wie so oft meinen es die Eltern ja nur gut mit ihren Kindern. Doch wer seine Schützlinge im Auto bis vor den Eingang der Schule kutschiert, tut ihnen damit nicht unbedingt einen Gefallen. Zum einen erhöht das Verkehrschaos das Unfallrisiko. Zum anderen kann sich die Autofahrt sogar negativ auf die Leistungen des Kindes im Unterricht auswirken. Woran das liegt, hat sich Maximilian Stascheit angeschaut. Seine Analyse zeigt auch: Kommunen, die verkehrsberuhigte Schulstraßen schaffen wollen, stehen vor erheblichen rechtlichen Herausforderungen.
Deutlich dramatischer sind allerdings die Herausforderungen, vor denen Schulen in der Ukraine stehen. Denn damit die Schüler dort sicher sind, findet der Unterricht vielerorts in Schutzbunkern statt. Umso überraschender ist die positive Nachricht, die unser Kolumnist und OECD-Bildungschef Andreas Schleicher aus diesem Land mitbringt: Ukrainische Schüler fühlen sich in ihren Schulen sicherer als im Durchschnitt der OECD-Länder. Die Gründe dafür liegen in einer veränderten Lernkultur – von der auch das deutsche Bildungssystem lernen kann.
Und von der Lern- zur Leitkultur ist es dann auch nicht mehr weit, zumindest wenn man einen Blick in das neu beschlossene CDU-Grundsatzprogramm wirft. Darin hat sich die selbsternannte “Volkspartei der Mitte” auch bildungspolitisch positioniert. Manche der Neuerungen könnten Sie überraschen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und ein erholsames Wochenende.
Zumindest die letzten Meter bis zur Schule laufen, statt sich von den Eltern direkt mit dem Auto vor der Eingangstür absetzen zu lassen: Dieses Ziel verfolgen immer mehr Kommunen mit der Einrichtung von Schulstraßen. Die Idee: Zu Unterrichtsbeginn und -ende werden die Straße oder der Straßenabschnitt vor dem Schulgebäude für den Autoverkehr gesperrt. Eltern, die ihre Kinder trotzdem mit dem Auto zur Schule bringen wollen, können ihre Kinder stattdessen an gekennzeichneten “Elterntaxi”-Haltestellen absetzen.
Durch die Einrichtung von Schulstraßen soll das Verkehrschaos, das vielerorts durch haltende Autos zu den Stoßzeiten vor den Schulen entsteht, beendet und gefährliche Situationen für Schülerinnen und Schüler vermieden werden. Doch die Schulen, an denen es die verkehrsberuhigte Zone bereits gibt, stellen auch im Schulbetrieb positive Entwicklungen fest.
“Die Atmosphäre im Schulgebäude ist viel entspannter als in der Zeit, wo die Eltern ihre Kinder noch bis zum Tor gebracht haben und dann noch Instruktionen gegeben haben oder selber durch die Verkehrssituation gestresst waren”, berichtete beispielsweise Karin Leusner, Leiterin der Kölner Vinzenz-Statz-Schule, in einem “Deutschlandfunk”-Interview von ihren Erfahrungen mit dem Pilotprojekt. “Wir haben eine entspannte Startsituation im offenen Anfang und im Unterricht unserer Klassen beobachtet. Die Kinder sind frisch und fitter drauf.“
Die Eindrücke der Schulleiter lassen sich auch wissenschaftlich bestätigen. Die schwedische Kinderpsychologin Jessica Westman hat 2018 in ihrer Doktorarbeit untersucht, wie sich der Schulweg auf Verhalten, Konzentration und Stimmung von Schülerinnen und Schülern auswirkt. “Vor allem die Passivität während der Fahrt führt dazu, dass sich Kinder gestresst fühlen, und diejenigen, die mit dem Auto zur Schule fahren, sind während des Schultages am müdesten“, fasst sie die Ergebnisse ihrer Arbeit zusammen. Diese Auswirkungen zögen sich durch den gesamten Schultag und seien insbesondere bei Mädchen feststellbar.
Auch die Verkehrssituation hat sich durch die Schulstraßen wesentlich verbessert. Dirk Wittowsky, Professor für Mobilitäts- und Stadtplanung an der Universität Duisburg-Essen, begleitet ein Pilotprojekt in Essen aus wissenschaftlicher Perspektive. In einem ersten Evaluierungsbericht schreibt er: “Die schmalen Gehwege in Kombination mit dem hohen Verkehrsaufkommen führten in der Vergangenheit innerhalb der Stoßzeiten im Schulbetrieb regelmäßig zu gefährlichen Situationen zwischen Schüler:innen und Pkws, die nun signifikant minimiert werden konnten.”
Das bestätigt auch Silke Schmolke, Schulleiterin der Maria Montessori Schule Am Pisterhof in Köln, die ebenfalls an dem Pilotprojekt beteiligt war. “Die Verkehrssituation hat sich merklich verbessert”, sagt sie zu Table.Briefings. Der Mini-Stau, der sich früher allmorgendlich vor Schulbeginn in einer Einbahnstraße gebildet habe, sei nun nicht mehr vorhanden.
Die Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, hätten sich gut an die neue Verkehrssituation gewöhnt. “Am Anfang hatten wir dort noch eine Barke aufgebaut, damit auch wirklich niemand in die Straße hineinfahren konnte. Mittlerweile reicht ein einfaches Schild”, berichtet Schmolke. Auch Wittowsky schreibt in seiner Evaluation, dass sowohl bei Eltern als auch Schülern und Lehrern “eine positive Akzeptanz zur Einrichtung einer Schulstraße beobachtet” worden sei.
Eine Umfrage des ADAC aus dem vergangenen Jahr bestätigt außerdem, dass Elterntaxis insgesamt auf wenig Zustimmung stoßen. 59 Prozent der befragten Eltern stimmten darin der Aussage, dass durch Elterntaxis gefährliche Verkehrssituationen entstehen, zu; nur zwölf Prozent waren gegenteiliger Meinung (siehe Grafik).
Schulleiterin Schmolke hofft, dass aus dem Pilotprojekt ein Dauerzustand wird. Von der Stadt Köln erhalten die Schulen dafür Unterstützung. Doch die rechtliche Situation ist kompliziert.
Das Aktionsbündnis “Kidical Mass”, das Deutsche Kinderhilfswerk und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VDC) haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten der Kommunen aufzeigt. Demnach gebe es für die Städte und Gemeinden verschiedene Möglichkeiten, die Straßen vor Schulen punktuell für Autos zu sperren. Das geht etwa mittels einer sogenannten Teileinziehung, als Fahrradstraße, mit einer nachgewiesenen Gefahrenlage oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung.
Nordrhein-Westfalen hat daraufhin als erstes Bundesland nach einer rechtlichen Lösung gesucht, um die Einrichtung der Schulstraßen für die Kommunen zu ermöglichen und dazu einen Erlass herausgegeben. Anders, als der Begriff vermuten lässt, handelt es sich dabei jedoch nicht um eine gesetzliche Regelung. Vielmehr ist es eine Anleitung für die Kommunen, in der eine Teileinziehung von Straßen und die Absperrung durch Schranken oder Poller empfohlen wird.
Den Kommunen geht diese Regelung jedoch nicht weit genug. “Das Land Nordrhein-Westfalen zeigt mit dem aktuellen Erlass insbesondere die bereits vorhandenen Instrumente auf, mit denen Kommunen agieren können, um Straßen vor Schulen zu sperren”, sagte André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, zu Table.Briefings. Auch in anderen Ländern werde davon bereits Gebrauch gemacht.
Allerdings sei die Einrichtung von Schulstraßen, Fußgängerüberwegen oder Tempo-30-Zonen mit komplexen Nachweis- und Verwaltungsverfahren verbunden. “Nicht selten werden solche Maßnahmen rechtlich angefochten“, berichtet Berghegger. Daher müssten die rechtlichen Kompetenzen der Kommunen ausgeweitet werden. “Bundesweit wünschen sich die Städte und Gemeinden daher zusätzliche und deutlich einfachere Anordnungsmöglichkeiten, um den Straßenverkehr vor Schulen und entlang von Schulwegen noch sicherer zu machen.”
Bundesverkehrsminister Volker Wissing möchte den Kommunen durch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes mehr Kompetenzen geben. Dies fordert auch der Städte- und Gemeindebund. “Klar ist, dass die Eignung bestimmter Maßnahmen wie etwa temporäre Straßensperrungen stets vor Ort bewertet werden muss”, sagt Berghegger.
Der Bundestag hat das Gesetz bereits verabschiedet, doch die Länder blockieren es derzeit noch im Bundesrat. Wie es weitergeht, scheint derzeit offen zu sein. Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums erklärte auf Anfrage von Table.Briefings, dass man den Gesetzesvorschlag “intensiv mit den Ländern diskutiert und alle Seiten berücksichtigt” habe. Sollte sich im Bundesrat keine politische Mehrheit abzeichnen, sei das Ministerium aber bereit, die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens zu prüfen.
