auch in China kennt man das Lied “99 Luftballons”, mit dem Nena auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges einen internationalen Hit landete. Im Songtext lösen umherfliegende Luftballons einen militärischen Super-GAU aus, der die Welt in Trümmern legt. Das am Samstag abgeschossene Flugobjekt, von dem Peking behauptet, dass es sich lediglich um einen verirrten Wetterballon handelte, hat ebenfalls bereits geopolitische Sprengkraft entwickelt. US-Außenminister Antony Blinken sagte kurzerhand seinen China-Besuch ab, der eigentlich Tauwetter zwischen den Großmächten signalisieren sollte.
Peking gibt sich brüskiert und wirft Washington Säbelrasseln vor. Doch welche Tragweite hat der Fall um den mutmaßlichen Spionageballon wirklich? Handelt es sich am Ende doch nur um sprichwörtlich heiße Luft? Oder ist in den ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und China damit eine weitere Eskalationsspirale in Gang gesetzt worden, ähnlich dramatisch wie damals nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad anno 1999? Finn Mayer-Kuckuk analysiert den Zwischenfall und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Chinas Netzgemeinde beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit dem vom Kurs geratenen Ballon. Viele vergleichen den weißen Flugkörper ironisch mit der aus der Umlaufbahn katapultierten Erde im Blockbuster “The Wandering Earth 2”, der sich in China gerade zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten entwickelt. Andere werfen den USA Schikane vor, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gezielt zu verschlechtern. Die Staatsmedien sind derweil noch recht zurückhaltend. Vielleicht ahnt Peking, dass es der eigenen Bevölkerung weit schnellere und schärfere Maßnahmen präsentieren müsste, sollte einmal ein US-Ballon in chinesisches Territorium eindringen. Erstmal den Ball flach halten, scheint momentan die Devise. Propagandistisch aufblähen kann man ihn später immer noch.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die neue Woche!
Die US-Luftwaffe hat den chinesischen Beobachtungsballon, der in den vergangenen Tagen die Öffentlichkeit beschäftigt hat, zwar abgeschossen. Doch der Fall wird das Verhältnis der beiden Supermächte auf absehbare Zeit bestimmen. Dass US-Außenminister Antony Blinken einen geplanten Besuch in China vorerst abgesagt hat, verheißt kurzfristig nichts Gutes für die Entwicklung des Dialogs zwischen den beiden Staaten.
Dabei hatte der persönliche Austausch nach der Corona-Öffnung gerade erst wieder begonnen. Jetzt gibt es erst einmal einen Schlagabtausch, in dem beide Seiten sich der Lüge bezichtigen. Es herrscht jedoch in einigen Punkten Einigkeit:
Die Unterschiede ergeben sich aus der Frage, welche Mission der Ballon hatte.
Die US-Version wirkt derzeit etwas glaubwürdiger. Luftströmungen in großer Höhe sind zu einem gewissen Grad vorhersagbar. Wer einen Ballon dort platziert, hat zumindest eine ungefähre Vorstellung davon, wo er hinziehen wird. Das US-Staatsgebiet ist ein riesiges Ziel. Was ungefähr in diese Richtung driftet, überfliegt auch die USA. Die Verwendung von Luftschiffen für Spionage hat zudem im Satellitenzeitalter durchaus Anwendungen und ist auch durch die USA geplant.
Das Getöse um den Ballon zeigt nun vor allem: Die Kommunikation zwischen den beiden Supermächten ist gründlich gestört. Die Ballon-Krise ist nur ein Symptom des aktuell eher schlechten Verhältnisses. Die Gefahr von Missverständnissen ist daher größer denn je. Die Gesprächskanäle sind schmal, während die Bereitschaft groß ist, zu provozieren und auf Provokationen anzuspringen.
Immerhin hat Blinken seine Reise nur verschoben, bis die Lage geklärt ist, und verspricht, den Dialog aufrechtzuerhalten. Derzeit spricht auch kein Anzeichen für eine weitere Eskalation. “Die USA und China bleiben voraussichtlich auf Annäherungskurs”, glaubt Politologe Zhao Tong von der Carnegie Endowment for International Peace, einer Denkfabrik in Washington.
China klingt denn auch vergleichsweise kleinlaut. Der Ton der offiziellen Verlautbarungen war am Sonntag geradezu zurückhaltend. Das Außenministerium brachte lediglich “große Unzufriedenheit” über den Abschuss des Fluggeräts zum Ausdruck und sagte, es “lehnt ihn ab”. Der heilige Zorn Pekings klingt heftiger. Dazu kam schon am Freitag das Eingeständnis eines Versehens.
Es fehlte allerdings eine Entschuldigung für den mutmaßlichen Fehler. Diese hätte US-Präsident Joe Biden vermutlich zu viele diplomatische Pluspunkte gegönnt. Biden hat derzeit ohnehin moralisch Oberwasser: Es war schließlich ein chinesisches Fluggerät, das in den US-Luftraum eingedrungen ist. Ob absichtlich oder unabsichtlich, spielt kaum eine Rolle dafür – die USA durften das Objekt abschießen.
Es bleiben jedoch zahlreiche Rätsel und Fragen. Wenn die chinesische Version stimmt: Warum hat die Regierung den US-Amerikanern nicht rechtzeitig Bescheid gesagt, dass einer ihrer Ballons auf dem Weg nach Montana ist? Der Verlust eines Geräts von der Größe dreier Busse ist schließlich kein alltäglicher Vorgang. Jener Ballon war über Solarzellen mit Strom versorgt und konnte seine Position mutmaßlich die ganze Reise über melden. Sonst wäre er auch als Wetterballon nur wenig brauchbar.
Doch auch das Verhalten der USA wirft Fragen auf. Nach Auskunft des Pentagon sind in den vergangenen Jahren drei solcher Ballons über amerikanisches Territorium hinweggezogen. Warum macht die Regierung von Biden daraus eine große Sache, während die Regierung unter Donald Trump offenbar höflich geschwiegen hat?
Auf beiden Seiten stellt sich parallel dazu die Frage nach dem Ausmaß an gezielter Absicht, die zu der aktuellen Situation geführt hat. Für Sonntag war eine Reise des US-Außenministers nach Peking geplant. Wollte China durch eine besonders dreiste Aktion während des Besuchs seine Macht demonstrieren? Wenn ja, dann ist das vorhersagbar schiefgegangen. Für Blinken wären Bilder vom Händeschütteln in Peking untragbar gewesen. Die oppositionellen Republikaner hatten dem Präsidenten bereits lautstark Schwäche vorgeworfen, weil er den Ballon nicht früher herunterholen ließ.
