Table.Briefing: China

Ausblick 2024 + Partei zensiert Ökonomen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Redaktion des China.Table wünscht Ihnen ein erfolgreiches Neues Jahr 2024. Ob Sie in China Geschäfte machen, wissenschaftlich oder diplomatisch mit dem Land zu tun haben oder in Politik und Verwaltung mit dem Rivalen und Partner in Kontakt gekommen sind: Es wird für uns ein spannendes Jahr werden. In den vergangenen Jahren haben viele Entwicklungen begonnen, die inzwischen in eine kritische Phase eintreten.

In mehreren schwelenden Handelskonflikten droht die Stunde der Wahrheit. Die EU ist am Zug: Wenn sie Zölle auf chinesische Autos verhängt, dann setzt sie zwar ein Zeichen als entschlossener Akteur, doch sie schafft auch zusätzlichen Unfrieden im Welthandel.

In den USA hängt von der Wahl im November ab, ob es ein neues Drama um Trump gibt. Dabei ist für China der Außenhandel derzeit besonders wichtig: Im Inneren ist die Immobilienkrise längst nicht überwunden und die Jugend ist so demotiviert, sie steigert das “Flachliegen” zum “Verrotten”.

Wir als Fachredaktion haben uns diese Trends angesehen und uns überlegt, wie es im Neuen Jahr weitergehen könnte. Ende 2024 können wir unsere Einschätzungen und Prognosen dann mit der Realität abgleichen.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

2024 könnten sich die Handelskonflikte zwischen Brüssel und Peking verschärfen

Ursula von der Leyen und Xi Jinping beim EU-China-Gipfel in Peking am 7. Dezember 2023.

Das Jahr 2024 könnte zu einem Schlüsseljahr der Beziehungen Chinas zum Westen werden. Insbesondere die Handelskonflikte zwischen Brüssel und Peking könnten sich verschärfen. Derweil scheinen von der Ampel-Regierung im Umgang mit China kaum neue Impulse zu kommen. Überschattet werden dürften die internationalen Fragen von den Wahlen in den USA. Derweil leidet die Wirtschaft in der Volksrepublik weiter unter der Immobilienkrise.

China-Politik der Bundesregierung: Viel kommt nicht mehr

Am 13.7.2023 präsentierte Bundesaußenminister Annalena Baerbock die China-Strategie der Bundesregierung. Jetzt müsste eigentlich die Umsetzung beginnen.

Seit Veröffentlichung der China-Strategie im Juli 2023 ist es im politischen Berlin um das Thema eher wieder still geworden. Besonders bei der viel beschworenen Stärkung der China-Kompetenz scheint nicht viel zu passieren. Bestehende China-Programme hat etwa das von Grünen geführte Wirtschaftsministerium zusammengestrichen, neue Programme sind zumindest für 2024 keine vorgesehen.

Dabei hat eine Strategie nur dann Sinn, wenn sie konkret konsequent umgesetzt wird. Bisher fehlen aber konkrete Handlungen. Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, die Ampel-Regierung hat das unliebsame Thema mit der Veröffentlichung des Papiers als erledigt abgehakt. Diese Untätigkeit dürfte sich schon bald rächen.

Im zurückliegenden Jahr war China ein Schwerpunktthema der deutschen Regierungspolitik. Das war zwar mehr als nötig – und trotzdem keine Selbstverständlichkeit. Noch 2019 hatte ein ranghoher FDP-Politiker zugegeben, trotz der handelspolitischen Bedeutung für die deutsche Wirtschaft stehe China bundespolitisch nicht ganz oben auf der Agenda; mit Außenpolitik ließe sich schließlich keine Wahlen gewinnen.

Das Bewusstsein für Gefahren einer zu großen Abhängigkeit von diktatorischen Regimen ist jedoch seitdem immer weiter gestiegen. Die Schlussfolgerungen sehen aber weiter sehr unterschiedlich auch. Während Grüne und FDP einen härteren Umgang mit China fordern, bremst das SPD-geführte Kanzleramt. Die Sozialdemokraten fürchten um Zehntausende von Arbeitsplätzen, die insbesondere am Chinageschäft hängen. flee

EU-China: Handelsspannungen werden zunehmen

Das Jahr 2024 wird für die Beziehung zwischen Brüssel und Peking voraussichtlich keine Entspannung bringen. China bleibt ein wichtiger Handelspartner der EU. Die EU-Untersuchung zu chinesischen E-Autos und die Ende Dezember neu eingeleitete Untersuchung zu Dumping-Biodiesel aus China halten jedoch ein hohes Risiko bereit, dass sich die Handelsspannungen im kommenden Jahr noch verstärken. Dass Brüssel weitere Untersuchungen in Sektoren wie der Medizintechnik, Kosmetik, Windturbinen und Solarpaneele ausweitet, ist nicht unwahrscheinlich.

Seit der letzten Dezember-Woche ist das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang in Kraft – eine erste offizielle Anwendung könnte 2024 anstehen. Peking hatte bereits Konsequenzen angedroht, sollte die Niederlande ihre Exportkontrollen in der Halbleitertechnik verschärfen.

Geopolitische Themen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten werden auch die diplomatischen Gespräche weiter trüben. Ein Einwirken Pekings auf Moskau sollten die EU-Vertreter vielleicht endgültig von der Machbarkeits-Liste streichen.

Entscheidend für das Standing der Europäischen Union wird die Europawahl im Juni, bei dem das EU-Parlament neu gewählt wird, sowie die Besetzung der EU-Kommission und die EU-Ratspräsidentschaft neu bestimmt werden. Europa muss dabei Geschlossenheit beweisen und darf nicht in eine Chaos-Wahl abdriften. Gezielte Desinformationskampagnen aus China vor der Wahl wären keine Überraschung, um die Abstimmung zu diskreditieren. ari

Außenpolitik: Peking wartet auf Trump

Ein Deal zwischen Männern: Donald Trump geht es vor allem um Innenpolitik, Xi hat mehr im Blick.
Deals zwischen Männern: Xi Jinping zeigt den Weg, Donald Trump geht es vor allem um Innenpolitik (November 2017).

Die Kommunistische Partei ist nicht bekannt als Fan von demokratischen Wahlen. Trotzdem wird die Führung in Peking im kommenden Jahr mit großem Interesse auf zwei Präsidentenwahlen blicken: am 13. Januar in Taiwan, am 5. November in den USA.

Unsere Prognose: William Lai von der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei wird neuer Präsident Taiwans. Peking wird gegen den Wahlgang protestieren – Stichwort integraler Teil der Volksrepublik – und den Wahlsieger als “Separatisten” bezeichnen. Die Spannungen um Taiwan werden zunehmen, aber nicht eskalieren – sofern es nicht zu einem ungewollten Zwischenfall kommt.

Denn Peking hofft auf die US-Wahl. Dort wird Donald Trump mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ins Weiße Haus einziehen – und das wird im Zhongnanhai für gute Stimmung sorgen. Zwar gilt Trump keineswegs als China-Freund – Stichworte sind Strafzölle und “China-Virus”. Zudem gilt er als unberechenbar, was man in China gar nicht mag.

Aber: Trump liebt “Starke-Männer-Politik”. Der neue US-Präsident wird einen “Deal” mit Xi Jinping anstreben – bei dem Trump nur die amerikanische Innenpolitik im Blick hat. Alle anderen drohen dabei auf der Strecke zu bleiben. Egal ob Europa, Japan, Südkorea oder auch Taiwan. rad

Immobilienkrise: Durchwursteln am Abgrund

Die Immobilienpreise in China sinken weiter, ebenso wie die Aktivität im Hausbau. Da das Bauwesen der Taktgeber der chinesischen Volkswirtschaft ist, zieht die Krise alle anderen Sektoren herunter.

China steht trotz aller Unterschiede gerade vor einem ähnlichen Problem wie Deutschland mit der Schuldenbremse: Xi Jinping will nicht mehr so hemmungslos Geld heraushauen wie seine Vorgänger, um Konjunkturfeuerwerke auszulösen. Das entspricht den Forderungen von Ökonomen. Doch um das Wohlstandsversprechen der Partei einzulösen, müsste Peking gerade jetzt gewaltige Summen investieren.

Unsere Vorhersage: Die Führung wird schwach werden und eben doch mehr Geld für Investitionen zur Verfügung stellen. Statt jedoch das offizielle Defizit auszuweiten, werden die Mittel aus allerlei versteckten Töpfen kommen. Auch das kennen wir aus Deutschland. fin

Zwangsarbeit: Lieferketten bleiben hochgradig anfällig

Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit ihrer Wertschöpfung werden deutsche Unternehmen das ganze Jahr lang begleiten. Mit dem EU-Sorgfaltspflichtengesetz, das zunehmend Konturen annimmt, werden die Bedingungen weiter verschärft.

