Analyse | AfD
Erscheinungsdatum: 30. September 2025

Der Kamikaze-Kurs des Maximilian Krah

Maximilian Krah im Bundestag (picture alliance / NurPhoto | Emmanuele Contini)

Nach seinem Absturz in Brüssel strebte Maximilian Krah nach Berlin. Doch auch hier sinkt sein Stern. Wie viel gibt es für den AfD-Politiker noch zu holen? Table.Briefings hat ihn über Monate begleitet und mit vielen Wegbegleitern gesprochen.

Vier Jahre und neun Monate für Jian Guo. Beinahe so lange, wie der frühere Mitarbeiter von Maximilian Krah nach Überzeugung des Dresdner Oberlandesgerichts für China spioniert hat; aus Krahs Büro heraus. „Das Urteil überrascht mich nicht“, schrieb Krah Table.Briefings via WhatsApp am Dienstag kurz nach der Verkündung. „Mir geht es vor allem darum, Klarheit zu gewinnen über die Machenschaften, deren Opfer ich geworden bin. Diesem Ziel bin ich heute nähergekommen.“

Vier Tage zuvor. Maximilian Krah brüht in seinem Bundestagsbüro Kaffee, seine Mitarbeiter haben frei. Er habe dazu gelernt, sagt der AfD-Funktionär, sein Büro sei sicherer geworden, sein Team älter. Und wohl auch seriöser, zumindest im Vergleich. „Mir geht es gut“, sagt Krah. „Schlecht geht es mir nie, nur gut, sehr gut und hervorragend.“ Krah dreht sich kurz von der Silvercrest-Kaffeemaschine in seinem Büroschrank weg, um ein breites Grinsen zu kredenzen.

Auch gegen Krah ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, wirft ihm Bestechlichkeit und Geldwäsche vor. Am 11. September hat der Bundestag seine Immunität aufgehoben, Dresdner Ermittlerinnen und Ermittler durchsuchten Krahs Büro- und Privaträume in Brüssel, Dresden und Berlin. Mehr als 50.000 Euro soll er über die Jahre erhalten haben, veranlasst von Guo. „Ich rechne damit, dass sie das Verfahren gegen mich einstellen“, sagt Krah. Es gebe „nichts außer alten Anwaltsrechnungen“.

Rückschläge verschiedenster Art hat Krah schon oft erlebt, Kratzer erlitt sein Selbstbild dadurch kaum. An Bundestagskandidaturen für die Dresdner CDU scheiterte er 2012 wie 2016, wegen seiner Radikalität galt er zunehmend als unvermittelbar. Nach gut einem Vierteljahrhundert verließ Krah die Union, gab sich aber nicht verbittert, sondern zelebrierte seinen Eintritt in die AfD als Befreiungsschlag.

2019 zog er für die AfD über Listenplatz 3 ins Europaparlament, 2022 kandidierte er mit skandalumwobener Kampagne und überraschend schwachem Ergebnis fürs Dresdner Rathaus, 2023 wählte die AfD ihn zum Spitzenkandidaten für Brüssel. Bauchschmerzen formulierte die Partei-Führung schon damals, viele beschrieben Krah als mindestens unzuverlässig, manche gar als Egel, der überall verbrannte Erde hinterlasse. Gleichwohl gehört Krah in der zweiten Reihe zu den Prominentesten der AfD, auf einer ähnlichen Stufe wie Widersacherin Beatrix von Storch.

Auf Social Media galoppierte er seiner Partei voraus, setzte ein Exempel an Popularität; insbesondere auf der chinesischen Plattform TikTok, wo er 117.500 Follower zählt. Nach seiner Ansicht hat Krah wie kein anderer Rechter in Europa die Relevanz von Social Media und die Wirksamkeit des Einzelnen gezeigt.

Wer Krah von seinem Büro in der Wilhelmstraße zum Bundestag begleitet, erlebt Kostproben seiner Prominenz. Mit Designeranzug, Einstecktuch und Luxusuhr schreitet er durchs Brandenburger Tor zum Reichstagsgebäude. Jubilierende Jugendliche unterbrechen seinen Weg, fragen nach Selfies. Es muss ihn freuen, diese Szene genau dann präsentieren zu können, wenn eine Journalistin ihn begleitet. „Das ist kein Zufall“, entgegnet Krah solchen Bemerkungen. „Ist mir heute schon drei Mal passiert.“

Anders als Weidel, die regelmäßig über die Bedrohungslage klagt, erzählt Krah mit einem gewissen Stolz von Kollateralerscheinungen der Prominenz – davon, dass er nach BKA-Einstufung Anspruch auf Personenschutz hat.