Der OECD-Bildungsdirektor, Andreas Schleicher, ist Statistiker und Bildungsforscher und kritisiert seit Jahren das deutsche Bildungssystem. Er konzipierte die PISA-Studien und stellte 2001 die in Deutschland viel beachtete erste PISA-Studie vor. Seit 2002 ist er für das PISA-Programm zuständig und beteiligt sich an zahlreichen weiteren Bildungsprojekten. Für Table.Briefings schreibt er regelmäßig Kolumnen.
Mit PISA, dem OECD-Programm zur internationalen Schülerbeurteilung, verbinden die meisten Menschen Vergleichsdaten zum akademischen Erfolg in Schulfächern wie Mathematik oder Naturwissenschaften. Doch PISA bietet auch die größte und aktuellste Datenbank zu sozialen und emotionalen Ergebnissen. Im Jahr 2022 wurden im Rahmen von PISA große repräsentative Stichproben von Schülern in 81 Ländern und Volkswirtschaften befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Man könnte meinen, dass für 15-Jährige die Schule der letzte Ort ist, den sie mit ihrem Wohlbefinden in Verbindung bringen. Doch die Daten zeigen, dass die beiden stärksten Prädiktoren für die Lebenszufriedenheit der Schüler die Beziehungen zu ihren Eltern und ihr Leben in der Schule sind.
Auch an anderer Stelle widersprechen die PISA-Daten manchmal unseren Erwartungen. In der Ukraine fühlen sich die Schüler in ihren Schulen sicherer als im Durchschnitt der OECD-Länder und viel sicherer als in Ländern wie Großbritannien oder den USA. Und das in einem Land, das täglich unter Beschuss steht, in dem bereits Hunderte von Schulen durch die militärische Aggression Russlands zerstört wurden und ein Großteil des Schullebens in Bunkern stattfindet.
Sie berichteten auch über eine größere soziale Verbundenheit in der Schule. Aber das ist nur auf den ersten Blick eine Überraschung. Am 1. und 2. April besuchte ich die Schule 25 in Winnyzja, eine öffentliche Schule in einem weniger wohlhabenden Teil der Stadt, südwestlich von Kiew gelegen. In der Schule haben Schüler, Lehrer und Eltern schon vor dem Krieg daran gearbeitet, die Wertevermittlung, die ukrainische Identität und die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls der Schüler zur zentralen Aufgabe der Bildung zu machen.
Dieser Fokus hat alles verändert, von der Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehungen über die Pädagogik, die Formen der Elternbeteiligung bis hin zur Organisation der Lernumgebung. Der Luftschutzkeller, der früher ein dunkles und schmutziges unterirdisches Lager war, hat sich in einen hellen und farbenfrohen Raum zum Lernen und Spielen verwandelt.
Die Schule 25 ist nicht allein. Mit der 2017 gestarteten Reform zu einer “Neuen ukrainischen Schule” haben sich viele Schulen auf diesen Weg der Umgestaltung gemacht. So ist es vielleicht weniger überraschend, dass die Schüler in der Ukraine auch ein höheres Maß an Eigenmotivation beim Lernen zeigen als die Schüler im gesamten OECD-Raum. Und dass sie trotz eines viel höheren Maßes an Störungen weniger akademische Verluste hinnehmen mussten als anderswo. In diesem Sinne kann das Land in diesen Zeiten des Wandels der Welt wichtige Lehren liefern.
Doch damit nicht genug: PISA gibt viele Hinweise darauf, wie Schulen dazu beitragen können, die emotionale Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Zunächst gaben Schülerinnen und Schüler, die mehr Unterstützung von ihren Familien erhalten, in allen teilnehmenden PISA-Ländern an, dass sie sich in der Schule stärker zugehörig fühlen. Dass sie zufriedener mit ihrem Leben sind und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen haben. Generell hatten Schüler, die zu Hause mehr Unterstützung erfuhren, auch eine positivere Einstellung zu Schule und Lernen.
Lange Zeit hat die Politik versucht, Schulen so zu gestalten, dass sie den Mangel an elterlichem Engagement in den Schulen ausgleichen. Diese Bemühungen haben wenig Früchte getragen, wie die großen und oft wachsenden sozialen Unterschiede bei den Lernergebnissen zeigen. Die Antwort scheint darin zu bestehen, die Eltern zum Teil der Lösung zu machen, anstatt sie als Teil des Problems zu betrachten. Viele Bildungssysteme in PISA zeigen, dass dies ein erreichbares Ziel ist.
Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Lernen eine soziale und relationale Erfahrung ist, in deren Mittelpunkt die Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehung steht. In vielen leistungsstarken Bildungssystemen sind die Lehrkräfte nicht nur großartige Lehrer, sondern auch Coaches, Mentoren, Gemeinschaftsbildner und kreative Gestalter von innovativen Lernumgebungen. Sie arbeiten auf diese Weise, weil ihre Bildungssysteme ihnen den Raum und die Unterstützung dafür bieten.
In den meisten Bildungssystemen erzielten die Schülerinnen und Schüler, die in der PISA-Studie über mehr Unterstützung durch die Lehrkräfte und ein besseres Klima in den Disziplinen berichteten, bessere Ergebnisse und berichteten über ein größeres Wohlbefinden. Letzteres umfasst das Gefühl der Zugehörigkeit zur Schule, eine allgemeine Zufriedenheit mit dem Leben, Vertrauen in die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen – und auch eine geringere Angst vor Mathematik.
Besorgniserregend ist, dass die Unterstützung durch die Lehrkräfte in den vergangenen Jahren nach Ansicht der Schüler tendenziell abgenommen hat. Bei PISA wurden die Schüler gefragt, welche Unterstützung sie während der Pandemie erlebt haben. Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler haben Online-Lernangebote bekommen, sie erhielten Material und Aufgaben auf einer Lernplattform. Aber nur drei Prozent gaben an, dass sich jemand von der Schule nach ihrem Befinden erkundigt hat, und weniger als 20 Prozent gaben an, dass sie Tipps für ihr eigenes Lernen erhalten haben. Unter Berücksichtigung des sozialen Hintergrunds und der mathematischen Leistungen gehörte diese Art der Unterstützung zu den Faktoren, die sich am stärksten und positivsten auf das Wohlbefinden der Schüler ausgewirkt haben.
Wir müssen uns von einer Welt, in der die Schüler als Konsumenten vorgefertigter Bildungsinhalte, die Lehrer als Dienstleister und die Eltern als Kunden betrachtet werden, hin zu einer Welt entwickeln, in der Bildung zu einem gemeinsamen Unternehmen wird. Dieses Unternehmen muss darauf ausgerichtet sein, der nächsten Generation dabei zu helfen, einen verlässlichen Kompass und Werkzeuge zu entwickeln, um mit Zuversicht durch eine sich schnell verändernde Welt zu navigieren.
Dies muss nicht auf Kosten der akademischen Exzellenz gehen. In der Tat zeigen uns so unterschiedliche Bildungssysteme wie Japan, Korea, Litauen oder die Schweiz, dass es selbst während der Pandemie möglich war, hohe Standards akademischer Exzellenz und ein starkes Gefühl emotionaler Widerstandsfähigkeit aufrechtzuerhalten und miteinander zu vereinbaren. In diesen Zeiten wird nichts wichtiger sein als das. Menschen, die keinen festen Boden unter den Füßen spüren, sind wahrscheinlich diejenigen, die später in ihrem Leben Mauern um sich herum errichten – wie selbstzerstörerisch das auch sein mag.
Dies ist die übersetzte Fassung der Kolumne von Andreas Schleicher. Das englische Original finden Sie hier.
Die CDU hat auf ihrem dreitägigen Parteitag Anfang der Woche ihr neues Grundsatzprogramm verabschiedet und darin rund vier Seiten der Bildung gewidmet. Einiges aus dem Entwurf ist gleichgeblieben. Doch ein genauer Blick in die finale Version zeigt auch Neues.
Besonders beim digitalen Lernen ist die CDU in ihrer Position stark zurückgerudert. “Lernmanagementsysteme und digitale Lerninhalte ermöglichen einen strukturierten Unterricht”, hieß es in der früheren Version – “auch dann, wenn Lehrkräfte ausfallen”. Nun betont die Partei die Priorität von Präsenzunterricht und macht klar: “Digitale Lernsysteme können den Unterricht bereichern, sie können die Lehrkraft aber nicht ersetzen.”
Außerdem befürwortet die CDU eindeutiger als zuvor den Erhalt von Förderschulen. Man bekenne sich zur UN-Behindertenrechtskonvention und zur Inklusion ins Bildungssystem, heißt es in dem Programm. Gleichzeitig brauche es “eine Vielfalt von Förderansätzen und Förderorten, darunter Förderschulen”.
