insel vollumfänglich zu umreißen. Kaiser Kangxi (reg. 1661-1722) sprach von Taiwan noch als “Klumpen Dreck” jenseits des Meeres. Erst das Interesse der Ausländer, allen voran der Holländer und Japaner, sorgte für ein Umdenken.

    “Schmales Gewässer, gefährliche Strömung” ist das zweite Sachbuch des auf Taiwan lebenden Romanschriftstellers, das sich mit den historisch einzigartigen Entwicklungen der Insel beschäftigt. Während Thomes anderes Taiwan-Buch vor allem ein kurzweiliges Landesporträt für die Reisetasche darstellte, geht es hier um knallharte Geopolitik. Mit schriftstellerischem Sinn für Spannungsbögen beleuchtet Thome mögliche Szenarien einer militärischen Eskalation in der Taiwanstraße. Seine historischen Herleitungen sind präzise und faszinierend. Wer weiß beispielsweise noch, dass selbst preußische Politiker einst Begehrlichkeiten hegten, auf “Formosa ein deutsches Hongkong” zu errichten?

    Dass Taiwan sich nun schon seit 70 Jahren auf eine Invasion vom Festland vorbereitet, ist bekannt. Der neue Risikofaktor ist nun Xi Jinping, der sich von der schwächelnden Wirtschaft und anderen internen Problemen zu einem “Jetzt oder nie” gedrängt fühlen könnte. “In der stolz geblähten Brust, mit der sich China heute auf der internationalen Bühne präsentiert, schlägt ein nervöses Herz”, schreibt Thome. Schon jetzt setze die Volksrepublik auf Sanktionen, Desinformationskampagnen und Einschüchterung, um die Moral der demokratisch regierten Insel zu unterwandern. Sein Buch sei ein Anstoß, sich diesen und anderen Herausforderungen in der mutmaßlich “gefährlichsten Region der Erde” noch ernsthafter zu stellen. Fabian Peltsch

    Stephan Thome: “Schmales Gewässer, gefährliche Strömung. Über den Konflikt in der Taiwanstraße”, Suhrkamp, 366 Seiten, 25 Euro.

    Tahir Hamut Izgil “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung”

    Was über die Unterdrückung in Xinjiang bekannt ist, wirkt bedrückend und verstörend. Die geleakten Dokumente über Folter und Unterdrückung geben Einblick in ein schauderhaftes Syste,. Und dann gibt es noch dieses Buch: “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung – Uigurische Notizen” von Tahir Hamut Izgil. Direkt aus dem Alltag in Xinjiang. Nüchtern erzählt, den wahren Horror immer nur andeutend und dadurch ein Muss für Leute, die wissen wollen, wie Unterdrückung und Angst die gesamte Gesellschaft der Uiguren in Xinjiang zerstört.

    Der Autor gilt als einer der prominentesten modernen Lyriker in uigurischer Sprache. Und zugleich ist er wohl der einzige uigurische Schriftsteller, der es lebend ins Ausland geschafft hat. Izgil nutzt das, um von den grausamen Vorgängen in seiner Heimat zu berichten.

    Auf knappen 270 Seiten zeigt Izgil, wie schnell und umfassend die chinesische Zentralregierung ihren Unterdrückungsapparat in der Provinz Xinjiang aufbaut: “Innerhalb von nur ein paar Tagen hatte man Schulen, Ämter und sogar Krankenhäuser in ‘Studienzentren’ umgewandelt und hastig mit Eisentüren, Gitterstäben vor den Fenstern und Stacheldraht versehen. Die Bevölkerung war starr vor Angst. Uns war klar geworden, dass es sich bei den ‘Studienzentren’ um Konzentrationslager handelte.”

    Erschreckend nüchtern schildert Izgil die Verunsicherung der Menschen, den stetig wachsenden Druck, die allgegenwärtigen Kontrollen. Er beschreibt, wie jeder einzelne versucht, sich mit den Umständen zu arrangieren: von Eli, dem Buchhändler, bis hin zu Perhat, seinem langjährigen Freund. Sie alle kann es treffen. Und sie alle wird es treffen auf den Seiten von “In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung”. Unerbittlich zieht sich die Schlinge zu.