Haben die USA umgekehrt mit Absicht auf einen harmlosen Wetterballon überreagiert, um China schlecht dastehen zu lassen? So stellen es Chinas Staatsmedien dar. Demnach habe erst Blinken durch die Absage seiner Reise den diplomatischen Beziehungen geschadet. Außerdem seien die westlichen Medien schuld, die die Angelegenheit “hochgespielt” hätten.
Tatsächlich könnte es sich auch sehr gut um eine Verkettung ungünstiger Umstände gehandelt haben. Ein Spionageballon: ja. Doch es kann gut sein, dass die militärische Auslandsaufklärung, die für so eine Mission zuständig wäre, das ungünstige Timing vor dem Blinken-Besuch nicht auf dem Schirm hatte. In einer großen Bürokratie weiß die linke Hand manchmal nicht, was die rechte tut. Gerade die Tatsache, dass solche Überflüge schon mehrfach geklappt haben, ohne eine große Reaktion zu provozieren, könnte die Verantwortlichen für das Ballon-Programm sorglos gemacht haben.
Bei der Frage nach Absicht oder Versehen drängt sich der Vergleich mit der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad im Jahr 1999 auf. Die Nato hat damals mit Angriffen gegen Serbien in den Kosovokrieg eingegriffen. US-Bomben trafen das Gebäude, drei chinesische Journalisten starben. Der Vorfall wog viel schwer als die aktuellen Ereignisse um den Ballon. Die USA sagten, sie hätten schlechte Karten verwendet, China unterstellte Absicht.
Auch von dieser Krise hatte sich das Verhältnis übrigens erholt, genauso wie vom Hainan-Zwischenfall im Jahr 2001. Damals war ein US-amerikanisches Spionageflugzeug mit einem chinesischen Kampfjet zusammengestoßen. Der Jetpilot starb, der Aufklärer musste auf Hainan notlanden und wurde von China zerlegt.
Damals zeigten sich Washington und Peking zuerst unnachgiebig, waren dann jedoch zu versöhnlichen Tönen bereit und konnten das Verhältnis schließlich kitten. So dürfte es auch diesmal laufen, wenn die erste Aufregung vergangen ist. “Beide Seiten haben großes Interesse daran, die Beziehungen stabilisieren”, glaubt Politologe Zhao.
In Chinas Staatsmedien wird das Auftauchen und der Abschuss eines vermeintlichen chinesischen Spionage-Ballons über den USA bislang noch klein gehalten. Die üblichen, von Empörung befeuerten Leitartikel lassen bislang noch auf sich warten. Der Grundtenor, den das Außenministerium in seinem offiziellen Statement angeschlagen hat, spiegelt sich jedoch bereits in den im Nachrichtenstil gehaltenen Meldungen wider: Bei dem Flugobjekt habe es sich um einen zivilen Wetterballon gehandelt. Die Reaktion der USA sei so überzogen, als schösse man “mit einer Kanone auf einen Moskito”, wie ein chinesischer Militärexperte zitiert wird. Dennoch werde man sich nun ähnliche Schritte für “ähnliche Situationen” vorbehalten, heißt es weiter. So weit, so erwartbar.
In den sozialen Medien gehen die Meinungen über den Vorfall dagegen weiter auseinander. Sehr viele Chinesen assoziieren den mäandernden Ballon, der aus heiterem Himmel die geopolitischen Geschicke aufgewirbelt hat, mit dem Science-Fiction-Blockbuster “The Wandering Earth 2” (流浪地球2), der in China derzeit die Kinokassen klingeln lässt. In dem auf einer Kurzgeschichte von Cixin Liu basierenden Film wird die Erde gezielt aus den Fugen katapultiert, um einer sich aufblähenden Sonne zu entkommen.
Der Filmtitel ist in abgewandelter Form bereits zu einer Art Standard-Bezeichnung für das außer Kontrolle geratene Flugobjekt geworden: 流浪气球, “Der wandernde Ballon”. Der bekannte Pekinger Radio-DJ Zhang Youdai hatte eine andere Assoziation. Auf seinem WeChat-Account postete er am Samstag den 80er-Jahre-Hit “99 Luftballons” von Nena, in dessen Songtext ein Schwarm Luftballons einen apokalyptischen Militärschlag auslöst.
Andere User machen Witze, dass es sich einfach um eine Himmelslaterne handle, die vom Kurs abgekommen sei. Am Sonntag feierten die Chinesen das Laternenfest, bei dem traditionell überall im Land schwebende Lampions, sogenannte Kong-Ming-Laternen, in den Himmel entlassen werden. Viele Nutzer machen sich auch über die nach deren Ansicht nach als Paranoia geartete Reaktion der US-Amerikaner lustig: “Der Mond wurde von den Chinesen gebaut, um die Erde zu überwachen”, mokiert sich ein User auf Douyin, dem chinesischen Tiktok. Ein anderer schreibt dort ironisch über den Abschuss durch das US-Militär: “Ich hoffe, die Daten haben es vorher zurückgeschafft.” Überhaupt wisse doch jeder, dass smarte chinesische Kühlschränke längst die ausgereiftesten Spionagewerkzeuge sind, gibt ein weiterer Kommentator zu bedenken.
Doch es gibt erwartungsgemäß auch viel Empörung, die den Tenor aus den Staatsmedien verschärft wiedergibt. Das Pentagon habe bis zum Abschuss keine schlüssigen Beweise geliefert, dass es sich tatsächlich um ein Spionageinstrument gehandelt habe. Immer werde China sofort als “problematisch” behandelt und der Spionage bezichtigt, schreibt ein User auf Weibo. Dabei seien es die USA, die weltweit skrupellos andere Nationen ausspionieren, was längst kein Geheimnis mehr sei.
“Wir müssen wachsam sein, dass die USA dies nicht als Vorwand benutzen, um Probleme zu verursachen”, schreibt ein Nutzer auf der Videoplattform Bilibili. Die Kanadier, über deren Territorium der Ballon geflogen sei, hätten schließlich nicht so einen Aufstand gemacht. Antony Blinken, der seinen China-Besuch aufgrund des Ballons abgesagt habe, sei nicht mehr willkommen, schreiben User auf Weibo. “Wir sollten in Zukunft mehr unbemannte Luftschiffe losschicken, damit sich die Amerikaner daran gewöhnen”. Ein paar Wenige sehen die USA im Recht. “Daten über das Wetter sind für militärische Strategien von Bedeutung”, wendet etwa ein User auf Bilibili ein.
Trotz der Debatte um Abhängigkeiten von China will Bosch sein Geschäft in seinem größten Auslandsmarkt noch stärker vorantreiben. Die Strategie sei nicht, in China die Präsenz zu verringern, sondern auch in anderen Märkten zu wachsen, sagte Bosch-Chef Stefan Hartung anlässlich der Veröffentlichung vorläufiger Jahreszahlen am Freitag.
