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Mit neuen Märkten zurück in die Erfolgsspur?

Deutschlands Exporte stagnieren, während jenseits der etablierten Absatzländer dynamische Märkte ungenutzte Chancen bieten. Unser Kolumnist Michael Böhmer zeigt, welche Regionen jetzt entscheidend sein könnten, um zurück in die Erfolgsspur zu finden.

MB
29. November 2025

Das Auslandsgeschäft als zuverlässiger Wachstumstreiber für Deutschland – diese Zeiten sind lange vorbei. 2024 lag der Wert der Exporte (preisbereinigt) auf demselben Niveau wie 2019. Für 2025 erwartet der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresgutachten einen Rückgang der Exporte um 0,2 Prozent im Jahresvergleich.

Neben großen Herausforderungen bei der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kann diese Schwäche auch durch die veränderte Lage auf unseren größten Absatzmärkten erklärt werden: Die Länder der Europäischen Union, in die 64 Prozent unsere Ausfuhr geht, zeigten sich in den vergangenen Jahren zwar etwas wachstumsstärker als Deutschland, das ermöglichte aber keine besonders kräftigen Absatzsteigerungen. Die über viele Jahre hinweg sehr dynamischen Handelsbeziehungen mit China entwickeln sich auf der Exportseite aktuell rückläufig, während die Herausforderungen mit Blick auf die Geopolitik für Europa und Deutschland zunehmen. Und in jüngster Zeit ist der Handelskonflikt mit den USA hinzugekommen, der vorerst mit einem allgemeinen Zollsatz von 15 Prozent auf die Einfuhr europäischer Waren gemündet ist. Die erwarteten Handelsrückgänge zeigen sich mittlerweile gut in den Daten.

Europa, die USA und China machen zusammengenommen derzeit 80 Prozent der deutschen Ausfuhr aus. Was passiert, wenn sich dort für deutsche Unternehmen immer schwierigere Rahmenbedingungen bieten, die kaum noch Wachstum ermöglichen? Welche Aussichten hat die deutsche Exportwirtschaft dann überhaupt?

Es ist bemerkenswert, wie deutsche Unternehmen im Zuge ihrer bisherigen Erfolge auf diesen „etablierten“ Märkten Wachstumschancen in anderen Ländern haben liegen lassen. Gemeint sind nicht Länder, die kaum in den Welthandel eingebunden sind oder einen restriktiven Marktzutritt aufweisen. Mit Kanada, Mexiko, Japan oder Südkorea etwa verfügt die Europäische Union über teils moderne Freihandelsabkommen und damit über hervorragende Marktzugänge. Gleichwohl sind deutsche Unternehmen auf all diesen Märkten nur unterdurchschnittlich vertreten. Während etwa Kanada 2,6 Prozent der weltweiten Einfuhr absorbiert, gehen nur 0,9 Prozent der deutschen Ausfuhr in das zweitgrößte Flächenland der Welt. Wären deutsche Unternehmen in Kanada so gut vertreten, wie die Unternehmen anderer Länder dies im Durchschnitt sind, könnte das Ausfuhrvolumen dreimal zu hoch ausfallen. Ähnliche Relationen finden sich gegenüber den weiteren genannten Ländern.

Die Europäische Kommission hat ihre Bemühungen, neue Freihandelsabkommen mit (potenziell) wichtigen Partnern zu schließen, in jüngerer Zeit deutlich intensiviert. Das ist gut so. Den größten Erfolgsausweis stellt der Abschluss des Mercosur-Abkommens im vergangenen Sommer dar – nach über 20 Jahren der (Nicht-)Verhandlungen. Auch die Verhandlungen mit Indien werden nun wieder mit Nachdruck betrieben.

Die hier aufgeführten 13 Länder – teils wohlhabende Länder, teils fortgeschrittene Schwellenländer – weisen allesamt eine relevante volkswirtschaftliche und demografische Größe auf und punkten in vielen Fällen mit einer überdurchschnittlichen Wachstumsdynamik. Die institutionellen Rahmenbedingungen in diesen Ländern sind in aller Regel gut. Zusammengenommen entfallen fast 20 Prozent des weltweiten Handels auf sie. Mit anderen Worten: All das müssten attraktive Märkte für die deutsche Wirtschaft sein. Allerdings exportiert Deutschland gerade einmal 8,6 Prozent seiner Waren in diese Länder. Da wäre deutlich mehr möglich.

Die Diskussion um die Diversifizierung von ausländischen Absatzmärkten wird nun schon seit einigen Jahren geführt. Dabei geht es zum einen um eine höhere Resilienz gegenüber schlechter werdenden Geschäften in den USA und in China. Zum anderen geht es um zusätzliche attraktive Marktchancen. Beides sind zwei Seiten einer Strategie, mit der deutsche Unternehmen wieder zurück in die außenwirtschaftliche Erfolgsspur treten könnten. Die Chancen dafür sind vorhanden.

Michael Böhmer ist Chefvolkswirt und Managing Partner des Forschungs- und Beratungsunternehmens Prognos AG.

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Letzte Aktualisierung: 29. November 2025