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Erscheinungsdatum: 15. April 2024

EDIS-Abstimmung im ECON: Parlamentarier, die die Konsequenzen dieses Schnellschusses ignorieren, handeln fahrlässig

Von Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands

Berlin. Seit sieben Jahren ringt man um die komplexe Frage der Weiterentwicklung der Bankenunion. Jetzt soll es auf einmal ganz schnell gehen: Die gemeinsame Europäische Einlagensicherung (EDIS) ist zurück auf der Agenda des Europäischen Parlaments. Bereits am Donnerstag soll der ECON-Ausschuss des Europäischen Parlamentes über den Verordnungsvorschlag abstimmen. Ein Grund für diese Eile? Fehlanzeige.

Doch passt es zum Vorgehen, immer den zweiten Schritt vor dem ersten zu versuchen. 2015 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag vorgelegt, noch bevor die überabeitete Einlagensicherungsrichtlinie in den Mitgliedstaaten überhaupt implementiert werden konnte. Dieser erste Schnellschuss führt bis heute zu äußerst kontroversen Diskussionen. So ist völlig unklar, welche Elemente die Weiterentwicklung der Bankenunion eigentlich umfassen soll und wie sie ausgestaltet werden sollen. Dazu gehören insbesondere die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen, das regulatorische Ringfencing in host-staaten und die Unterschiede im Insolvenzrecht. In all das muss ein europäisches Einlagenrückversicherungssystem hineinpassen, das nur ein Element der Bankenunion ist. Elementare Fragen, die bis heute nicht gelöst sind.

Die damalige Berichterstatterin, Esther de Lange, hatte es seinerzeit nicht geschafft, eine Einigung im Europäischen Parlament zu erzielen. Es bestand die Sorge, dass ein unausgereiftes EDIS mehr schaden als nützen könnte. Die Unterschiede in den Positionen zeigten sich dann auch im Juni 2022, als die Eurogruppe trotz intensiver Bemühungen von Paschal Donohoe kein gemeinsames Verständnis über die richtige Ausgestaltung der Bankenunion erzielen konnte. Ziel ist es seit dem, das Krisenmanagement für Banken (CMDI) zu überarbeiten. Erst auf dieser Grundlage ist dann im Anschluss zu prüfen, ob und welche Form der europäischen Einlagensicherung überhaupt nötig wäre.

Während die Abstimmung zu CMDI im Europäischen Parlament für den 24. April vorgesehen ist, und die Position des Rates noch vollkommen offen ist, hat seit Ende Februar nun der neue EDIS-Berichterstatter im EP, Othmar Karas, den EDIS-Ball aufgenommen und versucht, das Spielfeld kurz vor Abpfiff vor allen anderen zu überqueren und den Ball über die Ziellinie zu tragen.

Damit besteht die erhebliche Gefahr, auf der Grundlage eiligst verhandelter Kompromisse den Fehler der Europäischen Kommission im Jahr 2015 zu wiederholen. Denn insbesondere lässt der Vorschlag die sich aus dem Review des Krisenmanagements von Banken ergebenden strukturellen Änderungen vollkommen unberücksichtigt. Während CMDI auf die Abwicklung von Banken gerichtet ist, dient EDIS primär der Entschädigung der Einleger. Das passt schlicht nicht zusammen und es besteht die erhebliche Gefahr, dass das Europäische Parlament bei CMDI und EDIS widersprüchliche Positionen einnimmt. Das kann nicht einmal im Interesse derjenigen sein, die ein EDIS befürworten.

Anders als bei vielen technischen Diskussionen ist der Schutz der Einlagen ein Thema, das in der europäischen Bevölkerung sehr genau wahrgenommen wird; nicht nur in Deutschland. Ein Schnellschuss, wie ihn derzeit der ECON verfolgt, kann gerade in der heutigen Zeit – noch dazu unmittelbar vor der EU-Wahl – weitreichende und unabsehbare Folgen haben. Jeder Abgeordnete des Europäischen Parlamentes sollte daher sehr genau für sich prüfen, ob er die Auswirkungen des ECON-Vorschlages wirklich durchdrungen hat. Denn eine Fehlentscheidung bei diesem wichtigen Thema hätte nicht nur Konsequenzen für das zukünftige Europäische Parlament, sondern auch für die Europäische Union insgesamt.

Wir raten daher dringend dazu, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu tun und die EDIS-Abstimmung zurückzustellen.

Wer langsam fährt, kommt auch ans Ziel – nur besser.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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