zu meiner Schulzeit waren die Raucher selbst in den Abitur-Jahrgängen klar in der Minderheit und gehörten auf dem Schulhof zu den Uncoolen – zumindest habe ich das so empfunden. Und wenn, dann wurden normale Zigaretten geraucht. An Cannabis war nicht zu denken, was allerdings auch daran gelegen haben dürfte, dass die Dealer schlicht nicht bis in mein münsterländisches Heimatstädtchen vorgedrungen sind. Durch die in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossene Teillegalisierung könnte sich das ändern. Denn künftig muss Gras nicht mehr illegal beim Dealer gekauft werden. Spätestens jetzt erreicht das Thema damit auch die Schulen. Vera Kraft hat sich umgehört, wie sich die Legalisierung auf die Schulen auswirkt und welche Erfahrungen es bereits mit Präventionsprogrammen gibt.
In den Bildungsministerien der Länder bringt etwas anderes die Köpfe zum Rauchen: die Bund-Länder-Einigung zum Startchancen-Programm. Denn die Startchancen-Schulen sollen nach einem Sozialindex ausgewählt werden. Für die Kriterien macht der Bund grobe Vorgaben. Über die genaue Ausgestaltung können die Länder jedoch selbst entscheiden. Manche haben einen solchen Index bereits, andere müssen ihn nun schleunigst erstellen. Und nicht alle sind von der Sinnhaftigkeit des Unterfangens überzeugt, wie der Blick nach Bayern zeigt. Wir haben uns einen genauen Überblick verschafft, welche Sozialindizes in den Ländern bereits vorhanden sind – und wie diese aussehen. Die Ergebnisse haben wir Ihnen in einem exklusiven Papier zum Download bereitgestellt.
Drei Ampel-Minister, die sich einig sind – das ist mittlerweile eine besondere Erwähnung wert. Zumal Hubertus Heil (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Bettina Stark-Watzinger (FDP) alle unterschiedliche Parteibücher haben. Beim Fachkräftekongress am Montag suchten sie gemeinsam nach Lösungen, um Jugendliche besser in Ausbildungen zu bringen. Dazu trafen sie junge Menschen zum Speed-Dating und erkundigten sich nach ihren Bedürfnissen. Anna Parrisius war vor Ort und berichtet, ob es gefunkt hat.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!
In Bayern stößt die Auswahl der Startchancen-Schulen nach Sozialkriterien auf vehemente Kritik. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ute Eiling-Hütig (CSU), befürchtet, “dass ein solch flächendeckender Sozialindex all diejenigen Schulen stigmatisieren würde, die dabei auf den hinteren Plätzen rangieren, und damit auch die Schülerinnen und Schüler”. Leider zwinge das Startchancen-Programm des Bundes in gewissem Maße dazu, einen solchen Sozialindex zu erstellen, kritisierte Eiling-Hütig im Landtag.
Bundesweit sollen etwa 4.000 Schulen in herausfordernden Lagen über zehn Jahre gefördert werden. Bis zum 1. Juni müssen mindestens die ersten 1.000 benannt sein. Die im Januar beschlossene Bund-Länder-Vereinbarung schreibt vor, dass die Auswahl der Schulen nach sozialen, wissenschaftlich basierten Kriterien erfolgen muss. Nur dann können die Fördergelder des 20-Milliarden-Programms fließen. Alle Länder haben damit nun Sozialindex-Hausaufgaben. Einige sind damit längst fertig und haben jahrelange Erfahrung, wie etwa Hamburg. Andere haben noch einen langen Weg vor sich.
Zu diesen Ländern gehört Bayern. Auch die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) machte im Landtag keinen Hehl daraus, dass sie wenig von einem Sozialindex hält. “Ich persönlich bin kein Fan davon, weil ich der Meinung bin, wir brauchen passgenaue Maßnahmen vor Ort”, erklärte sie. “Wir werden aber im Zuge des Startchancen-Programms des Bundes einen Sozialindex einführen, weil uns der Bund dies vorschreibt.” Man werde es aber sehr viel differenzierter tun und nicht nur die zwei Mindestvoraussetzungen des Bundes heranziehen, Armut und Migration.
Das allerdings wäre kein bayerisches Alleinstellungsmerkmal. Viele Länder haben längst Kriterienkataloge entwickelt, damit vor allem die Schulen finanzielle oder auch personelle Förderung erhalten, die den größten Bedarf haben. Der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf spielt etwa in Hamburg, Brandenburg, Bremen, NRW, Schleswig-Holstein und Thüringen eine Rolle. Niedersachsen und Rheinland-Pfalz signalisieren, diesen Indikator ebenfalls zu übernehmen.
Lesen Sie hier: der Table.Media-Überblick zum Sozialindex in den Bundesländern
Durchforstet man die Vielzahl an Kriterien, die die einzelnen Länder auch im Zuge von landeseigenen Förderprogrammen entwickelt haben, stößt man auf Kriterien wie diese:
Die Rechnung des BMBF, durch das Startchancen-Programm die Mittelverteilung nach einem Sozialindex mit Nachdruck zu fördern, geht an mancher Stelle auf. Bayern ist ein gutes Beispiel. Bemerkenswert ist aber auch die Entwicklung in Thüringen.
Das Land hat in den vergangenen Monaten laut dem Ministerium intensiv an der Erstellung eines Sozialindex gearbeitet. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter stellte die Indikatoren und ihre Anwendung Mitte Oktober und am 9. Januar am Runden Tisch Schule vor. An ihm sind unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen und die beiden kommunalen Spitzenverbände vertreten. Anschließend erfolgte in zwei Januar-Terminen die Vorstellung bei den kommunalen Schulverwaltungsämtern. Getrennt für den Primarbereich und die Sekundarstufe I werden unter anderem der Migrationshintergrund der Schüler, der SGB-II-Bezug von Personen unter 65 Jahren und der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigt.
Erarbeitet hatte die Indikatoren eine Arbeitsgruppe für die Thüringer Schulauswahl, an der “einschlägige Wissenschaftler sowie ausgewählte Statistikstellen auf kommunaler Ebene” mitwirkten, heißt es vom Ministerium. Einen sehr ähnlichen Kriterienkatalog hat Brandenburg entwickelt. Denn zum 1. Februar hat das Land ein Schuldbudget auf der Grundlage eines Sozialindex eingeführt. Die Anforderungen im Startchancen-Programm werden nach Einschätzung des Ministeriums “beim Sozialindex für Brandenburger Schulen erfüllt”.
Ganz so weit ist man in Bayern noch nicht. Aber, so ist es der Parlamentsdebatte zu entnehmen, man will sich auf den steinigen Weg machen, um die weit mehr als 500 Startchancen-Schulen im Land benennen zu können. Die Ressourcenzuweisung nach einer Kategorisierung der Schulen anhand eines Sozialindex stelle für Bayern einen Paradigmenwechsel dar, betonte Ute Eiling-Hütig. “Es wird entsprechender Anstrengungen und auch kommunikativer Begleitung bedürfen, damit dieser neue Ansatz in der bayerischen Bildungslandschaft auf allgemeine Akzeptanz trifft.” Ob der Sozialindex wirklich so weiterhelfe wie gedacht, wage sie zu bezweifeln.
Seine Gäste begrüßt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an diesem Montag in Berlin mit Zahlen, die illustrieren sollen, was Fachkräftemangel bedeutet: Zwar gebe es aktuell 46 Millionen Erwerbstätige und damit so viele wie nie zuvor. Doch bis 2035 müssen laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte ersetzt werden. Ende 2023 bezifferte das IAB die Zahl der offenen Stellen bereits auf 1,7 Millionen.
Helfen soll dagegen – neben mehr Erwerbstätigkeit oder qualifizierter Einwanderung – an erster Stelle: die Ausbildung. Es gebe mit 1,6 Millionen der 20- bis 29-Jährigen zu viele junge Menschen ohne berufliche Erstausbildung, sagt Heil. Beim Fachkräftekongress präsentieren er, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sich in für die Ampel ungewohnter Einigkeit. Neue Maßnahmen stellen sie nicht vor. Erklärtes Ziel ist es stattdessen, dass Politik und Wirtschaft beim Kongress neue Lösungen finden.
Die drei Minister sprechen dafür mit Azubis: In einer Art Speed-Dating dürfen immer sechs Jugendliche mit einem Minister sprechen, nach 15 Minuten ertönt die Glocke zum Tischwechsel. “Ihr könnt uns sagen, wie wir besser werden können”, verspricht Heil beim ersten Date.
Die vielleicht wichtigste Frage stellt Habeck: Ob die Azubis wüssten, was andere von einer Ausbildung abhält? Dass das nicht einfach herauszufinden ist, davon überzeugte sich kürzlich das tiefenpsychologische Marktforschungsinstitut Rheingold. Beauftragt wurde es von der Joblinge AG, die NEETs (“Not in Education, Employment or Training”) in Ausbildung vermittelt – Jugendliche also, die nicht mehr zur Schule gehen, aber sich auch nicht in Ausbildung, Studium oder Arbeit befinden. Geplant war eine repräsentative Studie, doch trotz üppiger Bezahlung und viel Aufwand war es schwer, an Jugendliche heranzukommen. Herausgekommen ist daher eine qualitative Studie mit 38 Teilnehmern (zum Download).