Seine Hybris ist Krah Fluch und Segen zugleich: Die Folgen seines Handelns drücken ihn oft genug unter Wasser, seine Überzeugung von sich selbst zieht ihn zurück an die Oberfläche. Auf dem Zenit seiner AfD-Laufbahn im Frühling 2024 erlebte Krah deren bis dato heftigsten Einbruch: Nachdem sein Ex-Mitarbeiter Jian Guo im April 2024 verhaftet wurde und Krah gegenüber der italienischen Zeitung La Republica SS-Angehörige verharmlost hatte, rief die Parteispitze ihn nach Berlin: Die Spitzenkandidatur könne man ihm nicht mehr nehmen, er sei nun mal gewählt, hieß es; anführen werde er die künftige Fraktion aber nicht.

In jede Richtung bescherte Krah dem Spitzen-Duo Ärger: Marine le Pen rief Alice Weidel zur Rechtfertigungs-Aussprache über Krah. Tino Chrupalla war in Sachsen und anderen Ost-Verbänden mit Kritik bis in Spitzenkreise konfrontiert, weil er und Weidel Krah gescholten hatten. Offiziell erhielt er ein Auftritts-Verbot.

Lange Zeit gelang Krah ein erstaunlicher Spagat. Einerseits beschreiben reihenweise Parteifreunde und frühere Kollegen den 48-Jährigen schon länger als denkbar unseriösen „Schampus-Maxe“, der über seine Verhältnisse lebe, Wegbegleitern hohe Summen schulde, nicht immer nüchtern steile Thesen in Mikrofone gröle – Krah bestreitet das meiste davon.

Einer für ihn relevanten Menschenmenge gegenüber gelang ihm gleichwohl, das Bild des akademisch Überlegenen, des Kosmopoliten, des eigensinnigen Weitdenkers zu wahren; als sei er schlicht ein überfliegender Paradiesvogel, der sich ob seiner Nützlichkeit mehr rausnehmen darf als einfache Parteisoldaten, die mit dem Strom zu schwimmen haben. „Er ist unser talentiertester Politiker“, war auch von Krah kritisch Gegenüberstehenden zu hören, nachdem er seine Positionen im Podcast Jung&Naiv sechseinhalb Stunden lang ausgebreitet hatte. Niemand sonst aus der AfD, so hieß es, hätte kritischen Fragen so lange auf diese Weise standhalten können.

Anna Leisten, frühere Chefin der Jungen Alternative Brandenburg, und andere Engagierte mobilisierten weiter für Krah. Beim Parteitag in Essen kurz nach der Europawahl breitete die JA in ihrem Stand Merch von ihm und Matthias Helferich aus, als seien sie die Popstars der Partei. Auch wenn die Spitze seinen Wechsel nach Berlin gern vermieden hätte, gelang Krah der Umzug über die Direktkandidatur. 44,2 Prozent holte er bei der Bundestagswahl im Chemnitzer Umland, woher er nicht mal stammt; drei Punkte mehr noch als die AfD-Zweitstimmen dort.

Doch der blaue Paradiesvogel schoss übers Ziel hinaus. Einen relevanten Teil seiner Anhängerschaft verlor Krah im Januar 2024, als er sich durch einen Auftritt auf dem Listenparteitag NRW mit dem Erzfeind von Matthias Helferich, NRW-Landeschef Martin Vincentz, solidarisierte. Der steht für einen vergleichsweise gemäßigten Kurs. Viele schüttelten den Kopf – Krah hätte sich verzockt, hieß es. Er und Helferich, beide Wackelkandidaten für die Aufnahme in die Bundestagsfraktion, gelten inzwischen als Feinde.