Während sich die Konjunktur in Europa und den USA wegen der Zinserhöhungen der Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation deutlich abschwächen wird, erwartet Bosch eine kräftige Erholung in China nach dem Ende der Null-Covid-Politik und einem Abflauen der Corona-Infektionen.
Bosch machte im vergangenen Jahr rund ein Fünftel seines Umsatzes von 88,4 Milliarden Euro in der Volksrepublik. Die weltweiten Erlöse wuchsen damit um zwölf Prozent. Vor wenigen Wochen hatte der Konzern angekündigt, rund 950 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren in ein Entwicklungszentrum im chinesischen Suzhou zu investieren. In China produziere Bosch zu 80 Prozent für den dortigen Markt, betonte Hartung. “Wir sind von dem Markt nicht dermaßen abhängig, dass wir die Produktion brauchen, um den Rest der Welt zu bedienen.” rtr
Der taiwanische Apple-Zulieferer Foxconn hat im Januar einen deutlichen Umsatzanstieg verbucht. Dieser stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 48 Prozent auf ein Rekordhoch von 660,4 Milliarden Taiwan-Dollar (20,42 Milliarden Euro), teilte der Konzern am Sonntag mit. Zum Dezember legte der Umsatz um 4,93 Prozent zu.
Der Hersteller von Elektronik-Komponenten profitierte dabei von der Rückkehr zur normalen Produktion nach dem Ende der Null-Covid-Politik in China. In der Fabrik in Zhenghzou hatten strikte Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus immer wieder zu Ausfällen in der Produktion geführt. Der Umsatz für den Januar habe leicht über den Markterwartungen gelegen, erklärte Foxconn. Für das erste Quartal rechnen Analysten Refinitiv zufolge mit einem Umsatzplus von vier Prozent zum Vorjahr. rtr
Der grenzüberschreitende Reiseverkehr zwischen dem chinesischen Festland, Hongkong und Macau ist ab sofort wieder in vollem Umfang möglich. Gruppenreisen zwischen China und den beiden Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macau würden wieder aufgenommen, und die Zahl der geöffneten Zollkontrollstellen werde auf das Niveau von vor der Pandemie zurückkehren, teilt das chinesische Amt für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten auf seiner Website mit. Reisende nach Hongkong müssen in Zukunft auch keine negativen Corona-Tests oder eine Corona-Impfung nachweisen.
Die chinesische Sonderverwaltungszone hat am Donnerstag zugleich ihre Kampagne “Hello, Hongkong” vorgestellt, mit der sie mehr Besucher anlocken will. Enthalten sind auch 500.000 kostenlosen Flugtickets für interessierte Besucher aus aller Welt, die ab März durch die örtlichen Fluggesellschaften Cathay Pacific, HK Express und Hongkong Airlines vergeben werden.
Die Tourismusindustrie und auch Unternehmen in Hongkong und Macau haben massiv unter den Reisebeschränkungen im Zuge der Pandemie gelitten. Im vergangenen Jahren haben insgesamt nur 600.000 Menschen Hongkong besucht – weniger als ein Prozent der 2018 registrierten Zahl.
Doch bereits zuvor hatte der Stern der einst als weltoffen geltenden Finanzmetropole zu sinken begonnen, nachdem die chinesische Führung mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong die Demokratiebewegung niedergeschlagen und die polizeiliche Kontrolle 2020 stark ausgeweitet hat. In der Folge machten in den vergangenen drei Jahren 130 internationale Unternehmen ihre Zweigstellen in Hongkong dicht. Laut offiziellen Zahlen haben mehr als 140.000 arbeitende Menschen Hongkong verlassen. flee/rtr
“Ich habe einen ganz wesentlichen Teil meines Berufslebens damit verbracht, die Menschen immer wieder darauf aufmerksam zu machen: Man kann die Welt nicht ohne China denken”, sagt Susanne Weigelin-Schwiedrzik. Seit Mitte der 1970er-Jahre beschäftigt sich die heute 68-Jährige intensiv mit China. Der Einfluss ihres älteren Bruders – ein Mao-Begeisterter – und ein Auslandsjahr in den USA, in denen China damals in der Presse bereits deutlich präsenter war als hierzulande, weckten in ihr das Interesse an dem fernen Land. Also nahm sie nach dem Abitur 1973 in Bonn Studien in den Fächern Sinologie, Japanologie und Politikwissenschaft auf – der Beginn einer lebenslangen Passion.
Als eine der Ersten reiste Susanne Weigelin-Schwiedrzik 1975 über den DAAD nach China. Ein Land, das ihrer Aussage zufolge damals für die meisten Europäer noch so weit weg war wie der Mond. Zusammen mit Johnny Erling, Harro von Senger und David Zweig widmete sie sich in Peking an der Fakultät für Philosophie “Marxismus, Leninismus und Mao-Zedong-Ideen”.
In besonders lebendiger Erinnerung ist ihr die Verkündung des Sturzes der sogenannten Viererbande: “An dem Tag durften wir ausländischen Studierenden gar nicht anwesend sein, weil die nicht wussten, ob die Studierenden an der Peking-Universität irgendwie mit Protesten oder Ähnlichem reagieren.” Also wurden sie an diesem Tag zu Arbeiten auf den Reisfeldern entsandt, eine Tätigkeit, die neben anderen körperlichen Ertüchtigungen als Teil des Studiums angesehen wurde. Als sie zurückkehrten, war der Campus-Geist ein anderer: “Wir dachten, wir trauen unseren Augen nicht mehr, weil der ganze Campus am Tanzen war. Wir hörten Chopin-Musik über die Lautsprecher und meine chinesische Mitbewohnerin und Freundin kam und umarmte mich.”
Das moderne China, in dem sie wichtige politische Meilensteine wie jenes Ende der Kulturrevolution live miterleben konnte, bildete den Schwerpunkt ihrer universitären Forschung: “Ich beanspruche für mich, dass ich eine der Ersten in Deutschland bin, die sich entschieden hat, sich in der Sinologie ausdrücklich nur mit dem modernen China zu beschäftigen.” Entsprechend promovierte und habilitierte sie in diesem Bereich und gab Ihr Wissen später als Professorin an der Heidelberger Universität an die Studenten weiter.
Als zentrales Thema fokussierte sie sich in ihrer akademischen Laufbahn auf die Frage: “Wie schreibt man chinesische Geschichte in China? Und wie geht man in China mit Geschichte um?” Dabei ermöglichte ihr insbesondere der Blick durch die internationale Brille eine differenzierte Analyse: “Die Kombination, dass ich als Europäerin sowohl Beziehungen nach China als auch nach Amerika habe, ist für meine ganze weitere Entwicklung als China-Wissenschaftlerin sehr wichtig gewesen.”
