Annalena Baerbock legt in Peking einen gelungenen Antrittsbesuch hin. Die deutsche Außenministerin absolviert das Pflichtprogramm und betont explizit das europäische Interesse am Schutz Taiwans. Sie fordert von China ebenso pflichtgemäß – wenn auch mit wenig Hoffnung – mehr Engagement für einen befriedigenden Waffenstillstand in der Ukraine. Zugleich vergisst sie nicht, dass sie als Diplomatin unterwegs ist und setzt gezielt Signale der Verständigung.
Ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang kommt ihr entgegen und verspricht, dass China keine Waffen an Russland liefern werde. Das ist in dieser Klarheit neu. Bisher hatte sich Peking hier bewusst vage geäußert.
Baerbock hat zudem auch Treffen mit höherrangigen Gesprächspartnern wie Vizepräsident Han Zheng in ihrem Terminplan stehen. All das zeigt: China bemüht sich um Deutschland. Die Grünen-Politikerin erweist sich aber auch als schwieriger Gast. Ihre Mahnungen zur Einhaltung von Menschenrechten bügelte Qin an: “Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.”
Insgesamt nutzen beide Seiten jedoch die Chancen, die der Besuch bietet. Eine kommunikative Eiszeit zwischen den Wirtschaftspartnern Deutschland und China wäre schädlich für beide Länder und die Weltlage. Auch wenn sich Baerbock und Qin einiges an den Kopf geworfen haben: Sie reden offen miteinander.
Nach einem sanften Auftakt in Tianjin ging es am Freitag für Annalena Baerbock nach Peking. Chinas Außenminister Qin Gang war am frühen Morgen eigens in seine Geburtsstadt Tianjin gereist, um seine deutsche Kollegin bei einem Unternehmensbesuch zu begleiten. Die anschließende Fahrt im Schnellzug nutzen Qin und Baerbock direkt für einen intensiven Austausch.
Ob im Schnellzug oder später in Gästehaus Diaoyutai – Baerbock wählte auf ihrer China-Reise klare Worte. Damit wurde sie nicht nur ihrem Ruf als schwieriger Gast gerecht. Sie konnte damit zumindest einen kleinen diplomatischen Erfolg erzielen. China sicherte zu, keine Waffen an Russland zu liefern.
Dass Chinas Außenminister seiner deutschen Amtskollegin entgegen reist und sie gemeinsam im Zug nach Peking fahren, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Zuletzt fuhren die Regierungschefs Angela Merkel und Wen Jiabao 2012 gemeinsam im Zug. Doch die Kanzlerin war ein gern gesehener Gast in China, und um die chinesisch-deutschen Beziehungen stand es auch weit besser als dieser Tage.
Qins Verhalten zeigt das Bemühen Chinas, sein Verhältnis zu Deutschland wieder zu verbessern – auch mit Baerbock, die angesichts ihrer kritischen Haltung in China als schwieriger Gast eingestuft wurde.
Diesem Ruf wurde Baerbock auch bei den anschließenden Gesprächen in Peking gerecht. Mit klaren Worten wandte sie sich an ihre jeweiligen Gegenüber – sei es Außenminister Qin Gang, Top-Diplomat Wang Yi oder Vizepräsident Han Zheng. Und Baerbock hat damit durchaus gewissen Erfolg.
Das Versprechen, man werde Russland im Ukraine-Krieg keine Waffen zur Verfügung stellen, war in dieser Klarheit neu. “Wir liefern und werden auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern”, sagte Qin Gang im Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai. Zudem versicherte er, dass China den Export sogenannter Dual-Use-Güter genau kontrolliere. Hierbei handelt es sich um Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
So deutlich hatte sich China bislang nicht zum Thema Waffenlieferungen an Russland geäußert. Seit die USA das Thema im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz aufgebracht hatten, erwiderte Peking ausweichend, die Amerikaner hätten China nichts zu sagen. Vielmehr seien es eben jene USA, die mit ihren Waffenlieferungen Öl ins Feuer gießen würden. Gegenüber Baerbock gab es nun ein klares Versprechen: Russland werde keine Waffen aus China bekommen.
Zudem forderte Baerbock China auf, sich stärker für ein Ende des Krieges einzusetzen. Geschickt verwies die deutsche Außenministerin dabei auf Chinas jüngsten Verhandlungserfolg zwischen Iran und Saudi-Arabien. So wie China sich für einen friedlichen Ausgleich im Nahen Osten eingesetzt habe, wünsche man sich das auch im Ukraine-Krieg.
