Die Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen mehrere weitreichende Beschlüsse gefasst. Neben dem sogenannten Investitions-Booster mit erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten, denen Steuersenkungen für Unternehmen folgen sowie Förderungen für Forschung und Elektromobilität wurde auch der Haushaltsentwurf 2025 und die Eckwerte bis 2029 verabschiedet.
In den Haushaltsverhandlungen hatten die Ministerien– wie jedes Mal –Bedarfe angemeldet, die die verfügbaren Mittel deutlich übersteigen. Das ist keineswegs überraschend. Unabhängig von der Höhe der zusätzlich verfügbaren Mittel ist das Spiel immer gleich: Jeder fordert erstmal mehr - am Ende wird eingekürzt. Und zwar so, dass jedes Ministerium auf etwas verzichten muss. Wer von vornherein realistische Forderungen einbringt, kommt am Ende relativ schlechter weg als andere. Kein Minister und keine Ministerin kann ein Interesse haben, dem eigenen Haus durch Naivität in den Haushaltsverhandlungen zu schaden.
Es zeichnet sich schon jetzt ab: man wird die immensen Spielräume nutzen. Die Bundesregierung vollzieht eine beispiellose Kehrtwende bei der Finanzpolitik. Sie plant für diese Legislaturperiode mit Schulden von fast 850 Milliarden Euro. Vergleicht man es mit den bisherigen Schulden des Bundes – etwa 1,7 Billionen Euro – so zeigt sich: innerhalb von nur vier Jahren wird einfach mal 50% draufgelegt. Im Jahr 2019 umfasste der Bundeshaushalt noch 350 Milliarden Euro – jetzt mehr als 500 Milliarden. Für Arbeit und Soziales sind ab 2028 mehr als 200 Milliarden Euro eingeplant.
Kurzfristig dürften die Pläne zwar für eine Aufhellung der Konjunktur sorgen, schon weil die zusätzliche staatliche Nachfrage die Unterauslastung der Wirtschaft reduzieren wird. Dort wo die Produktionskapazitäten der Unternehmen jedoch aktuell ausgelastet sind, treibt zusätzliche Nachfrage nur die Preise in die Höhe – man zahlt dann mehr, aber bekommt nichts zusätzlich. Zudem ist nicht jede Investition tatsächlich eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Sicherheit. Sowohl bei Rüstungsgütern als auch bei Infrastruktur gilt: es kommt darauf an, das Richtige zu tun, nicht einfach nur das Geld auszugeben. Vieles von dem Geld wird versickern oder genutzt werden, um die konsumtiven Staatsausgaben nicht senken zu müssen.
Wenn kein nachhaltiges Wachstum zurückkommt dürfte das böse enden. Und das garantieren die bisherigen Maßnahmen keineswegs. Das Wachstumspotenzial – also das Wachstum der Volkswirtschaft bei Normalauslastung – liegt aktuell bei etwa 0,3 Prozent jährlich und dürfte durch die staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung nicht deutlich steigen. Für dynamisches Wachstum braucht es Innovationen und private Investitionen in Deutschland. Nur steuerliche Anreize reichen keineswegs. Und wichtige Reformen, die dynamisches Wachstum anstoßen könnten, bleiben bisher aus – man bewegt sich sogar zum Teil in die verkehrte Richtung.
Der wichtigste Hebel liegt im Bereich Regulierung und Bürokratie. Die Politik müsste sich trauen, Regulierung abzuschaffen oder abzubauen, die heute Entwicklungen bei Künstlicher Intelligenz, Innovationen im Gesundheitssektor, Gentechnik oder in anderen Zukunftsbranchen hemmt. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt müsste erhöht werden und die Arbeitsanreize müssten deutlich verbessert werden, auch für Empfänger von Bürgergeld und ältere Menschen.
In den sozialen Sicherungssystem wird mehr verteilt, statt durch strukturelle Formen die Ausgaben zu dämpfen. Statt Mütterrente und Haltelinie, die zu steigenden staatlichen Zuschüssen und Beiträgen führen, braucht es Ausgaben-dämpfende Reformen der Rentenversicherung: Kopplung des Renteneintrittsalters and die fernere Lebenserwartung, Anstieg der Bestandsrenten mit dem Preisniveau statt den Löhnen, Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktor, Abschaffung der Rente ab 63. Das ist seit langem unstrittig. Keine Regierung packt es an.
Auch am Wohnungsmarkt setzt man mehr auf den Staat als auf private Investoren: Die Verlängerung der Mietpreisbremse ist nun beschlossene Sache. Bisher sind nach dem Jahr 2014 errichtete Wohnbauten davon nicht betroffen – die zuständige Ministerin hat in Interviews aber schon angedeutet, dass man eigentlich gerne diesen Stichtag verschieben würde: Gift für private Investitionen. Der Staat wird es schwer haben, die ausbleibenden privaten Investitionen zu kompensieren. Der Druck bei den Mieten wird steigen und der Ruf nach staatlicher Regulierung noch lauter werden als bisher schon. Das ist nur eine der vielen Interventionsspiralen.
Deutschland erlebt derzeit im Zeitraffer, welchen Zweck Schuldenregeln erfüllen: Sie zwingen dazu, Zielkonflikte innerhalb realistischer finanzieller Grenzen zu lösen. Derzeit gelingt das kaum – zu sehr verlässt sich die Politik auf kreditfinanzierte Entlastungen zulasten künftiger Generationen. Ob ein Kurswechsel gelingt und Wachstumsimpulse gesetzt werden, ist offen. Die Dringlichkeit spürt eine durch die schuldenfinanzierten Wohltaten beruhigte Bevölkerung bislang nicht. Veronika Grimm