Das Ergebnis: Die Jugendlichen stecken in ihrer Entwicklung fest. Von der Gesellschaft fühlen sie sich oft abgekapselt und misstrauen öffentlichen Institutionen. Sechs Typen machen die Forscher aus:
Dass NEETs einfach faul und verwöhnt sind, dieses Vorurteil hält Christiane Schubert, Regionalleiterin der Joblinge im Rhein-Main-Gebiet, durch die Studie widerlegt. Auch zu Arbeitsminister Heil ist die Erkenntnis vielleicht schon vorgedrungen: Beim Kongress kritisiert er allgemein eine “Jugendverächtlichkeit in der öffentlichen Debatte, als sei es die schlimmste und faulste Jugend der Welt.”
Das Problem aus Sicht der Joblinge: Unternehmen bemühten sich bisher zu wenig, die heterogene Gruppe der NEETs zu erreichen. Ein Gegenbeispiel präsentiert der Fachkräftekongress mit Stefan Sinnhuber, Geschäftsführer einer gemeinnützigen KfZ-Werkstatt in Oldenburg: Er bildet bewusst Schulabbrecher aus, schwache Hauptschüler und Förderschüler, viele haben Migrationshintergrund.
Ein Jahr lang absolvieren sie eine Einstiegsqualifizierung, ein von der Bundesagentur für Arbeit gefördertes Praktikum. Wenn sie die schaffen, gehen sie in der Ausbildung regulär zur Berufsschule, erhalten im Betrieb aber Nachhilfe. Bis zum Gesellenbrief kann es fünfeinhalb Jahre dauern, die Abschlussprüfung müssen die meisten mehrmals wiederholen. Erfolgsfaktoren aus Sicht von Geschäftsführer Sinnhuber: Wertschätzung, 1:1-Betreuung und vertraute Bezugspersonen.
Geht es nach Sinnhuber, sollte das Konzept bundesweit auf Handwerksberufe ausgeweitet werden. “Könnte nur ein Drittel der aktuell 1,6 Millionen 20- bis 29-Jährigen ohne Berufsausbildung so versorgt werden, gäbe es 500.000 zusätzliche Fachkräfte“, rechnet er vor. “Es bräuchte Anschubfinanzierungen, dann trägt sich das Konzept selbst.”
Wie es noch gehen kann, erklärt auf einem anderen Podium Henning Hanebutt, Geschäftsführer eines Dachdeckerbetriebs. Sein Unternehmen arbeitet neben Schülerpraktikanten schon länger mit jungen Jobbern zusammen – schließlich gehen viele junge Menschen heute lieber erstmal jobben. “Wir zeigen ihnen, dass es einen Mehrwert hat, morgens um 6 Uhr aufzustehen”, sagt Hanebutt. Manche kämen dann wieder – als Azubis.
Lesen Sie auch: Große Lernlücken bei Azubis: Betriebe steuern selbst nach
Arbeitsminister Heil präsentiert derweil bei der Abschlussveranstaltung des Kongresses eine Lösung, die er schon mehrmals gefordert hat: Es brauche endlich an allen weiterführenden Schulen richtige Berufsorientierung. “Gerade im Handwerk haben wir viele tolle Berufe, von denen viele nichts wissen.” Jugendliche litten in einer komplexer werdenden Welt unter einem “wahnsinnigen Defizit an Orientierung”.
Als hätte die Jury auf Heil gehört, gewinnt beim ersten Deutschen Fachkräftepreis am Abend in der Kategorie Ausbildung der Technologiekonzern Schott. Er organisiert Roadshows an Schulen. Wer bei einem Speed-Dating punktet, kann ohne Einstellungstest gleich zum Bewerbungsgespräch. Vielleicht überzeugt das ja ein paar junge Menschen, die sonst nicht gleich eine Ausbildung finden würden. mit Kira Münsterberg
Für Kinder und Jugendliche bleibt Cannabis zwar weiter illegal, doch das Gesetz zur Teillegalisierung könnte trotzdem erhebliche Auswirkungen auf Minderjährige haben. Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung und Suchtprävention – allein schon, weil sie ein Ort sind, an dem Kinder und Jugendliche gut erreicht werden können. Doch wie gut sind Schulen gewappnet, sich dieser Verantwortung zu stellen? Forscher haben untersucht, wie effektiv gängige (Präventiv-)Programme für Schulen sind. Zudem zeigt ein Blick nach Kanada, welche vier Ansätze besonders vielversprechend sind.
Wenn das Verfahren am 22. März nicht im Bundesrat durch Einspruch der Länder abgebremst wird, wird der Besitz und Erwerb von Cannabis ab April teilweise legal. Für das Gesetz stimmte am 23. Februar bereits eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten. Bei der vorangegangenen Debatte stand der Kinder- und Jugendschutz im Fokus – sowohl bei Befürwortern als auch bei Gegnern des Gesetzes. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, es brauche weniger Tabuisierung und mehr Aufklärung.