Beim Bildungsauftrag selbst weitet die CDU ihr Verständnis. Lesen, Schreiben, Rechnen seien die Grundlage für Bildungserfolg. Daneben waren zuvor lediglich die politische und historische Bildung sowie der Musik- und Religionsunterricht ausdrücklich genannt. Jetzt heißt es: Musische, künstlerische, religiöse und philosophische Bildung förderten eine ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit. Auch Bildung für nachhaltige Entwicklung sei wichtig für ein verantwortungsvolles Handeln.
Überraschend ist darüber hinaus das Vorhaben, schrittweise zur Wehrplicht zurückzukehren. Dafür stimmte eine Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag. Das Modell sieht vor, anfangs nur je nach Bedarf einen Teil der Gemusterten einzuziehen. Langfristig soll es ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr geben, das junge Menschen wahlweise bei der Bundeswehr oder sozialen Einrichtungen absolvieren können.
In Bezug auf die berufliche Bildung findet sich ebenfalls ein neuer Abschnitt, der für einige Betriebe sicherlich ein erfreuliches Signal ist. “Wir wollen die deutschlandweite und internationale Mobilität von Auszubildenden fördern”, heißt es. Bereits jetzt profitieren insbesondere Engpassberufe von internationalen Azubis.
Auch sonst nimmt die CDU die stärkere Kooperation zwischen den Ländern in den Fokus. So setzt sie beispielsweise auf verbindliche bundeseinheitliche Qualitätsmindeststandards, auf die Reform der KMK und auf verpflichtende Sprachförderung – sowohl bei Vorschulkindern als auch ausländischen Arbeitnehmern. Zudem verspricht die Partei, den Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Ausgaben über den OECD-Durchschnitt zu heben. Dies solle “unabhängig vom Bruttoinlandsprodukt” geschehen. Ein Ziel, an dem sich die CDU messen lassen muss, sollte sie nach der nächsten Bundestagswahl wieder Teil der Regierung sein. Vera Kraft
Schülerinnen und Schüler sollen in Niedersachsen künftig mit der Einschulung eine digitale Identifikationsnummer bekommen. Damit soll verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche ohne Abschluss die Schule abbrechen. Das sei in der Corona-Zeit leider mehrfach vorgekommen, sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) will das Vorhaben noch in der bis 2027 laufenden Legislaturperiode umsetzen. Die Einführung einer Schüler-ID ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von SPD und Grünen. Zuerst hatte die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” über die Pläne berichtet.
“Im Kern geht es bei der Schüler-ID darum, den Bildungsverlauf einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers darzustellen”, sagte die Ministeriumssprecherin. Die ID solle dabei helfen, dass Kinder und Jugendliche nicht im System verloren gingen. “Jeder soll die Chance auf einen Abschluss haben.”
Das Thema ist nicht neu. Seit mehr als 20 Jahren wird über ein Bildungsverlaufsregister diskutiert – bislang aber kam es noch nicht zur Umsetzung. Datenschützer warnen immer wieder vor dem “gläsenern Schüler”. Mehrere Bundesländer haben schon Versuche unternommen, eine Schüler-ID einzuführen. Zum Teil werden bereits individuelle Schülerdaten erhoben, aber nicht konsequent über den gesamten Bildungsverlauf zusammengeführt.
Was nun genau unter der Identifikationsnummer in Niedersachsen gespeichert werden soll, werde derzeit noch diskutiert, heißt es aus dem Kultusministerium. Das Ziel sei aber nicht, alles, was je über einen Schüler oder eine Schülerin geschrieben wurde, etwa ein Sitzenbleiben, zu vermerken. Auch die technische Umsetzung der Schüler-ID werde noch geprüft – eine Karte soll es jedoch nicht geben.
Um den Bildungsverlauf perspektivisch auch bei einem Umzug eines Schülers in ein anderes Bundesland weiterverfolgen zu können, gibt es dem niedersächsischen Ministerium zufolge auf Ebene der Kultusministerkonferenz auch Überlegungen für eine bundesweite Schüler-ID. dpa/aku
Mehr als zwei Millionen Euro erhält das österreichische Start-up Teachino, um seine KI-gestützte App für Lehrkräfte weiter auszubauen. Hauptinvestor ist die Klett Gruppe. Daneben beteiligen sich auch das tba network aus Südtirol und mehrere Business Angels. Wie viel Geld das Klett-Bildungsunternehmen genau in das Start-up steckt, ist nicht bekannt. Darüber wurde Verschwiegenheit vereinbart, sagt Teachino-Geschäftsführer Stefan Raffeiner zu Table.Briefings. Klar ist aber: Bei dem Start-up erhofft man sich weitreichende Kooperationen mit Klett.
“Ich sehe extrem viel Potenzial im Zusammenführen der langjährigen Erfahrung im Erstellen hochwertiger Bildungsinhalte von Klett und unserer Expertise im Bereich KI und Unterrichtsplanung”, sagt Raffeiner. Es gebe dementsprechend schon mehrere Kooperationsideen.
Die Ernst Klett AG zeigt sich derweil noch zurückhaltend. Vorstandsmitglied David Klett stellt dem Teachino-Team offiziell erst einmal nur “Inspiration und Austausch” in Aussicht. “Alles Weitere wird die Zeit zeigen”, so Klett zu Table.Briefings.
Bislang bietet das Unternehmen vor allem KI-gestützte Lehrmedien, die sich an Schüler richten und teilweise Diagnose- oder Korrektur-Funktionen beinhalten. Einen digitalen Arbeitsplatz für Lehrer, wie ihn der Cornelsen Verlag kürzlich einführte, gibt es aber bislang nicht.
Teachino bietet Lehrkräften eine solche KI-Assistenz, die die Unterrichtsvorbereitung erleichtern soll. Raffeiner gründete die Lehrerplattform 2022 in Wien. Mittlerweile kommt die Anwendung eigenen Angaben zufolge im gesamten deutschsprachigen Raum zum Einsatz. Die Inhalte sind in Deutschland angepasst an Bundesland, Schultyp, Klassenstufe und Fach. vkr
Drei Außenhandelskammern (AHK) im außereuropäischen Ausland bieten seit kurzem deutschen Betrieben an, für sie nach geeigneten Azubis zu suchen – in Marokko, Ghana und Kolumbien. Zum neuen Ausbildungsjahr sollen die ersten Kohorten nach Deutschland ausreisen. Über die AHK Marokko sollen 20, über die Außenhandelskammern Ghana und Kolumbien jeweils zehn junge Menschen kommen.
In allen drei Ländern ist die Geburtenrate hoch und es kommen jährlich viele neue Fachkräfte auf den dortigen Arbeitsmarkt. “Die Unterstützung lokaler Regierungen ist eine Voraussetzung für Fachkräfteprojekte. Daher kooperieren wir mit den hiesigen Arbeitsagenturen”, sagt Wladimir Nikitenko, Interims-Delegierter der AHK Ghana, im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir sehen in Afrika ein deutliches Potenzial für den Aufbau von Fachkräfteprojekten, daher werden wir künftig auch an allen unseren afrikanischen Standorten in den Aufbau solcher Projekte investieren.”
Die Programme in Marokko, Ghana und Kolumbien sind dabei ähnlich angelegt und verlaufen in drei Stufen. In einer ersten Phase geht es um die Stellenausschreibung für das Unternehmen und die Auswahl der Kandidaten. Ist das Online-Vorstellungsgespräch gut verlaufen, startet in der zweiten Phase die Vorbereitung für Deutschland. Dazu zählt ein Deutschkurs bis zum Sprachniveau B2 und interkulturelles Training. Ist der Sprachkurs bestanden und der Betrieb zufrieden, erfolgt im Idealfall die Unterschrift eines Ausbildungsvertrags. In der dritten Phase begleitet die AHK die Ausreise und das Ankommen in Deutschland. Im Fall Ghanas übernimmt das im ersten halben Jahr die ehrenamtliche Organisation Senior Expert Service.
Etwa 4.500 Euro kosten alle Pakete zusammen für die Unternehmen. Gebucht und bezahlt wird stufenweise. Für die Azubis aus Kolumbien soll der Ausbildungsbetrieb ein großes Energieunternehmen sein, für die jungen Menschen aus Marokko Unternehmen in Trier und Freiburg. Bei der AHK in Ghana sind es vor allem kleinere Betriebe. Schon seit 2017 hat die DIHK mit dem Bundeswirtschaftsministerium zudem den Aufbau von dualen Ausbildungsangeboten an mehreren AHK-Standorten weltweit gefördert. Damit sollen für deutschen Unternehmen im Ausland Fachkräfte gesichert werden. Es geht aber zunehmend auch um Fachkräftezuwanderung, etwa aus Kenia, Brasilien, der Türkei, Usbekistan und Ägypten. lcw/anpa
In einer Analyse im Africa.Table lesen Sie mehr zur Anwerbung der AHK Ghana und welche Hürden es zu bewältigen gilt.
