CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 07. März 2025

Tui-CEO Sebastian Ebel: In Deutschland gibt es viel zu tun

Die Industrie steckt in der Krise, die Geschäfte in der Tourismusbranche laufe dagegen gut. Auch die Zahlen von der Tui sind glänzend. Die Ratingagentur Moodys hat das Unternehmen gerade sogar hochgestuft – mit stabilem Ausblick. Im Interview mit dem CEO.Table spricht Tui-Vorstandschef Sebastian Ebel am Rande der ITB in Berlin über die deutsche Wirtschaftskrise, US-Präsident Donald Trump, und warum Europas größter Reisekonzern optimistisch auf das Jahr 2025 blickt.

Herr Ebel, eigentlich hätte man angesichts der Wachstumsschwäche davon ausgehen können, dass die Deutschen in wirtschaftlich schweren Zeiten beim Reisen sparen. Überrascht Sie, dass dies nicht der Fall ist?

Die Deutschen reisen gern. Das liegt sicher auch daran, dass die Sonne und die Temperaturen uns in Deutschland nicht immer verwöhnen. Gerade in grauen Herbst- und Wintertagen ist die Reisesehnsucht besonders groß. Davon profitieren wir. Aber das ist nicht allein der Grund, warum unsere Geschäftszahlen und unser Ausblick für 2025 positiv sind.

Sondern?

Wir wachsen trotz der wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands. Tui ist der größte Touristikkonzern Europas. Wir sind praktisch weltweit aktiv. Unsere Geschäfte in Osteuropa legen zu, die Schweiz läuft hervorragend und auch mit den Buchungen in den skandinavischen Ländern sind wir sehr zufrieden. Zudem hat sich das Kreuzfahrtgeschäft seit der Corona-Pandemie erholt und verzeichnet inzwischen wieder großen Zuwachs, so wie Reisen im gehobenen Preissegment. In Deutschland läuft dagegen nicht alles so rund, wie wir uns es wünschen. Hier muss ich leider – bildlich gesprochen – Wasser in den Wein gießen. In Deutschland gibt es viel zu tun.

Was meinen Sie damit?

Der deutsche Wirtschaftsstandort ist international nicht mehr konkurrenzfähig. Kosten, Steuern und Auflagen sind zu hoch. Die Energiepreise auch, sie müssen sinken. Wir müssen unbedingt Bürokratie abbauen. Das verkürzt Planungszeiten und spart Arbeitskosten. Und wir brauchen eine technologieoffene, innovative Wirtschaftsförderung, die Anreize zum Investieren setzt. Es gibt also eine ganze Anzahl an Problemen – von den ökonomischen Rahmenbedingungen, der Bekämpfung des Fachkräftemangels bis zur Migration –, die die neue Bundesregierung anpacken und lösen muss. Ich hoffe, Union und SPD einigen sich jetzt schnell und nehmen dann zügig mit der Bildung einer neuen Bundesregierung ihre Arbeit auf – unideologisch und lösungsorientiert. Das ist das, was das Land jetzt braucht. Die Zeit drängt.

Sie sprechen vom Fachkräftemangel, …

… der unbedingt behoben werden muss. Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz. Wir werden immer stärker mit dem Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt auf die Anwerbung ausländischer Fachkräfte angewiesen sein, um die wirtschaftliche Stärke zu sichern. Finden Unternehmen keine qualifizierten Beschäftigten, werden sie Standorte schließen oder verlagern. Deshalb wundere ich mich, dass dieses Thema trotz aller Mahnungen aus der Wirtschaft bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Der Fachkräftemangel wird sich in der kommenden Legislaturperiode von Jahr zu Jahr in Deutschland verschärfen und sich zunehmend zu einer Wachstumsbremse entwickeln, auch in der Tourismusbranche.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Es gibt gute Beispiele dafür. Kanada hat mit einem ausgeklügelten Punktesystem, das sich an Kriterien wie berufliche Qualifikation, Sprachfähigkeit oder Arbeitserfahrung orientiert, seit Ende der 1960er-Jahre sehr gute Erfahrungen gemacht. Es solches System kann für uns in Deutschland als Blaupause dienen, um den immer schwierigeren Arbeitsmarkt zu entlasten.