Die deutsche Außenministerin nutze hierbei die von China gern gewählte Formulierung sogenannter Kerninteressen: Die Entscheidung, wie China seinen Einfluss nutze, berühre Europas Kerninteressen. Und: Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher.
Es sei zwar gut, dass China signalisiert habe, sich für eine Lösung einzusetzen. “Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu”, sagte Baerbock.
Qin Gang blieb jedoch hart und bekräftige lediglich die altbekannte Formulierung, wonach Chinas Rolle in der Ukraine-Frage darin bestehe, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen.
Kompromisslos ging es auch beim Thema Taiwan zu. Im Gegensatz zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ Baerbock keine Zweifel offen. Sie betonte, dass eine gewaltsame Veränderung des Status quo nicht akzeptabel sei. Eine militärische Eskalation um die von China beanspruchte Insel wäre ein “Horrorszenario” für die Welt. “Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden”, mahnte Baerbock.
Qin hingegen verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung in Taiwan und ging nicht über die bekannten chinesischen Beschuldigungen hinaus: Die wahre Wurzel der Probleme seien Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans. China werde jedenfalls keinen Zoll Territoriums preisgeben.
Beim Thema Menschenrechte kam es gar zu einem regelrechten Schlagabtausch. Baerbocks kritische Ausführungen erwiderte Qin mit den Worten: “Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.” Jeder Staat habe seine eigenen Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es “keine einheitlichen Standards in der Welt”, meinte Qin.
Baerbock wiederum ging explizit auf die Lage der Uiguren ein und entgegnete, dass es mit der UN-Charta und der UN-Menschenrechtskonvention durchaus gemeinsame Standards gebe.
Und so markiert der einigermaßen erfolgreiche Besuch dennoch nur einen Auftakt für Baerbock im Bemühen, das zunehmend komplizierte Verhältnis zu China neu auszutarieren. Denn hierbei geht es um weit mehr: gesellschaftlichen Austausch, wirtschaftliche Verflechtungen und Abhängigkeiten – und nicht zuletzt auch um den Umgang mit einer wiedererstarkten Weltmacht. Dafür braucht Deutschland dringend eine klare Strategie. Mitarbeit: Jörn Petring
Für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ist ein Bemühen Chinas um Frieden in der Ukraine Grundlage für Vertrauen gegenüber Peking. Ohne ein Einwirken der Volksrepublik für Frieden sei es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Peking zu vertrauen, schrieb Borrell in seinem Blog. Der Text dort hätte eigentlich die Rede für den Besuch des EU-Außenbeauftragten in Peking sein sollen. Wegen einer Corona-Infektion musste der Besuch jedoch verschoben werden.
China müsse an einer politischen Lösung auf der Grundlage des Rückzugs Russlands von ukrainischem Gebiet arbeiten, heißt es in der Rede. “Neutralität angesichts der Verletzung des Völkerrechts ist nicht glaubwürdig”, betonte der Spanier. Borrell appellierte zudem Präsident Xi Jinping, mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zu sprechen und der Ukraine mehr humanitäre Hilfe zu leisten.
Vertrauen werde nur zurückkehren, wenn es gelinge, sich in wichtigen internationalen politischen Fragen zu verständigen und Fortschritte bei der friedlichen Lösung von Konflikten zu erzielen, schrieb Borrell. Er sei sich bewusst, dass Taiwan aus Sicht Chinas ein Schlüsselthema sei. Die Position der Europäischen Union dazu sei “konsequent und klar” und bleibe der “Ein-China-Politik” der EU verpflichtet. “Wir sehen keinen Anlass, das infrage zu stellen.” Verbale Ausbrüche oder Provokationen, die nur Misstrauen schüren könnten, müssten vermieden werden. “Jeder Versuch, den Status quo gewaltsam zu ändern, wäre jedoch inakzeptabel.”
In seiner Rede fordert Borrell, dass das Handels-Ungleichgewicht zwischen der EU und China reduziert werden müsse. Im Zuge dessen müsse den Europäern ein viel besserer Zugang zum chinesischen Markt ermöglicht werden, so der Spanier. “Wir alle haben ein Interesse daran, ein offenes System aufrechtzuerhalten. Wenn Ungleichgewichte nicht korrigiert werden, müssen wir reagieren. Europa wird der offenste große Markt der Welt bleiben, aber wir werden nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, um uns gegen Praktiken zu schützen, die wir als unfair erachten“, hieß es in dem Redemanuskript.
