Gastbeitrag von Björn Nölte
Ich habe viele Jahre in der Oberstufe, wo es sich anbietet, mit der (von mir sogenannten) Methode „Master-or-Die“ gearbeitet. Auf Fortbildungen, Barcamps und ähnlichen Veranstaltungen stößt es regelmäßig auf Interesse, aber auch auf Skepsis. Jetzt werde ich eine weiterentwickelte Variante erproben, die ich hier vorstellen möchte.
Master-or-Die konterkariert die althergebrachte Auffassung von Leistungsbewertung. Es ist ein Beispiel des formative assessment. In unserer gegenwärtigen Schule herrscht vor allem das Gegenteil vor: summative assessment, die gesonderte Bewertung am Ende des Lernprozesses, in Form von Tests, Klassenarbeiten, Klausuren. Auch das führe ich natürlich nach wie vor durch. Formative assessment sieht im Gegensatz dazu vor, Feedback und Rückmeldung der Lehrkraft während des Lernprozesses zu geben, um das Lernen zu verbessern und nicht erst am Ende des Lernprozesses als Legitimation der Ziffernnote; assessment for learning statt assessment of learning.
Master-or-Die setzt diesen Gedanken konsequent um. Es wird am besten eingesetzt bei sehr komplexen Aufgaben, die einen grundlegenden Charakter für den jeweiligen Unterricht haben, sodass es gerechtfertigt ist, dass sich die Schüler lange damit beschäftigen. In Geschichte etwa die Anfertigung einer Quellenanalyse. Die Schüler suchen sich jeweils eine Quelle aus. Das Angebot an Quellen sollte nichts berücksichtigen, wozu es abschreibefertige Analysen im Internet zu finden gibt. Die Schüler werden angeleitet und haben dann ein ganzes Halbjahr lang Zeit, ihre umfangreiche Quellenanalyse zu schreiben. Während des Schreibens können sie Rückmeldungen des Lehrer einfordern – so oft sie möchten. Das Feedback des Lehrers enthält auch immer den aktuellen Notenstand des bisher erbrachten Textes.
Das Ziel: bei Abgabe sehr gute Leistung erreichen
Dass diese Form nur digital realisierbar ist, liegt auf der Hand. Bis zum endgültigen Abgabedatum müssen die Schüler ihren Text bis in den Einserbereich verbessert haben. Schaffen sie das nicht, erhaltent sie Note 6, null Punkte – Master-or-Die. Am Ende haben somit alle Schüler eine sehr gute Leistung, haben die Erfahrung einer sehr guten eigenen Leistung, haben eine eigene sehr gute Quellenanalyse in ihren Unterlagen und haben die Lehrperson als Unterstützer wahrgenommen und nicht als Kontrolleur. Bei dem einen dauert es etwas länger, die andere ist schneller am Ziel. Neben der „Sache“ haben die Schüler Selbst- und Projektmanagement gelernt. Während des Arbeitsprozesses können sie sich auch Feedback von Mitschülern holen, so viel, wie sie möchten.
Ich spare hier alle weiteren Erläuterungen, didaktischen Begründungen, Antworten auf erwartete Einwürfe aus, sondern komme zu der Neuerung. Master-or-Die 2.0 bedeutet nun, dass die Schüler mit dem Lehrer vor dem Beginn der Bearbeitung eine Zielvereinbarung treffen. Nicht jeder Schüler muss bis zu einer „1“ vorstoßen, sondern bestimmt selbst sein Ziel. Ansonsten gelten die gleichen Feedback-Regeln. Nur heißt es am Ende nicht ausschließlich „1 or Die“, sondern vielleicht auch „2+ or Die“, „3 or Die“ oder „2- or Die“.
Björn Nölte ist einer der Vorreiter digitalen Lernens. Er ist inzwischen Referent für Digitalisierung der Schulstiftung der Evangelische Kirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Dieser Text erschien auf Nöltes Medium-Seite.