In der politischen Debatte spielt der Klimaschutz mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle. Es scheint, als habe die Wirtschaftskrise in Deutschland einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Oder?

Es ist richtig, an den Klimaschutzzielen festzuhalten. Die Tui hat sich das zum Ziel gesetzt. Das gilt für unsere Hotels, für unsere Flotte und auch unsere Airlines. Die Tui wird die Emissionen weiter deutlich senken. Um das zu unterstützen, sollte die Politik allerdings die Rahmenbedingungen ändern. Deutschland sollte jetzt einen pragmatischen Weg einschlagen, der technologieoffen ist und den Unternehmen nicht detailliert und mit einer Regelungswut vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben. Andere Länder machen das besser und sind damit erfolgreicher.

Die da wären?

Unsere türkischen Hotels machen es sehr gut und werden bald klimaneutral sein – dank Photovoltaikfeldern in den Bergen, die unsere am Meer liegenden Hotels mit Energie versorgen. An einer Stelle speisen wir ein, an der anderen entnehmen wir den Strom. Das ist nur möglich, weil keine horrenden Netzentgelte anfallen. Das könnte eine Blaupause für andere Länder sein. Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Wir als Tui rüsten unsere Schiffe auf Methanol um, kaufen für unsere Airlines die umweltfreundlichsten Flugzeuge, und wir finden es richtig, den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe voranzutreiben, wenn dies ökonomisch sinnvoll ist. Wenn Unternehmen bei der Senkung der Emissionen Freiraum gewährt und nicht alles reguliert wird, bekommen wir bis 2050 eine Dynamik in den Klimaschutz, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.

Gilt das auch für die USA? US-Präsident Donald Trump hat den Dekarbonisierungskurs der Biden-Administration gestoppt und hat bereits die Pariser Klimaschutzvereinbarungen aufgekündigt.

Der Klimawandel bleibt. Gesellschaften und Unternehmen werden sich umstellen müssen. Daran ändert auch der Kurswechsel von Donald Trump nichts. Die Transformation geht weiter. Deutschland und Europa können im Kampf gegen den Klimawandel Vorreiter bleiben und daraus einen ökonomischen Nutzen ziehen.

Aber Europa befindet sich in der Defensive. Der US-Präsident negiert die Klimaschutzziele, stellt die Nato infrage, droht mit Zöllen…

…, was ich alles verurteile. Aber Donald Trump und seine America-First-Politik sind eine riesige Chance für Europa, vielleicht sogar die letzte die wir haben. Es ist ein Weckruf für die Europäer. Stehen sie jetzt zusammen und heben sie ihre Potentiale, kann dies dazu führen, dass sie zu alter Stärke zurückfinden. Die Europäer müssen es nur wollen, und sie müssen es gemeinsam anpacken. Gelingt es, an einem Strang zu ziehen und die Europäische Union zu vertiefen, können wir Europäer Trump im Nachhinein sogar dankbar sein.

Und wie soll das gelingen?

Durch einen Sinneswandel, weg vom nationalistischen Denken. Die Europäer müssen es schaffen, das Klein-Klein hinter sich zu lassen. Sie müssen eine gemeinsame Sicherheits- und Wirtschaftspolitik definieren und umsetzen. Die EU muss schlagkräftiger und geschlossener werden, um mit China und den USA mithalten zu können. Lassen Sie mich diese Notwendigkeit nur an einem kleinen Beispiel verdeutlichen: Drei US-Ratingagenturen – Moodys, Standard Poor‘s und Fitch – beurteilen die Bonität der Unternehmen. Wir in Europa haben dem nichts entgegenzusetzen, obwohl die EU ein wirtschaftspolitisches Schwergewicht ist. Dies wird sich nur ändern, wenn Europa über den gemeinsamen Binnenmarkt hinaus weiter zusammenwächst. Nur so können wir die Dominanz der Vereinigten Staaten durchbrechen und mit China in Zukunft mithalten können. Jetzt ist die Zeit zum Handeln und nicht nur zum Reden.

Der gebürtige Braunschweiger Sebastian Ebel ist seit Oktober 2022 CEO der Tui Group. Zuvor war er seit 2021 Finanzvorstand des Konzerns.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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