Die Unternehmen, deren Wertschöpfung – mindestens teilweise – aus der Volksfrepublik China stammt, sind besonders betroffen und stehen deutlich stärker im Fokus der Öffentlichkeit als andere. Grund dafür ist das staatliche Zwangsarbeitsystem, das chinesische Behörden implementiert haben, um die uigurische Minderheit in die industrielle Produktion des Landes zu integrieren.

Das Jahr 2024 wird geprägt sein von Diskussionen um den Grad der Verantwortung, den man Unternehmen zumuten kann und um die gesellschaftliche Frage, welche Rolle die Verbraucher spielen. grz

Gesellschaft: Sinnsuche und Verweigerung

Chinas Jugend hinterfragt die Zustände mehr denn je. Sie wollen weniger oder zumindest sinnvoller arbeiten. Nicht unbedingt eine Familie gründen. Sich nicht den Traditionen beugen. Sie wollen reisen, feiern, spirituell sein und vor allem psychisch und körperlich gesund.

Doch die Suche nach Auswegen und Ausgeglichenheit schafft neuen Druck. Nirgendwo sind die Schönheitsideale und die schönen Leben der anderen so unerreichbar wie in Chinas Social-Media-Welt. Jeder steht unter Beobachtung. Alle konkurrieren miteinander. Die Beurteilung und der Spott der unsichtbaren Masse sind unbarmherzig.

Selbst die Verweigerung wird zum Internet-Trend degradiert. Aus der Anti-Haltung “Tǎng píng 躺平” – “flachliegen” – wurde 2023 “Bǎi làn 摆烂” – “lass es verrotten”. Man mag sich gar nicht vorstellen, was als Nächstes kommt. fpe

  • China-Strategie
  • EU
  • Geopolitik
  • Gesellschaft
  • Immobilienkrise
  • Lieferkettengesetz
  • USA

Chinesische Führung zensiert pessimistische Ökonomen und verstärkt Informationskontrolle

Hafen in Hong Kong: Der private Konsum soll zum Wachstumsmotor für China werden.

In seiner Neujahrsansprache vollzog Xi Jinping eine kommunikative Wende: Erstmals seit Beginn der Immobilienkrise vor drei Jahren sprach er Probleme mit der Wirtschaft halbwegs offen an. Er erwähnte in einem Absatz über die ökonomische Lage zwei Details:

  • “Einige Unternehmen haben harte Zeiten hinter sich.”
  • “Einige Menschen haben Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden und über die Runden zu kommen.”

Das Eingeständnis der Schwierigkeiten war, wie es sich für Neujahrsansprachen von Politikern in aller Welt gehört, dann aber die Rampe, um eine Besserung im neuen Jahr zu versprechen.

Wohlklingende Ankündigung, kaum konkrete Politik

Die chinesische Führung unternimmt insgesamt massive Anstrengungen, für 2024 endlich wieder das Vertrauen in die Wirtschaft zu stärken. Doch bisher ist Xi der einzige, der die Probleme beim Namen nennen darf, und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Als erste sichtbare Schritte verschärften Regierungsstellen aber vor allem die Zensur und die Einschüchterung von Wirtschaftsbeobachtern, die sich mit pessimistischen Konjunktureinschätzungen hervorgewagt hatten.

Die Regierung hatte im Dezember ein großes Wirtschaftstreffen einberufen, um das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft zu stärken, die Zentrale Wirtschaftsarbeitskonferenz. Es war jedoch dabei nicht gelungen, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie

  • Chinas Wachstumsmodell an die neue Situation einer entwickelten Volkswirtschaft angepasst werden kann,
  • die Schieflage im Immobiliensektor korrigiert wird,
  • Konsum und private Investitionen wie versprochen eine stärkere Rolle erhalten.

Sicherheitsbehörden gegen Analysten in Marsch gesetzt

Das Vertrauen in die Konjunktur war daher auch nach der Konferenz nicht wesentlich gestiegen. Stattdessen will die Führung nun krampfhaft gute Stimmung verbreiten und nutzt dazu ihren Werkzeugkasten zur Informationskontrolle.

Xi setzt sogar die Sicherheitsbehörden ein, um den Pessimismus zu bekämpfen. Negative Wirtschaftsprognosen oder Kritik an der Wirtschaftspolitik werden auf dem Wechat-Konto des Ministeriums für Staatssicherheit als Angriff auf “Chinas einzigartiges sozialistisches System” bezeichnet.

Wirtschaftsanalysten und Kommentatoren, sowohl chinesische als auch ausländische, berichten daher unter der Hand, dass sie nun Zurückhaltung üben und Forschungsberichte beschönigen oder gar nicht erst veröffentlichen.

Von oben verordneter Optimismus als Allheilmittel

Der Versuch, Propaganda einzusetzen, um Verbraucher und Investoren zu beeinflussen, spiegele die Überschätzung der Macht der Massenkommunikation in der Wirtschaftspolitik wider, sagen Wirtschaftsbeobachter, die aus naheliegenden Gründen anonym bleiben möchten. Die Strategie könnte daher zum Eigentor werden, wenn das Vertrauen in die Führung weiter erodiert.

Die Zentrale Wirtschaftsarbeitskonferenz unter dem Vorsitz von Parteisekretär Xi Jinping fand vom 11. bis 12. Dezember in Peking statt. Die Konferenz, die jährlich im November oder Dezember stattfindet, legt die wirtschaftliche Agenda für das nächste Jahr fest. “Schwache soziale Erwartungen” nennt der Konferenzberichtals eine der wichtigsten Herausforderungen für die chinesische Wirtschaft. Das Management der Erwartungen für 2024 nennt er als eine der wichtigsten Strategien zur Lösung der Probleme.

Ungenügende Unterstützung für die privaten Haushalte

Zwei weitere große Probleme – die Verschuldung der Kommunalverwaltungen und der Einbruch des Immobiliensektors – wurden zwar erwähnt, aber keine konkreten Maßnahmen genannt. “Xi Jinping scheint sich nicht darum zu kümmern, was dem Markt die größten Sorgen macht, und er will einfach Dinge sagen, die er im Allgemeinen gerne verbreitet”, sagte ein Analyst in Hongkong, der wie andere Personen, die für diese Analyse interviewt wurden, nicht namentlich genannt werden will.

Dabei hat die Führung längst einen Konsens darüber erzielt, dass der private Konsum zum Wachstumsmotor für China werden soll. Die Idee dahinter: Großzügigere Sozialleistungen sollen ein Gefühl der Sicherheit verbreiten. Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen müssen dann nicht mehr so viel sparen und können mehr ausgeben.

Dem Konferenzbericht zufolge sollte die Regierung jedoch lediglich “im Rahmen ihrer Möglichkeiten” in Bezug auf die soziale Sicherheit handeln. Diese schwache Aussage, ein Euphemismus für Geiz, erinnerte an einen Artikel von Xi Jinping aus dem vergangenen Jahr, in dem er sich gegen die Entwicklung hin zu einem “Wohlfahrtsstaat” wandte. Dieser werde seiner Meinung nach “Faulheit fördern”.

Glaubwürdigkeitsproblem der KP

In diesem Jahr wurde dagegen viel über die Förderung privater Investitionen gesprochen. Hohe Regierungsbeamte gaben jede Menge Versprechungen ab, neue Vorzugspolitiken wurden eingeführt, ein Büro für Privatwirtschaft wurde eingerichtet.

Aber die Menschen, an die sich all diese Maßnahmen richten sollten, die Entrepreneure und Manager, blieben skeptisch. “Privatunternehmer stellen sich die gleiche Frage wie internationale Investoren: Soll ich an die Versprechen der Führung glauben?”, sagt ein Anwalt in Peking. 

Laut einer weit verbreiteten Transkription eines Vortrags des renommierten Ökonomen Wei Jie 魏杰 von der Tsinghua-Universität im November leiden die Unternehmer immer noch unter dem harten Vorgehen gegen den Privatsektor in den vergangenen Jahren. Nur ein verlässlicher Rechtsrahmen, der ihr Eigentum und ihre Persönlichkeitsrechte schützt, könne sie überzeugen, sagte Wei. 

Die Echtheit des Transkripts ließ sich nicht mit völliger Sicherheit bestätigen. Aber ob echt oder nicht: Der Text traf einen Nerv. Kommentare nannten den Inhalt des Vortrags “die nackte Wahrheit”, die viele nicht aussprechen, um die Regierung nicht zu verärgern.

Ökonomen wurden zum Schweigen gebracht

Anstatt also die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, versucht die Führung, Einschätzungen und Meinungen zu kontrollieren. “Es ist unabdingbar, die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage zu informieren und die öffentliche Meinung zu lenken. Die Zuversicht über die glänzenden Aussichten der chinesischen Wirtschaft sollten laut heraus posaunt werden” 加强经济宣传和舆论引导,唱响中国经济光明论, heißt es in dem Bericht der Staatsmedien über die Wirtschaftsarbeitskonferenz.

Bereits vor der Konferenz wurden Social-Media-Accounts von populären Ökonomen und Autoren zu Finanzthemen wie Wu Xiaobo 吴晓波 und Liu Jipeng 刘继鹏 gesperrt, weil sie kritisch über die aktuelle Wirtschaftspolitik schrieben. Einen Tag nach dem Ende der Konferenz erhielten viele weniger bekannte Wirtschafts- und Finanzkanäle Nachrichten auf der Plattform, in denen ihnen geraten wurde, keine negativen Kommentare zu veröffentlichen. 

Warnung des Geheimdienstes 

Dem schloss sich das Ministerium für Staatssicherheit den Zensoren mit einem noch gruseligeren Schritt an. In einer Erklärung vom 14. Dezember kritisierte das Ministerium “böswillig erfundene Narrative”, die darauf abzielten, “Markterwartungen und Marktordnung zu stören” und “China strategisch zu unterdrücken und seine Entwicklung zu blockieren”. Das Ministerium werde “entschlossen gegen illegale und kriminelle Aktivitäten vorgehen und sie bestrafen, die die Wirtschaft des Landes gefährden”, hieß es. 

Analysten der chinesischen Finanzinstitutionen haben sich bereits in den letzten Jahren mit negativen Einschätzungen sowohl über die chinesische Wirtschaft als auch über den chinesischen Finanzmarkt zurückgehalten. Darüber hinaus gab es Berichte über Razzien in den Büros internationaler Institutionen in China, nachdem die ausländischen Mitarbeiter der Institutionen  negative Meinungen über China veröffentlicht hatten

Fehlerhafte Kommunikationsstrategie

Ein Medienwissenschaftler befürchtet, dass der Schuss nach hinten losgeht. “Die Regierung ist vom Erfolg der Manipulation der Nachrichten verwöhnt”, sagte der Pekinger Forscher. “Wenn es aber um die Wirtschaft geht, wird das nicht funktionieren.”

Die Menschen können schließlich auf ihren Kontoauszug schauen und befreundeten Geschäftsleuten reden – und wissen dann bereits, wie es ihnen und der Gesamtwirtschaft geht. Liu Yi

  • Konjunktur
  • Zensur

News

Xi spricht in Ansprache von “Wiedervereinigung” mit Taiwan

In seiner Neujahrsansprache hat Chinas Staatschef Xi Jinping eine “Wiedervereinigung” Chinas in die Nähe einer Erwähnung Taiwans gerückt. “China wird mit Sicherheit wiedervereinigt, und alle Chinesen auf beiden Seiten der Taiwanstraße sollten von gemeinschaftlichen Zielen getrieben sein und gemeinsam den Ruhm der Erneuerung der chinesischen Nation erleben”, sagte er gegen Ende seiner Rede am Silvestertag.

Taiwans scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen wies Xi Jinping bekräftigten Souveränitätsanspruch zurück. Der wichtigste Grundsatz für den Kurs in den Beziehungen zu China sei die Demokratie, sagte Tsai auf ihrer Neujahrspressekonferenz. Taiwans Beziehungen zu China müssten vom Willen des Volkes bestimmt werden und der Frieden müsse auf “Würde” basieren. “Wir sind schließlich ein demokratisches Land”. 

Im Vorjahr hatte Xi sich noch auf den Hinweis beschränkt, “die Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind Teil der gleichen Familie”. Die neue Formulierung erhöht also den Druck auf die Insel. In Taiwan wird im Januar gewählt.

Zuvor ging es um den Zustand der Nation. Xis wichtigste Pläne für 2024:

  • Feier des 75. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik China,
  • Entwicklung des Landes entlang der Xi-Jinping-Ideen wie der “neuen Entwicklungsphilosophie”, dem “neuen Entwicklungsparadigma”, “Entwicklung mit hoher Qualität” und weiteren Phrasen,
  • eine Verstärkung der Wirtschaftserholung und Stärkung des Vertrauens in die Wirtschaft,
  • einen Schub für Bildung, Wissenschaft und Technik.

Als Meilensteine des Jahres 2023 nannte Xi unter anderem:

  • das Wachstum der neuen Wirtschaftsregion Xiongan,
  • Fortschritte beim Umweltschutz,
  • Rekordernten,
  • den Erstflug des eigenen Jets Comac C919,
  • Chinas erstes Kreuzfahrtschiff,
  • den Erfolg eines neuen Handymodells,
  • die laufenden Raumfahrtmissionen,
  • die internationale Beliebtheit chinesischer Marken,
  • die Marktmacht bei Autobatterien und in der E-Mobilität,
  • den Zentralasiengipfel und das Seidenstraßen-Forum,
  • die Ausrichtung der Asienspiele.

Es gab auch einen kleinen Wechsel bei den Fotos im Hintergrund, denen politische Beobachter traditionell symbolische Bedeutung beimessen. Neu sind:

  • ein Gruppenfoto mit den anderen Staastsführern auf dem Seidenstraßen-Forum,
  • neue Familienbilder, darunter seinen Vater Xi Zhongxun und ein Bild der Kleinfamilie mit seiner Frau Peng Liyuan und seiner Tochter; möglicherweise ist das Ausdruck einer Stärkung von Familienwerten,
  • eines mit Xi, wie er den Amtseid für seine dritte Amtszeit als Präsident spricht – eine offene Herausforderung von Kritikern seiner Verfassungsänderung für unbegrenzte Amtszeiten.
  • und Fotos von seiner Reise in Provinzen entlang des Jangtse-Flusses.

Alles in allem handelte es sich erneut um eine sehr selbstbewusste Rede mit vielen Hinweisen auf Chinas globale Stärke. fin

  • Geopolitik
  • Taiwan
  • Taiwan-Wahlen
  • Xi Jinping

Hongkonger Dissident gelingt Flucht

Dreieinhalb Jahre war der Hongkonger Demokratie-Aktivist Tony Chung in Haft. Nun ist ihm nach eigenen Angaben die Flucht nach Großbritannien gelungen. Er sei sicher dort angekommen und habe bei der Einreise formell politisches Asyl beantragt, schrieb der 23-Jährige auf Instagram. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut.

Chung war bis 2020 Vorsitzender einer Schülervereinigung, die sich für die Unabhängigkeit Hongkongs eingesetzt hatte. Die Gruppe löste sich kurz vor dem Inkrafttreten des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetz im Juni 2020 auf. 2021 wurde der damals 20-jährige Demokratie-Aktivist dennoch verurteilt. Eigentlich nur für vier Monate. Doch weil ein weiterer Prozess samt Verurteilung folgte, befand er bis im Sommer dieses Jahres im Gefängnis. Im Juni kam er frei, musste sich aber alle zwei bis vier Wochen bei der Sicherheitspolizei melden. Die Beamten forderten ihn unter anderem auf, für sie zu arbeiten und Namen anderer Aktivisten zu nennen.  

Chung berichtet, dass er auch nach seiner Haftentlassung in täglicher Angst gelebt hat. “Ich fürchtete mich davor, mein Zuhause zu verlassen, ich fürchtete mich davor, in der Öffentlichkeit das Telefon zu benutzen und ich machte mir Sorgen, dass ich erneut von Beamten der nationalen Sicherheitspolizei auf der Straße festgenommen werden könnte”, erklärte Chung.

Nachdem er in Hongkong eine Erlaubnis erhalten hatte, auf der japanischen Insel Okinawa Urlaub zu machen, konnte sich Chung nach Großbritannien absetzen. flee

  • Demokratie
  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz

Tech-Riese Xiaomi will unter die Top 5 der Autobauer

Der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi hat bei der Präsentation seines ersten Elektroautos ehrgeizige Ziele verkündet. “Durch harte Arbeit in den nächsten 15 bis 20 Jahren werden wir einer der fünf größten Automobilhersteller der Welt werden und danach streben, Chinas gesamte Automobilindustrie anzukurbeln”, kündigte Firmenchef Lei Jun vergangenen Donnerstag an. Der Konzern wolle zudem ein “Traumauto vergleichbar mit Porsche und Tesla” bauen.

Der Smartphone-Riese aus Peking will binnen einer Dekade zehn Milliarden Dollar in das Automobilgeschäft investieren. Xiaomi peilt einem Insider zufolge im ersten Jahr ein Volumen von 100.000 Fahrzeugen an. Die Autos werden von einer Sparte des staatlichen Autobauers BAIC in einer Fabrik in Peking mit einer Jahreskapazität von 200.000 Fahrzeugen produziert.

Die nun vorgestellte Limousine mit dem Namen SU7 feiert ihr Debüt allerdings zu einer Zeit, in der der größte Automarkt der Welt mit Überkapazitäten, Preiskampf und einer mauen Nachfrage zu kämpfen hat. Automarktexperten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren maximal jeder zehnte der über 100 chinesischen E-Auto-Hersteller überleben wird. flee

  • Autoindustrie
  • E-Autos
  • Xiaomi

Zentralkomitee schließt neun Spitzenmilitärs aus

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat neun ranghohe Militärvertreter aus dem Nationalen Volkskongress ausgeschlossen. Darunter sind auch vier Generäle der strategischen Raketeneinheit, teilte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua mit.

Dieser Schritt ist Teil einer umfassenden Umbildung der Militärführung des Landes, seit Verteidigungsminister Li Shangfu im Oktober offiziell von seinem Posten abgesetzt wurde. Am Freitag ernannte Peking den früheren Marinekommandanten Dong Jun zum neuen Verteidigungsminister. In den vergangenen Monaten wurde zudem die Führung der geheimen chinesischen Raketentruppe, zuständig für das Atomwaffenarsenal, ausgetauscht. flee

  • Militär
  • Nationaler Volkskongress

Presseschau

Beziehungen von USA und China: Xi will mit Biden zusammenarbeiten TAGESSCHAU
Ansprache zum Jahreswechsel von Xi Jinping: Taiwan wird “mit Sicherheit wiedervereinigt werden” mit China RND
Taiwan weist Xi Jinpings Äußerungen zu “Wiedervereinigung” zurück SPIEGEL
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen ruft China zu friedlicher Koexistenz auf ZEIT
President of Maldives Likely to Travel to China in January, Before a Trip to India THE WIRE
Umstrukturierung der Militärführung: China verweist neun Armeeangehörige aus dem Parlament SPIEGEL
Vorgänger bleibt verschwunden: Peking präsentiert neuen Verteidigungsminister Dong Jun N-TV
Hongkong: Pro-demokratische Civic Party verschwindet FAZ
China”s military purge deepens AXIOS
Chinas Wanderarbeiter ziehen aus den Städten zurück aufs Land FAZ
American Investors Say ‘No’ To China FORBES
China”s solar sector steams ahead of EU, US DW
Free trade agreement between Nicaragua and China begins REUTERS
Chinesischer Spionageballon soll US-Internetanbieter genutzt haben, um Position zu melden SPIEGEL

Heads

Dong Jun – Chinas neuer Verteidigungsminister

Ein Admiral für Zeiten von Konflikten um Meergebiete: Dong Jun ersetzt einen verschwundenen Minister.

Dong Jun wurde zum neuen Verteidigungsminister der Volksrepublik China ernannt. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, hat Staatspräsident Xi Jinping die Personalie am vergangenen Freitag abgesegnet.

Der Posten war monatelang vakant, nachdem General Li Shangfu als Verteidigungsminister im September gestürzt wurde. Die Beförderung von Admiral Dong füllt somit zum einen die Leerstelle an der Spitze des chinesischen Militärs. Zusammen mit anderen Säuberungen im chinesischen Militär hatte dies zu allerlei Unsicherheit und Spekulationen geführt.

Zum anderen ist Dong der erste Verteidigungsminister, der aus den Reihen der chinesischen Marine kommt. Und dieser Umstand lässt Rückschlüsse darauf zu, wo China in der nahen Zukunft seine militärischen Schwerpunkte wird: auf Taiwan und das Südchinesische Meer.

Ein Mann der Marine

Dong Jun 董军 ist, was man gemeinhin als Mann der See bezeichnen würde. Er wurde 1961 in Yantai in der chinesischen Küstenprovinz Shandong geboren. Nach einem Abschluss an der Dalian Naval Academy trat er 1979 seinen Dienst bei der chinesischen Marine an.

In den Anfangsjahren seiner Karriere war er unter anderem Leiter der militärischen Ausbildungsabteilung des Marinekommandos der Volksbefreiungsarmee sowie stellvertretender Stabschef der Beihai-Flotte.

Fokus auf Südchinesischem Meer

Anschließend diente Dong in allen großen Marinedivisionen der PLA: in der Nördlichen Seeflotte, die regelmäßig gemeinsame Übungen mit der russischen Marine durchführt, wie auch in der Ostseeflotte, die sich auf mögliche Konflikte mit Japan konzentriert. Im Januar 2017 wurde Dong zum stellvertretenden Kommandeur des Südlichen Verteidigungsgebiets ernannt.

Es ist wohl vor allem dieser Posten, der Dong als neuen Verteidigungsminister qualifizierte: Denn die Hauptaufgaben des Südlichen Verteidigungsgebiets 南部战区 sind die Sicherheit im Südchinesischen Meer und die Unterstützung des Östlichen Verteidigungsgebiets bei jeder größeren Operation gegen Taiwan.

Und so scheint es, als wäre Dongs Karriere wie gemacht für die aktuelle Strategie des chinesischen Militärs: gute Kontakte zu Russland gepaart mit jahrelanger Expertise im Umgang mit Japan, Taiwan und im Südchinesischen Meer.

Die Macht hat aber Xi

Allerdings muss man wissen, dass Dong Jun über weitaus weniger direkte Macht verfügt als seine Amtskollegen in anderen Ländern. Die Befehlsgewalt liegt bei der Zentralen Militärkommission – und deren Vorsitzender ist Xi Jinping.

Stattdessen fungiert Chinas Verteidigungsminister vor allem als öffentlicher Vertreter des Militärs. Dong wird die Volksbefreiungsarmee gegenüber der Öffentlichkeit und anderen Militärs vertreten – und genau hierauf dürfte in den nächsten Monaten sein Hauptaugenmerk liegen. Dong muss die Beziehungen zu den USA verbessern. Diese hatten sich auch angesichts der wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer dramatisch verschlechtert. Mitte November hatten die beiden Präsidenten Biden und Xi vereinbart, den direkten Dialog zwischen den Militärs wieder aufnehmen zu wollen.

Dialog mit den USA

Der Anfang wurde vergangene Woche gemacht, als General Charles Brown, Vorsitzender des US-Generalstabs, mit seinem chinesischen Gegenstück General Liu Zhenli sprach. Die Verteidigungsminister der beiden Länder haben hingegen seit mehr als einem Jahr nicht mehr miteinander kommuniziert.

Dabei ist dies unerlässlich, gerade in Dongs Spezialgebiet. Im Südchinesisches Meer wie auch in der Taiwanstraße besteht die Gefahr, dass fehlende Kommunikationswege zu Missverständnissen oder einer ungewollten Eskalation führen könnte. Dong Jun sollte also zügig den Austausch mit Lloyd Austin suchen. Die erste Hürde ist jedenfalls schon genommen: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Li Shangfu steht Dong Jun nicht auf einer US-Sanktionsliste. Michael Radunski

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Personalie

Lu Lei wurde zu einem der vier Vizegouverneure der chinesischen Notenbank (People’s Bank of China, PBOC) ernannt. Er ersetzt Liu Guoqiang, der den Posten seit 2018 ausgefüllt hat und jetzt in Rente geht. Lu kommt von der Währungsaufsicht Safe (State Administration of Foreign Exchange) und bringt erhebliche Erfahrung in der Finanzregulierung mit.

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Dessert

Es gab mal Zeiten, da konnte die Deutsche Botschaftsschule Peking den Kunming-See im berühmten Sommerpalast für das schuleigene Eisfest mieten. Mitte der 1980er-Jahre war das. China war noch arm, Touristen gab es noch wenige. Und die Pekinger Parkverwaltung war dankbar für jede westliche Devise, die zur Instandhaltung der einstigen kaiserlichen Anlagen diente. Heute ist das kaum vorstellbar. Der Sommerpalast gehört auch bei eisigen Temperaturen zu einer der meistbesuchten Attraktionen in der Hauptstadt. Hier sehen wir Vergnügungen auf dem Kunming-See am Neujahrstag. flee

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Redaktion des China.Table wünscht Ihnen ein erfolgreiches Neues Jahr 2024. Ob Sie in China Geschäfte machen, wissenschaftlich oder diplomatisch mit dem Land zu tun haben oder in Politik und Verwaltung mit dem Rivalen und Partner in Kontakt gekommen sind: Es wird für uns ein spannendes Jahr werden. In den vergangenen Jahren haben viele Entwicklungen begonnen, die inzwischen in eine kritische Phase eintreten.