Isabelle Sieh weiß aus persönlicher Erfahrung, wie hitzig Debatten zur Digitalisierung im Schulalltag werden können. Wenn an der Schule ihrer Kinder mal wieder darüber diskutiert wird, ob und wann die Schülerinnen und Schüler denn nun Tablets oder Laptops bekommen, lässt sie aber anderen den Vortritt. Die Rolle der Expertin und Vermittlerin in Sachen digitale Bildung behält Sieh sich für ihren Job vor: Seit Gründung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) 2021 ist sie Leiterin der Geschäftsstelle in Bonn.
Das wissenschaftliche Beratergremium der Kultusministerkonferenz spricht Empfehlungen für das Bildungswesen aus und soll damit dazu beitragen, dass die Kultusminister länderübergreifend zu Lösungen kommen. Da die Länder, allen voran Bayern, jedoch oft auf Eigenständigkeit pochen, war das Gremium schon bei seiner Gründung umstritten.
Daher durfte die SWK ihre Arbeit auch nur auf Probe aufnehmen – und muss jetzt beweisen, dass sie mit ihren Empfehlungen tatsächlich einen Mehrwert schafft. 2025 soll eine Evaluation zeigen, ob die Kommission ihre Arbeit fortsetzen darf. Doch vom Arbeiten auf Probe und politischen Querelen, betont Sieh, lässt sie sich nicht unter Druck setzen.
Die Aufgabe der Kommission sieht sie darin, dass “evidenzbasierte Erkenntnisse einen Weg in die Politik finden”. Als Geschäftsstellenleiterin trägt sie dazu bei, indem sie als Vermittlerin auftritt und komplizierte wissenschaftliche Erkenntnisse in eine verständliche Sprache übersetzt. Die Veröffentlichungen der SWK sollen so für alle anschaulich werden. Außerdem organisiert Isabelle Sieh Treffen zwischen den Forschenden der SWK, koordiniert Arbeitsgruppen und hilft inhaltlich bei der Erstellung der Gutachten.
Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik fühlt Sieh sich wohl. Nach ihrem Bachelor in Politik- und Wirtschaftswissenschaften, einem Master in Erziehungswissenschaften und Auslandsaufenthalten in Frankreich und Brüssel arbeitete Sieh an verschiedenen Universitäten.
2010 wurde sie Referentin des Präsidenten der Uni Flensburg und baute dort das neu zu besetzende Präsidium mit auf. “Ich bin damals schon ganz bewusst ein Stück weg von der reinen Wissenschaft gegangen, hin zum Organisieren und zur Vermittlung, weil mich das gereizt hat”, sagt Sieh. Auch auf ihrem jetzigen Posten als Geschäftsstellenleiterin der SWK will die 45-Jährige “ihre Leidenschaften für Wissenschaft und Management kombinieren”. Und sie wolle “einen Beitrag leisten, um die Bildungspolitik langfristig zu verbessern.”
Ein Schwerpunkt, dem sich die SWK widmet, ist die Digitalisierung der Schulen. Das Thema kennt Sieh nicht nur als Mutter, sondern auch aus ihrer Zeit als Referatsleiterin für “Bildung in der digitalen Welt” im Sekretariat der Kultusministerkonferenz. Die öffentliche und politische Debatte um Digitalisierung hält Sieh für zu einseitig. Oft seien die Rufe nach Laptops und Tablets besonders laut – als sei die Digitalisierung der Schulen bereits dann erfolgreich, wenn jede Klasse über genug digitale Endgeräte verfügt.
Dabei zeige die Forschung: “Die Kompetenzen, die es braucht, um die Geräte zu bedienen und zu verstehen, sind viel wichtiger als die Endgeräte selbst.” Es komme auf die Inhalte an, die vermittelt werden. Sie sollten auf ein Leben in einer digitalisierten Welt vorbereiten. Diese Einsicht will Sieh auch Politikern in Gesprächen vermitteln. Dabei müsse sie oft hartnäckig sein. “Ich denke auf lange Sicht und bin diplomatisch, aber manchmal muss man Dinge auch zuspitzen, um zum Ziel zu kommen.” Ihr Ziel: Lösungen zu finden, von denen alle Kinder nachhaltig profitieren. Tabea Berger
Research.Table. Karriere in der Wissenschaft: Beratung und Tenure sollen jungen Wissenschaftlern helfen. Häufig arbeiten wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Aussicht auf Entfristung. In diesem Fall greift mitunter auch die umstrittene Befristungsregelung des WissZeitVG und macht eine Weiteranstellung unmöglich. Welche Wege es gibt, Nachwuchswissenschaftlern einen sichereren und transparenteren Karriereweg zu ermöglichen, lesen Sie hier.
Research.Table. Start-ups: Förderung von jungen Tech-Firmen in der EU. Der Bitkom und weitere europäische Digitalverbände haben Leitlinien für die kommende EU-Kommission aufgestellt. Welche Förderprogramme die Verbände sinnvoll finden und warum sie sich einen eigenen EU-Kommissar wünschen, lesen Sie hier.
Zeit: Mit welchen strukturellen Problemen Referendare kämpfen. Thede Helmers brach sein Referendariat in Oldenburg ab und berichtet nun über die veralteten dort herrschenden Machtstrukturen. Seine Erfahrung ist kein Einzelfall: Die Abbrecherquote ist bei diesem Studienseminar besonders hoch. Der von ihm gegründete Verein “Rettet das Ref” vereint ehemalige Lehramtsstudenten, die von ähnlichen Erfahrungen berichten können. Im Referendariat sei man zu stark von der Meinung des bewertenden Fachleiters abhängig. Die Bewertung sei oft willkürlich und undurchsichtig. Beschwerden gegen den Fachleiter von Helmers seien von der Seminarleitung nicht ernstgenommen worden. Zudem berichten Lehramtsstudenten im Referendariat von zu starkem psychischem Druck, von Burnout und teils sogar von Suizidgedanken. (Er wollte ein guter Lehrer werden. Dann galt er als überfordert)
Deutschlandfunk: Wie Schüler besser auf antidemokratische Einstellungen reagieren können. Das Projekt “Starke Lehrer, starke Schüler” soll Schulen im Umgang mit rechten antidemokratischen Tendenzen in der Schülerschaft unterstützen. Hier werden beispielsweise Fortbildungen für Lehrkräfte angeboten. Die Lehrer sollen auch darin unterstützt werden, aktiv gegen solche Strömungen vorzugehen. Hierfür werden eigens Argumentationsschulungen angeboten. Rechtsextreme Tendenzen gibt es an jeder Schule, doch es gibt große Unterschiede, wie sehr das Lehrerkollegium diese sieht und bekämpft. (Rechte Tendenzen an Berufsschulen, Interview U. Dannemann, Uni Potsdam)
NDR: Warum Musikverbände die Stundenplanreform in Mecklenburg-Vorpommern kritisieren. Im Schuljahr 2025/26 sieht die Reform der Stundentafel vor, die Fächer Musik, Kunst und Theater als Fächerverbund zu behandeln. Dies könne dazu führen, dass der Musikunterricht zu wenig stattfinde, beklagt ein Zusammenschluss aus Verbänden und Musikschulen. So kann es vorkommen, dass an einer Schule nur Kunst und Theater unterrichtet wird und Musik komplett wegfällt. Durch ein zu geringes geteiltes Stundenkontingent könne in keinem der Fächer der KMK-Standard erfüllt werden. Bildungsministerin Simone Oldenburg weist die Kritik zurück und betont, dass die Reform keine Kürzung der Fächer vorsehe. (Verbände fürchten um den Musikunterricht an den Schulen)
SZ: Kürzungen beim Musikunterricht sind die falsche Reaktion auf Pisa. Die Debatte über den Stellenwert von musischer Bildung schwelt in Bayern schon etwas länger. Auch hier wurde eine Stundenplanänderung beschlossen, die die Basiskompetenzen in den Vordergrund rückt. Doch gerade an musikbetonten Schulen lässt sich der positive Effekt von Musik-Unterricht auf die Kinder bemerken. So berichtet die Schulleiterin der Carl-Orff-Grundschule aus München von dem verbindenden Charakter des Schulorchesters. Musik ermögliche zudem Schülern, die nicht die deutsche Sprache beherrschen oder andere Schwierigkeiten in der Schule haben, Erfolge zu erzielen. (Immer auf die Kleinen)
Deutschlandfunk: Was Lehrer besonders schwierig finden, wenn sie an andere Schulen versetzt werden. In NRW sollen Abordnungen von Lehrkräften kurzfristig dem Lehrermangel an besonders schlecht ausgestatteten Schulen entgegenwirken. Bei den unterbesetzten Schulen handelt es sich häufig um Schulen mit großen pädagogischen Herausforderungen. Die betroffenen Lehrkräfte leiden unter den Abordnungen. Diese fühlen sich hilflos und müssen viel Zeit und Energie aufwenden, um sich an der neuen Schule einzuarbeiten. Auch für die Schulen, die auf die Abordnungen angewiesen sind, ist es schwierig, dass das Lehrerkollegium sich regelmäßig ändert. (Lehrkräftemangel in NRW: Lehrer werden an andere Schulformen abgeordnet)
wie so oft meinen es die Eltern ja nur gut mit ihren Kindern. Doch wer seine Schützlinge im Auto bis vor den Eingang der Schule kutschiert, tut ihnen damit nicht unbedingt einen Gefallen. Zum einen erhöht das Verkehrschaos das Unfallrisiko. Zum anderen kann sich die Autofahrt sogar negativ auf die Leistungen des Kindes im Unterricht auswirken. Woran das liegt, hat sich Maximilian Stascheit angeschaut. Seine Analyse zeigt auch: Kommunen, die verkehrsberuhigte Schulstraßen schaffen wollen, stehen vor erheblichen rechtlichen Herausforderungen.