Lauterbachs Optimismus, mithilfe des Cannabisgesetzes den Kinder- und Jugendschutz zu stärken, teilen nicht alle. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, kritisiert, die Teillegalisierung vermittele “ein falsches Signal der Harmlosigkeit des Cannabiskonsums”. Er fürchtet auch bei Jugendlichen einen höheren Konsum und einen negativen Effekt auf schulische Leistungen. Noch deutlicher wird Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU), der eine “neue Drogenwelle auf unsere Schulen zukommen” sieht.
Auch Psychologe Reiner Hanewinkel befürchtet, dass junge Menschen durch die höhere Verfügbarkeit nun leichter an die Droge kommen. “Viele Jugendliche halten Zigarettenrauchen für gefährlicher als Cannabiskonsum und sind sich der möglichen psychischen Folgen von Cannabis nicht bewusst“, sagt der Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) im Gespräch mit Table.Media. Das Ziel müsse daher sein, Jugendlichen eine realistische Einschätzung der Risiken zu vermitteln.
Ein Projekt, das ab Frühjahr 2024 in allen Bundesländern ab der achten Klasse zum Einsatz kommen soll, ist “Der grüne Koffer“. Psychologie-Professor Hanewinkel hat das Programm zusammen mit anderen Forschern untersucht. In ihrer Studie kommen sie zu dem Schluss, dass das Methodenset zur Cannabisprävention nach durchschnittlich drei Schulstunden Wirkung zeigt. Die Teenager, die an dem Projekt teilnahmen, wussten besser als andere Gleichaltrige über Wirkung und Risiken von Cannabis Bescheid. Teils fingen sie sogar erst später oder gar nicht mit dem Cannabiskonsum an. Ähnliche Effekte zeigten sich laut Hanewinkel auch beim interaktiven Workshop “Cannabis – Quo vadis?”.
Die besten Präventionsprogramme seien jene, die nicht nur situations- und substanzbedingt angelegt sind und alle Ebenen, also Lehrer, Schüler und Eltern, mit einbeziehen, sagt Florian Beckenbauer, Geschäftsführer des Vereins Keine Macht den Drogen (KMDD). Manchmal brauche es die akute Krisenintervention an Schulen, aber: “Aufklärung sollte nicht wie ein Feuerlöscher nur dann eingesetzt werden, wenn es brennt.”
Einen Leitfaden, wie Schulen und Lehrkräfte mit dem Thema Cannabis umgehen sollen, lieferte 2018 die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), ausführlichere Infos finden sich mittlerweile online. In Reaktion auf die Teillegalisierung planen nun einige Bundesländer ihre Fortbildungs- und Präventionsangebote auszubauen. Hessen und Bayern wollen beispielsweise neue Online-Fortbildungen für Lehrer zum Thema Suchterkrankung anbieten. Zudem steht seit Beginn des zweiten Schulhalbjahres den Schulen in Hessen das Programm “Cannabis Kompakt” der BZgA zur Verfügung. Mit dem Projekt sollen Jugendliche der achten und neunten Klassen in drei Unterrichtseinheiten etwas über die Risiken des Cannabiskonsums lernen.
Vorbild für umfassendere Maßnahmen könnte Kanada sein, wo der Freizeit-Cannabiskonsum seit 2018 legal ist. Dort verabschiedete die Regierung einen Aktionsplan für einen ganzheitlichen Gesundheitsschutz in der Schule. Eine Studie des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences analysiert, wie der Aktionsplan Schulakteure unterstützen soll, substanzbedingte Störungen bei Jugendlichen zu verhindern. Vier evidenzbasierte Präventionsansätze sind dabei zentral:
Die große Befürchtung, die Legalisierung treibe den Cannabiskonsum unter Jugendlichen rapide nach oben, scheint sich in Kanada bislang nicht zu bewahrheiten. Gesunken ist der Konsum allerdings auch nicht. Einen Vorteil hat das Gesetz zur Teillegalisierung in Deutschland bereits jetzt, stellt Psychologe Hanewinkel fest: Schulen können das Thema nun einfacher auf die Tagesordnung bringen, ohne Angst haben zu müssen, dadurch in ein schlechtes Licht zu geraten. Angesichts der knappen Kapazitäten an vielen Schulen bedeute das aber eine zusätzliche Herausforderung.
Bildungsberater, KMK-Kenner, Reformer: In seiner Kolumne denkt Ex-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles regelmäßig Bildungspolitik neu. Erfahren Sie hier mehr über die Vita unseres Kolumnisten.