    In mehreren schwelenden Handelskonflikten droht die Stunde der Wahrheit. Die EU ist am Zug: Wenn sie Zölle auf chinesische Autos verhängt, dann setzt sie zwar ein Zeichen als entschlossener Akteur, doch sie schafft auch zusätzlichen Unfrieden im Welthandel.

    In den USA hängt von der Wahl im November ab, ob es ein neues Drama um Trump gibt. Dabei ist für China der Außenhandel derzeit besonders wichtig: Im Inneren ist die Immobilienkrise längst nicht überwunden und die Jugend ist so demotiviert, sie steigert das “Flachliegen” zum “Verrotten”.

    Wir als Fachredaktion haben uns diese Trends angesehen und uns überlegt, wie es im Neuen Jahr weitergehen könnte. Ende 2024 können wir unsere Einschätzungen und Prognosen dann mit der Realität abgleichen.

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    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    2024 könnten sich die Handelskonflikte zwischen Brüssel und Peking verschärfen

    Ursula von der Leyen und Xi Jinping beim EU-China-Gipfel in Peking am 7. Dezember 2023.

    Das Jahr 2024 könnte zu einem Schlüsseljahr der Beziehungen Chinas zum Westen werden. Insbesondere die Handelskonflikte zwischen Brüssel und Peking könnten sich verschärfen. Derweil scheinen von der Ampel-Regierung im Umgang mit China kaum neue Impulse zu kommen. Überschattet werden dürften die internationalen Fragen von den Wahlen in den USA. Derweil leidet die Wirtschaft in der Volksrepublik weiter unter der Immobilienkrise.

    China-Politik der Bundesregierung: Viel kommt nicht mehr

    Am 13.7.2023 präsentierte Bundesaußenminister Annalena Baerbock die China-Strategie der Bundesregierung. Jetzt müsste eigentlich die Umsetzung beginnen.

    Seit Veröffentlichung der China-Strategie im Juli 2023 ist es im politischen Berlin um das Thema eher wieder still geworden. Besonders bei der viel beschworenen Stärkung der China-Kompetenz scheint nicht viel zu passieren. Bestehende China-Programme hat etwa das von Grünen geführte Wirtschaftsministerium zusammengestrichen, neue Programme sind zumindest für 2024 keine vorgesehen.

    Dabei hat eine Strategie nur dann Sinn, wenn sie konkret konsequent umgesetzt wird. Bisher fehlen aber konkrete Handlungen. Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, die Ampel-Regierung hat das unliebsame Thema mit der Veröffentlichung des Papiers als erledigt abgehakt. Diese Untätigkeit dürfte sich schon bald rächen.

    Im zurückliegenden Jahr war China ein Schwerpunktthema der deutschen Regierungspolitik. Das war zwar mehr als nötig – und trotzdem keine Selbstverständlichkeit. Noch 2019 hatte ein ranghoher FDP-Politiker zugegeben, trotz der handelspolitischen Bedeutung für die deutsche Wirtschaft stehe China bundespolitisch nicht ganz oben auf der Agenda; mit Außenpolitik ließe sich schließlich keine Wahlen gewinnen.

    Das Bewusstsein für Gefahren einer zu großen Abhängigkeit von diktatorischen Regimen ist jedoch seitdem immer weiter gestiegen. Die Schlussfolgerungen sehen aber weiter sehr unterschiedlich auch. Während Grüne und FDP einen härteren Umgang mit China fordern, bremst das SPD-geführte Kanzleramt. Die Sozialdemokraten fürchten um Zehntausende von Arbeitsplätzen, die insbesondere am Chinageschäft hängen. flee

    EU-China: Handelsspannungen werden zunehmen

    Das Jahr 2024 wird für die Beziehung zwischen Brüssel und Peking voraussichtlich keine Entspannung bringen. China bleibt ein wichtiger Handelspartner der EU. Die EU-Untersuchung zu chinesischen E-Autos und die Ende Dezember neu eingeleitete Untersuchung zu Dumping-Biodiesel aus China halten jedoch ein hohes Risiko bereit, dass sich die Handelsspannungen im kommenden Jahr noch verstärken. Dass Brüssel weitere Untersuchungen in Sektoren wie der Medizintechnik, Kosmetik, Windturbinen und Solarpaneele ausweitet, ist nicht unwahrscheinlich.

    Seit der letzten Dezember-Woche ist das EU-Handelsinstrument gegen wirtschaftlichen Zwang in Kraft – eine erste offizielle Anwendung könnte 2024 anstehen. Peking hatte bereits Konsequenzen angedroht, sollte die Niederlande ihre Exportkontrollen in der Halbleitertechnik verschärfen.

    Geopolitische Themen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten werden auch die diplomatischen Gespräche weiter trüben. Ein Einwirken Pekings auf Moskau sollten die EU-Vertreter vielleicht endgültig von der Machbarkeits-Liste streichen.

    Entscheidend für das Standing der Europäischen Union wird die Europawahl im Juni, bei dem das EU-Parlament neu gewählt wird, sowie die Besetzung der EU-Kommission und die EU-Ratspräsidentschaft neu bestimmt werden. Europa muss dabei Geschlossenheit beweisen und darf nicht in eine Chaos-Wahl abdriften. Gezielte Desinformationskampagnen aus China vor der Wahl wären keine Überraschung, um die Abstimmung zu diskreditieren. ari

    Außenpolitik: Peking wartet auf Trump

    Ein Deal zwischen Männern: Donald Trump geht es vor allem um Innenpolitik, Xi hat mehr im Blick.
    Deals zwischen Männern: Xi Jinping zeigt den Weg, Donald Trump geht es vor allem um Innenpolitik (November 2017).

    Die Kommunistische Partei ist nicht bekannt als Fan von demokratischen Wahlen. Trotzdem wird die Führung in Peking im kommenden Jahr mit großem Interesse auf zwei Präsidentenwahlen blicken: am 13. Januar in Taiwan, am 5. November in den USA.

    Unsere Prognose: William Lai von der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei wird neuer Präsident Taiwans. Peking wird gegen den Wahlgang protestieren – Stichwort integraler Teil der Volksrepublik – und den Wahlsieger als “Separatisten” bezeichnen. Die Spannungen um Taiwan werden zunehmen, aber nicht eskalieren – sofern es nicht zu einem ungewollten Zwischenfall kommt.

    Denn Peking hofft auf die US-Wahl. Dort wird Donald Trump mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ins Weiße Haus einziehen – und das wird im Zhongnanhai für gute Stimmung sorgen. Zwar gilt Trump keineswegs als China-Freund – Stichworte sind Strafzölle und “China-Virus”. Zudem gilt er als unberechenbar, was man in China gar nicht mag.

    Aber: Trump liebt “Starke-Männer-Politik”. Der neue US-Präsident wird einen “Deal” mit Xi Jinping anstreben – bei dem Trump nur die amerikanische Innenpolitik im Blick hat. Alle anderen drohen dabei auf der Strecke zu bleiben. Egal ob Europa, Japan, Südkorea oder auch Taiwan. rad

    Immobilienkrise: Durchwursteln am Abgrund

    Die Immobilienpreise in China sinken weiter, ebenso wie die Aktivität im Hausbau. Da das Bauwesen der Taktgeber der chinesischen Volkswirtschaft ist, zieht die Krise alle anderen Sektoren herunter.

    China steht trotz aller Unterschiede gerade vor einem ähnlichen Problem wie Deutschland mit der Schuldenbremse: Xi Jinping will nicht mehr so hemmungslos Geld heraushauen wie seine Vorgänger, um Konjunkturfeuerwerke auszulösen. Das entspricht den Forderungen von Ökonomen. Doch um das Wohlstandsversprechen der Partei einzulösen, müsste Peking gerade jetzt gewaltige Summen investieren.

    Unsere Vorhersage: Die Führung wird schwach werden und eben doch mehr Geld für Investitionen zur Verfügung stellen. Statt jedoch das offizielle Defizit auszuweiten, werden die Mittel aus allerlei versteckten Töpfen kommen. Auch das kennen wir aus Deutschland. fin

    Zwangsarbeit: Lieferketten bleiben hochgradig anfällig

    Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit ihrer Wertschöpfung werden deutsche Unternehmen das ganze Jahr lang begleiten. Mit dem EU-Sorgfaltspflichtengesetz, das zunehmend Konturen annimmt, werden die Bedingungen weiter verschärft.

