Im Gegensatz zu volatilen Kryptowährungen wie Bitcoin sind Stablecoins durch reale, liquide Vermögenswerte gedeckt – meist durch kurzfristige US-Staatsanleihen – und lassen sich zum Nennwert einlösen. Sie ermöglichen schnelle, grenzüberschreitende Zahlungen außerhalb des klassischen Bankensystems und dienen zunehmend als Abwicklungsinstrument im Finanzsektor.
Während Stablecoins global bereits als günstige und effiziente Zahlungsalternative genutzt werden, ist in Europa derzeit die Kartenzahlung der Standard. 2024 lag ihr Anteil laut EZB bei 45 Prozent. Bargeld hatte einen Anteil von 39 Prozent, gegenüber 54 Prozent im Jahr 2016. Für Händler sind Kartenzahlungen zwar etabliert, doch insbesondere bei Kleinstbeträgen können Stablecoins künftig eine kostengünstigere Alternative darstellen.
Der Grund: Blockchain-basierte Transaktionen erfolgen nahezu in Echtzeit, ohne Intermediäre. Das senkt die Kosten, erhöht die Effizienz – und macht Stablecoins besonders attraktiv für den internationalen Handel und Mikrozahlungen.
„Stablecoins können Transaktionskosten senken und den Wettbewerb unter Zahlungsdienstleistern spürbar verschärfen – insbesondere dort, wo etablierte Anbieter wie Visa oder Mastercard bislang hohe Gebühren verlangen“, sagt Gunther Schnabl, Direktor des Flossbach von Storch Research Institute.
Die USA haben mit dem „Genius Act“ bereits einen klaren regulatorischen Rahmen geschaffen, der die Verbreitung von Stablecoins fördert. Die EU hingegen setzt mit der MiCA-Verordnung auf einen vorsichtigeren, stabilitätsorientierten Kurs. „Dieser räumt der Finanzstabilität und dem Verbraucherschutz im gesamten Kryptowährungsökosystem Vorrang ein“, erklärt der Ökonom Pawel Tokarski von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Doch dieser Schutz hat einen Preis: Während die USA gezielt Investitionsanreize setzen, fehlt es Europa bislang an einem skalierbaren digitalen Gegenangebot. Rund 99 Prozent der weltweiten Stablecoin-Marktkapitalisierung entfallen auf dollarbasierte Token wie USDT oder USDC. Euro-Stablecoins spielen dagegen bislang kaum eine Rolle – ihre Marktkapitalisierung liegt bei weniger als 350 Millionen Euro, während der Gesamtmarkt inzwischen über 270 Milliarden US-Dollar umfasst.
„Stablecoins zeigen erneut, wie sehr das US-Finanzsystem von mehr Offenheit und Gestaltungsfreiheit profitiert. In Europa dagegen herrscht oft eine innovationsfeindliche Grundhaltung, die neue Entwicklungen bremst“, kritisiert Schnabl.
In den USA ist der Stablecoin-Markt durch flexiblere Rahmenbedingungen und eine technologieoffene Aufsicht geprägt. Anbieter können schneller Produkte auf den Markt bringen und diese auf öffentlichen Blockchains weltweit anbieten. In Europa gelten dagegen strengere Vorgaben, etwa zur Rücktauschpflicht, Reservehaltung und Kontrolle – was Innovation verlangsamt und den Marktanteil eurobasierter Stablecoins bislang begrenzt.
Die USA setzen konsequent auf privat emittierte Stablecoins und haben einen staatlichen digitalen Dollar sogar gesetzlich ausgeschlossen. Europa wählt hingegen den gegenteiligen Weg: Statt auf den Markt zu setzen, konzentriert sich das Eurosystem auf die Entwicklung eines digitalen Euro – also eines staatlich kontrollierten Stablecoins in Form von digitalem Zentralbankgeld.
Während die USA bereits jetzt vorne mitmischen, steht das europäische Projekt „digitaler Euro“ noch am Anfang. Zwar sollen noch in diesem Jahr erste Designs der Öffentlichkeit präsentiert werden, Experten rechnen aber nicht mit einer Einführung vor 2029. Damit droht Europa beim digitalen Geld den Anschluss zu verlieren – mit potenziell weitreichenden Folgen für die geldpolitische Souveränität.
Die EZB warnt in einem Blogbeitrag dieser Woche daher offen: „Stablecoins verändern die globale Finanzwelt – mit dem US-Dollar an der Spitze. Ohne eine strategische Reaktion könnten die Währungshoheit und die Finanzstabilität Europas untergraben werden.“
Das Problem: Eine stärkere Verbreitung von Dollar-Stablecoins in der Euro-Zone könnte die geldpolitische Steuerungsfähigkeit der EZB erheblich beeinträchtigen. Sollte sich der US-Dollar durch Stablecoins digital verankern, droht Europa eine langfristige Abhängigkeit – nicht nur in der Geldpolitik, sondern auch in der Zahlungsinfrastruktur. Netzwerkeffekte und Skalenvorteile würden einen späteren Einstieg zusätzlich erschweren.
Der Grund: Je größer und verbreiteter ein digitales Zahlungssystem ist, desto attraktiver wird es für neue Nutzer – was den Vorsprung etablierter Anbieter weiter vergrößert. Gleichzeitig sinken die Kosten pro Transaktion mit zunehmender Nutzerzahl. Neue europäische Lösungen hätten es dadurch deutlich schwerer, sich durchzusetzen – selbst wenn sie technologisch konkurrenzfähig wären.
Ein Start-up aus Deutschland will diesem Trend etwas entgegensetzen: AllUnity, ein Joint Venture der Deutsche-Bank-Tochter DWS, dem Krypto-Unternehmen Galaxy Digital und dem Market Maker Flow Traders, hat am Donnerstag den ersten vollständig regulierten Euro-Stablecoin aus Deutschland auf den Markt gebracht. Ziel ist es, digitale Zahlungen rund um die Uhr zu ermöglichen und zugleich höchste Anforderungen an Transparenz, Sicherheit und regulatorische Verlässlichkeit zu erfüllen. Die BaFin hatte zuvor die Lizenz als E-Geld-Institut erteilt.
Die DWS und ihre Partner wollen damit „das Ungleichgewicht auf dem Stablecoin-Markt beseitigen und eine vertrauenswürdige, regulierungskonforme Alternative innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums anbieten“.