Es kommt nicht oft vor, dass die Kultusministerinnen und Kultusminister ihre Beschlüsse selbst so bedeutsam finden, dass sie diesen einen Namen verpassen. Im Fall des “Quedlinburger Beschlusses” vom 2. Juni 2005 war das der Fall. Die schöne Stadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt ist somit nicht nur eines der größten Flächendenkmäler Deutschlands, sondern auch prominente Namenspatronin in der Beschlusswelt der KMK.
Konkret steht der Quedlinburger Beschluss für die “Eckpunkte für die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden”. Der Quedlinburger Beschluss ist so lesenswert wie die Stadt Quedlinburg sehenswert: Wer die Quelle einiger Probleme der universitären Lehrkräfteausbildung in Deutschland sucht, findet sie hier.
Vor knapp 20 Jahren bekräftigte der Beschluss die verbindliche Festlegung auf das sogenannte Zwei-Fächer-Prinzip (anders als in vielen anderen Ländern, die sich mit einem Ausbildungsfach begnügen) sowie die Ausgestaltung der Studiengänge nach Lehrämtern (und nicht nach Schulstufen). Die konsequente Umstellung auf die gestufte Ausbildung im Bachelor und Master wurde vermieden. Und es blieb den Ländern überlassen, ob sie an der bisherigen Studienstruktur mit dem Abschlussziel Staatsexamen festhalten. Zudem wurde das universitäre Privileg in der Lehrkräftebildung festgeschrieben: Das Studium erfolgt an “Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen” (womit es keine Öffnung zu den Fachhochschulen gab).
Ein paar Jahre später erfolgte eine weitere wichtige Festlegung für die universitäre Lehrkräftebildung, die bis heute – negativ – nachwirkt: Das Papier “Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken” legt fest, dass die Universitäten nicht durchgängig eigene lehramtsbezogene Lehrveranstaltungen anbieten müssen. Es findet sich der – für die Fakultäten der Fachwissenschaften – schöne Satz: “Es ist davon auszugehen, dass – von Fach zu Fach unterschiedlich – größere Bereiche des lehramtsbezogenen fachwissenschaftlichen Lehrangebots Teil des Studienangebotes eines Faches insgesamt sind.”
Eine aktuelle Studie (“Lehrkräftebildung in Deutschland 2024 – Herausforderungen und Handlungsempfehlungen”, Veröffentlichung am heutigen Mittwoch), die ich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erarbeitet habe, kommt zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland zwar eine Vielzahl von Beschlüssen, aber keine ländereinheitliche Ausbildung der Lehrkräfte gibt. Wie schrieben der Bildungsforscher Maik Walm und die Bildungsforscherin Doris Wittek doch bereits vor zehn Jahren: “Die Frage, wie Lehrkräftebildung in Deutschland realisiert wird, lässt sich mit einer simplen Feststellung grundsätzlich beantworten – überall anders!”.
Meine Untersuchung bestätigt: Die Verteilung von Fachwissenschaften, Didaktik, Bildungswissenschaft und Praxisanteilen im Studium weicht in den Ländern erheblich voneinander ab. Hinzu kommt der deutliche Unterschied bei den (geringeren) Anforderungen im ersten Staatsexamen, an dem noch sieben Länder festhalten. Selbst innerhalb der Studiengänge mit Abschlussziel Staatsexamen unterscheidet sich der sogenannte Workload (ECTS-Punkte) um bis zu 90 ECTS, was immerhin einem Zeitaufwand von 2.700 Stunden entspricht.
Vor diesem Hintergrund sollte sich die KMK dringend eine kritische Überprüfung ihrer Beschlüsse vornehmen. Sie sollte ergebnisoffen auswerten, welche Beschlüsse sich über die letzten 20 Jahre bewährt haben und welche alten Zöpfe im Lichte der Erfahrungen (und des Bedarfs) abgeschnitten werden sollten. So gibt es beispielsweise keine überzeugenden Argumente, die gegen die Öffnung des universitären Privilegs in der Lehramtsausbildung und gegen die vollwertige Einbindung der Fachhochschulen sprechen.
Die Debatte um das sehr deutsche Dogma von zwei Fächern ist bereits angelaufen, wird aber viel zu zaghaft nur für den Quereinstieg diskutiert. Ähnlich zaghaft geht es bei der Frage der zweiphasigen Ausbildung zu: Erste duale Ansätze will man erproben, allerdings noch ohne jede übergreifende Verständigung über die Verzahnung von universitären Studienzeiten und Praxisphasen.