Deutlich dramatischer sind allerdings die Herausforderungen, vor denen Schulen in der Ukraine stehen. Denn damit die Schüler dort sicher sind, findet der Unterricht vielerorts in Schutzbunkern statt. Umso überraschender ist die positive Nachricht, die unser Kolumnist und OECD-Bildungschef Andreas Schleicher aus diesem Land mitbringt: Ukrainische Schüler fühlen sich in ihren Schulen sicherer als im Durchschnitt der OECD-Länder. Die Gründe dafür liegen in einer veränderten Lernkultur – von der auch das deutsche Bildungssystem lernen kann.
Und von der Lern- zur Leitkultur ist es dann auch nicht mehr weit, zumindest wenn man einen Blick in das neu beschlossene CDU-Grundsatzprogramm wirft. Darin hat sich die selbsternannte “Volkspartei der Mitte” auch bildungspolitisch positioniert. Manche der Neuerungen könnten Sie überraschen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und ein erholsames Wochenende.
Zumindest die letzten Meter bis zur Schule laufen, statt sich von den Eltern direkt mit dem Auto vor der Eingangstür absetzen zu lassen: Dieses Ziel verfolgen immer mehr Kommunen mit der Einrichtung von Schulstraßen. Die Idee: Zu Unterrichtsbeginn und -ende werden die Straße oder der Straßenabschnitt vor dem Schulgebäude für den Autoverkehr gesperrt. Eltern, die ihre Kinder trotzdem mit dem Auto zur Schule bringen wollen, können ihre Kinder stattdessen an gekennzeichneten “Elterntaxi”-Haltestellen absetzen.
Durch die Einrichtung von Schulstraßen soll das Verkehrschaos, das vielerorts durch haltende Autos zu den Stoßzeiten vor den Schulen entsteht, beendet und gefährliche Situationen für Schülerinnen und Schüler vermieden werden. Doch die Schulen, an denen es die verkehrsberuhigte Zone bereits gibt, stellen auch im Schulbetrieb positive Entwicklungen fest.
“Die Atmosphäre im Schulgebäude ist viel entspannter als in der Zeit, wo die Eltern ihre Kinder noch bis zum Tor gebracht haben und dann noch Instruktionen gegeben haben oder selber durch die Verkehrssituation gestresst waren”, berichtete beispielsweise Karin Leusner, Leiterin der Kölner Vinzenz-Statz-Schule, in einem “Deutschlandfunk”-Interview von ihren Erfahrungen mit dem Pilotprojekt. “Wir haben eine entspannte Startsituation im offenen Anfang und im Unterricht unserer Klassen beobachtet. Die Kinder sind frisch und fitter drauf.“
Die Eindrücke der Schulleiter lassen sich auch wissenschaftlich bestätigen. Die schwedische Kinderpsychologin Jessica Westman hat 2018 in ihrer Doktorarbeit untersucht, wie sich der Schulweg auf Verhalten, Konzentration und Stimmung von Schülerinnen und Schülern auswirkt. “Vor allem die Passivität während der Fahrt führt dazu, dass sich Kinder gestresst fühlen, und diejenigen, die mit dem Auto zur Schule fahren, sind während des Schultages am müdesten“, fasst sie die Ergebnisse ihrer Arbeit zusammen. Diese Auswirkungen zögen sich durch den gesamten Schultag und seien insbesondere bei Mädchen feststellbar.
Auch die Verkehrssituation hat sich durch die Schulstraßen wesentlich verbessert. Dirk Wittowsky, Professor für Mobilitäts- und Stadtplanung an der Universität Duisburg-Essen, begleitet ein Pilotprojekt in Essen aus wissenschaftlicher Perspektive. In einem ersten Evaluierungsbericht schreibt er: “Die schmalen Gehwege in Kombination mit dem hohen Verkehrsaufkommen führten in der Vergangenheit innerhalb der Stoßzeiten im Schulbetrieb regelmäßig zu gefährlichen Situationen zwischen Schüler:innen und Pkws, die nun signifikant minimiert werden konnten.”
Das bestätigt auch Silke Schmolke, Schulleiterin der Maria Montessori Schule Am Pisterhof in Köln, die ebenfalls an dem Pilotprojekt beteiligt war. “Die Verkehrssituation hat sich merklich verbessert”, sagt sie zu Table.Briefings. Der Mini-Stau, der sich früher allmorgendlich vor Schulbeginn in einer Einbahnstraße gebildet habe, sei nun nicht mehr vorhanden.
Die Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, hätten sich gut an die neue Verkehrssituation gewöhnt. “Am Anfang hatten wir dort noch eine Barke aufgebaut, damit auch wirklich niemand in die Straße hineinfahren konnte. Mittlerweile reicht ein einfaches Schild”, berichtet Schmolke. Auch Wittowsky schreibt in seiner Evaluation, dass sowohl bei Eltern als auch Schülern und Lehrern “eine positive Akzeptanz zur Einrichtung einer Schulstraße beobachtet” worden sei.
Eine Umfrage des ADAC aus dem vergangenen Jahr bestätigt außerdem, dass Elterntaxis insgesamt auf wenig Zustimmung stoßen. 59 Prozent der befragten Eltern stimmten darin der Aussage, dass durch Elterntaxis gefährliche Verkehrssituationen entstehen, zu; nur zwölf Prozent waren gegenteiliger Meinung (siehe Grafik).
Schulleiterin Schmolke hofft, dass aus dem Pilotprojekt ein Dauerzustand wird. Von der Stadt Köln erhalten die Schulen dafür Unterstützung. Doch die rechtliche Situation ist kompliziert.
Das Aktionsbündnis “Kidical Mass”, das Deutsche Kinderhilfswerk und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VDC) haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten der Kommunen aufzeigt. Demnach gebe es für die Städte und Gemeinden verschiedene Möglichkeiten, die Straßen vor Schulen punktuell für Autos zu sperren. Das geht etwa mittels einer sogenannten Teileinziehung, als Fahrradstraße, mit einer nachgewiesenen Gefahrenlage oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung.
Nordrhein-Westfalen hat daraufhin als erstes Bundesland nach einer rechtlichen Lösung gesucht, um die Einrichtung der Schulstraßen für die Kommunen zu ermöglichen und dazu einen Erlass herausgegeben. Anders, als der Begriff vermuten lässt, handelt es sich dabei jedoch nicht um eine gesetzliche Regelung. Vielmehr ist es eine Anleitung für die Kommunen, in der eine Teileinziehung von Straßen und die Absperrung durch Schranken oder Poller empfohlen wird.
Den Kommunen geht diese Regelung jedoch nicht weit genug. “Das Land Nordrhein-Westfalen zeigt mit dem aktuellen Erlass insbesondere die bereits vorhandenen Instrumente auf, mit denen Kommunen agieren können, um Straßen vor Schulen zu sperren”, sagte André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, zu Table.Briefings. Auch in anderen Ländern werde davon bereits Gebrauch gemacht.
Allerdings sei die Einrichtung von Schulstraßen, Fußgängerüberwegen oder Tempo-30-Zonen mit komplexen Nachweis- und Verwaltungsverfahren verbunden. “Nicht selten werden solche Maßnahmen rechtlich angefochten“, berichtet Berghegger. Daher müssten die rechtlichen Kompetenzen der Kommunen ausgeweitet werden. “Bundesweit wünschen sich die Städte und Gemeinden daher zusätzliche und deutlich einfachere Anordnungsmöglichkeiten, um den Straßenverkehr vor Schulen und entlang von Schulwegen noch sicherer zu machen.”
Bundesverkehrsminister Volker Wissing möchte den Kommunen durch eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes mehr Kompetenzen geben. Dies fordert auch der Städte- und Gemeindebund. “Klar ist, dass die Eignung bestimmter Maßnahmen wie etwa temporäre Straßensperrungen stets vor Ort bewertet werden muss”, sagt Berghegger.
Der Bundestag hat das Gesetz bereits verabschiedet, doch die Länder blockieren es derzeit noch im Bundesrat. Wie es weitergeht, scheint derzeit offen zu sein. Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums erklärte auf Anfrage von Table.Briefings, dass man den Gesetzesvorschlag “intensiv mit den Ländern diskutiert und alle Seiten berücksichtigt” habe. Sollte sich im Bundesrat keine politische Mehrheit abzeichnen, sei das Ministerium aber bereit, die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens zu prüfen.
