CEO.Economics
Erscheinungsdatum: 02. August 2025

Die 850-Milliarden-Wette: Nur mit Wachstum aus den neuen Schulden kommen? Das wäre optimistisch

Rund 850 Milliarden Euro neue Schulden will die Bundesregierung bis 2029 aufnehmen, um Deutschland wieder flott zu machen. Das hat das Kabinett am vergangenen Mittwoch mit der Verabschiedung des Haushalts 2026 sowie des Finanzplans bis 2029 beschlossen. Die Regierung nutzt die Spielräume, die das Sondervermögen für Infrastruktur und der weitgehenden Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse bietet. 

Die Bundesregierung hätte sich mit dieser Finanzplanung sicher schwerer getan, wenn die bisherige Belastung durch die Staatsverschuldung nicht vergleichsweise moderat wäre. Mit 62,5 Prozent im Jahr 2024 lag die Schuldenstandsquote nur wenig oberhalb der Maastricht-Grenze von 60 Prozent und deutlich unter der des Euro-Raums insgesamt von 87,4 Prozent. Hier wurde also finanzieller Spielraum gesehen. 

Gleichzeitig betont der Bundesfinanzminister, dass die zusätzlichen Defizite ja Wachstum anregen würden. Ziel der Finanzpolitik der kommenden Jahre sei es, „dass wir Deutschland wirtschaftlich stark machen“. Die politische Argumentation lautet, dass damit die Schuldenstandsquote, also das Verhältnis der öffentlichen Schulden zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), gar nicht stark ansteigen müsse. Hier wird es interessant.  

Prognos hat auf Grundlage der Planwerte einmal simuliert, welche Entwicklung die Schuldenstandsquote unter alternativen Wachstumsannahmen nehme. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Bundesländer nunmehr über einen Defizitspielraum von 0,35 Prozent verfügen. Für 2025 ist klar, dass aufgrund des sich abzeichnenden schwachen BIP-Zuwachses die Quote um rund zwei Prozentpunkte ansteigen dürfte. Sollte es ab 2026 trotz der finanzpolitischen Kehrtwende im schlechtesten Fall gar nicht gelingen, dass Deutschland seine Wachstumsschwäche überwindet (reales BIP-Wachstum von 0,5 Prozent, bei Inflation von zwei Prozent per annum), stiege die Schuldenstandsquote in unserer Simulation bis 2029 gegenüber 2024 um rund zwölf Prozentpunkte an. Das wäre innerhalb von nur fünf Jahren eine erhebliche Belastung der Tragfähigkeit. Je höher das Wachstum – wie in der Grafik ersichtlich – desto geringer die Effekte auf die Schuldenstandsquote. Zur Beurteilung der langfristigen Tragfähigkeit muss diese Entwicklung gedanklich noch fortgeschrieben werden, denn auch nach 2029 werden ja die neuen finanzpolitischen Regeln zu weiteren Defiziten führen. 

Sollte die Bundesregierung tatsächlich erwarten, dass eine Neuverschuldung dieses Ausmaßes die Schuldenstandsquote weitgehend unberührt lassen würde, spräche daraus ein sehr ausgeprägter Optimismus. Um in etwa auf dem Stand von 2025 zu verbleiben, müsste die deutsche Volkswirtschaft zwischen 2026 und 2029 im Durchschnitt inflationsbereinigt um vier Prozent wachsen. Das ist nicht realistisch. 

Wirtschaftspolitik ist aber keine Zielwertsuche. Es geht nicht darum, eine bestimmte Wachstumsrate zu „treffen“. Gleichwohl sind die politischen Implikationen dieser Simulationsrechnungen eindeutig: Deutschland muss auf einen erheblich höheren Wachstumspfad gelangen, damit die zusätzlichen Schulden auf Dauer einigermaßen tragfähig bleiben. Das wiederum bedeutet zweierlei: 

  1. Die Mittel müssen so eingesetzt werden, dass sie möglichst große Produktivitätseffekte entfalten. Das gilt für die Infrastruktur ebenso wie für technologische Spillovers der Verteidigungsausgaben, indem Innovationen gefördert werden, die über den militärischen Bereich hinausgehen.  Allein über die Nachfrageimpulse – geschweige denn durch neue konsumtive Ausgaben – wird das nicht gelingen. 

  1. Damit Wachstumseffekte auch darüber hinaus erzielt werden, sind flankierende angebotsorientierte Strukturreformen, die sowohl private Investitionen als auch das Arbeitsangebot fördern, unerlässlich. 

Die Befürchtung, wegen der zusätzlichen Schulden könnten angebotsseitige Reformen vernachlässigt werden, geht von falschen Zusammenhängen aus. Es ist umgekehrt: Wir können uns diese Schulden nur dann leisten, wenn wir Strukturreformen umso beherzter angehen und dadurch das Wachstumspotenzial in Deutschland erheblich steigt.  

Letzte Aktualisierung: 02. August 2025
Teilen
Kopiert!