    Den wahren Horror deutet Izgil immer nur an. Als die Nachbarschaftspolizei ihn mal wieder zum Gespräch einbestellt, steht die Tür eines anderen Zimmers offen. Izgil wagt einen kurzen Blick. “In der Zelle stand ein schwerer eiserner ‘Tigerstuhl’ zum Verhören und Foltern von Gefangenen. Das Eisengitter, mit dem man den Oberkörper des Gefangenen im Stuhl fixierte, stand offen, die Eisenringe für Hände und Füße hingen zu beiden Seiten herab.” 

    Irgendwann entschließen sich Izgil, seine Frau und Tochter doch noch zur Flucht. Es ist fast schon zu spät. Nur unter dem Vorwand, seine Tochter benötige eine spezielle medizinische Behandlung, dürfen sie in die USA ausreisen. Sie kommen mit dem Leben davon. Ihre Freunde, Verwandten und Bekannten nicht. Michael Radunski

    Tahir Hamut Izgil: In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung – Uigurische Notizen, Hanser Verlag, München, 2024, 272 Seiten, 25 Euro.

    Lea Sahay – “Das Ende des Chinesischen Traums”

    Xi Jinping sprach zu Beginn seiner Amtszeit 2012 vom chinesischen Traum und versprach: Alles werde für jeden besser. Die Voraussetzungen waren da. China war in wenigen Jahrzehnten von einem der ärmsten Länder zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Der Fleiß, die Offenheit und der Aufstiegswille der Chinesen versprachen eine rosige Zukunft. Stattdessen hat sich China unter Xi Jinping zum Alptraum entwickelt

    Die Journalistin Lea Sahay hat diesen Wandel hautnah miterlebt. Als 16-Jährige Gastschülerin kam sie ein Jahr vor den Olympischen Sommerspielen 2008 nach Peking und war begeistert. Sie erlebte herzliche und stolze Menschen. Noch bevor sie einige Jahre später in das Land zurückkehrte, dachte sie wie so viele: Hier liegt die Zukunft. 

    Als Korrespondentin der Wirtschaftswoche erlebte sie ab 2016 das pulsierende Shanghai, den Tech-Boom, beobachtete aber auch den machthungrigen Kurs von Staatschef Xi und seinen Überwachungsstaat, den er mit immer perfideren Mitteln auszubauen wusste, um gegen Uiguren, die Hongkonger Demokratiebewegung und jede und jeden vorzugehen, der oder die seiner Propaganda nicht folgen wollen. 

    Und dann kam Corona. Nicht wissend, vor welchen gravierenden Veränderungen die Welt stehen würde, saß Sahay im Januar 2020 in einem Zug nach Wuhan und erlebte – inzwischen als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung – in den kommenden Wochen und Jahren ein System um einen einzigen Mann, der vertuschte, Feindbilder schuf, die Pandemie ideologisierte und einen schier unvorstellbaren Kontrollwahn auslöste. 

    Die Journalistin hat oft darüber berichtet, wie Menschen in China zu Opfern der Partei wurden, und nun bekam sie am eigenen Leib zu spüren, wie grausam das System ist. Von einem Tag auf den anderen war ihr achtmonatiger Sohn Jonathan an einer seltenen Immunstörung erkrankt und kämpfte mit dem Tod. Lea Sahay und ihr Mann mussten zusehen, wie die Ärzte ihren Sohn nicht sofort behandelten – wegen der Corona-Bestimmungen. Als die Ärzte sich ihm dann doch annahmen, saßen sie drei Wochen lang jeden Tag neun Stunden vor der Tür der Intensivstation. Ihren Sohn sehen durften sie nicht.

    Der Kontrast zu ihren ersten Jahren in China könnte heute nicht größer sein. Sahay schildert in ihrem Buch nicht nur die korrupten und chronisch desolaten Zustände in den Krankenhäusern in einem Land mit globalem Führungsanspruch. Altersarmut, sinkende Geburtenraten, eine geplatzte Immobilienblase, in deren Zuge das mühselig ersparte Vermögen von Millionen Menschen verpufft ist. Xis Antwort auf all dieses Probleme: Noch mehr Kontrolle, noch mehr Unterdrückung. 

    “Das Ende des chinesischen Traums” ist ein persönliches und erschütterndes Buch. Es zeigt, wie düster China unter Xi Jinping geworden ist. Trotz der schwierigen Recherchebedingungen für ausländische Journalisten während und nach der Pandemie ist es Sahay zugleich gelungen, mit vielen Chinesinnen und Chinesen in Kontakt zu kommen und sie über ihre Träume und Ängste erzählen zu lassen. Sahay weiß diese Gespräche eindrücklich in ihr Buch zu verweben. “Die Tragik von Xi Jinpings chinesischem Traum”, resümiert Sahay: “Dass er den Menschen vorschreiben will, wie ihre Träume auszusehen haben.” Felix Lee

    Lea Sahay: Das Ende des Chinesischen Traums, Droemer, erscheint am 2. September 2024, 288 Seiten, 24 Euro.

    Chen Jian – “Zhou Enlai”

    Geschichte und Politik wird von Menschen gemacht. Das klingt banal – und kann doch sehr kompliziert sein. Vor allem im Fall von China. Als Xi Jinping 2012 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei ernannt wurde, glaubten viele, Xi würde als großer Reformer China in ein neues Zeitalter führen. Es kam ziemlich anders – und zeigt doch, wie wichtig es ist, die handelnden Personen möglichst genau zu kennen. Deshalb ist “Zhou Enlai – A Life” von Chen Jian nicht nur ein gutes, sondern auch ein wichtiges Buch.

    Zhou war eine der prägendsten Figuren der Volksrepublik. Er war 27 Jahre lang Chinas Ministerpräsident, zehn Jahre lang Außenminister. Er gilt als Architekt des chinesischen Verwaltungsapparates und entschied viele Jahre über die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Und doch stand Zhou immer im Schatten des großen Steuermanns Mao Zedong. Nun wird ihm mit “Zhou Enlai – A Life” eine herausragenden Biographie gewidmet.

    Dem Professor der New York University und NYU Shanghai ist ein erstaunliches Werk voll an Fakten und Anekdoten gelungen. Auf satten 840 Seiten rückt er Zhou Enlai in den Fokus, den er eigentlich schon viel früher verdient gehabt hätte. Es ist das differenzierte Porträt eines Mannes, der mal vorpreschender Revolutionär war, mal zurückhaltender Meisterdiplomat. Der mit Henry Kissinger und Richard Nixon die erste Reise eines US-Präsidenten nach China vorbereitet. Und der sich jahrzehntelang in den Intrigen, Macht- und Grabenkämpfen der KP behaupten konnte.

    Von der Gründung der Volksrepublik, über den “Großen Sprung nach vorn” bis hin zur Kulturrevolution – es sind viele Ereignisse, die Zhou in führenden Funktionen erlebt und mitgeprägt hat. Bemerkenswert in Bezug auf die aktuell so oft gepriesene enge Freundschaft zwischen Russland und China: Als die Sowjetunion 1968 in Tschechoslowakei überfiel, hielt Zhou Enlai drei Tage später eine flammende Rede und bezeichnete die Sowjetunion als sozialimperialistische Gefahr für die Welt. Man sollte Geschichte kennen, um die Zukunft besser zu gestalten. Michael Radunski

    Chen Jian: Zhou Enlai – A Life, Havard University Press, Mai 2024, 840 Seiten, 36,95 Euro.

    • Kultur
    • Uiguren
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    Termine

    21.08.2024, 10:30 Uhr Beijing time
    German Chamber of Commerce, webcast: Presentation of the German Chamber’s 17th Annual Salary Survey Mehr

    21.08.2024, 12:15 Uhr, Tilst (Dänemark)
    Danish Export Association, Seminar (in Präsenz): Grow your business in China with WeChat & Zhihu Mehr

    22.08.2024, 09:00 Uhr Beijing time
    German Chamber of Commerce, summit (in Beijing): HR Summit & Presentation of the German Chamber’s 17th Labor Market and Salary Report 2024|2025 Mehr

    22.08.2024, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
    Dezan Shira & Associates, Webinar: Navigating Profit Repatriation in China’s Foreign Exchange Environment Mehr

    29.08.2024, 19:00 Uhr, Hamburg
    Museum für Kunst und Gewerbe, Kurator:innenführung: Inspiration China Mehr

    03.09.2024, 18:30
    Konfuzius-Institut Bremen, Präsenz und Zoom: Vortrag: “Was versteht China unter dem “Sozialismus chinesischer Prägung im Neuen Zeitalter” und welche Folgen hat das Konzept für die künftige chinesische Innen-, Außen- und Global-Politik?” Mehr

    News

    Antimon: Warum Peking die Ausfuhr einschränkt

    China setzt das Metall Antimon auf die Liste der Rohstoffe mit Exportbeschränkungen. Ab dem 15. September gelten Ausfuhrkontrollen für Antimonmetalle, -erze und -oxide, teilten das Handelsministerium und die Zollverwaltung in Peking mit. China ist einer der Hauptförderer von Antimon.

    Grund für die Beschränkung des Exports seien der Schutz der nationalen Sicherheit und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen wie die Nichtverbreitung von Kernwaffen, sagte ein Ministeriumssprecher. Zugleich betonte er, dass die Maßnahmen nicht gegen ein bestimmtes Land oder eine Region gerichtet seien.

    Antimon wird zur Herstellung von Autobatterien und Solaranlagen eingesetzt. Es ist aber auch entscheidend für den Bau von Waffen und militärischer Ausrüstung wie Nachtsichtgeräten. Aus diesem Grund steht Antimon in den USA bereits auf einer Liste von Mineralien, die für die wirtschaftliche und nationale Sicherheit bedeutsam sind.

    Die Exportbeschränkungen können als eine Gegenmaßnahme zu US-Sanktionen für Chips und andere Technologien gewertet werden. In den andauernden Handelsstreitigkeiten hat Peking bereits den Export anderer wichtiger Rohstoffe und Seltenen Erden wie Grafit, Gallium und Germanium eingeschränkt, die unter anderem für E-Auto-Batterien und Halbleiter benötigt werden. Das Land verfügt über die weltweit größten Vorkommen Seltener Erden. jul

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    Industrieproduktion: Warum die Zahlen weiter enttäuschen

    Das Wachstum der chinesischen Industrieproduktion ist unter den Erwartungen geblieben und nährt Spekulationen um neue staatliche Konjunkturhilfen. Das Nationale Statistikbüro teilte am Donnerstag mit, im Juli habe die Fertigung um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Analysten hatten nach einer Reuters-Umfrage mit 5,2 Prozent gerechnet. Im Juni hatte das Wachstum noch 5,3 Prozent betragen.

    Nach Angaben der Statistiker entwickelten sich die Einzelhandelsumsätze dabei positiv, sie legten im Juli um 2,7 Prozent zu. Erwartet wurden 2,6 Prozent. Im Juni waren sie um 2,0 Prozent gewachsen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA hat nach der Pandemie deutlich an Wachstumsdynamik eingebüßt und sucht nach Wegen, die Wirtschaft wiederzubeleben. Das Bruttoinlandsprodukt war von April bis Juni mit einem Plus von 4,7 Prozent so langsam gestiegen wie seit über einem Jahr nicht mehr.

    “Die Daten zeigen, dass die Wirtschaft einen schwachen Start in die zweite Jahreshälfte hatte”, sagte der Experte von ANZ China, Xing Zhaopeng, zu den frischen Konjunkturdaten vom Juli. Zwar strebt die Regierung in Peking dieses Jahr immer noch ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent an. Analysten warnen allerdings, dass China in eine anhaltende wirtschaftliche Flaute geraten könne.