Der OECD-Bildungsdirektor, Andreas Schleicher, ist Statistiker und Bildungsforscher und kritisiert seit Jahren das deutsche Bildungssystem. Er konzipierte die PISA-Studien und stellte 2001 die in Deutschland viel beachtete erste PISA-Studie vor. Seit 2002 ist er für das PISA-Programm zuständig und beteiligt sich an zahlreichen weiteren Bildungsprojekten. Für Table.Briefings schreibt er regelmäßig Kolumnen.
Mit PISA, dem OECD-Programm zur internationalen Schülerbeurteilung, verbinden die meisten Menschen Vergleichsdaten zum akademischen Erfolg in Schulfächern wie Mathematik oder Naturwissenschaften. Doch PISA bietet auch die größte und aktuellste Datenbank zu sozialen und emotionalen Ergebnissen. Im Jahr 2022 wurden im Rahmen von PISA große repräsentative Stichproben von Schülern in 81 Ländern und Volkswirtschaften befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Man könnte meinen, dass für 15-Jährige die Schule der letzte Ort ist, den sie mit ihrem Wohlbefinden in Verbindung bringen. Doch die Daten zeigen, dass die beiden stärksten Prädiktoren für die Lebenszufriedenheit der Schüler die Beziehungen zu ihren Eltern und ihr Leben in der Schule sind.
Auch an anderer Stelle widersprechen die PISA-Daten manchmal unseren Erwartungen. In der Ukraine fühlen sich die Schüler in ihren Schulen sicherer als im Durchschnitt der OECD-Länder und viel sicherer als in Ländern wie Großbritannien oder den USA. Und das in einem Land, das täglich unter Beschuss steht, in dem bereits Hunderte von Schulen durch die militärische Aggression Russlands zerstört wurden und ein Großteil des Schullebens in Bunkern stattfindet.
Sie berichteten auch über eine größere soziale Verbundenheit in der Schule. Aber das ist nur auf den ersten Blick eine Überraschung. Am 1. und 2. April besuchte ich die Schule 25 in Winnyzja, eine öffentliche Schule in einem weniger wohlhabenden Teil der Stadt, südwestlich von Kiew gelegen. In der Schule haben Schüler, Lehrer und Eltern schon vor dem Krieg daran gearbeitet, die Wertevermittlung, die ukrainische Identität und die Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls der Schüler zur zentralen Aufgabe der Bildung zu machen.
Dieser Fokus hat alles verändert, von der Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehungen über die Pädagogik, die Formen der Elternbeteiligung bis hin zur Organisation der Lernumgebung. Der Luftschutzkeller, der früher ein dunkles und schmutziges unterirdisches Lager war, hat sich in einen hellen und farbenfrohen Raum zum Lernen und Spielen verwandelt.
Die Schule 25 ist nicht allein. Mit der 2017 gestarteten Reform zu einer “Neuen ukrainischen Schule” haben sich viele Schulen auf diesen Weg der Umgestaltung gemacht. So ist es vielleicht weniger überraschend, dass die Schüler in der Ukraine auch ein höheres Maß an Eigenmotivation beim Lernen zeigen als die Schüler im gesamten OECD-Raum. Und dass sie trotz eines viel höheren Maßes an Störungen weniger akademische Verluste hinnehmen mussten als anderswo. In diesem Sinne kann das Land in diesen Zeiten des Wandels der Welt wichtige Lehren liefern.
Doch damit nicht genug: PISA gibt viele Hinweise darauf, wie Schulen dazu beitragen können, die emotionale Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Zunächst gaben Schülerinnen und Schüler, die mehr Unterstützung von ihren Familien erhalten, in allen teilnehmenden PISA-Ländern an, dass sie sich in der Schule stärker zugehörig fühlen. Dass sie zufriedener mit ihrem Leben sind und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen haben. Generell hatten Schüler, die zu Hause mehr Unterstützung erfuhren, auch eine positivere Einstellung zu Schule und Lernen.
Lange Zeit hat die Politik versucht, Schulen so zu gestalten, dass sie den Mangel an elterlichem Engagement in den Schulen ausgleichen. Diese Bemühungen haben wenig Früchte getragen, wie die großen und oft wachsenden sozialen Unterschiede bei den Lernergebnissen zeigen. Die Antwort scheint darin zu bestehen, die Eltern zum Teil der Lösung zu machen, anstatt sie als Teil des Problems zu betrachten. Viele Bildungssysteme in PISA zeigen, dass dies ein erreichbares Ziel ist.
Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Lernen eine soziale und relationale Erfahrung ist, in deren Mittelpunkt die Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehung steht. In vielen leistungsstarken Bildungssystemen sind die Lehrkräfte nicht nur großartige Lehrer, sondern auch Coaches, Mentoren, Gemeinschaftsbildner und kreative Gestalter von innovativen Lernumgebungen. Sie arbeiten auf diese Weise, weil ihre Bildungssysteme ihnen den Raum und die Unterstützung dafür bieten.
In den meisten Bildungssystemen erzielten die Schülerinnen und Schüler, die in der PISA-Studie über mehr Unterstützung durch die Lehrkräfte und ein besseres Klima in den Disziplinen berichteten, bessere Ergebnisse und berichteten über ein größeres Wohlbefinden. Letzteres umfasst das Gefühl der Zugehörigkeit zur Schule, eine allgemeine Zufriedenheit mit dem Leben, Vertrauen in die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen – und auch eine geringere Angst vor Mathematik.
Besorgniserregend ist, dass die Unterstützung durch die Lehrkräfte in den vergangenen Jahren nach Ansicht der Schüler tendenziell abgenommen hat. Bei PISA wurden die Schüler gefragt, welche Unterstützung sie während der Pandemie erlebt haben. Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler haben Online-Lernangebote bekommen, sie erhielten Material und Aufgaben auf einer Lernplattform. Aber nur drei Prozent gaben an, dass sich jemand von der Schule nach ihrem Befinden erkundigt hat, und weniger als 20 Prozent gaben an, dass sie Tipps für ihr eigenes Lernen erhalten haben. Unter Berücksichtigung des sozialen Hintergrunds und der mathematischen Leistungen gehörte diese Art der Unterstützung zu den Faktoren, die sich am stärksten und positivsten auf das Wohlbefinden der Schüler ausgewirkt haben.
Wir müssen uns von einer Welt, in der die Schüler als Konsumenten vorgefertigter Bildungsinhalte, die Lehrer als Dienstleister und die Eltern als Kunden betrachtet werden, hin zu einer Welt entwickeln, in der Bildung zu einem gemeinsamen Unternehmen wird. Dieses Unternehmen muss darauf ausgerichtet sein, der nächsten Generation dabei zu helfen, einen verlässlichen Kompass und Werkzeuge zu entwickeln, um mit Zuversicht durch eine sich schnell verändernde Welt zu navigieren.
Dies muss nicht auf Kosten der akademischen Exzellenz gehen. In der Tat zeigen uns so unterschiedliche Bildungssysteme wie Japan, Korea, Litauen oder die Schweiz, dass es selbst während der Pandemie möglich war, hohe Standards akademischer Exzellenz und ein starkes Gefühl emotionaler Widerstandsfähigkeit aufrechtzuerhalten und miteinander zu vereinbaren. In diesen Zeiten wird nichts wichtiger sein als das. Menschen, die keinen festen Boden unter den Füßen spüren, sind wahrscheinlich diejenigen, die später in ihrem Leben Mauern um sich herum errichten – wie selbstzerstörerisch das auch sein mag.
Dies ist die übersetzte Fassung der Kolumne von Andreas Schleicher. Das englische Original finden Sie hier.
Die CDU hat auf ihrem dreitägigen Parteitag Anfang der Woche ihr neues Grundsatzprogramm verabschiedet und darin rund vier Seiten der Bildung gewidmet. Einiges aus dem Entwurf ist gleichgeblieben. Doch ein genauer Blick in die finale Version zeigt auch Neues.
Besonders beim digitalen Lernen ist die CDU in ihrer Position stark zurückgerudert. “Lernmanagementsysteme und digitale Lerninhalte ermöglichen einen strukturierten Unterricht”, hieß es in der früheren Version – “auch dann, wenn Lehrkräfte ausfallen”. Nun betont die Partei die Priorität von Präsenzunterricht und macht klar: “Digitale Lernsysteme können den Unterricht bereichern, sie können die Lehrkraft aber nicht ersetzen.”
Außerdem befürwortet die CDU eindeutiger als zuvor den Erhalt von Förderschulen. Man bekenne sich zur UN-Behindertenrechtskonvention und zur Inklusion ins Bildungssystem, heißt es in dem Programm. Gleichzeitig brauche es “eine Vielfalt von Förderansätzen und Förderorten, darunter Förderschulen”.
Beim Bildungsauftrag selbst weitet die CDU ihr Verständnis. Lesen, Schreiben, Rechnen seien die Grundlage für Bildungserfolg. Daneben waren zuvor lediglich die politische und historische Bildung sowie der Musik- und Religionsunterricht ausdrücklich genannt. Jetzt heißt es: Musische, künstlerische, religiöse und philosophische Bildung förderten eine ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit. Auch Bildung für nachhaltige Entwicklung sei wichtig für ein verantwortungsvolles Handeln.
Überraschend ist darüber hinaus das Vorhaben, schrittweise zur Wehrplicht zurückzukehren. Dafür stimmte eine Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag. Das Modell sieht vor, anfangs nur je nach Bedarf einen Teil der Gemusterten einzuziehen. Langfristig soll es ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr geben, das junge Menschen wahlweise bei der Bundeswehr oder sozialen Einrichtungen absolvieren können.
In Bezug auf die berufliche Bildung findet sich ebenfalls ein neuer Abschnitt, der für einige Betriebe sicherlich ein erfreuliches Signal ist. “Wir wollen die deutschlandweite und internationale Mobilität von Auszubildenden fördern”, heißt es. Bereits jetzt profitieren insbesondere Engpassberufe von internationalen Azubis.
Auch sonst nimmt die CDU die stärkere Kooperation zwischen den Ländern in den Fokus. So setzt sie beispielsweise auf verbindliche bundeseinheitliche Qualitätsmindeststandards, auf die Reform der KMK und auf verpflichtende Sprachförderung – sowohl bei Vorschulkindern als auch ausländischen Arbeitnehmern. Zudem verspricht die Partei, den Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Ausgaben über den OECD-Durchschnitt zu heben. Dies solle “unabhängig vom Bruttoinlandsprodukt” geschehen. Ein Ziel, an dem sich die CDU messen lassen muss, sollte sie nach der nächsten Bundestagswahl wieder Teil der Regierung sein. Vera Kraft
Schülerinnen und Schüler sollen in Niedersachsen künftig mit der Einschulung eine digitale Identifikationsnummer bekommen. Damit soll verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche ohne Abschluss die Schule abbrechen. Das sei in der Corona-Zeit leider mehrfach vorgekommen, sagte eine Sprecherin des Kultusministeriums.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) will das Vorhaben noch in der bis 2027 laufenden Legislaturperiode umsetzen. Die Einführung einer Schüler-ID ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von SPD und Grünen. Zuerst hatte die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” über die Pläne berichtet.
“Im Kern geht es bei der Schüler-ID darum, den Bildungsverlauf einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers darzustellen”, sagte die Ministeriumssprecherin. Die ID solle dabei helfen, dass Kinder und Jugendliche nicht im System verloren gingen. “Jeder soll die Chance auf einen Abschluss haben.”
Das Thema ist nicht neu. Seit mehr als 20 Jahren wird über ein Bildungsverlaufsregister diskutiert – bislang aber kam es noch nicht zur Umsetzung. Datenschützer warnen immer wieder vor dem “gläsenern Schüler”. Mehrere Bundesländer haben schon Versuche unternommen, eine Schüler-ID einzuführen. Zum Teil werden bereits individuelle Schülerdaten erhoben, aber nicht konsequent über den gesamten Bildungsverlauf zusammengeführt.
Was nun genau unter der Identifikationsnummer in Niedersachsen gespeichert werden soll, werde derzeit noch diskutiert, heißt es aus dem Kultusministerium. Das Ziel sei aber nicht, alles, was je über einen Schüler oder eine Schülerin geschrieben wurde, etwa ein Sitzenbleiben, zu vermerken. Auch die technische Umsetzung der Schüler-ID werde noch geprüft – eine Karte soll es jedoch nicht geben.
Um den Bildungsverlauf perspektivisch auch bei einem Umzug eines Schülers in ein anderes Bundesland weiterverfolgen zu können, gibt es dem niedersächsischen Ministerium zufolge auf Ebene der Kultusministerkonferenz auch Überlegungen für eine bundesweite Schüler-ID. dpa/aku
Mehr als zwei Millionen Euro erhält das österreichische Start-up Teachino, um seine KI-gestützte App für Lehrkräfte weiter auszubauen. Hauptinvestor ist die Klett Gruppe. Daneben beteiligen sich auch das tba network aus Südtirol und mehrere Business Angels. Wie viel Geld das Klett-Bildungsunternehmen genau in das Start-up steckt, ist nicht bekannt. Darüber wurde Verschwiegenheit vereinbart, sagt Teachino-Geschäftsführer Stefan Raffeiner zu Table.Briefings. Klar ist aber: Bei dem Start-up erhofft man sich weitreichende Kooperationen mit Klett.
“Ich sehe extrem viel Potenzial im Zusammenführen der langjährigen Erfahrung im Erstellen hochwertiger Bildungsinhalte von Klett und unserer Expertise im Bereich KI und Unterrichtsplanung”, sagt Raffeiner. Es gebe dementsprechend schon mehrere Kooperationsideen.
Die Ernst Klett AG zeigt sich derweil noch zurückhaltend. Vorstandsmitglied David Klett stellt dem Teachino-Team offiziell erst einmal nur “Inspiration und Austausch” in Aussicht. “Alles Weitere wird die Zeit zeigen”, so Klett zu Table.Briefings.
Bislang bietet das Unternehmen vor allem KI-gestützte Lehrmedien, die sich an Schüler richten und teilweise Diagnose- oder Korrektur-Funktionen beinhalten. Einen digitalen Arbeitsplatz für Lehrer, wie ihn der Cornelsen Verlag kürzlich einführte, gibt es aber bislang nicht.
Teachino bietet Lehrkräften eine solche KI-Assistenz, die die Unterrichtsvorbereitung erleichtern soll. Raffeiner gründete die Lehrerplattform 2022 in Wien. Mittlerweile kommt die Anwendung eigenen Angaben zufolge im gesamten deutschsprachigen Raum zum Einsatz. Die Inhalte sind in Deutschland angepasst an Bundesland, Schultyp, Klassenstufe und Fach. vkr
Drei Außenhandelskammern (AHK) im außereuropäischen Ausland bieten seit kurzem deutschen Betrieben an, für sie nach geeigneten Azubis zu suchen – in Marokko, Ghana und Kolumbien. Zum neuen Ausbildungsjahr sollen die ersten Kohorten nach Deutschland ausreisen. Über die AHK Marokko sollen 20, über die Außenhandelskammern Ghana und Kolumbien jeweils zehn junge Menschen kommen.
In allen drei Ländern ist die Geburtenrate hoch und es kommen jährlich viele neue Fachkräfte auf den dortigen Arbeitsmarkt. “Die Unterstützung lokaler Regierungen ist eine Voraussetzung für Fachkräfteprojekte. Daher kooperieren wir mit den hiesigen Arbeitsagenturen”, sagt Wladimir Nikitenko, Interims-Delegierter der AHK Ghana, im Gespräch mit Table.Briefings. “Wir sehen in Afrika ein deutliches Potenzial für den Aufbau von Fachkräfteprojekten, daher werden wir künftig auch an allen unseren afrikanischen Standorten in den Aufbau solcher Projekte investieren.”
Die Programme in Marokko, Ghana und Kolumbien sind dabei ähnlich angelegt und verlaufen in drei Stufen. In einer ersten Phase geht es um die Stellenausschreibung für das Unternehmen und die Auswahl der Kandidaten. Ist das Online-Vorstellungsgespräch gut verlaufen, startet in der zweiten Phase die Vorbereitung für Deutschland. Dazu zählt ein Deutschkurs bis zum Sprachniveau B2 und interkulturelles Training. Ist der Sprachkurs bestanden und der Betrieb zufrieden, erfolgt im Idealfall die Unterschrift eines Ausbildungsvertrags. In der dritten Phase begleitet die AHK die Ausreise und das Ankommen in Deutschland. Im Fall Ghanas übernimmt das im ersten halben Jahr die ehrenamtliche Organisation Senior Expert Service.
Etwa 4.500 Euro kosten alle Pakete zusammen für die Unternehmen. Gebucht und bezahlt wird stufenweise. Für die Azubis aus Kolumbien soll der Ausbildungsbetrieb ein großes Energieunternehmen sein, für die jungen Menschen aus Marokko Unternehmen in Trier und Freiburg. Bei der AHK in Ghana sind es vor allem kleinere Betriebe. Schon seit 2017 hat die DIHK mit dem Bundeswirtschaftsministerium zudem den Aufbau von dualen Ausbildungsangeboten an mehreren AHK-Standorten weltweit gefördert. Damit sollen für deutschen Unternehmen im Ausland Fachkräfte gesichert werden. Es geht aber zunehmend auch um Fachkräftezuwanderung, etwa aus Kenia, Brasilien, der Türkei, Usbekistan und Ägypten. lcw/anpa
In einer Analyse im Africa.Table lesen Sie mehr zur Anwerbung der AHK Ghana und welche Hürden es zu bewältigen gilt.