    Die Unternehmen, deren Wertschöpfung – mindestens teilweise – aus der Volksfrepublik China stammt, sind besonders betroffen und stehen deutlich stärker im Fokus der Öffentlichkeit als andere. Grund dafür ist das staatliche Zwangsarbeitsystem, das chinesische Behörden implementiert haben, um die uigurische Minderheit in die industrielle Produktion des Landes zu integrieren.

    Das Jahr 2024 wird geprägt sein von Diskussionen um den Grad der Verantwortung, den man Unternehmen zumuten kann und um die gesellschaftliche Frage, welche Rolle die Verbraucher spielen. grz

    Gesellschaft: Sinnsuche und Verweigerung

    Chinas Jugend hinterfragt die Zustände mehr denn je. Sie wollen weniger oder zumindest sinnvoller arbeiten. Nicht unbedingt eine Familie gründen. Sich nicht den Traditionen beugen. Sie wollen reisen, feiern, spirituell sein und vor allem psychisch und körperlich gesund.

    Doch die Suche nach Auswegen und Ausgeglichenheit schafft neuen Druck. Nirgendwo sind die Schönheitsideale und die schönen Leben der anderen so unerreichbar wie in Chinas Social-Media-Welt. Jeder steht unter Beobachtung. Alle konkurrieren miteinander. Die Beurteilung und der Spott der unsichtbaren Masse sind unbarmherzig.

    Selbst die Verweigerung wird zum Internet-Trend degradiert. Aus der Anti-Haltung “Tǎng píng 躺平” – “flachliegen” – wurde 2023 “Bǎi làn 摆烂” – “lass es verrotten”. Man mag sich gar nicht vorstellen, was als Nächstes kommt. fpe

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    Chinesische Führung zensiert pessimistische Ökonomen und verstärkt Informationskontrolle

    Hafen in Hong Kong: Der private Konsum soll zum Wachstumsmotor für China werden.

    In seiner Neujahrsansprache vollzog Xi Jinping eine kommunikative Wende: Erstmals seit Beginn der Immobilienkrise vor drei Jahren sprach er Probleme mit der Wirtschaft halbwegs offen an. Er erwähnte in einem Absatz über die ökonomische Lage zwei Details:

    • “Einige Unternehmen haben harte Zeiten hinter sich.”
    • “Einige Menschen haben Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden und über die Runden zu kommen.”

    Das Eingeständnis der Schwierigkeiten war, wie es sich für Neujahrsansprachen von Politikern in aller Welt gehört, dann aber die Rampe, um eine Besserung im neuen Jahr zu versprechen.

    Wohlklingende Ankündigung, kaum konkrete Politik

    Die chinesische Führung unternimmt insgesamt massive Anstrengungen, für 2024 endlich wieder das Vertrauen in die Wirtschaft zu stärken. Doch bisher ist Xi der einzige, der die Probleme beim Namen nennen darf, und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Als erste sichtbare Schritte verschärften Regierungsstellen aber vor allem die Zensur und die Einschüchterung von Wirtschaftsbeobachtern, die sich mit pessimistischen Konjunktureinschätzungen hervorgewagt hatten.

    Die Regierung hatte im Dezember ein großes Wirtschaftstreffen einberufen, um das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft zu stärken, die Zentrale Wirtschaftsarbeitskonferenz. Es war jedoch dabei nicht gelungen, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie

    • Chinas Wachstumsmodell an die neue Situation einer entwickelten Volkswirtschaft angepasst werden kann,
    • die Schieflage im Immobiliensektor korrigiert wird,
    • Konsum und private Investitionen wie versprochen eine stärkere Rolle erhalten.

    Sicherheitsbehörden gegen Analysten in Marsch gesetzt

    Das Vertrauen in die Konjunktur war daher auch nach der Konferenz nicht wesentlich gestiegen. Stattdessen will die Führung nun krampfhaft gute Stimmung verbreiten und nutzt dazu ihren Werkzeugkasten zur Informationskontrolle.

    Xi setzt sogar die Sicherheitsbehörden ein, um den Pessimismus zu bekämpfen. Negative Wirtschaftsprognosen oder Kritik an der Wirtschaftspolitik werden auf dem Wechat-Konto des Ministeriums für Staatssicherheit als Angriff auf “Chinas einzigartiges sozialistisches System” bezeichnet.

    Wirtschaftsanalysten und Kommentatoren, sowohl chinesische als auch ausländische, berichten daher unter der Hand, dass sie nun Zurückhaltung üben und Forschungsberichte beschönigen oder gar nicht erst veröffentlichen.

    Von oben verordneter Optimismus als Allheilmittel

    Der Versuch, Propaganda einzusetzen, um Verbraucher und Investoren zu beeinflussen, spiegele die Überschätzung der Macht der Massenkommunikation in der Wirtschaftspolitik wider, sagen Wirtschaftsbeobachter, die aus naheliegenden Gründen anonym bleiben möchten. Die Strategie könnte daher zum Eigentor werden, wenn das Vertrauen in die Führung weiter erodiert.

    Die Zentrale Wirtschaftsarbeitskonferenz unter dem Vorsitz von Parteisekretär Xi Jinping fand vom 11. bis 12. Dezember in Peking statt. Die Konferenz, die jährlich im November oder Dezember stattfindet, legt die wirtschaftliche Agenda für das nächste Jahr fest. “Schwache soziale Erwartungen” nennt der Konferenzberichtals eine der wichtigsten Herausforderungen für die chinesische Wirtschaft. Das Management der Erwartungen für 2024 nennt er als eine der wichtigsten Strategien zur Lösung der Probleme.

    Ungenügende Unterstützung für die privaten Haushalte

    Zwei weitere große Probleme – die Verschuldung der Kommunalverwaltungen und der Einbruch des Immobiliensektors – wurden zwar erwähnt, aber keine konkreten Maßnahmen genannt. “Xi Jinping scheint sich nicht darum zu kümmern, was dem Markt die größten Sorgen macht, und er will einfach Dinge sagen, die er im Allgemeinen gerne verbreitet”, sagte ein Analyst in Hongkong, der wie andere Personen, die für diese Analyse interviewt wurden, nicht namentlich genannt werden will.

    Dabei hat die Führung längst einen Konsens darüber erzielt, dass der private Konsum zum Wachstumsmotor für China werden soll. Die Idee dahinter: Großzügigere Sozialleistungen sollen ein Gefühl der Sicherheit verbreiten. Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen müssen dann nicht mehr so viel sparen und können mehr ausgeben.

    Dem Konferenzbericht zufolge sollte die Regierung jedoch lediglich “im Rahmen ihrer Möglichkeiten” in Bezug auf die soziale Sicherheit handeln. Diese schwache Aussage, ein Euphemismus für Geiz, erinnerte an einen Artikel von Xi Jinping aus dem vergangenen Jahr, in dem er sich gegen die Entwicklung hin zu einem “Wohlfahrtsstaat” wandte. Dieser werde seiner Meinung nach “Faulheit fördern”.

    Glaubwürdigkeitsproblem der KP

    In diesem Jahr wurde dagegen viel über die Förderung privater Investitionen gesprochen. Hohe Regierungsbeamte gaben jede Menge Versprechungen ab, neue Vorzugspolitiken wurden eingeführt, ein Büro für Privatwirtschaft wurde eingerichtet.

    Aber die Menschen, an die sich all diese Maßnahmen richten sollten, die Entrepreneure und Manager, blieben skeptisch. “Privatunternehmer stellen sich die gleiche Frage wie internationale Investoren: Soll ich an die Versprechen der Führung glauben?”, sagt ein Anwalt in Peking. 

    Laut einer weit verbreiteten Transkription eines Vortrags des renommierten Ökonomen Wei Jie 魏杰 von der Tsinghua-Universität im November leiden die Unternehmer immer noch unter dem harten Vorgehen gegen den Privatsektor in den vergangenen Jahren. Nur ein verlässlicher Rechtsrahmen, der ihr Eigentum und ihre Persönlichkeitsrechte schützt, könne sie überzeugen, sagte Wei. 

    Die Echtheit des Transkripts ließ sich nicht mit völliger Sicherheit bestätigen. Aber ob echt oder nicht: Der Text traf einen Nerv. Kommentare nannten den Inhalt des Vortrags “die nackte Wahrheit”, die viele nicht aussprechen, um die Regierung nicht zu verärgern.