    Die Zentralbank stemmt sich gegen den Abschwung: Sie pumpte 577,7 Milliarden Yuan (rund 73,5 Milliarden Euro) in Form kurzfristiger Anleihengeschäfte ins Finanzsystem, um die Banken mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Sie hatte jüngst angekündigt, die finanzielle Unterstützung für die Wirtschaft zu verstärken und dabei einen stärkeren Fokus auf die Ankurbelung des Konsums zu legen. Am Dienstag entscheidet die Notenbank wieder über eine der Schlüsselzinsen – die sogenannte Loan Prime Rate (LPR). Der geldpolitische Schlüsselsatz dient zur Festlegung der Verbraucherkredit- und Hypothekenzinsen.

    Neben dem Leitzins könnte die Zentralbank Experten zufolge demnächst auch an einer anderen Stellschraube drehen – dem Mindestreservesatz (RRR) der Banken. Dieser war bereits Anfang Februar um einen halben Prozentpunkt gesenkt worden. Je geringer der RRR ist, desto mehr Spielraum haben die Geldinstitute zur Vergabe von Krediten. rtr

    • Handel
    • Industrie
    • Konsum
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    China-Abhängigkeit: Warum die deutsche Wirtschaft weiter schwächelt

    Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist laut Vizekanzler Robert Habeck hartnäckiger als von der Ampel-Regierung angenommen. Die Erholung habe sich immer wieder verzögert, obwohl schon mehrfach Licht am Ende des Tunnels ausgemacht worden sei, sagte der Wirtschaftsminister am Mittwoch in Berlin zu Journalisten. Dies hänge auch mit der starken Abhängigkeit vom Handel mit China zusammen. “China schwächelt”, so der Grünen-Politiker. Außerdem fehlten nötige Investitionen in die Infrastruktur, und es sei zu spät auf den Fachkräftemangel reagiert worden. “Das schlägt jetzt alles zu Buche und ist eben nicht mit einem Fingerschnippen zu beenden.”

    Die deutsche Wirtschaft steckt aktuell mit einem Bein in der Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 Prozent, nachdem es in den ersten drei Monaten des Jahres noch zu einem Wachstum von 0,2 Prozent gereicht hatte. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.

    Habeck sagte, es brauche mehr Anreize für Investitionen. Zumindest sei im zweiten Halbjahr mit niedrigeren Zinsen zu rechnen. 49 Einzelmaßnahmen sollen helfen, Deutschland attraktiver für Unternehmen und Investoren sowie ausländische Fachkräfte zu machen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP setzt darauf, dass das Maßnahmenbündel im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von rund einem halben Prozentpunkt führt. Das wären 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung. Ökonomen sind skeptisch, ob dies erreicht werden kann. rtr

    • Deutschland
    • Fachkräftemangel
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    • Wirtschaftsentwicklung

    Personalie: Jörg Wuttke tritt seine neue Tätigkeit bei der DGA Group an

    Der ehemalige Generalrepräsentant der BASF in China, Jörg Wuttke, hat offiziell seine neue Tätigkeit als Partner bei der Beratungsfirma DGA Group in Washington angetreten. “Er stärkt bereits jetzt unsere Fähigkeit, Kunden bei der Navigation durch ein kompliziertes globales Geschäftsumfeld zu unterstützen und ihre Geschäftsstrategien für Momente erhöhter Chancen und Risiken zu entwickeln”, sagte einer Mitteilung zufolge Dan K. Rosenthal, Managing Partner von DGA.