Isabelle Sieh weiß aus persönlicher Erfahrung, wie hitzig Debatten zur Digitalisierung im Schulalltag werden können. Wenn an der Schule ihrer Kinder mal wieder darüber diskutiert wird, ob und wann die Schülerinnen und Schüler denn nun Tablets oder Laptops bekommen, lässt sie aber anderen den Vortritt. Die Rolle der Expertin und Vermittlerin in Sachen digitale Bildung behält Sieh sich für ihren Job vor: Seit Gründung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) 2021 ist sie Leiterin der Geschäftsstelle in Bonn.
Das wissenschaftliche Beratergremium der Kultusministerkonferenz spricht Empfehlungen für das Bildungswesen aus und soll damit dazu beitragen, dass die Kultusminister länderübergreifend zu Lösungen kommen. Da die Länder, allen voran Bayern, jedoch oft auf Eigenständigkeit pochen, war das Gremium schon bei seiner Gründung umstritten.
Daher durfte die SWK ihre Arbeit auch nur auf Probe aufnehmen – und muss jetzt beweisen, dass sie mit ihren Empfehlungen tatsächlich einen Mehrwert schafft. 2025 soll eine Evaluation zeigen, ob die Kommission ihre Arbeit fortsetzen darf. Doch vom Arbeiten auf Probe und politischen Querelen, betont Sieh, lässt sie sich nicht unter Druck setzen.
Die Aufgabe der Kommission sieht sie darin, dass “evidenzbasierte Erkenntnisse einen Weg in die Politik finden”. Als Geschäftsstellenleiterin trägt sie dazu bei, indem sie als Vermittlerin auftritt und komplizierte wissenschaftliche Erkenntnisse in eine verständliche Sprache übersetzt. Die Veröffentlichungen der SWK sollen so für alle anschaulich werden. Außerdem organisiert Isabelle Sieh Treffen zwischen den Forschenden der SWK, koordiniert Arbeitsgruppen und hilft inhaltlich bei der Erstellung der Gutachten.
Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik fühlt Sieh sich wohl. Nach ihrem Bachelor in Politik- und Wirtschaftswissenschaften, einem Master in Erziehungswissenschaften und Auslandsaufenthalten in Frankreich und Brüssel arbeitete Sieh an verschiedenen Universitäten.
2010 wurde sie Referentin des Präsidenten der Uni Flensburg und baute dort das neu zu besetzende Präsidium mit auf. “Ich bin damals schon ganz bewusst ein Stück weg von der reinen Wissenschaft gegangen, hin zum Organisieren und zur Vermittlung, weil mich das gereizt hat”, sagt Sieh. Auch auf ihrem jetzigen Posten als Geschäftsstellenleiterin der SWK will die 45-Jährige “ihre Leidenschaften für Wissenschaft und Management kombinieren”. Und sie wolle “einen Beitrag leisten, um die Bildungspolitik langfristig zu verbessern.”
Ein Schwerpunkt, dem sich die SWK widmet, ist die Digitalisierung der Schulen. Das Thema kennt Sieh nicht nur als Mutter, sondern auch aus ihrer Zeit als Referatsleiterin für “Bildung in der digitalen Welt” im Sekretariat der Kultusministerkonferenz. Die öffentliche und politische Debatte um Digitalisierung hält Sieh für zu einseitig. Oft seien die Rufe nach Laptops und Tablets besonders laut – als sei die Digitalisierung der Schulen bereits dann erfolgreich, wenn jede Klasse über genug digitale Endgeräte verfügt.
Dabei zeige die Forschung: “Die Kompetenzen, die es braucht, um die Geräte zu bedienen und zu verstehen, sind viel wichtiger als die Endgeräte selbst.” Es komme auf die Inhalte an, die vermittelt werden. Sie sollten auf ein Leben in einer digitalisierten Welt vorbereiten. Diese Einsicht will Sieh auch Politikern in Gesprächen vermitteln. Dabei müsse sie oft hartnäckig sein. “Ich denke auf lange Sicht und bin diplomatisch, aber manchmal muss man Dinge auch zuspitzen, um zum Ziel zu kommen.” Ihr Ziel: Lösungen zu finden, von denen alle Kinder nachhaltig profitieren. Tabea Berger
Research.Table. Karriere in der Wissenschaft: Beratung und Tenure sollen jungen Wissenschaftlern helfen. Häufig arbeiten wissenschaftliche Mitarbeiter ohne Aussicht auf Entfristung. In diesem Fall greift mitunter auch die umstrittene Befristungsregelung des WissZeitVG und macht eine Weiteranstellung unmöglich. Welche Wege es gibt, Nachwuchswissenschaftlern einen sichereren und transparenteren Karriereweg zu ermöglichen, lesen Sie hier.
Research.Table. Start-ups: Förderung von jungen Tech-Firmen in der EU. Der Bitkom und weitere europäische Digitalverbände haben Leitlinien für die kommende EU-Kommission aufgestellt. Welche Förderprogramme die Verbände sinnvoll finden und warum sie sich einen eigenen EU-Kommissar wünschen, lesen Sie hier.
Zeit: Mit welchen strukturellen Problemen Referendare kämpfen. Thede Helmers brach sein Referendariat in Oldenburg ab und berichtet nun über die veralteten dort herrschenden Machtstrukturen. Seine Erfahrung ist kein Einzelfall: Die Abbrecherquote ist bei diesem Studienseminar besonders hoch. Der von ihm gegründete Verein “Rettet das Ref” vereint ehemalige Lehramtsstudenten, die von ähnlichen Erfahrungen berichten können. Im Referendariat sei man zu stark von der Meinung des bewertenden Fachleiters abhängig. Die Bewertung sei oft willkürlich und undurchsichtig. Beschwerden gegen den Fachleiter von Helmers seien von der Seminarleitung nicht ernstgenommen worden. Zudem berichten Lehramtsstudenten im Referendariat von zu starkem psychischem Druck, von Burnout und teils sogar von Suizidgedanken. (Er wollte ein guter Lehrer werden. Dann galt er als überfordert)
Deutschlandfunk: Wie Schüler besser auf antidemokratische Einstellungen reagieren können. Das Projekt “Starke Lehrer, starke Schüler” soll Schulen im Umgang mit rechten antidemokratischen Tendenzen in der Schülerschaft unterstützen. Hier werden beispielsweise Fortbildungen für Lehrkräfte angeboten. Die Lehrer sollen auch darin unterstützt werden, aktiv gegen solche Strömungen vorzugehen. Hierfür werden eigens Argumentationsschulungen angeboten. Rechtsextreme Tendenzen gibt es an jeder Schule, doch es gibt große Unterschiede, wie sehr das Lehrerkollegium diese sieht und bekämpft. (Rechte Tendenzen an Berufsschulen, Interview U. Dannemann, Uni Potsdam)
NDR: Warum Musikverbände die Stundenplanreform in Mecklenburg-Vorpommern kritisieren. Im Schuljahr 2025/26 sieht die Reform der Stundentafel vor, die Fächer Musik, Kunst und Theater als Fächerverbund zu behandeln. Dies könne dazu führen, dass der Musikunterricht zu wenig stattfinde, beklagt ein Zusammenschluss aus Verbänden und Musikschulen. So kann es vorkommen, dass an einer Schule nur Kunst und Theater unterrichtet wird und Musik komplett wegfällt. Durch ein zu geringes geteiltes Stundenkontingent könne in keinem der Fächer der KMK-Standard erfüllt werden. Bildungsministerin Simone Oldenburg weist die Kritik zurück und betont, dass die Reform keine Kürzung der Fächer vorsehe. (Verbände fürchten um den Musikunterricht an den Schulen)
SZ: Kürzungen beim Musikunterricht sind die falsche Reaktion auf Pisa. Die Debatte über den Stellenwert von musischer Bildung schwelt in Bayern schon etwas länger. Auch hier wurde eine Stundenplanänderung beschlossen, die die Basiskompetenzen in den Vordergrund rückt. Doch gerade an musikbetonten Schulen lässt sich der positive Effekt von Musik-Unterricht auf die Kinder bemerken. So berichtet die Schulleiterin der Carl-Orff-Grundschule aus München von dem verbindenden Charakter des Schulorchesters. Musik ermögliche zudem Schülern, die nicht die deutsche Sprache beherrschen oder andere Schwierigkeiten in der Schule haben, Erfolge zu erzielen. (Immer auf die Kleinen)
Deutschlandfunk: Was Lehrer besonders schwierig finden, wenn sie an andere Schulen versetzt werden. In NRW sollen Abordnungen von Lehrkräften kurzfristig dem Lehrermangel an besonders schlecht ausgestatteten Schulen entgegenwirken. Bei den unterbesetzten Schulen handelt es sich häufig um Schulen mit großen pädagogischen Herausforderungen. Die betroffenen Lehrkräfte leiden unter den Abordnungen. Diese fühlen sich hilflos und müssen viel Zeit und Energie aufwenden, um sich an der neuen Schule einzuarbeiten. Auch für die Schulen, die auf die Abordnungen angewiesen sind, ist es schwierig, dass das Lehrerkollegium sich regelmäßig ändert. (Lehrkräftemangel in NRW: Lehrer werden an andere Schulformen abgeordnet)