    Ökonomen wurden zum Schweigen gebracht

    Anstatt also die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, versucht die Führung, Einschätzungen und Meinungen zu kontrollieren. “Es ist unabdingbar, die Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage zu informieren und die öffentliche Meinung zu lenken. Die Zuversicht über die glänzenden Aussichten der chinesischen Wirtschaft sollten laut heraus posaunt werden” 加强经济宣传和舆论引导,唱响中国经济光明论, heißt es in dem Bericht der Staatsmedien über die Wirtschaftsarbeitskonferenz.

    Bereits vor der Konferenz wurden Social-Media-Accounts von populären Ökonomen und Autoren zu Finanzthemen wie Wu Xiaobo 吴晓波 und Liu Jipeng 刘继鹏 gesperrt, weil sie kritisch über die aktuelle Wirtschaftspolitik schrieben. Einen Tag nach dem Ende der Konferenz erhielten viele weniger bekannte Wirtschafts- und Finanzkanäle Nachrichten auf der Plattform, in denen ihnen geraten wurde, keine negativen Kommentare zu veröffentlichen. 

    Warnung des Geheimdienstes 

    Dem schloss sich das Ministerium für Staatssicherheit den Zensoren mit einem noch gruseligeren Schritt an. In einer Erklärung vom 14. Dezember kritisierte das Ministerium “böswillig erfundene Narrative”, die darauf abzielten, “Markterwartungen und Marktordnung zu stören” und “China strategisch zu unterdrücken und seine Entwicklung zu blockieren”. Das Ministerium werde “entschlossen gegen illegale und kriminelle Aktivitäten vorgehen und sie bestrafen, die die Wirtschaft des Landes gefährden”, hieß es. 

    Analysten der chinesischen Finanzinstitutionen haben sich bereits in den letzten Jahren mit negativen Einschätzungen sowohl über die chinesische Wirtschaft als auch über den chinesischen Finanzmarkt zurückgehalten. Darüber hinaus gab es Berichte über Razzien in den Büros internationaler Institutionen in China, nachdem die ausländischen Mitarbeiter der Institutionen  negative Meinungen über China veröffentlicht hatten

    Fehlerhafte Kommunikationsstrategie

    Ein Medienwissenschaftler befürchtet, dass der Schuss nach hinten losgeht. “Die Regierung ist vom Erfolg der Manipulation der Nachrichten verwöhnt”, sagte der Pekinger Forscher. “Wenn es aber um die Wirtschaft geht, wird das nicht funktionieren.”

    Die Menschen können schließlich auf ihren Kontoauszug schauen und befreundeten Geschäftsleuten reden – und wissen dann bereits, wie es ihnen und der Gesamtwirtschaft geht. Liu Yi

    • Konjunktur
    • Zensur

    News

    Xi spricht in Ansprache von “Wiedervereinigung” mit Taiwan

    In seiner Neujahrsansprache hat Chinas Staatschef Xi Jinping eine “Wiedervereinigung” Chinas in die Nähe einer Erwähnung Taiwans gerückt. “China wird mit Sicherheit wiedervereinigt, und alle Chinesen auf beiden Seiten der Taiwanstraße sollten von gemeinschaftlichen Zielen getrieben sein und gemeinsam den Ruhm der Erneuerung der chinesischen Nation erleben”, sagte er gegen Ende seiner Rede am Silvestertag.

    Taiwans scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen wies Xi Jinping bekräftigten Souveränitätsanspruch zurück. Der wichtigste Grundsatz für den Kurs in den Beziehungen zu China sei die Demokratie, sagte Tsai auf ihrer Neujahrspressekonferenz. Taiwans Beziehungen zu China müssten vom Willen des Volkes bestimmt werden und der Frieden müsse auf “Würde” basieren. “Wir sind schließlich ein demokratisches Land”. 

    Im Vorjahr hatte Xi sich noch auf den Hinweis beschränkt, “die Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße sind Teil der gleichen Familie”. Die neue Formulierung erhöht also den Druck auf die Insel. In Taiwan wird im Januar gewählt.

    Zuvor ging es um den Zustand der Nation. Xis wichtigste Pläne für 2024:

    • Feier des 75. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik China,
    • Entwicklung des Landes entlang der Xi-Jinping-Ideen wie der “neuen Entwicklungsphilosophie”, dem “neuen Entwicklungsparadigma”, “Entwicklung mit hoher Qualität” und weiteren Phrasen,
    • eine Verstärkung der Wirtschaftserholung und Stärkung des Vertrauens in die Wirtschaft,
    • einen Schub für Bildung, Wissenschaft und Technik.

    Als Meilensteine des Jahres 2023 nannte Xi unter anderem:

    • das Wachstum der neuen Wirtschaftsregion Xiongan,
    • Fortschritte beim Umweltschutz,
    • Rekordernten,
    • den Erstflug des eigenen Jets Comac C919,
    • Chinas erstes Kreuzfahrtschiff,
    • den Erfolg eines neuen Handymodells,
    • die laufenden Raumfahrtmissionen,
    • die internationale Beliebtheit chinesischer Marken,
    • die Marktmacht bei Autobatterien und in der E-Mobilität,
    • den Zentralasiengipfel und das Seidenstraßen-Forum,
    • die Ausrichtung der Asienspiele.

    Es gab auch einen kleinen Wechsel bei den Fotos im Hintergrund, denen politische Beobachter traditionell symbolische Bedeutung beimessen. Neu sind:

    • ein Gruppenfoto mit den anderen Staastsführern auf dem Seidenstraßen-Forum,
    • neue Familienbilder, darunter seinen Vater Xi Zhongxun und ein Bild der Kleinfamilie mit seiner Frau Peng Liyuan und seiner Tochter; möglicherweise ist das Ausdruck einer Stärkung von Familienwerten,
    • eines mit Xi, wie er den Amtseid für seine dritte Amtszeit als Präsident spricht – eine offene Herausforderung von Kritikern seiner Verfassungsänderung für unbegrenzte Amtszeiten.
    • und Fotos von seiner Reise in Provinzen entlang des Jangtse-Flusses.

    Alles in allem handelte es sich erneut um eine sehr selbstbewusste Rede mit vielen Hinweisen auf Chinas globale Stärke. fin

    • Geopolitik
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    • Taiwan-Wahlen
    • Xi Jinping

    Hongkonger Dissident gelingt Flucht

    Dreieinhalb Jahre war der Hongkonger Demokratie-Aktivist Tony Chung in Haft. Nun ist ihm nach eigenen Angaben die Flucht nach Großbritannien gelungen. Er sei sicher dort angekommen und habe bei der Einreise formell politisches Asyl beantragt, schrieb der 23-Jährige auf Instagram. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut.

    Chung war bis 2020 Vorsitzender einer Schülervereinigung, die sich für die Unabhängigkeit Hongkongs eingesetzt hatte. Die Gruppe löste sich kurz vor dem Inkrafttreten des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetz im Juni 2020 auf. 2021 wurde der damals 20-jährige Demokratie-Aktivist dennoch verurteilt. Eigentlich nur für vier Monate. Doch weil ein weiterer Prozess samt Verurteilung folgte, befand er bis im Sommer dieses Jahres im Gefängnis. Im Juni kam er frei, musste sich aber alle zwei bis vier Wochen bei der Sicherheitspolizei melden. Die Beamten forderten ihn unter anderem auf, für sie zu arbeiten und Namen anderer Aktivisten zu nennen.  

    Chung berichtet, dass er auch nach seiner Haftentlassung in täglicher Angst gelebt hat. “Ich fürchtete mich davor, mein Zuhause zu verlassen, ich fürchtete mich davor, in der Öffentlichkeit das Telefon zu benutzen und ich machte mir Sorgen, dass ich erneut von Beamten der nationalen Sicherheitspolizei auf der Straße festgenommen werden könnte”, erklärte Chung.

    Nachdem er in Hongkong eine Erlaubnis erhalten hatte, auf der japanischen Insel Okinawa Urlaub zu machen, konnte sich Chung nach Großbritannien absetzen. flee

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    Tech-Riese Xiaomi will unter die Top 5 der Autobauer

    Der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi hat bei der Präsentation seines ersten Elektroautos ehrgeizige Ziele verkündet. “Durch harte Arbeit in den nächsten 15 bis 20 Jahren werden wir einer der fünf größten Automobilhersteller der Welt werden und danach streben, Chinas gesamte Automobilindustrie anzukurbeln”, kündigte Firmenchef Lei Jun vergangenen Donnerstag an. Der Konzern wolle zudem ein “Traumauto vergleichbar mit Porsche und Tesla” bauen.