    Die DGA Group bietet Strategieberatung unter anderem für Unternehmen. Sie ist 2021 entstanden, als die große Anwaltskanzlei Dentons ins Consulting eingestiegen ist; bis Juni 2024 stand “DGA” für “Dentons Global Advisors”. DGA hatte zuvor das Beratungsunternehmen der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright übernommen. Die Firma arbeitet unter anderem mit Joschka Fischer zusammen, der heute ebenfalls Beratungsdienste anbietet. fin

    • Jörg Wuttke
    • USA

    Blick aus China

    Gesellschaft: Warum die Partei brisante Probleme nicht angeht

    Am 8. August machte ein Anwalt in den sozialen Medien einen schockierenden Vorgang öffentlich: Es ging um massiven Handel mit Leichen zu medizinischen Zwecken durch regierungsnahe Organisationen. Die Zensoren löschten den Beitrag umgehend. Einzelne Nachrichtenagenturen, wie die renommierte Caixin, griffen ihn zwar auf, aber auch die meisten ihrer Berichte wurden schnell wieder gelöscht.

    Wie im Rest der Welt legen die Chinesen großen Wert auf die Wahrung der Totenwürde. Das verantwortliche Unternehmen, Shanxi Osteorad Biomaterial, wurde bereits angeklagt, gegen 75 Beteiligte wurden Ermittlungen eingeleitet. Dennoch ist die Situation äußerst unangenehm für eine Regierung, die stets bemüht ist, sich als allmächtig zu präsentieren und versucht, alles zu kontrollieren.

    44 Gewebebanken: Die Branche ist chaotisch

    Gerichtsdokumenten zufolge erwarb Osteorad zwischen 2017 und 2023 mindestens 4.000 Leichen von Bestattungsunternehmen und Krankenhäusern in sechs Provinzen, ohne die Zustimmung der Toten oder ihrer Angehörigen. Die Leichen wurden verarbeitet, um Implantatmaterial für Operationen zum Wiederaufbau von Knochen herzustellen. Dieses wurde an Krankenhäuser im ganzen Land verkauft.

    Bei den beiden beteiligten Krankenhäusern in Qingdao, Shandong, und Guilin, Guangxi, handelt es sich um öffentliche Krankenhäuser. Auch die meisten Bestattungsunternehmen in China sind öffentlich finanzierte Einrichtungen. Osteorad hat als Hauptakteur in diesem Fall einen noch bedeutenderen Hintergrund: Das Unternehmen mit Sitz in Taiyuan, der Hauptstadt der Provinz Shanxi, ist dem Chinesischen Institut für Strahlenschutz angegliedert. Die Einrichtung wurde 1962 gegründet, um die damals noch junge Atomindustrie des Landes zu unterstützen.

    Im Zuge der Anwendung von Strahlenbehandlung, einem Schlüsselverfahren zur Bearbeitung menschlicher Knochen für die Verwendung als Implantate, gründete das Unternehmen 1999 Chinas Gewebebank. In China soll es insgesamt 44 Gewebebanken geben. Woher die anderen 43 Gewebebanken ihr Material beziehen, ist unbekannt. Es existieren keine staatlichen Vorschriften, die diese chaotische Branche regulieren.

    Gleiche Tanks für Speiseöl und Diesel

    Der Leichenhandelsring ist der zweite große Skandal innerhalb eines Monats, in den Chinas staatlich unterstützte Institutionen verwickelt sind. In einem Enthüllungsbericht, wie man ihn in den letzten Jahren selten gesehen hat, berichtete die Zeitung “Beijing News” Anfang Juli, dass die staatliche “China Grain Reserves Corporation” (Sinograin), die für die zentralen Getreidereserven der Regierung zuständig ist, seit Jahren Speiseöl, Sirup und Diesel abwechselnd in denselben Tankwagen transportiert.

    Nach dem Entladen von Diesel wurden die Tanks nicht einmal gereinigt, bevor sie mit Speiseöl oder Sirup befüllt wurden. Wie immer gab es keine Entschuldigung. Sowohl Sinograin als auch der Staatsrat gaben lapidare Erklärungen ab, in denen sie eine Untersuchung und ein verbessertes Management versprachen.