In den letzten Jahren ihres Arbeitslebens lehrte Susanne Weigelin-Schwiedrzik an der Universität in Wien. Seit Oktober 2020 befindet sie sich im Ruhestand, bringt ihre Expertise aber weiterhin rege in aktuelle China-Diskussionen ein. Dabei kommt auch ihre zweite akademische Ausrichtung zum Tragen: Politikwissenschaft. Eines der Themen, zu denen sie im vergangenen Jahr besonders viel interviewt wurde: der Ukraine-Krieg. Seit Februar 2022 versucht sie der Welt zu erklären, dass es eine eindeutige Positionierung von chinesischer Seite nie gegeben hat.
Und sie räumt mit einer weiteren China-Fehlinterpretation auf: “Ich habe den Leuten 20 Jahre lang versucht zu erklären, dass es innerhalb der Kommunistischen Partei unterschiedliche Meinungen gibt und dass diese Partei keine monolithische Partei ist.” Die ganze Dynamik des politischen Systems sei daraus ableitbar, “dass diese Partei unterschiedlichste regionale, generationale und politisch-wirtschaftliche Interessen repräsentiert und diese normalerweise auch in ihrer Führung hat.” Eine Vorstellung der Partei als Einheit sei nie richtig gewesen. “Die Tatsache, dass Xi nun alle alternativen Stimmen aus den Führungsgremien hinausgedrängt hat und trotzdem versuchen muss, allen unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, ist nicht ein Zeichen seiner Stärke, sondern ein Zeichen seiner Schwäche.”
Ihre jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Land und die dadurch gewonnenen Expertise machen sie zu einer Koryphäe der Sinologie. Ihr Blick ist differenziert, ihre Einsicht niemals eindimensional, dafür durch tiefgehendes Geschichts- und Politikverständnis fundiert. “Ich weiß, dass ich jemand bin, der schwer eindeutig zuzuordnen ist, denn ich gehöre nicht zu den Leuten, die immer China-Bashing machen. Und ich gehöre aber auch nicht zu den Leuten, die über alle Dinge hinwegsehen, die die Chinesen machen und die schrecklich sind.” Juliane Scholübbers
Robert Neuhauser ist seit Januar Projektleiter bei Paragon Automotive China. Das Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Delbrück beliefert die Automobilindustrie mit Elektronikteilen und Sensoren. Für seinen neuen Posten ist Neuhauser von Landsberg am Lech nach Kunshan in der Provinz Jiangsu gewechselt.
Jian Zhi ist neuer Senior Project Buyer bei Hansgrohe China. Der Armaturenhersteller aus Schiltach im Schwarzwald ist seit 1996 in China aktiv. Jian Zhi wird für das Shanghai-Büro den strategischen, operativen Projekteinkauf überwachen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Krabbenchips kennen Sie. Aber haben Sie schon mal von Shrimpmännern gehört, der neuesten Wortblüte, die sich im chinesischen Netzjargon abfischen lässt? Nein? Kein Problem. Praktischerweise können auch Laien Garnelen-Guys gleich bei der ersten Inaugenscheinnahme zielsicher ausfindig machen. Kleine Faustregel: Body top, Gesicht flopp? Bingo! Dann haben Sie einen Shrimp-Schlingel an der Angel. Denn als 虾男 xiānán – wörtlich Shrimp-Mann oder Garnelen-Kerl – tituliert Chinas Netzgemeinde neuerdings augenzwinkernd Männer mit durchtrainiertem Leib und durchschnittlicher Visage. Fairerweise gibt es natürlich auch ein weibliches Pendant dazu – das Garnelen-Girl (虾女 xiānǚ).
Woher die Meeresfrüchte-Metapher? Nun, stellen Sie sich einfach eine saftige Premiumgarnele vor, die Sie genüsslich aus der krossen Schale schälen. Das feste Fleisch ringelt sich wie ein knackiger Sixpack zwischen Ihren Fingerspitzen. Doch halt, bevor sie zubeißen, was muss weg? Richtig, der Kopf. Der ist nämlich ungenießbar. Et voilà – geboren ist die Idee von Shrimp-Schönling und Shrimp-Schönheit.
Falls Sie es noch nicht wussten: Auch der englische Slang kennt schon seit geraumer Zeit eine (politisch unkorrekte) Bezeichnung für das genannte Szenario, setzt hier aber lieber auf lautliche Wortspiele. Muskelprotze und Fitness-Freaks mit Abzügen bei der Gesichtsnote heißen im Angelsächsischen “chestnut face”, also Wasserkastanien-Gesicht. Eine lautliche Anlehnung an “chest, not face” – frei übersetzt: Brustkorb-Bombe. Frauen mit heißer Figur und weniger heißem Lächeln nennt man im Englischen dagegen “butterface” (everything about her is perfect but her face).
Zurück zum Chinesischen: Hier krabbelt auch noch ein weiteres Krustentier durchs Kauderwelsch – nämlich die “Krebs-” oder “Krabbenfrau” (蟹女 xiènǚ). Diese Spezies zeichnet sich durch ihren schillernden, aber harten Panzer aus, gepaart mit einer ordentlichen Prise stacheliger Angriffslust. Gemeint sind also Zeitgenossinnen, die kratzbürstig sind, aus Prinzip bei allem knallhart Kontra geben und mit Vorliebe den einen oder anderen Seitenhieb verteilen – ähnlich wie die gepanzerte Krabbe eben, die stets die Scheren gezückt hat und gerne auch mal seitlich läuft.
Doch, wer schon einmal eine Krabbe gekocht und geknackt hat, der weiß: anders als bei saftigen Shrimps pult man am Ende nur mühsam eine magere Ausbeute an eher labberigem Fleisch aus Panzer und Scheren heraus – sprich: schillernde Schale, wenig dahinter. Und dies ist in den Augen chinesischer Wortakrobaten genau das Merkmal der “Krabbenfrauen”. Diese machen lauthals auf sich aufmerksam, wenn es aber hart auf hart kommt, zeigt sich, dass nur wenig Ideenmasse hinter den großen Worthülsen steckt.