    Der Smartphone-Riese aus Peking will binnen einer Dekade zehn Milliarden Dollar in das Automobilgeschäft investieren. Xiaomi peilt einem Insider zufolge im ersten Jahr ein Volumen von 100.000 Fahrzeugen an. Die Autos werden von einer Sparte des staatlichen Autobauers BAIC in einer Fabrik in Peking mit einer Jahreskapazität von 200.000 Fahrzeugen produziert.

    Die nun vorgestellte Limousine mit dem Namen SU7 feiert ihr Debüt allerdings zu einer Zeit, in der der größte Automarkt der Welt mit Überkapazitäten, Preiskampf und einer mauen Nachfrage zu kämpfen hat. Automarktexperten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren maximal jeder zehnte der über 100 chinesischen E-Auto-Hersteller überleben wird. flee

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    Zentralkomitee schließt neun Spitzenmilitärs aus

    Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat neun ranghohe Militärvertreter aus dem Nationalen Volkskongress ausgeschlossen. Darunter sind auch vier Generäle der strategischen Raketeneinheit, teilte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua mit.

    Dieser Schritt ist Teil einer umfassenden Umbildung der Militärführung des Landes, seit Verteidigungsminister Li Shangfu im Oktober offiziell von seinem Posten abgesetzt wurde. Am Freitag ernannte Peking den früheren Marinekommandanten Dong Jun zum neuen Verteidigungsminister. In den vergangenen Monaten wurde zudem die Führung der geheimen chinesischen Raketentruppe, zuständig für das Atomwaffenarsenal, ausgetauscht. flee

    • Militär
    • Nationaler Volkskongress

    Presseschau

    Beziehungen von USA und China: Xi will mit Biden zusammenarbeiten TAGESSCHAU
    Ansprache zum Jahreswechsel von Xi Jinping: Taiwan wird “mit Sicherheit wiedervereinigt werden” mit China RND
    Taiwan weist Xi Jinpings Äußerungen zu “Wiedervereinigung” zurück SPIEGEL
    Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen ruft China zu friedlicher Koexistenz auf ZEIT
    President of Maldives Likely to Travel to China in January, Before a Trip to India THE WIRE
    Umstrukturierung der Militärführung: China verweist neun Armeeangehörige aus dem Parlament SPIEGEL
    Vorgänger bleibt verschwunden: Peking präsentiert neuen Verteidigungsminister Dong Jun N-TV
    Hongkong: Pro-demokratische Civic Party verschwindet FAZ
    China”s military purge deepens AXIOS
    Chinas Wanderarbeiter ziehen aus den Städten zurück aufs Land FAZ
    American Investors Say ‘No’ To China FORBES
    China”s solar sector steams ahead of EU, US DW
    Free trade agreement between Nicaragua and China begins REUTERS
    Chinesischer Spionageballon soll US-Internetanbieter genutzt haben, um Position zu melden SPIEGEL

    Heads

    Dong Jun – Chinas neuer Verteidigungsminister

    Ein Admiral für Zeiten von Konflikten um Meergebiete: Dong Jun ersetzt einen verschwundenen Minister.

    Dong Jun wurde zum neuen Verteidigungsminister der Volksrepublik China ernannt. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, hat Staatspräsident Xi Jinping die Personalie am vergangenen Freitag abgesegnet.

    Der Posten war monatelang vakant, nachdem General Li Shangfu als Verteidigungsminister im September gestürzt wurde. Die Beförderung von Admiral Dong füllt somit zum einen die Leerstelle an der Spitze des chinesischen Militärs. Zusammen mit anderen Säuberungen im chinesischen Militär hatte dies zu allerlei Unsicherheit und Spekulationen geführt.

    Zum anderen ist Dong der erste Verteidigungsminister, der aus den Reihen der chinesischen Marine kommt. Und dieser Umstand lässt Rückschlüsse darauf zu, wo China in der nahen Zukunft seine militärischen Schwerpunkte wird: auf Taiwan und das Südchinesische Meer.

    Ein Mann der Marine

    Dong Jun 董军 ist, was man gemeinhin als Mann der See bezeichnen würde. Er wurde 1961 in Yantai in der chinesischen Küstenprovinz Shandong geboren. Nach einem Abschluss an der Dalian Naval Academy trat er 1979 seinen Dienst bei der chinesischen Marine an.

    In den Anfangsjahren seiner Karriere war er unter anderem Leiter der militärischen Ausbildungsabteilung des Marinekommandos der Volksbefreiungsarmee sowie stellvertretender Stabschef der Beihai-Flotte.

    Fokus auf Südchinesischem Meer

    Anschließend diente Dong in allen großen Marinedivisionen der PLA: in der Nördlichen Seeflotte, die regelmäßig gemeinsame Übungen mit der russischen Marine durchführt, wie auch in der Ostseeflotte, die sich auf mögliche Konflikte mit Japan konzentriert. Im Januar 2017 wurde Dong zum stellvertretenden Kommandeur des Südlichen Verteidigungsgebiets ernannt.

    Es ist wohl vor allem dieser Posten, der Dong als neuen Verteidigungsminister qualifizierte: Denn die Hauptaufgaben des Südlichen Verteidigungsgebiets 南部战区 sind die Sicherheit im Südchinesischen Meer und die Unterstützung des Östlichen Verteidigungsgebiets bei jeder größeren Operation gegen Taiwan.

    Und so scheint es, als wäre Dongs Karriere wie gemacht für die aktuelle Strategie des chinesischen Militärs: gute Kontakte zu Russland gepaart mit jahrelanger Expertise im Umgang mit Japan, Taiwan und im Südchinesischen Meer.

    Die Macht hat aber Xi

    Allerdings muss man wissen, dass Dong Jun über weitaus weniger direkte Macht verfügt als seine Amtskollegen in anderen Ländern. Die Befehlsgewalt liegt bei der Zentralen Militärkommission – und deren Vorsitzender ist Xi Jinping.

    Stattdessen fungiert Chinas Verteidigungsminister vor allem als öffentlicher Vertreter des Militärs. Dong wird die Volksbefreiungsarmee gegenüber der Öffentlichkeit und anderen Militärs vertreten – und genau hierauf dürfte in den nächsten Monaten sein Hauptaugenmerk liegen. Dong muss die Beziehungen zu den USA verbessern. Diese hatten sich auch angesichts der wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer dramatisch verschlechtert. Mitte November hatten die beiden Präsidenten Biden und Xi vereinbart, den direkten Dialog zwischen den Militärs wieder aufnehmen zu wollen.

    Dialog mit den USA

    Der Anfang wurde vergangene Woche gemacht, als General Charles Brown, Vorsitzender des US-Generalstabs, mit seinem chinesischen Gegenstück General Liu Zhenli sprach. Die Verteidigungsminister der beiden Länder haben hingegen seit mehr als einem Jahr nicht mehr miteinander kommuniziert.

    Dabei ist dies unerlässlich, gerade in Dongs Spezialgebiet. Im Südchinesisches Meer wie auch in der Taiwanstraße besteht die Gefahr, dass fehlende Kommunikationswege zu Missverständnissen oder einer ungewollten Eskalation führen könnte. Dong Jun sollte also zügig den Austausch mit Lloyd Austin suchen. Die erste Hürde ist jedenfalls schon genommen: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Li Shangfu steht Dong Jun nicht auf einer US-Sanktionsliste. Michael Radunski

    • Geopolitik
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    • Taiwan

    Personalie

    Lu Lei wurde zu einem der vier Vizegouverneure der chinesischen Notenbank (People’s Bank of China, PBOC) ernannt. Er ersetzt Liu Guoqiang, der den Posten seit 2018 ausgefüllt hat und jetzt in Rente geht. Lu kommt von der Währungsaufsicht Safe (State Administration of Foreign Exchange) und bringt erhebliche Erfahrung in der Finanzregulierung mit.

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    Dessert

    Es gab mal Zeiten, da konnte die Deutsche Botschaftsschule Peking den Kunming-See im berühmten Sommerpalast für das schuleigene Eisfest mieten. Mitte der 1980er-Jahre war das. China war noch arm, Touristen gab es noch wenige. Und die Pekinger Parkverwaltung war dankbar für jede westliche Devise, die zur Instandhaltung der einstigen kaiserlichen Anlagen diente. Heute ist das kaum vorstellbar. Der Sommerpalast gehört auch bei eisigen Temperaturen zu einer der meistbesuchten Attraktionen in der Hauptstadt. Hier sehen wir Vergnügungen auf dem Kunming-See am Neujahrstag. flee

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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