Analyse
Erscheinungsdatum: 20. September 2025

Bremst Kurzarbeit Deutschlands Wirtschaft aus?

Antrag auf Kurzarbeitergeld.
Antrag auf Kurzarbeitergeld. (IMAGO / Wolfilser)

Deutschland hat vor über 100 Jahren mit der Kurzarbeit etwas Innovatives geschaffen: Der Staat unterstützt Unternehmen dabei, ihre Beschäftigten weiterzubezahlen und so vor Arbeitslosigkeit zu bewahren – „eine der erfolgreichsten deutschen Exportideen“. Doch nun warnt der in den USA lehrende Ökonom Simon Jäger, der auch das Bundeswirtschaftsministerium berät, dass das Instrument inzwischen die deutsche Wirtschaft ausbremst.

Insbesondere im deutschen verarbeitenden Gewerbe seien die Bindungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die oft über Spezialkenntnisse verfügen, besonders stark. Kurzarbeit schütze diese „Matches“ und ermögliche es Firmen, nach einer Krise schneller wieder hochzufahren.

Jäger betont zwar, dass Kurzarbeit in kurzen Rezessionen Sinn ergebe: „Ich stimme zu, dass Kurzarbeit einen Wert haben kann, um ‘Matches’ über kurze Krisen hinweg zu bewahren.“ Doch aktuell sieht er darin ein Hindernis für grundlegende Strukturreformen. „Die deutsche Wirtschaft ist ein Stück weit in der Krise, weil das, was jahrzehntelang funktioniert hat, jetzt ziemlich offensichtlich ins Straucheln gerät.“

Während Innovative Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifizierte Beschäftigte – Ingenieure oder Softwareentwickler – zu finden, bezeichnet Jäger Kurzarbeit als „Subvention“, die es älteren, weniger innovativen Unternehmen ermögliche, „an sehr wertvollen Arbeitnehmern festzuhalten“.

Die Zahlen sprechen für sich: „Deutschland hat in den letzten 20 Jahren nicht wirklich viele Start-ups oder Firmen gesehen, die wirklich groß geworden sind – anders als die USA, wo das Geschäftsleben viel dynamischer ist.“ Eine aktuelle Studie von Jäger und Kollegen zeigt dabei: Besonders ältere, größere und schrumpfende Unternehmen nutzen das Instrument ausgiebig. Dadurch werde ein System etabliert, „das Dinosaurier bewahrt – zum Nachteil neuer, innovativer Unternehmen“.

Jäger verweist auf Joseph Schumpeters Konzept der „schöpferischen Zerstörung“, also den Prozess, in dem neue Technologien und Unternehmen veraltete Strukturen ablösen und Wirtschaftswachstum sowie technologischen Fortschritt ermöglichen. Kurzarbeit, so Jäger, sei heute „eine der Institutionen, die in Deutschland im Weg stehen, wenn es um kreative Zerstörung geht“.

Für problematisch hält Jäger insbesondere die jüngste Entscheidung, die Bezugsdauer der Kurzarbeit auf 24 Monate zu verlängern: „Es war ein Fehler, Kurzarbeit auf 24 Monate auszuweiten.“ Das System sei mittlerweile „de facto ständig aktiv“. Sinnvoll wäre es, das Programm künftig ausschließlich in „akuten, temporären Krisen“ zu nutzen.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern solle es erleichtert werden, trotzdem den Arbeitgeber zu wechseln. Zum Beispiel, indem Vorteile der Kurzarbeit „mitgenommen“ werden können – also portabel zum neuen Arbeitgeber – , was die für innovative Volkswirtschaften so wichtige Dynamik auf dem Arbeitsmarkt fördere. Jäger betont, er sei kein Befürworter eines „Laissez-faire“-Arbeitsmarktes. „Aber ich denke, dass man in Deutschland zu weit gegangen ist, um die Umverteilung von Arbeitskräften und neue Dinge zuzulassen.“

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Letzte Aktualisierung: 20. September 2025

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