Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) fordert von der nächsten Bundesregierung, die Ausbildung in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) deutlich zu stärken. „Menschen in MINT-Berufen sind die Grundlage für unseren Wohlstand und sichern mit ihrer Arbeit den Technologievorsprung Deutschlands. Unternehmen können nur erfolgreich sein, wenn sie auch genügend gut ausgebildete Fachkräfte haben. Das ist ein wesentlicher Standortfaktor“, sagte VDI-Direktor Adrian Willig dem CEO.Table. Der VDI vertritt bundesweit die Interessen von über 130.000 Ingenieuren und Ingenieurinnen. Die Bewältigung des Fachkräftemangels ist in den Koalitionsverhandlungen, die am Donnerstag gestartet sind, ein zentrales Thema.
Willig verwies darauf, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu 340.000 MINT-Akademiker und -Akademikerinnen in den Ruhestand gehen würden. „Sollte diese Lücke nicht geschlossen werden, droht Deutschland an Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen – ein Trend, der sich bereits in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich, insbesondere mit den USA und China, abgezeichnet hat", sagte der VDI-Direktor. Dies betreffe Forschung und Entwicklung, aber auch zentrale Zukunftsfelder wie Infrastruktur, Bauwesen und die Energiewende. Die neue Bundesregierung müsse zusammen mit den Bundesländern ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergreifen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Dazu zählten eine bundesweite obligatorische Einführung von Technik und Informatik als Schulfächer, die Ausbildung von Lehrkräften in MINT-Fächern, eine gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sowie konkrete Maßnahmen, um etwa den Frauenanteil von derzeit 22 Prozent in den Ingenieurberufen deutlich zu erhöhen.
Laut dem VDI-Direktor haben inzwischen bundesweit elf Prozent der Ingenieure und Ingenieurinnen einen Migrationshintergrund. Die Anzahl der ausländischen Studierenden in den MINT-Fächern an den Hochschulen liege aber durchschnittlich bei 30 Prozent. „Hier müssen wir es schaffen, dass die Absolventen länger in Deutschland bleiben und bei uns arbeiten“, sagte Willig. Dies könne allerdings nur gelingen, wenn sich die Jungakademiker und Jungakademikerinnen auch in Deutschland wohlfühlen und keine Ablehnung erfahren würden. „Dazu müssen wir als Standort attraktiv sein. Integration läuft über die Menschen und ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so VDI-Direktor Willig.
Eindringlich mahnte Willig eine mehr faktenbasierte Diskussion in der Politik an. Laut einer Umfrage im Auftrag des Vereins hätten zwei Drittel der VDI-Mitglieder den Eindruck, dass in Deutschland zu ideologisch diskutiert werde und dies auch die politischen Entscheidungsprozesse bestimme. „Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die Lösungen sollten dann von den Ingenieuren und Ingenieurinnen kommen. Technologievielfalt ist die Grundlage für den Fortschritt. Dafür ist in der Diskussion der technisch-wissenschaftliche Ansatz wichtig“ sagte Willig.
Adrian Willig studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München. 1990 erlangte er sein Diplom zum Ingenieur mit den Schwerpunkten Systemdynamik, Steuer- und Regelungstechnik. Seit Mai 2023 ist Adrian Willig Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI).