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Erscheinungsdatum: 26. Februar 2024

Jürgen Kretz — Globetrotter mit den Lieferketten im Blick

Jürgen Kretz übernimmt das Amt von Chris Kühn und rückt in den Bundestag nach. Für die China-Kompetenz des Hauses ist das eine gute Nachricht. Kretz hat als Teil seines Studiums Chinesisch gelernt und länger in Peking gearbeitet. Sein Fokus liegt nun auf Lieferketten-Politik.

Wiesloch in Baden-Württemberg ist eine Kleinstadt mit kaum 30.000 Einwohnern, dafür aber zwei Unternehmen von Weltrang: Heidelberger Druckmaschinen und SAP haben in unmittelbarer Nähe ihren Sitz. Hier wuchs Jürgen Kretz auf – mit einem Bruder, der Vater Architekt, die Mutter Hausfrau. Nach der zehnten Klasse ging es in die USA. Sein High School-Jahr wollte Jürgen Kretz in Louisiana verbringen: Der spektakuläre Golf von Mexiko erwartete ihn und das lebendige New Orleans, in dem aus jeder Ritze Jazz und Blues dringt.

In das unbeschwerte Austauschjahr mischte sich neben vielen schönen Erfahrungen jedoch etwas, das sein Weltbild herausforderte. Im Südstaat Louisiana erlebte er mit, welche Rolle Rassismus dort immer noch spielte. Und auch mit der Art, wie sein konservatives amerikanisches Umfeld auf die Welt außerhalb der USA blickte, konnte der 16-Jährige wenig anfangen. Dieser erste Schritt heraus aus der eigenen Blase prägte ihn sehr – und weckte das Interesse an Politik.

Zurück in Deutschland begann Kretz, sich mit dem Thema globale Gerechtigkeit zu beschäftigen und sich in der Grünen Jugend politisch zu engagieren. Für den Zivildienst zog es ihn in die peruanische Hauptstadt Lima, wo er für ein Jahr in einem Kinderheim in einem Armenviertel lebte. Anschließend studierte er in Chemnitz und Berlin Politikwissenschaft und interkulturelle Kommunikation.

Seit Februar ist Jürgen Kretz Abgeordneter für die Grünen im Bundestag. Er vertritt den Wahlkreis Rhein-Neckar und bringt viel China-Expertise mit. Als Teil seines Studiums hat er Chinesisch gelernt und eine Zeitlang in Peking gelebt, wo er nach einem Auslandsjahr an der Universität ein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung absolvierte und für drei Monate an der Deutschen Botschaft arbeitete.

Seinen ersten Job nach dem Studium hatte Kretz 2009 bis 2012 im Abgeordnetenbüro von Viola von Cramon-Taubadel, die zu dieser Zeit Mitglied des Bundestages war. Als Mitarbeiter für außenpolitische Themen lag einer seiner Schwerpunkte auf China. Es war die Zeit nach den Olympischen Spielen, als alles nach Aufbruch aussah und Deutschland mehr Dialog mit der sich öffnenden Volksrepublik suchte. Kretz war an der Ausarbeitung eines China-Konzepts der grünen Bundestagsfraktion beteiligt, das erstmals einen Gesamtansatz über alle Politikfelder hinweg bot und China mehr einbinden wollte.

Nach dieser Station ging es zum Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die folgenden zwölf Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit hatten vor allem ein Thema: Lieferketten. Als Länderreferent für Bangladesch setzte sich Kretz intensiv mit Textillieferketten auseinander. Später lebte er im Kongo und beschäftigte sich mit Rohstofflieferketten, in denen auch China als Mittler eine relevante Rolle spielte. Sein Antrieb, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten, sei der Versuch gewesen, Dinge systemisch zu verbessern, sagt Kretz. Das will er nun auf anderem Wege tun – über die Politik.

Seine persönliche Funktion sieht Kretz als Scharnier zwischen Umwelt- und Sozialthemen sowie einer pragmatischen Wirtschaftspolitik. Im Bundestag hat er einen Sitz im Umweltausschuss und einen stellvertretenden Sitz im Entwicklungsausschuss, und auch hier werden Lieferketten eine Rolle spielen. Anders als die FDP, die die europäische Lieferkettenrichtlinie verhindern möchte, sieht er sie nicht als Belastung für die deutsche Wirtschaft an – wenn sie richtig ausgestaltet ist. Sie sei sogar gerade erforderlich, um ein Level Playing Field zu gewährleisten, sagt Kretz. Denn in Deutschland gibt es bereits viele nachhaltig agierende Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit dadurch sichergestellt werden könnte.

China ist für Kretz ein wichtiger, relevanter Partner, mit dem Deutschland einen konstruktiven Dialog führen sollte. Doch zugleich müsse die Politik ihre Erwartungen an das Miteinander klar äußern, sagt er. Das europäische Lieferkettengesetz ist für ihn dabei ein zentrales Element, weil dort Menschenrechtspolitik greifbar gemacht wird. Und zwar auch im Hinblick auf die eigene Verantwortung, Rechte und Standards einzuhalten. Altruismus sei dies nicht, sagt Kretz, der auch die Konkurrenz mit Akteuren wie China sieht. Das im Blick zu haben und zu versuchen, der glaubwürdigere, verlässlichere Partner zu sein, könne ein großer Vorteil sein. Julia Fiedler

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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