Der Bildungsföderalismus bietet auch Chancen. Die erwähnte Untersuchung weist darauf hin, dass sich die dort dokumentierten “Sonderentwicklungen” in den Ländern auch konstruktiv für die notwendige Reform der Lehrkräfteausbildung nutzbar machen lassen. Hierzu zählt zum Beispiel das sogenannte “Hamburger Modell” einer Zentralisierung der Fachdidaktiken in einer Fakultät. Oder die Reduzierung der Lehrämter in Richtung Stufenlehrämter wie in Berlin und Bremen sowie das Angebot flexibler Bachelor-Studiengänge, in denen man sich erst ab dem fünften Semester für die konkrete Schulart entscheidet, wie dies Rheinland-Pfalz praktiziert.
20 Jahre nach Quedlinburg bietet sich für das Präsidentschaftsland Saarland die Chance einer kritischen Revision alter Beschlüsse und einer produktiven Auswertung vorhandener Praxisansätze. Zeit für einen zukunftsfesten “Völklinger Beschluss” im Juni 2024.
Grundschulen arbeiten bislang nur selten kontinuierlich und strukturiert mit außerschulischen MINT-Bildungsakteuren zusammen. Fast die Hälfte der regelmäßig kooperierenden MINT-Akteure hält den Aufbau einer Kooperation mit Schulen für schwierig. Dies zeigt eine vom Nationalen MINT Forum (NMF) geförderte Studie, die Table.Media exklusiv vorliegt. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, woran Kooperationen scheitern. Sie zeigen aber auch, wie ein struktureller Austausch zwischen Ganztagsschulen und außerschulischen Lernorten besser gelingen kann.
Etwas mehr als ein Drittel der MINT-Akteure richtet sich mit ihrem Angebot an den Grundschulbereich. Damit liegt das Angebot weit hinter dem für die Sekundarstufe, das mit rund 80 Prozent mehr als doppelt so groß ist. Darüber hinaus finden die Kooperationen im Grundschulbereich bei lediglich 40 Prozent wöchentlich und über mehrere Wochen hinweg statt. Am häufigsten scheitern die Kooperationen der bundesweiten Studie zufolge an fehlenden Ansprechpartnern in den Schulen und einer fehlenden langfristigen Finanzierung. Genauso entscheidend ist aber auch ausreichendes Personal, das in den Schulen für den finanziellen und organisatorischen Rahmen sorgt. Zu wenig Personal bei den außerschulischen Anbietern kann aber ebenfalls ein Hindernis sein, zeigt die Studie, die das TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) an der Universität Ulm durchführte.
Ob Grundschulen externe MINT-Bildung in ihr Ganztagsangebot aufnehmen, hängt oft von einzelnen engagierten Personen ab. In Schulen fehlt häufig das Wissen über die Strukturen und Möglichkeiten der außerschulischen MINT-Bildungslandschaft. Zudem beeinflussen regionale Unterschiede, wie gut ein Match zwischen Schulen und MINT-Akteuren gelingt. Während Schulen in den Stadtstaaten und Großstädten leichter einen Partner finden, gestaltet sich die Suche in vielen ländlichen Regionen und bestimmten Bundesländern deutlich schwieriger.
“Die vielen außerschulischen MINT-Angebote bilden einen großen Schatz für die Bereicherung des Ganztags-Angebots“, heißt es seitens des NMF. Mit Blick auf den Ganztagsanspruch für Grundschüler ab dem Jahr 2026 sei anzunehmen, dass außerschulische Partner für Grundschulen an Bedeutung gewinnen. Hier bräuchte es laut dem NMF gezielte Kooperationsstrukturen, bei denen ähnlich wie bei Sportvereinen oder Musikschulen ein zielgenauer und regional angepasster Austausch stattfinde.Vera Kraft
Damit die sozial-ökologische Transformation gelingt, müssen Fachkräfte gesichert und das Erwerbspotenzial erhöht werden. Darauf verweist der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) in seinen “Empfehlungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben in der Arbeitswelt”, die Table.Media vorliegen. Das Beratungsgremium der Bundesregierung fordert eine “umfassende Bildung von der frühkindlichen Erziehung bis zur beruflichen Aus- und Weiterbildung.”