Krah zog mit einem ambivalenten Narrativ nach Berlin. Einerseits verkaufte sich der Katholik grinsend als „einfacher Diener im Weinberg des Herrn“, der erstmal kleinere Brötchen backen und sich dem Gang der Dinge in der Fraktion anpassen werde. Andererseits trug er sein Ergebnis vor sich her, und damit die Gewissheit, sowohl in die Fraktion als auch in seinen Wunsch-Ausschuss Europa gewählt zu werden. Einige in Vorstandskreisen hätten ihn gern in den Petitionsausschuss abgeschoben. Am Ende traute man sich doch nicht, war doch das Risiko zu groß, Krah könnte eine Wahl entgegen dem Vorstands-Wunsch für sich entscheiden.

Wenige zweifelten an Krahs Bestreben, mindestens wieder in den AfD-Bundesvorstand zurückzukehren, dem er bis zu seinem Skandal 2024 angehörte – wenn nicht gar ganz an die Spitze. Nach der zwischenzeitigen Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz im Mai versuchte der Jurist Krah sich in der Rolle desjenigen, der die Partei vor einem Verbot bewahren werde. Er appellierte, die Achillesfersen der AfD seien ihre Islamfeindlichkeit und der ethnisch-kulturelle Volksbegriff; die anderen Vorwürfe des Verfassungsschutzes seien nachrangig bis unbedeutend. Auch von ihrem Remigrations-Bestreben versuchte Krah, die Partei fortzubewegen. Und von ihrer Nähe zur Identitären Bewegung, mit deren Verbot einige in absehbarer Zeit rechnen.

Das rechtsextreme Vorfeld brachte Krah damit gehörig gegen sich auf. Götz Kubitschek und seine Ehefrau Ellen Kositza mit ihrer neurechten Denkschmiede in Schnellroda luden Krah zum Streitgespräch, in ihren Kreisen ist er nicht mehr wohlgelitten. Die eigenen Kreise brachte Krah immer wieder mit kantigen Aussagen gegen sich auf.

Aus Vorstandskreisen ist dieser Tage häufig zu hören, Krahs Stern sei endgültig gesunken. Er habe zu viele Gruppen gegen sich aufgebracht, schade der AfD durch seine Skandale inzwischen mehr als ihr zu nutzen. Krah wiederum zählt gerne auf, wer alles zu seinen Freunden zählt, warum ihm auch nach dem Absturz 2024 seine Renaissance gelungen sei. „Dir kann doch gar nichts mehr schaden, Max“, sagte ein Redakteur des Deutschland-Kuriers vor einer Runde Journalistinnen und Journalisten kürzlich im Bundestag. „Das stimmt allerdings“, antwortete Krah und lachte.

Sein Buch „Politik von Rechts“ durfte Krah noch bei einer Feier des früheren Berliner Finanzsenators Peter Kurth auf dessen Dachterrasse vorstellen. Der Ex-CDUler ist in rechtsradikalen Kreisen gut vernetzt, reihenweise Burschenschafter und bekannte AfDler besuchen seine Feste. Sein nächstes Buch hat Krah zwar längst angekündigt, fertig ist es noch nicht. Zuletzt beschäftigte die Justiz den AfD-Politiker zu sehr. Bei seiner Aussage im Verfahren um seinen früheren Mitarbeiter Anfang September gab Krah sich ahnungslos. Ob und wann es zum Verfahren gegen ihn kommt, steht noch nicht fest.

Im Parlamentsbetrieb tut sich Krah seit seinem Einzug nach Berlin bisher nicht sonderlich hervor. Wenn er zu Sitzungen kommt, tippt er oft in der letzten Reihe in sein Handy. Bei namentlichen Abstimmungen fehlte er immer wieder, sein Leben zerteilt sich noch zwischen Berlin und Brüssel, wo seine Frau und das Gros seiner acht Kinder leben. Von früheren AfD-Kollegen aus Brüssel heißt es, dass Krah dort mehr geredet als vorangetrieben habe.

So recht angekommen ist Krah in Berlin noch nicht. Er wolle sich bald um Kunstwerke kümmern, sagt Krah. Und um eine bessere Kaffeemaschine. Immerhin wähnt er sich tendenziell als Feingeist. „Das große Defizit der Rechten ist ihr Mangel an Ästhetik“, kritisiert er und grenzt sich davon ab. Bisher besteht sein Büro aus weißen Wänden, einer grauen Schrankwand – und einem übergroßen Aufsteller mit seinem Namen.

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Letzte Aktualisierung: 30. September 2025

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