Mitglieder des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) reisten in dieser Woche offenbar ohne ihren Chef Borrell nach China. Der EEAS-Leiter für den Asia-Pazifik-Raum, Gunnar Wiegand, traf am Freitag den chinesischen stellvertretenden Außenminister für europäische Angelegenheiten Deng Li, wie die EU-Delegation auf Twitter mitteilte. Li und Wiegand führten demnach eine ausführliche Diskussion über die Beziehungen zwischen der EU und China sowie über globale Angelegenheiten.
Chinesische Behörden setzten am Freitag mehrere prominenten Menschenrechtsaktivisten auf dem Weg zur EU-Delegation in Peking fest. Menschenrechtspreisträger Yu Wensheng und seine Ehefrau Xu Yan seien festgenommen worden, teilte die EU-Delegation mit. Die Rechtsanwälte und Aktivisten Wang Quanzhang, Wang Yu und Bao Longjun befänden sich in Hausarrest. Die EU-Delegation forderte die umgehende Freilassung der fünf. Mit wem sich die Aktivisten bei der EU-Delegation treffen wollten, war zunächst nicht bekannt. Der EEAS hatte vor dem geplanten Borrell-Besuch nicht mitgeteilt, mit welchen Verfechtern der chinesischen Zivilgesellschaft Treffen angesetzt waren. ari
Der konservative Seeheimer Kreis der SPD hat die Bundesregierung aufgefordert, eine abgestimmte und pragmatische China-Strategie vorzulegen. Es dürfe keine “eindimensionale deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik gegenüber China geben”, schreibt die Gruppe in einem Thesenpapier, das dem Nachrichtenmagazin Spiegel vorlag.
Dabei kritisieren die Autoren vor allem die für Außen und Wirtschaft zuständigen Grünen-Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck. “Aktuell hangeln sich Baerbock und Habeck von Einzelfall zu Einzelfall”, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Esra-Leon Limbacher dem Magazin. “Im Zentrum steht mehr die innenpolitische Symbolkraft getroffener Maßnahmen als eine weitsichtige Politik”. Dennoch muss man letztlich auch der SPD-Vorstoß in diesen Kontext sehen, richtet sich die Kritik doch hauptsächlich gegen zwei beliebte Politiker des Koalitionspartners.
Inhaltlich bewegt sich das Papier im normalen Rahmen der aktuellen China-Debatte in Europa. “Ein abruptes Ende der Handelsbeziehungen mit China wäre ein ökonomisches Desaster”, heißt es in dem Text. “Insofern darf eine kohärente Chinastrategie folgerichtig keine ‘Anti-China’-Strategie sein.” Bislang fordern aber weder Baerbock noch Habeck trotz ihrer Betonung auf der Systemrivalität mit China eine Abkoppelung von der Volksrepublik.
Baerbock sprach vor ihrer aktuellen Reise von “De-Risking”. Sie verwendete damit dieselbe Formulierung wie kurz zuvor EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Grundsatzrede zur China-Politik. Auch kursieren Einschätzungen, dass die China-Strategie der Ampel moderater ausfallen wird, als ein früher Entwurf des Auswärtigen Amts, der geleakt worden war.
Teile der SPD hatten Habeck für seine Ablehnung mehrerer Übernahmen durch chinesische Firmen kritisiert. Der Wirtschaftsminister hatte sich, ebenso wie Baerbock, stets gegen den Cosco-Deal im Hamburger Hafen ausgesprochen. Dieser wurde auf Druck des SPD-geführten Kanzleramts mithilfe eines Kompromisses im Oktober zunächst genehmigt, steht aber derzeit wieder infrage.
Berlin hat den Hamburger Tollerort-Terminal kürzlich kürzlich doch als “kritische Infrastruktur” eingestuft – was eine Neubewertung des Geschäfts auslösen dürfte. Pekings Außenamtssprecher Wang Wenbin rief daher am Donnerstag die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit “rational” zu betrachten: “Wir hoffen, dass Deutschland die normale wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht politisiert oder zu einer Frage von Ideologien und Sicherheit macht.” ck
Annalena Baerbock legt in Peking einen gelungenen Antrittsbesuch hin. Die deutsche Außenministerin absolviert das Pflichtprogramm und betont explizit das europäische Interesse am Schutz Taiwans. Sie fordert von China ebenso pflichtgemäß – wenn auch mit wenig Hoffnung – mehr Engagement für einen befriedigenden Waffenstillstand in der Ukraine. Zugleich vergisst sie nicht, dass sie als Diplomatin unterwegs ist und setzt gezielt Signale der Verständigung.
Ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang kommt ihr entgegen und verspricht, dass China keine Waffen an Russland liefern werde. Das ist in dieser Klarheit neu. Bisher hatte sich Peking hier bewusst vage geäußert.
Baerbock hat zudem auch Treffen mit höherrangigen Gesprächspartnern wie Vizepräsident Han Zheng in ihrem Terminplan stehen. All das zeigt: China bemüht sich um Deutschland. Die Grünen-Politikerin erweist sich aber auch als schwieriger Gast. Ihre Mahnungen zur Einhaltung von Menschenrechten bügelte Qin an: “Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.”
Insgesamt nutzen beide Seiten jedoch die Chancen, die der Besuch bietet. Eine kommunikative Eiszeit zwischen den Wirtschaftspartnern Deutschland und China wäre schädlich für beide Länder und die Weltlage. Auch wenn sich Baerbock und Qin einiges an den Kopf geworfen haben: Sie reden offen miteinander.
Nach einem sanften Auftakt in Tianjin ging es am Freitag für Annalena Baerbock nach Peking. Chinas Außenminister Qin Gang war am frühen Morgen eigens in seine Geburtsstadt Tianjin gereist, um seine deutsche Kollegin bei einem Unternehmensbesuch zu begleiten. Die anschließende Fahrt im Schnellzug nutzen Qin und Baerbock direkt für einen intensiven Austausch.
Ob im Schnellzug oder später in Gästehaus Diaoyutai – Baerbock wählte auf ihrer China-Reise klare Worte. Damit wurde sie nicht nur ihrem Ruf als schwieriger Gast gerecht. Sie konnte damit zumindest einen kleinen diplomatischen Erfolg erzielen. China sicherte zu, keine Waffen an Russland zu liefern.
Dass Chinas Außenminister seiner deutschen Amtskollegin entgegen reist und sie gemeinsam im Zug nach Peking fahren, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Zuletzt fuhren die Regierungschefs Angela Merkel und Wen Jiabao 2012 gemeinsam im Zug. Doch die Kanzlerin war ein gern gesehener Gast in China, und um die chinesisch-deutschen Beziehungen stand es auch weit besser als dieser Tage.
Qins Verhalten zeigt das Bemühen Chinas, sein Verhältnis zu Deutschland wieder zu verbessern – auch mit Baerbock, die angesichts ihrer kritischen Haltung in China als schwieriger Gast eingestuft wurde.
Diesem Ruf wurde Baerbock auch bei den anschließenden Gesprächen in Peking gerecht. Mit klaren Worten wandte sie sich an ihre jeweiligen Gegenüber – sei es Außenminister Qin Gang, Top-Diplomat Wang Yi oder Vizepräsident Han Zheng. Und Baerbock hat damit durchaus gewissen Erfolg.
Das Versprechen, man werde Russland im Ukraine-Krieg keine Waffen zur Verfügung stellen, war in dieser Klarheit neu. “Wir liefern und werden auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern”, sagte Qin Gang im Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai. Zudem versicherte er, dass China den Export sogenannter Dual-Use-Güter genau kontrolliere. Hierbei handelt es sich um Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
So deutlich hatte sich China bislang nicht zum Thema Waffenlieferungen an Russland geäußert. Seit die USA das Thema im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz aufgebracht hatten, erwiderte Peking ausweichend, die Amerikaner hätten China nichts zu sagen. Vielmehr seien es eben jene USA, die mit ihren Waffenlieferungen Öl ins Feuer gießen würden. Gegenüber Baerbock gab es nun ein klares Versprechen: Russland werde keine Waffen aus China bekommen.
Zudem forderte Baerbock China auf, sich stärker für ein Ende des Krieges einzusetzen. Geschickt verwies die deutsche Außenministerin dabei auf Chinas jüngsten Verhandlungserfolg zwischen Iran und Saudi-Arabien. So wie China sich für einen friedlichen Ausgleich im Nahen Osten eingesetzt habe, wünsche man sich das auch im Ukraine-Krieg.