Und welcher Meeresfrüchte-Mix findet sich so in Ihrem Bekanntenkreis? Definitionen für Seegurken-Ladies und Hummer-Hansel, Miesmuschel-Mädels und Kalmar-Kerle stehen leider noch aus. Aber werden Sie gerne kreativ. Vielleicht schafft ja die eine oder andere marine Wortneuschöpfung den Sprung in den sprachlichen Alltag, auf Deutsch oder Chinesisch.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
auch in China kennt man das Lied “99 Luftballons”, mit dem Nena auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges einen internationalen Hit landete. Im Songtext lösen umherfliegende Luftballons einen militärischen Super-GAU aus, der die Welt in Trümmern legt. Das am Samstag abgeschossene Flugobjekt, von dem Peking behauptet, dass es sich lediglich um einen verirrten Wetterballon handelte, hat ebenfalls bereits geopolitische Sprengkraft entwickelt. US-Außenminister Antony Blinken sagte kurzerhand seinen China-Besuch ab, der eigentlich Tauwetter zwischen den Großmächten signalisieren sollte.
Peking gibt sich brüskiert und wirft Washington Säbelrasseln vor. Doch welche Tragweite hat der Fall um den mutmaßlichen Spionageballon wirklich? Handelt es sich am Ende doch nur um sprichwörtlich heiße Luft? Oder ist in den ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und China damit eine weitere Eskalationsspirale in Gang gesetzt worden, ähnlich dramatisch wie damals nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad anno 1999? Finn Mayer-Kuckuk analysiert den Zwischenfall und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Chinas Netzgemeinde beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit dem vom Kurs geratenen Ballon. Viele vergleichen den weißen Flugkörper ironisch mit der aus der Umlaufbahn katapultierten Erde im Blockbuster “The Wandering Earth 2”, der sich in China gerade zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten entwickelt. Andere werfen den USA Schikane vor, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gezielt zu verschlechtern. Die Staatsmedien sind derweil noch recht zurückhaltend. Vielleicht ahnt Peking, dass es der eigenen Bevölkerung weit schnellere und schärfere Maßnahmen präsentieren müsste, sollte einmal ein US-Ballon in chinesisches Territorium eindringen. Erstmal den Ball flach halten, scheint momentan die Devise. Propagandistisch aufblähen kann man ihn später immer noch.
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die neue Woche!
Die US-Luftwaffe hat den chinesischen Beobachtungsballon, der in den vergangenen Tagen die Öffentlichkeit beschäftigt hat, zwar abgeschossen. Doch der Fall wird das Verhältnis der beiden Supermächte auf absehbare Zeit bestimmen. Dass US-Außenminister Antony Blinken einen geplanten Besuch in China vorerst abgesagt hat, verheißt kurzfristig nichts Gutes für die Entwicklung des Dialogs zwischen den beiden Staaten.
Dabei hatte der persönliche Austausch nach der Corona-Öffnung gerade erst wieder begonnen. Jetzt gibt es erst einmal einen Schlagabtausch, in dem beide Seiten sich der Lüge bezichtigen. Es herrscht jedoch in einigen Punkten Einigkeit:
Die Unterschiede ergeben sich aus der Frage, welche Mission der Ballon hatte.
Die US-Version wirkt derzeit etwas glaubwürdiger. Luftströmungen in großer Höhe sind zu einem gewissen Grad vorhersagbar. Wer einen Ballon dort platziert, hat zumindest eine ungefähre Vorstellung davon, wo er hinziehen wird. Das US-Staatsgebiet ist ein riesiges Ziel. Was ungefähr in diese Richtung driftet, überfliegt auch die USA. Die Verwendung von Luftschiffen für Spionage hat zudem im Satellitenzeitalter durchaus Anwendungen und ist auch durch die USA geplant.
Das Getöse um den Ballon zeigt nun vor allem: Die Kommunikation zwischen den beiden Supermächten ist gründlich gestört. Die Ballon-Krise ist nur ein Symptom des aktuell eher schlechten Verhältnisses. Die Gefahr von Missverständnissen ist daher größer denn je. Die Gesprächskanäle sind schmal, während die Bereitschaft groß ist, zu provozieren und auf Provokationen anzuspringen.
Immerhin hat Blinken seine Reise nur verschoben, bis die Lage geklärt ist, und verspricht, den Dialog aufrechtzuerhalten. Derzeit spricht auch kein Anzeichen für eine weitere Eskalation. “Die USA und China bleiben voraussichtlich auf Annäherungskurs”, glaubt Politologe Zhao Tong von der Carnegie Endowment for International Peace, einer Denkfabrik in Washington.
China klingt denn auch vergleichsweise kleinlaut. Der Ton der offiziellen Verlautbarungen war am Sonntag geradezu zurückhaltend. Das Außenministerium brachte lediglich “große Unzufriedenheit” über den Abschuss des Fluggeräts zum Ausdruck und sagte, es “lehnt ihn ab”. Der heilige Zorn Pekings klingt heftiger. Dazu kam schon am Freitag das Eingeständnis eines Versehens.
Es fehlte allerdings eine Entschuldigung für den mutmaßlichen Fehler. Diese hätte US-Präsident Joe Biden vermutlich zu viele diplomatische Pluspunkte gegönnt. Biden hat derzeit ohnehin moralisch Oberwasser: Es war schließlich ein chinesisches Fluggerät, das in den US-Luftraum eingedrungen ist. Ob absichtlich oder unabsichtlich, spielt kaum eine Rolle dafür – die USA durften das Objekt abschießen.
Es bleiben jedoch zahlreiche Rätsel und Fragen. Wenn die chinesische Version stimmt: Warum hat die Regierung den US-Amerikanern nicht rechtzeitig Bescheid gesagt, dass einer ihrer Ballons auf dem Weg nach Montana ist? Der Verlust eines Geräts von der Größe dreier Busse ist schließlich kein alltäglicher Vorgang. Jener Ballon war über Solarzellen mit Strom versorgt und konnte seine Position mutmaßlich die ganze Reise über melden. Sonst wäre er auch als Wetterballon nur wenig brauchbar.
Doch auch das Verhalten der USA wirft Fragen auf. Nach Auskunft des Pentagon sind in den vergangenen Jahren drei solcher Ballons über amerikanisches Territorium hinweggezogen. Warum macht die Regierung von Biden daraus eine große Sache, während die Regierung unter Donald Trump offenbar höflich geschwiegen hat?
Auf beiden Seiten stellt sich parallel dazu die Frage nach dem Ausmaß an gezielter Absicht, die zu der aktuellen Situation geführt hat. Für Sonntag war eine Reise des US-Außenministers nach Peking geplant. Wollte China durch eine besonders dreiste Aktion während des Besuchs seine Macht demonstrieren? Wenn ja, dann ist das vorhersagbar schiefgegangen. Für Blinken wären Bilder vom Händeschütteln in Peking untragbar gewesen. Die oppositionellen Republikaner hatten dem Präsidenten bereits lautstark Schwäche vorgeworfen, weil er den Ballon nicht früher herunterholen ließ.