    Die Lebensmittelsicherheit ist ein chronisches Problem für das Land. In seinen ersten Tagen als Parteichef machte Xi Jinping einige scharfe Bemerkungen zu diesem Thema: “Unsere Partei regiert China. Wenn wir nicht einmal bei der Lebensmittelsicherheit gute Leistungen erbringen können, wird man unsere Eignung (als Regierungspartei) infrage stellen.” Getreu seiner risikobewussten Art sagte er auch: “Lebensmittelsicherheit ist ein Thema mit einem niedrigen Brennpunkt … es könnte zu massiven Unruhen führen.”

    Behörden fehlt der Anreiz, Probleme zu lösen

    Doch trotz der viel gepriesenen Bemühungen um eine bessere Regierungsführung und die Bekämpfung der Korruption seit seinem Amtsantritt, und ungeachtet einer immer strengeren Zensur kommt es immer wieder zu Skandalen, die das tägliche Leben der Menschen berühren. Was die Lebensmittelsicherheit betrifft, hat die chinesische Gesellschaft die Hoffnung so gut wie aufgegeben.

    Fälle wie verseuchtes Speiseöl oder gestohlene Leichen erregen zwar den Zorn der Öffentlichkeit. Aber sie stellen kaum eine unmittelbare Gefahr für das Regime dar. In einem so großen Land wie China, das keinen echten Rechtsstaat kennt, erfordert die Lösung solcher komplexen Probleme einen hohen Verwaltungsaufwand. Der Regierung fehlt es an einem entsprechenden Anreiz, diese anzugehen. Schließlich betreffen die Probleme nur die Menschen an der Basis, während die Mächtigen und Privilegierten die Mittel haben, sie zu umgehen.

    • Gesellschaft
    • Lebensmittelindustrie
    • Telekommunikation

    Presseschau

    China, Iran, Russland: Eine Allianz der Skrupellosen will die US-Wahlen manipulieren NZZ
    Abschreckung gegen China: Japans Marine setzt auf unbemannte Schiffe TELEPOLIS
    Immobilienkrise, verschuldete Provinzen, rückläufige Nachfrage – die Schwächen der chinesischen Wirtschaft zeigen sich immer deutlicher NZZ
    Zähes Warten auf Chinas Konjunkturerholung BÖRSEN-ZEITUNG
    Chinas Dauerkrise: China muss zur Zinskontrolle greifen FUW
    Decoding China: Die Gunst der Stunde in Bangladesch DW
    Lindner in der Bredouille: Milliarden Steuern gehen offenbar durch chinesischen Betrug flöten MERKUR
    Trotz Kohleausbau: China ist der weltgrößte Emittent, nun aber sinken die CO₂-Emissionen – kann das von Dauer sein? DER STANDARD
    Weltgrößter Stahlproduzent aus China Baowu warnt vor einer Branchenkrise, die 2008 noch übertreffen wird BUSINESS INSIDER
    China kündigt Exportkontrollen für wichtiges Metall Antimon an WELT
    Topmanager der BASF Jörg Wuttke: Wie ein Deutscher zum Chinaversteher wurde und Pekings Machtapparat anging SPIEGEL
    Moskauer Puschkin-Museum zeigt westeuropäische Kunst in China FAZ

    Personalie

    Huan-Hai Chou hat seinen Posten bei Mercedes-Benz China gewechselt. Seit August ist er Senior Manager Vertical Sales Solutions, wo ihm ein Team zur Umgestaltung der Systemlandschaft für den End2End-Verkauf untersteht. Zuvor war er Senior Manager IT Digital Service Sales & Commerce. Sein Einsatzort bleibt Peking.

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    Dessert

    Früh übt sich: In chinesischen Buchläden dürfen die Kunden nicht nur ein bisschen in der Lektüre blättern. Es gilt als ganz normal, dass sie sich irgendwo im Laden auf den Boden oder Treppenabsatz setzen und die Werke von vorn bis hinten durchlesen. Für die Buchläden dürfte dabei trotzdem noch genug herausspringen. China ist eines der Länder mit der höchsten Leserquote.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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