Die deutsche Außenministerin nutze hierbei die von China gern gewählte Formulierung sogenannter Kerninteressen: Die Entscheidung, wie China seinen Einfluss nutze, berühre Europas Kerninteressen. Und: Mit den Rechten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat gehe für China auch eine besondere Verantwortung einher.
Es sei zwar gut, dass China signalisiert habe, sich für eine Lösung einzusetzen. “Aber ich muss offen sagen, dass ich mich frage, warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen. Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu”, sagte Baerbock.
Qin Gang blieb jedoch hart und bekräftige lediglich die altbekannte Formulierung, wonach Chinas Rolle in der Ukraine-Frage darin bestehe, Versöhnung zu fördern und Friedensverhandlungen voranzubringen.
Kompromisslos ging es auch beim Thema Taiwan zu. Im Gegensatz zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ Baerbock keine Zweifel offen. Sie betonte, dass eine gewaltsame Veränderung des Status quo nicht akzeptabel sei. Eine militärische Eskalation um die von China beanspruchte Insel wäre ein “Horrorszenario” für die Welt. “Konflikte dürfen nur friedlich gelöst werden”, mahnte Baerbock.
Qin hingegen verwahrte sich gegen jede ausländische Einmischung in Taiwan und ging nicht über die bekannten chinesischen Beschuldigungen hinaus: Die wahre Wurzel der Probleme seien Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans. China werde jedenfalls keinen Zoll Territoriums preisgeben.
Beim Thema Menschenrechte kam es gar zu einem regelrechten Schlagabtausch. Baerbocks kritische Ausführungen erwiderte Qin mit den Worten: “Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen.” Jeder Staat habe seine eigenen Gegebenheiten und kulturellen und historischen Hintergründe. Bei den Menschenrechten gebe es “keine einheitlichen Standards in der Welt”, meinte Qin.
Baerbock wiederum ging explizit auf die Lage der Uiguren ein und entgegnete, dass es mit der UN-Charta und der UN-Menschenrechtskonvention durchaus gemeinsame Standards gebe.
Und so markiert der einigermaßen erfolgreiche Besuch dennoch nur einen Auftakt für Baerbock im Bemühen, das zunehmend komplizierte Verhältnis zu China neu auszutarieren. Denn hierbei geht es um weit mehr: gesellschaftlichen Austausch, wirtschaftliche Verflechtungen und Abhängigkeiten – und nicht zuletzt auch um den Umgang mit einer wiedererstarkten Weltmacht. Dafür braucht Deutschland dringend eine klare Strategie. Mitarbeit: Jörn Petring
Für den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ist ein Bemühen Chinas um Frieden in der Ukraine Grundlage für Vertrauen gegenüber Peking. Ohne ein Einwirken der Volksrepublik für Frieden sei es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Peking zu vertrauen, schrieb Borrell in seinem Blog. Der Text dort hätte eigentlich die Rede für den Besuch des EU-Außenbeauftragten in Peking sein sollen. Wegen einer Corona-Infektion musste der Besuch jedoch verschoben werden.
China müsse an einer politischen Lösung auf der Grundlage des Rückzugs Russlands von ukrainischem Gebiet arbeiten, heißt es in der Rede. “Neutralität angesichts der Verletzung des Völkerrechts ist nicht glaubwürdig”, betonte der Spanier. Borrell appellierte zudem Präsident Xi Jinping, mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zu sprechen und der Ukraine mehr humanitäre Hilfe zu leisten.
Vertrauen werde nur zurückkehren, wenn es gelinge, sich in wichtigen internationalen politischen Fragen zu verständigen und Fortschritte bei der friedlichen Lösung von Konflikten zu erzielen, schrieb Borrell. Er sei sich bewusst, dass Taiwan aus Sicht Chinas ein Schlüsselthema sei. Die Position der Europäischen Union dazu sei “konsequent und klar” und bleibe der “Ein-China-Politik” der EU verpflichtet. “Wir sehen keinen Anlass, das infrage zu stellen.” Verbale Ausbrüche oder Provokationen, die nur Misstrauen schüren könnten, müssten vermieden werden. “Jeder Versuch, den Status quo gewaltsam zu ändern, wäre jedoch inakzeptabel.”