Haben die USA umgekehrt mit Absicht auf einen harmlosen Wetterballon überreagiert, um China schlecht dastehen zu lassen? So stellen es Chinas Staatsmedien dar. Demnach habe erst Blinken durch die Absage seiner Reise den diplomatischen Beziehungen geschadet. Außerdem seien die westlichen Medien schuld, die die Angelegenheit “hochgespielt” hätten.
Tatsächlich könnte es sich auch sehr gut um eine Verkettung ungünstiger Umstände gehandelt haben. Ein Spionageballon: ja. Doch es kann gut sein, dass die militärische Auslandsaufklärung, die für so eine Mission zuständig wäre, das ungünstige Timing vor dem Blinken-Besuch nicht auf dem Schirm hatte. In einer großen Bürokratie weiß die linke Hand manchmal nicht, was die rechte tut. Gerade die Tatsache, dass solche Überflüge schon mehrfach geklappt haben, ohne eine große Reaktion zu provozieren, könnte die Verantwortlichen für das Ballon-Programm sorglos gemacht haben.
Bei der Frage nach Absicht oder Versehen drängt sich der Vergleich mit der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad im Jahr 1999 auf. Die Nato hat damals mit Angriffen gegen Serbien in den Kosovokrieg eingegriffen. US-Bomben trafen das Gebäude, drei chinesische Journalisten starben. Der Vorfall wog viel schwer als die aktuellen Ereignisse um den Ballon. Die USA sagten, sie hätten schlechte Karten verwendet, China unterstellte Absicht.
Auch von dieser Krise hatte sich das Verhältnis übrigens erholt, genauso wie vom Hainan-Zwischenfall im Jahr 2001. Damals war ein US-amerikanisches Spionageflugzeug mit einem chinesischen Kampfjet zusammengestoßen. Der Jetpilot starb, der Aufklärer musste auf Hainan notlanden und wurde von China zerlegt.
Damals zeigten sich Washington und Peking zuerst unnachgiebig, waren dann jedoch zu versöhnlichen Tönen bereit und konnten das Verhältnis schließlich kitten. So dürfte es auch diesmal laufen, wenn die erste Aufregung vergangen ist. “Beide Seiten haben großes Interesse daran, die Beziehungen stabilisieren”, glaubt Politologe Zhao.
In Chinas Staatsmedien wird das Auftauchen und der Abschuss eines vermeintlichen chinesischen Spionage-Ballons über den USA bislang noch klein gehalten. Die üblichen, von Empörung befeuerten Leitartikel lassen bislang noch auf sich warten. Der Grundtenor, den das Außenministerium in seinem offiziellen Statement angeschlagen hat, spiegelt sich jedoch bereits in den im Nachrichtenstil gehaltenen Meldungen wider: Bei dem Flugobjekt habe es sich um einen zivilen Wetterballon gehandelt. Die Reaktion der USA sei so überzogen, als schösse man “mit einer Kanone auf einen Moskito”, wie ein chinesischer Militärexperte zitiert wird. Dennoch werde man sich nun ähnliche Schritte für “ähnliche Situationen” vorbehalten, heißt es weiter. So weit, so erwartbar.
In den sozialen Medien gehen die Meinungen über den Vorfall dagegen weiter auseinander. Sehr viele Chinesen assoziieren den mäandernden Ballon, der aus heiterem Himmel die geopolitischen Geschicke aufgewirbelt hat, mit dem Science-Fiction-Blockbuster “The Wandering Earth 2” (流浪地球2), der in China derzeit die Kinokassen klingeln lässt. In dem auf einer Kurzgeschichte von Cixin Liu basierenden Film wird die Erde gezielt aus den Fugen katapultiert, um einer sich aufblähenden Sonne zu entkommen.
Der Filmtitel ist in abgewandelter Form bereits zu einer Art Standard-Bezeichnung für das außer Kontrolle geratene Flugobjekt geworden: 流浪气球, “Der wandernde Ballon”. Der bekannte Pekinger Radio-DJ Zhang Youdai hatte eine andere Assoziation. Auf seinem WeChat-Account postete er am Samstag den 80er-Jahre-Hit “99 Luftballons” von Nena, in dessen Songtext ein Schwarm Luftballons einen apokalyptischen Militärschlag auslöst.
Andere User machen Witze, dass es sich einfach um eine Himmelslaterne handle, die vom Kurs abgekommen sei. Am Sonntag feierten die Chinesen das Laternenfest, bei dem traditionell überall im Land schwebende Lampions, sogenannte Kong-Ming-Laternen, in den Himmel entlassen werden. Viele Nutzer machen sich auch über die nach deren Ansicht nach als Paranoia geartete Reaktion der US-Amerikaner lustig: “Der Mond wurde von den Chinesen gebaut, um die Erde zu überwachen”, mokiert sich ein User auf Douyin, dem chinesischen Tiktok. Ein anderer schreibt dort ironisch über den Abschuss durch das US-Militär: “Ich hoffe, die Daten haben es vorher zurückgeschafft.” Überhaupt wisse doch jeder, dass smarte chinesische Kühlschränke längst die ausgereiftesten Spionagewerkzeuge sind, gibt ein weiterer Kommentator zu bedenken.
Doch es gibt erwartungsgemäß auch viel Empörung, die den Tenor aus den Staatsmedien verschärft wiedergibt. Das Pentagon habe bis zum Abschuss keine schlüssigen Beweise geliefert, dass es sich tatsächlich um ein Spionageinstrument gehandelt habe. Immer werde China sofort als “problematisch” behandelt und der Spionage bezichtigt, schreibt ein User auf Weibo. Dabei seien es die USA, die weltweit skrupellos andere Nationen ausspionieren, was längst kein Geheimnis mehr sei.
“Wir müssen wachsam sein, dass die USA dies nicht als Vorwand benutzen, um Probleme zu verursachen”, schreibt ein Nutzer auf der Videoplattform Bilibili. Die Kanadier, über deren Territorium der Ballon geflogen sei, hätten schließlich nicht so einen Aufstand gemacht. Antony Blinken, der seinen China-Besuch aufgrund des Ballons abgesagt habe, sei nicht mehr willkommen, schreiben User auf Weibo. “Wir sollten in Zukunft mehr unbemannte Luftschiffe losschicken, damit sich die Amerikaner daran gewöhnen”. Ein paar Wenige sehen die USA im Recht. “Daten über das Wetter sind für militärische Strategien von Bedeutung”, wendet etwa ein User auf Bilibili ein.
Trotz der Debatte um Abhängigkeiten von China will Bosch sein Geschäft in seinem größten Auslandsmarkt noch stärker vorantreiben. Die Strategie sei nicht, in China die Präsenz zu verringern, sondern auch in anderen Märkten zu wachsen, sagte Bosch-Chef Stefan Hartung anlässlich der Veröffentlichung vorläufiger Jahreszahlen am Freitag.
