Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 18. Oktober 2025

Produktivität steigern – und endlich wieder wachsen

Nur mit höheren Investitionen, tiefgreifendem Strukturwandel und der Verbreitung neuer Technologien kann Deutschland die Produktivität steigern und neues Wachstum ermöglichen.

Das Wachstumsproblem Deutschlands ist offenkundig: zwei Jahre Rezession, über sechs Jahre gerechnet Stagnation und damit verbunden ein Anstieg der Arbeitslosigkeit erstmals seit über zehn Jahren wieder auf mehr als 3 Millionen Menschen. Die Regierungsparteien haben ihr wirtschaftspolitisches Programm, mit dem sie diese Wachstumsschwäche überwinden wollen, im Koalitionsvertrag verankert und ringen nun um die beste Umsetzung.

Die externen Rahmenbedingungen machen es der Bundesregierung dabei nicht leicht: demografischer Wandel, geopolitische Zeitenwende und nachlassende Globalisierung sowie ungelöste Klimaprobleme bilden den Rahmen, in dem gute Wirtschaftspolitik erst einmal gelingen muss.

Wie kann Deutschland seine Wachstumsschwäche dennoch überwinden? Bei den richtigen Rezepten sollte eine Erkenntnis die Grundlage aller Überlegungen sein: Langfristiges Wachstum (wäre es nicht langfristig, hieße es ja auch Konjunktur) wird einzig und allein durch höhere Produktivität zu erreichen sein. Jede wirtschaftspolitische Maßnahme, die das Wachstum fördern soll, ist daran zu messen, ob sie zur Steigerung der Produktivität beizutragen vermag.

Denn um das Produktivitätswachstum in Deutschland ist es seit langer Zeit schlecht bestellt. Während in den 1970er Jahren die Wirtschaftsleistung je Arbeitsstunde noch um (real) fast 4 Prozent pro Jahr zugelegt hatte, sind es seit über zwei Dekaden nur noch 1 Prozent p.a.; seit Beginn dieses Jahrzehnts liegt die durchschnittliche Rate bei gerade einmal 0,2 Prozent. Durch den demografischen Wandel werden in den kommenden zwölf Jahren 5-6 Millionen Menschen mehr den Arbeitsmarkt verlassen als hinzukommen. Damit wird das Arbeitsvolumen, also die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen, bis Mitte der 2030er Jahre mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich sinken. Bei weiterhin schwacher Produktivitätsentwicklung bedeutet dies, dass sich das Potenzialwachstum in den kommenden Jahren bedrohlich nah der Nulllinie nähert.

Für die Ausrichtung der Staatsausgaben bedeutet das: Investition vor Konsum. Man kann mit konsumtiven Ausgaben wie Sozialtransfers und Rentenzahlungen zwar verteilungspolitische Ziele verfolgen, Wachstum sollte man sich davon aber nicht erwarten. Diese Priorisierung ist umso wichtiger, da durch die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse bereits in hohem Maße Mittel für eine notwendige „Versicherungsprämie“ aufgewendet werden müssen, die im engen (wie auch im statistischen) Sinne überwiegend keine Investitionen darstellen.

Der große Hebel für Produktivitätssteigerungen liegt jedoch in der Privatwirtschaft. Unter vielen Möglichkeiten, die der Staat hier hat, um zu unterstützen, seien drei genannt, die ich für besonders zentral halte:

  • Investitionsbedingungen verbessern: Deutschland hinkt bei den privaten Investitionen wichtigen Vergleichsländern wie etwa den USA deutlich hinterher. Steuern, Infrastruktur, Arbeitsmarkt – all das sind relevante Einflussfaktoren für Investoren. Durch Investitionen werden nicht nur neue Produktionskapazitäten aufgebaut, vor allem wird der Kapitalstock modernisiert und damit produktiver.

  • Strukturwandel zulassen: Loslassen fällt immer schwer. Aber die deutsche Wirtschaft muss sich in weiten Teilen grundlegend erneuern. Schrittweise Verbesserungen früherer Erfolgsmodelle reichen nicht aus. Staatliche Rahmenbedingungen sollten das (oftmals noch unbekannte) Neue ermöglichen, nicht das Alte zementieren.

  • Neue Technologien in die Breite tragen: Einen Produktivitätsschub für die Volkswirtschaft insgesamt können nicht 100.000 KI-Spezialisten allein leisten. Erst mit der Diffusion neuer Technologien, idealerweise auf alle 46 Millionen Erwerbstätigen, wird die notwendige Breitenwirkung erzielt.

Es gibt eine einfache Prüffrage für jede geplante wirtschaftspolitische Maßnahme: Stärkt sie die Produktivität? Die Bunderegierung ist selbstverständlich legitimiert, auch Verteilungswünsche zu bedienen. Sie möge diese dann aber bitte nicht als Wachstumsprogramm verkaufen.

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Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2025

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