Analyse
Erscheinungsdatum: 10. Oktober 2025

Welche Gefahren von Frankreichs Schuldenkrise ausgehen

Emmanuel Macron Sébastien Lecornu
Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu erklärte am Montag seinen Rücktritt. (picture alliance / abaca | Vernier Jean-Bernard/JBV News/ABACA)

Die jüngsten Turbulenzen an den französischen Finanzmärkten sind bislang kein Risiko für Deutschland – im Gegenteil: Kurzfristig können deutsche Unternehmen sogar profitieren. „Turbulenzen in Frankreich können für deutsche Unternehmen sogar kurzfristig positiv sein“, sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski im Gespräch mit Table.Briefings. „Investoren ziehen in solchen Phasen Gelder aus Frankreich ab und legen sie lieber in Deutschland an. Das stützt hierzulande die Finanzierungskonditionen.“

Frankreichs Staatsfinanzen sind tief in der Schieflage. Der Staat sitzt auf einer Verschuldung von 3,4 Billionen Euro – der höchste absolute Wert in der Europäischen Union. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt beträgt die Schuldenquote 114 Prozent, fast doppelt so hoch wie der Maastricht-Referenzwert von 60 Prozent. Nur Griechenland (152 Prozent) und Italien (138 Prozent) weisen noch höhere Quoten auf.

Hinzu kommt, dass die hohe Verschuldung mit schwachen Reformfortschritten einhergeht: Im September stufte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit Frankreichs von AA- auf A+ herab. Deutschland verfügt mit AAA weiterhin über die höchste Bonität. Eine solche Herabstufung bedeutet, dass Investoren stärkere Zweifel an der Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit eines Staates haben und entsprechend höhere Zinsen verlangen.

Die steigende Zinslast verschärft die Lage zusätzlich. 2024 musste Paris bereits rund 51 Milliarden Euro für Schuldzinsen aufbringen, bis 2027 könnten es nach Schätzungen der Finanzagentur AFT 75 Milliarden sein. Damit geraten die öffentlichen Finanzen in einen Teufelskreis: Je höher die Schulden, desto mehr Mittel müssen für Zinszahlungen aufgebracht werden – und desto weniger Spielraum bleibt für Zukunftsinvestitionen.

Frankreichs Probleme sind dabei hausgemacht. „Das Problem ist am Ende selbstgemacht. Frankreich hat die EU-Defizitregel von maximal drei Prozent Neuverschuldung in den vergangenen 20 Jahren nur zweimal eingehalten. Eigentlich müsste die EU-Kommission stärker darauf achten, dass diese Regeln befolgt werden. Die EZB sollte solche politischen Versäumnisse nicht mit ihren Notfallinstrumenten ausgleichen“, betont Brzeski.

Die Gefahr für die Eurozone entsteht erst, wenn mehrere Länder betroffen sind. Solange nur Frankreich höhere Renditen schultern muss, bleibt das Risiko überschaubar. Brzeski erklärt: „Erst wenn mehrere Länder gleichzeitig ein höheres Zinsniveau schultern müssen, steigt das Ansteckungsrisiko für die gesamte Eurozone. In so einer Situation könnte die Lage schnell kippen. Soweit sind wir noch nicht.“

In Fachkreisen wird zudem darauf hingewiesen, dass das französische Bankensystem heute deutlich robuster aufgestellt ist als in früheren Krisen. Die Institute verfügen über ausreichend Eigenkapital und Liquidität, um im Zweifel selbst französische Staatsanleihen nachzufragen. Damit könnten sie Marktspannungen abfedern – ein wesentlicher Unterschied etwa zur Lage in Griechenland während der Eurokrise 2010–2012. Zugleich mindert das den Druck auf die Europäische Zentralbank, aktiv einzugreifen.

Die Europäische Zentralbank hält sich entsprechend zurück. Nach Informationen von Table.Briefings wurde im EZB-Rat bislang noch nicht einmal über den Einsatz des Transmission Protection Instrument (TPI) gesprochen. Dieses 2022 eingeführte Instrument soll im Notfall verhindern, dass die Spreads – also die Zinsunterschiede zwischen deutschen Staatsanleihen und Papieren anderer Mitgliedstaaten – zu stark auseinanderlaufen. „Das Transmission Protection Instrument ist bislang ein Papiertiger, es wurde noch nie eingesetzt“, sagt Brzeski. „Aber die Märkte gehen davon aus, dass die EZB im Fall der Fälle eingreifen würde. Allein schon diese Drohung hat eine stabilisierende Wirkung.“

 

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Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2025

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