Viel Potenzial sieht der RNE bei drei Gruppen: Schulkinder, Jugendliche ohne Ausbildung und Langzeitarbeitslose. “Für die Transformation müssen wir mehr in die Köpfe unserer Kinder investieren”, sagt RNE-Vorsitzender Reiner Hoffmann. Als Maßnahmen nennt der RNE:
Deutschland mache bei der Ausbildung seines Nachwuchses Rückschritte, gerade im Vergleich zu anderen Industrieländern, sagt Hoffmann. Er verweist auf einen steigenden Anteil an Menschen in Deutschland mit Abschlüssen der Sekundarstufe I, also Haupt- oder Realschulabschlüssen. “Anderswo sinkt deren Anteil, erreicht ein höherer Anteil eines Jahrgangs die Hochschulreife”, sagt Hoffmann, früher Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Zwei zentrale Stellschrauben sieht der RNE-Chef: “Wir müssen deutlich mehr in Bildung investieren“. Das sei nur möglich, wenn der Staat seine Einnahmeseite verbessere oder anderweitig seine Ausgabespielräume erhöhe. “Wir kommen in der Debatte nicht weiter, solange die Politik nicht entschieden mehr Mittel für die gesamte Bildungskette von der frühkindlichen Erziehung bis zur beruflichen Weiterbildung zur Verfügung stellt.” Als zweites großes Hindernis sieht Hoffmann den Bildungsföderalismus, etwa mit Blick auf den Digitalpakt. Mit den Geldern des Bundes hätten die Länder häufig andere Löcher gestopft, wogegen der Bund dann aufgrund des Bildungsförderalismus keine Handhabe gehabt habe. Caspar Dohmen
Die ausführliche Analyse lesen Sie in unserem ESG.Table.
Der digitale Weiterbildungsanbieter Fobizz aus Hamburg hat einen neuen strategischen Partner an seiner Seite. Künftig gehört der Inhalteproduzent für Unterrichtsentwürfe und Lernmaterialien to teach zu der Plattform. Die to teach-Gründer Felix Weiß und Marius Lindenmeier waren die ersten, die mit ihrem EdTech konsequent auf Künstliche Intelligenz setzten, um Lehrkräften bei der Erstellung von Lernmaterial zu helfen.
Weiß und Lindenmeier bleiben beide Geschäftsführer von to teach. “Es geht uns darum, Lehrkräfte zu unterstützen und gemeinsam einen Mehrwert sowohl im Klassenzimmer als auch in der Vorbereitung für modernes Unterrichten zu schaffen”, sagte Weiß zu Table.Media. Die Kooperation wird am heutigen Mittwoch offiziell verkündet.
Der Wandel, der mit dem Kauf einhergeht, ist für Fobizz größer als für den Inhalte-Creator to teach. Das Hamburger Unternehmen von Diana Knodel war der Shooting-Star des vergangenen Jahres. Knodel setzte mit der Veröffentlichung von ChatGPT voll auf Künstliche Intelligenz. Das traf zum einen die Bedürfnisse einer Lehrerschaft, die dem Thema KI neugierig gegenüberstand – und die digitalen Fortbildungsangebote geradezu überrannte. Für Online-Seminare gab es zum Teil 1.700 Interessenten.
Zum anderen akquirierte Fobizz mit einem KI-Assistenten in den zuständigen Bundesländern seine ersten Landeslizenzen. “Wir sind gestartet als Weiterbildungsplattform für Lehrkräfte und sind heute Dienstleister für Lehrkräfte und Schulen rund um Digitalisierung und KI”, sagte Knodel zu Table.Media. “Wir verstehen uns als täglicher Begleiter für Lehrkräfte, speziell beim Thema KI – und können nun auch Unterrichtsmaterialien anbieten.”
Knodel und Weiß betonen, dass die Lehrkräfte durch die Künstliche Intelligenz bei Fobizz und to teach nicht fremdgesteuert würden. Denn die Lernmaterialien bei to teach werden nicht aus dem allgemeinen Korpus der Großen Sprachmodelle wie ChatGPT gepromptet. Vielmehr fokussieren Weiß und Lindemeier das LLM, indem sie gezielt Inhalte aus Lehrplänen und Curricula zur Grundlage machen.
Darin soll auch die nähere Zukunft bestehen. Fobizz und to teach werden wohl Unterrichtsmaterialien anbieten, die einerseits von den Lehrkräften auf ihre Schüler ausgerichtet werden und die andererseits eng an die Bildungspläne des jeweiligen Bundeslandes angelehnt sind. Christian Füller
Lehrerinnen und Lehrer aus dem Ausland haben es schwer, ihren Berufsabschluss in Deutschland anerkennen zu lassen. Das zeigt der aktuelle Anerkennungsbericht des Bundesbildungsministeriums, den das Kabinett in der vergangenen Woche verabschiedet hat (zum Download).
Demnach haben im Jahr 2022 knapp 2.000 ausländische Lehrer beantragt, ihren Beruf auch in Deutschland ausüben zu dürfen. Lediglich 14 Prozent von ihnen bekamen eine volle Gleichwertigkeit der Ausbildung anerkannt. Fast zwei Drittel erhielten Ausgleichsmaßnahmen als Auflage, mussten für die Anerkennung also zunächst Weiterbildungen in Deutschland absolvieren. Weitere 10 Prozent erhielten einen partiellen Berufszugang. Sie dürfen daher nur bestimmte Tätigkeiten ausüben. In 13 Prozent der Fälle wurde der Antrag vollständig abgelehnt.