Während sich die Konjunktur in Europa und den USA wegen der Zinserhöhungen der Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation deutlich abschwächen wird, erwartet Bosch eine kräftige Erholung in China nach dem Ende der Null-Covid-Politik und einem Abflauen der Corona-Infektionen.
Bosch machte im vergangenen Jahr rund ein Fünftel seines Umsatzes von 88,4 Milliarden Euro in der Volksrepublik. Die weltweiten Erlöse wuchsen damit um zwölf Prozent. Vor wenigen Wochen hatte der Konzern angekündigt, rund 950 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren in ein Entwicklungszentrum im chinesischen Suzhou zu investieren. In China produziere Bosch zu 80 Prozent für den dortigen Markt, betonte Hartung. “Wir sind von dem Markt nicht dermaßen abhängig, dass wir die Produktion brauchen, um den Rest der Welt zu bedienen.” rtr
Der taiwanische Apple-Zulieferer Foxconn hat im Januar einen deutlichen Umsatzanstieg verbucht. Dieser stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 48 Prozent auf ein Rekordhoch von 660,4 Milliarden Taiwan-Dollar (20,42 Milliarden Euro), teilte der Konzern am Sonntag mit. Zum Dezember legte der Umsatz um 4,93 Prozent zu.
Der Hersteller von Elektronik-Komponenten profitierte dabei von der Rückkehr zur normalen Produktion nach dem Ende der Null-Covid-Politik in China. In der Fabrik in Zhenghzou hatten strikte Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus immer wieder zu Ausfällen in der Produktion geführt. Der Umsatz für den Januar habe leicht über den Markterwartungen gelegen, erklärte Foxconn. Für das erste Quartal rechnen Analysten Refinitiv zufolge mit einem Umsatzplus von vier Prozent zum Vorjahr. rtr
Der grenzüberschreitende Reiseverkehr zwischen dem chinesischen Festland, Hongkong und Macau ist ab sofort wieder in vollem Umfang möglich. Gruppenreisen zwischen China und den beiden Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macau würden wieder aufgenommen, und die Zahl der geöffneten Zollkontrollstellen werde auf das Niveau von vor der Pandemie zurückkehren, teilt das chinesische Amt für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten auf seiner Website mit. Reisende nach Hongkong müssen in Zukunft auch keine negativen Corona-Tests oder eine Corona-Impfung nachweisen.
Die chinesische Sonderverwaltungszone hat am Donnerstag zugleich ihre Kampagne “Hello, Hongkong” vorgestellt, mit der sie mehr Besucher anlocken will. Enthalten sind auch 500.000 kostenlosen Flugtickets für interessierte Besucher aus aller Welt, die ab März durch die örtlichen Fluggesellschaften Cathay Pacific, HK Express und Hongkong Airlines vergeben werden.
Die Tourismusindustrie und auch Unternehmen in Hongkong und Macau haben massiv unter den Reisebeschränkungen im Zuge der Pandemie gelitten. Im vergangenen Jahren haben insgesamt nur 600.000 Menschen Hongkong besucht – weniger als ein Prozent der 2018 registrierten Zahl.
Doch bereits zuvor hatte der Stern der einst als weltoffen geltenden Finanzmetropole zu sinken begonnen, nachdem die chinesische Führung mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong die Demokratiebewegung niedergeschlagen und die polizeiliche Kontrolle 2020 stark ausgeweitet hat. In der Folge machten in den vergangenen drei Jahren 130 internationale Unternehmen ihre Zweigstellen in Hongkong dicht. Laut offiziellen Zahlen haben mehr als 140.000 arbeitende Menschen Hongkong verlassen. flee/rtr
“Ich habe einen ganz wesentlichen Teil meines Berufslebens damit verbracht, die Menschen immer wieder darauf aufmerksam zu machen: Man kann die Welt nicht ohne China denken”, sagt Susanne Weigelin-Schwiedrzik. Seit Mitte der 1970er-Jahre beschäftigt sich die heute 68-Jährige intensiv mit China. Der Einfluss ihres älteren Bruders – ein Mao-Begeisterter – und ein Auslandsjahr in den USA, in denen China damals in der Presse bereits deutlich präsenter war als hierzulande, weckten in ihr das Interesse an dem fernen Land. Also nahm sie nach dem Abitur 1973 in Bonn Studien in den Fächern Sinologie, Japanologie und Politikwissenschaft auf – der Beginn einer lebenslangen Passion.
Als eine der Ersten reiste Susanne Weigelin-Schwiedrzik 1975 über den DAAD nach China. Ein Land, das ihrer Aussage zufolge damals für die meisten Europäer noch so weit weg war wie der Mond. Zusammen mit Johnny Erling, Harro von Senger und David Zweig widmete sie sich in Peking an der Fakultät für Philosophie “Marxismus, Leninismus und Mao-Zedong-Ideen”.
In besonders lebendiger Erinnerung ist ihr die Verkündung des Sturzes der sogenannten Viererbande: “An dem Tag durften wir ausländischen Studierenden gar nicht anwesend sein, weil die nicht wussten, ob die Studierenden an der Peking-Universität irgendwie mit Protesten oder Ähnlichem reagieren.” Also wurden sie an diesem Tag zu Arbeiten auf den Reisfeldern entsandt, eine Tätigkeit, die neben anderen körperlichen Ertüchtigungen als Teil des Studiums angesehen wurde. Als sie zurückkehrten, war der Campus-Geist ein anderer: “Wir dachten, wir trauen unseren Augen nicht mehr, weil der ganze Campus am Tanzen war. Wir hörten Chopin-Musik über die Lautsprecher und meine chinesische Mitbewohnerin und Freundin kam und umarmte mich.”
Das moderne China, in dem sie wichtige politische Meilensteine wie jenes Ende der Kulturrevolution live miterleben konnte, bildete den Schwerpunkt ihrer universitären Forschung: “Ich beanspruche für mich, dass ich eine der Ersten in Deutschland bin, die sich entschieden hat, sich in der Sinologie ausdrücklich nur mit dem modernen China zu beschäftigen.” Entsprechend promovierte und habilitierte sie in diesem Bereich und gab Ihr Wissen später als Professorin an der Heidelberger Universität an die Studenten weiter.
Als zentrales Thema fokussierte sie sich in ihrer akademischen Laufbahn auf die Frage: “Wie schreibt man chinesische Geschichte in China? Und wie geht man in China mit Geschichte um?” Dabei ermöglichte ihr insbesondere der Blick durch die internationale Brille eine differenzierte Analyse: “Die Kombination, dass ich als Europäerin sowohl Beziehungen nach China als auch nach Amerika habe, ist für meine ganze weitere Entwicklung als China-Wissenschaftlerin sehr wichtig gewesen.”
In den letzten Jahren ihres Arbeitslebens lehrte Susanne Weigelin-Schwiedrzik an der Universität in Wien. Seit Oktober 2020 befindet sie sich im Ruhestand, bringt ihre Expertise aber weiterhin rege in aktuelle China-Diskussionen ein. Dabei kommt auch ihre zweite akademische Ausrichtung zum Tragen: Politikwissenschaft. Eines der Themen, zu denen sie im vergangenen Jahr besonders viel interviewt wurde: der Ukraine-Krieg. Seit Februar 2022 versucht sie der Welt zu erklären, dass es eine eindeutige Positionierung von chinesischer Seite nie gegeben hat.
Und sie räumt mit einer weiteren China-Fehlinterpretation auf: “Ich habe den Leuten 20 Jahre lang versucht zu erklären, dass es innerhalb der Kommunistischen Partei unterschiedliche Meinungen gibt und dass diese Partei keine monolithische Partei ist.” Die ganze Dynamik des politischen Systems sei daraus ableitbar, “dass diese Partei unterschiedlichste regionale, generationale und politisch-wirtschaftliche Interessen repräsentiert und diese normalerweise auch in ihrer Führung hat.” Eine Vorstellung der Partei als Einheit sei nie richtig gewesen. “Die Tatsache, dass Xi nun alle alternativen Stimmen aus den Führungsgremien hinausgedrängt hat und trotzdem versuchen muss, allen unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, ist nicht ein Zeichen seiner Stärke, sondern ein Zeichen seiner Schwäche.”
Ihre jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Land und die dadurch gewonnenen Expertise machen sie zu einer Koryphäe der Sinologie. Ihr Blick ist differenziert, ihre Einsicht niemals eindimensional, dafür durch tiefgehendes Geschichts- und Politikverständnis fundiert. “Ich weiß, dass ich jemand bin, der schwer eindeutig zuzuordnen ist, denn ich gehöre nicht zu den Leuten, die immer China-Bashing machen. Und ich gehöre aber auch nicht zu den Leuten, die über alle Dinge hinwegsehen, die die Chinesen machen und die schrecklich sind.” Juliane Scholübbers
Robert Neuhauser ist seit Januar Projektleiter bei Paragon Automotive China. Das Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Delbrück beliefert die Automobilindustrie mit Elektronikteilen und Sensoren. Für seinen neuen Posten ist Neuhauser von Landsberg am Lech nach Kunshan in der Provinz Jiangsu gewechselt.
Jian Zhi ist neuer Senior Project Buyer bei Hansgrohe China. Der Armaturenhersteller aus Schiltach im Schwarzwald ist seit 1996 in China aktiv. Jian Zhi wird für das Shanghai-Büro den strategischen, operativen Projekteinkauf überwachen.
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Krabbenchips kennen Sie. Aber haben Sie schon mal von Shrimpmännern gehört, der neuesten Wortblüte, die sich im chinesischen Netzjargon abfischen lässt? Nein? Kein Problem. Praktischerweise können auch Laien Garnelen-Guys gleich bei der ersten Inaugenscheinnahme zielsicher ausfindig machen. Kleine Faustregel: Body top, Gesicht flopp? Bingo! Dann haben Sie einen Shrimp-Schlingel an der Angel. Denn als 虾男 xiānán – wörtlich Shrimp-Mann oder Garnelen-Kerl – tituliert Chinas Netzgemeinde neuerdings augenzwinkernd Männer mit durchtrainiertem Leib und durchschnittlicher Visage. Fairerweise gibt es natürlich auch ein weibliches Pendant dazu – das Garnelen-Girl (虾女 xiānǚ).
Woher die Meeresfrüchte-Metapher? Nun, stellen Sie sich einfach eine saftige Premiumgarnele vor, die Sie genüsslich aus der krossen Schale schälen. Das feste Fleisch ringelt sich wie ein knackiger Sixpack zwischen Ihren Fingerspitzen. Doch halt, bevor sie zubeißen, was muss weg? Richtig, der Kopf. Der ist nämlich ungenießbar. Et voilà – geboren ist die Idee von Shrimp-Schönling und Shrimp-Schönheit.
Falls Sie es noch nicht wussten: Auch der englische Slang kennt schon seit geraumer Zeit eine (politisch unkorrekte) Bezeichnung für das genannte Szenario, setzt hier aber lieber auf lautliche Wortspiele. Muskelprotze und Fitness-Freaks mit Abzügen bei der Gesichtsnote heißen im Angelsächsischen “chestnut face”, also Wasserkastanien-Gesicht. Eine lautliche Anlehnung an “chest, not face” – frei übersetzt: Brustkorb-Bombe. Frauen mit heißer Figur und weniger heißem Lächeln nennt man im Englischen dagegen “butterface” (everything about her is perfect but her face).
Zurück zum Chinesischen: Hier krabbelt auch noch ein weiteres Krustentier durchs Kauderwelsch – nämlich die “Krebs-” oder “Krabbenfrau” (蟹女 xiènǚ). Diese Spezies zeichnet sich durch ihren schillernden, aber harten Panzer aus, gepaart mit einer ordentlichen Prise stacheliger Angriffslust. Gemeint sind also Zeitgenossinnen, die kratzbürstig sind, aus Prinzip bei allem knallhart Kontra geben und mit Vorliebe den einen oder anderen Seitenhieb verteilen – ähnlich wie die gepanzerte Krabbe eben, die stets die Scheren gezückt hat und gerne auch mal seitlich läuft.
Doch, wer schon einmal eine Krabbe gekocht und geknackt hat, der weiß: anders als bei saftigen Shrimps pult man am Ende nur mühsam eine magere Ausbeute an eher labberigem Fleisch aus Panzer und Scheren heraus – sprich: schillernde Schale, wenig dahinter. Und dies ist in den Augen chinesischer Wortakrobaten genau das Merkmal der “Krabbenfrauen”. Diese machen lauthals auf sich aufmerksam, wenn es aber hart auf hart kommt, zeigt sich, dass nur wenig Ideenmasse hinter den großen Worthülsen steckt.
Und welcher Meeresfrüchte-Mix findet sich so in Ihrem Bekanntenkreis? Definitionen für Seegurken-Ladies und Hummer-Hansel, Miesmuschel-Mädels und Kalmar-Kerle stehen leider noch aus. Aber werden Sie gerne kreativ. Vielleicht schafft ja die eine oder andere marine Wortneuschöpfung den Sprung in den sprachlichen Alltag, auf Deutsch oder Chinesisch.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.