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Erscheinungsdatum: 15. März 2025

Energiewende – hat die Politik jetzt noch die Kraft für Reformen?

Nach den Sondierungen beginnen nun die Koalitionsverhandlungen. Die immensen Summen, die bereits im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen in den Raum gestellt wurden – bei 3,5 Prozent Verteidigungsbudget sind das über 170 Milliarden zusätzlich pro Jahr – lassen nun die Vorschläge aus dem Boden sprießen, wie das viele Geld ver(sch)wendet werden könnte. Das ist aber genau der falsche Ansatz. Deutschland ist ein Sanierungsfall. Das Land braucht Strukturreformen, die die Kosteneffizienz stärken, die (Komplexität der) Regulierung abbauen und die Attraktivität des Landes für private Investitionen wieder herstellen. Nur dann wird aus den vielen zusätzlichen Schulden kein Strohfeuer, sondern nachhaltiges Wachstum.

Nehmen wir das Beispiel Energiemärkte. Der erste Vorschlag aus dem Sondierungspapier macht wenig Mut: eine Subvention zur Senkung der Strompreise. Klar ist: Mit viel Geld kann man alle Probleme für die Stromverbraucher temporär lösen, auf Kosten der zukünftigen Steuerzahler. Dadurch werden die Kosten der Stromerzeugung aber keineswegs strukturell geringer. Irgendjemand muss die Party zahlen: der Verbraucher direkt, die heutigen Steuerzahler oder eben die zukünftigen. Letzteres ist die Lösung.

Eine nachhaltige Energiepolitik, die die Klimaziele zu niedrigeren Kosten erreichen kann, sieht anders aus. Allem voran muss es darum gehen, die komplexe und teilweise widersprüchliche Regulierung anzupassen und als Leitinstrument für den Klimaschutz den CO₂-Emissionshandel zu stärken. Direkte und indirekte Subventionen sollten im Gegenzug konsequent abgebaut werden. Die Förderung von PV-Kleinanlagen ist zum Beispiel eine relativ teure Art, CO₂-Emissionen zu reduzieren, und führt zunehmend zu einer Überlastung der Netze. Auch die indirekte Förderung von Stromspeichern (etwa über die Befreiung von Netzentgelten) ist eher Kostentreiber als Treiber einer kostengünstigen Energiewende. Ein Umstieg von Subventionen zum Emissionshandel stärkt die Anreize für effizienten Klimaschutz und generiert für den Staat außerdem Einnahmen, mit denen Härten abgefedert werden können – über ein Klimageld oder über eine Reduktion der Netzentgelte, solange ein Klimageld noch nicht möglich ist.

Die Bundesregierung sollte sich außerdem dafür einsetzen, dass Vorschriften zur technischen Ausgestaltung von Anlagen (etwa die EU-Taxonomie) beziehungsweise Quotenanforderungen (in der RED III) abgeschafft oder deutlich entschärft werden. CCS und CCU sollten als Technologieoptionen genutzt werden können, etwa im Rahmen der Stromerzeugung, oder auch zur Reduktion industrieller CO₂-Emissionen. Die Umsetzung der Energiewende würde durch ein breiteres Spektrum an möglichen Lösungen günstiger, was wiederum die notwendigen Subventionen reduziert. Wichtig ist hier die verlässliche Erfassung der Emissionen und ein effektiver Emissionshandel zur Durchsetzung der Klimaziele.

Großen Handlungsbedarf – aber auch viel Uneinigkeit über die richtige Lösung – gibt es beim Energiemarktdesign. Fest steht: Die aktuellen einheitlichen Börsenstrompreise in Deutschland spiegeln die tatsächlichen Knappheiten nicht wider. Wir erleben eine Konzentration des Stromangebots im Norden und haben Netzengpässe, die den Transport in den Süden verhindern. Daher produzieren die Anlagen nicht zur richtigen Zeit und nicht am richtigen Ort, Im- und Exporte gehen am Bedarf vorbei, ebenso wie die Investitionsanreize für neue Anlagen. Anstatt hier weiter detailverliebt einzugreifen, regionale Standortentscheidungen über Subventionen herbeizuführen und damit umfangreiche Mitnahmeeffekte zu ermöglichen, sollten die Preise im Stromgroßhandel regional differenziert werden. Dies würde bedeuten: an systemdienlichen Standorten verdienen die Anlagen mehr. Durch eine solche Anpassung wären große Effizienzgewinne möglich. Allerdings nur, wenn man nicht den kurzfristig einfachen Weg über Subventionen einschlägt, sondern den schwierigeren Weg über Reformen tatsächlich geht.

Letztendlich sind auch Anpassungen beim Netzausbau geeignet, Kosten einzusparen, ohne die Transformationsziele infrage zu stellen. Da die Elektrifizierung langsamer voranschreitet als erwartet, steigt auch der Stromverbrauch nicht so schnell. Berücksichtigt man dies, sowie eine bessere regionale Verteilung der Erzeugungsanlagen (siehe oben), so könnte der notwendige Netzausbau geringer ausfallen. Werden außerdem Leitungen priorisiert, die besonders herausfordernde Netzengpässe adressieren, und zukünftig wieder Freileitungen statt Erdkabel geplant, so lassen sich nochmals Kosten im dreistelligen Milliardenbereich einsparen. Allerdings müssen Infrastrukturen für den CO₂- und den Wasserstofftransport geschaffen werden, was den Staat durchaus auch finanziell fordert.

Die möglichen Einsparungen im Zuge einer erfolgreichen Energiewende sind riesig – aber eine Anpassung der Rahmenbedingungen wird herausfordernd sein. Dass um Kosteneffizienz ernsthaft gerungen wird, dürfte nun unwahrscheinlicher werden. Hunderte von Milliarden stehen zur Verfügung, um die Probleme erstmal zu übertünchen. Ohne strukturelle Anpassungen sind aber Kostensteigerungen zu erwarten, die sich nur schwer dauerhaft über Subventionen abfedern lassen. Und nachhaltig attraktiver würde der Standort durch Subventionen für private Investoren nicht – sie wissen, dass Subventionen nie sicher und wahrscheinlich auch nicht durchhaltbar sind.

Professor Dr. Veronika Grimm ist seit April 2020 Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft. Sie ist Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und Leiterin des Energy Systems und Market Design Lab.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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