In seiner Rede fordert Borrell, dass das Handels-Ungleichgewicht zwischen der EU und China reduziert werden müsse. Im Zuge dessen müsse den Europäern ein viel besserer Zugang zum chinesischen Markt ermöglicht werden, so der Spanier. “Wir alle haben ein Interesse daran, ein offenes System aufrechtzuerhalten. Wenn Ungleichgewichte nicht korrigiert werden, müssen wir reagieren. Europa wird der offenste große Markt der Welt bleiben, aber wir werden nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, um uns gegen Praktiken zu schützen, die wir als unfair erachten“, hieß es in dem Redemanuskript.
Mitglieder des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) reisten in dieser Woche offenbar ohne ihren Chef Borrell nach China. Der EEAS-Leiter für den Asia-Pazifik-Raum, Gunnar Wiegand, traf am Freitag den chinesischen stellvertretenden Außenminister für europäische Angelegenheiten Deng Li, wie die EU-Delegation auf Twitter mitteilte. Li und Wiegand führten demnach eine ausführliche Diskussion über die Beziehungen zwischen der EU und China sowie über globale Angelegenheiten.
Chinesische Behörden setzten am Freitag mehrere prominenten Menschenrechtsaktivisten auf dem Weg zur EU-Delegation in Peking fest. Menschenrechtspreisträger Yu Wensheng und seine Ehefrau Xu Yan seien festgenommen worden, teilte die EU-Delegation mit. Die Rechtsanwälte und Aktivisten Wang Quanzhang, Wang Yu und Bao Longjun befänden sich in Hausarrest. Die EU-Delegation forderte die umgehende Freilassung der fünf. Mit wem sich die Aktivisten bei der EU-Delegation treffen wollten, war zunächst nicht bekannt. Der EEAS hatte vor dem geplanten Borrell-Besuch nicht mitgeteilt, mit welchen Verfechtern der chinesischen Zivilgesellschaft Treffen angesetzt waren. ari
Der konservative Seeheimer Kreis der SPD hat die Bundesregierung aufgefordert, eine abgestimmte und pragmatische China-Strategie vorzulegen. Es dürfe keine “eindimensionale deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik gegenüber China geben”, schreibt die Gruppe in einem Thesenpapier, das dem Nachrichtenmagazin Spiegel vorlag.
Dabei kritisieren die Autoren vor allem die für Außen und Wirtschaft zuständigen Grünen-Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck. “Aktuell hangeln sich Baerbock und Habeck von Einzelfall zu Einzelfall”, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Esra-Leon Limbacher dem Magazin. “Im Zentrum steht mehr die innenpolitische Symbolkraft getroffener Maßnahmen als eine weitsichtige Politik”. Dennoch muss man letztlich auch der SPD-Vorstoß in diesen Kontext sehen, richtet sich die Kritik doch hauptsächlich gegen zwei beliebte Politiker des Koalitionspartners.
Inhaltlich bewegt sich das Papier im normalen Rahmen der aktuellen China-Debatte in Europa. “Ein abruptes Ende der Handelsbeziehungen mit China wäre ein ökonomisches Desaster”, heißt es in dem Text. “Insofern darf eine kohärente Chinastrategie folgerichtig keine ‘Anti-China’-Strategie sein.” Bislang fordern aber weder Baerbock noch Habeck trotz ihrer Betonung auf der Systemrivalität mit China eine Abkoppelung von der Volksrepublik.
Baerbock sprach vor ihrer aktuellen Reise von “De-Risking”. Sie verwendete damit dieselbe Formulierung wie kurz zuvor EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Grundsatzrede zur China-Politik. Auch kursieren Einschätzungen, dass die China-Strategie der Ampel moderater ausfallen wird, als ein früher Entwurf des Auswärtigen Amts, der geleakt worden war.
Teile der SPD hatten Habeck für seine Ablehnung mehrerer Übernahmen durch chinesische Firmen kritisiert. Der Wirtschaftsminister hatte sich, ebenso wie Baerbock, stets gegen den Cosco-Deal im Hamburger Hafen ausgesprochen. Dieser wurde auf Druck des SPD-geführten Kanzleramts mithilfe eines Kompromisses im Oktober zunächst genehmigt, steht aber derzeit wieder infrage.
Berlin hat den Hamburger Tollerort-Terminal kürzlich kürzlich doch als “kritische Infrastruktur” eingestuft – was eine Neubewertung des Geschäfts auslösen dürfte. Pekings Außenamtssprecher Wang Wenbin rief daher am Donnerstag die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit “rational” zu betrachten: “Wir hoffen, dass Deutschland die normale wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht politisiert oder zu einer Frage von Ideologien und Sicherheit macht.” ck