Häufig erhalten ausländische Lehrerinnen und Lehrer die Auflage, zunächst ein zweites Fach zu studieren. In den meisten Bundesländern ist die Ausbildung in mindestens zwei Fächern Voraussetzung. “International betrachtet ist dies eher eine deutsche Besonderheit: In der Regel findet in anderen Ländern eine Ausbildung in nur einem Fach statt”, heißt es in dem Bericht. Die Autoren kritisieren, dass das Studium eines zweiten Fachs sehr aufwendig sei und es selten spezielle Programme für ausländische Fachkräfte gebe. “Um trotzdem mehr Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen zu gewinnen, ist eine Lösung die Lehramtsbefähigung für ein einzelnes Fach”, heißt es in dem Bericht weiter. In Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen werde dies bereits praktiziert.
Außerdem schlagen die Autoren des Anerkennungsberichts vor, generell mehr ausländische Qualifikationen durch Eignungsprüfungen oder Anpassungslehrgänge auszugleichen. Darüber hinaus brauche es “flächendeckende Angebote an berufsfeldbezogenen Sprachkursen“, da für die Anerkennung in der Regel Kenntnisse auf C2-Level erforderlich seien. Maximilian Stascheit
Um (junge) Gründer, Pädagogen, Verlagsleute und Menschen aus der Bildungsverwaltung zu vernetzen und mit digitalen Technologien bekannt zu machen, gibt es bald einen eigenen Studiengang, den “MBA EdTech Management”. Die Fachhochschule des Mittelstandes und die EdTech-Beratung Eduvation kooperieren bei dem neuen Angebot, das im Herbst starten soll und etwa 14.000 Euro kosten wird. Zielgruppe des Studiengangs sind nicht etwa nur Start-ups, sondern alle, die sich mit dem Einsatz und dem Management moderner Bildungstechnologien befassen.
Im Moment ist der Studiengang noch in der Akkreditierung. Tim Brüggemann rechnet aber fest mit einem Beginn im Wintersemester. Er leitet das Programm und ist zugleich Vizepräsident für Lehre an der Hochschule des Mittelstandes. “Wir sind ja selbst ein EdTech, unsere Inhalte kann man leicht von überall her studieren”, sagte er Table.Media. Eigene Start-up-Studiengänge gibt es nach Auskunft Brüggemanns in der Bundesrepublik noch nicht. Die Lücke schließt das Programm – und bezieht auch Mitarbeitende von Schulbuchverlagen, Bildungsorganisationen, Stiftungen und der Kultusbürokratie mit ein. “Bildungstechnologien boomen, wer das mitgestalten will, sollte sich professionalisieren”, sagte Brüggemann.
Das Dozenten-Team bestehe aus “erfahrenen Unternehmer*innen und führenden Köpfen der EdTech-Branche”, heißt es in der Beschreibung des Studienganges. Träger der privaten Hochschule ist die Stiftung Bildung & Handwerk in Paderborn. Wer sich über den Studiengang informieren will, kann das am 7. März um 17 Uhr im Rahmen einer Video-Konferenz tun. Die Studiengebühren bereiten laut Brüggemann bisher niemandem Kopf zerbrechen – die Arbeitgeber zahlten. cif
Die gesundheitliche Beeinträchtigung von Referendaren in Hamburg nimmt offenbar zu. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung, über die das Hamburger Abendblatt berichtete. 465 von 1.231 angeschriebenen Nachwuchslehrkräften hatten sich daran beteiligt. Mehr als zwei Drittel von ihnen gaben an, dass ihre Gesundheit unter der Arbeit leide. Fast jeder fünfte Befragte fühlte sich “gesundheitlich stark beeinträchtigt” – ein leichter Anstieg (vier Prozentpunkte) gegenüber der letzten Befragung von 2017. Weitere 51 Prozent gaben an, sich “etwas gesundheitlich beeinträchtigt” zu fühlen.
Grund für die starke Belastung sind der Studie zufolge vor allem die zahlreichen Prüfungen. Nur knapp die Hälfte der Befragten empfindet die Prüfungsverfahren als transparent. Fast zwei Drittel fühlen sich dadurch belastet. Die Unterstützung durch Mentoren und die Vorbereitungszeit für Hospitationen empfinden angehende Lehrkräfte ebenfalls als unzureichend. Zudem klagen viele Referendare über fehlende Erholungspausen und unangemessene Beachtung des Themas Gesundheit durch Seminarleiter.
Die Erfahrungen des Referendariats wirken sich auch auf die weitere Karriereplanung aus: So beabsichtigen nur 32 Prozent der Befragten, später in Vollzeit in den Beruf zu starten. 2017 waren es noch 35 Prozent. Nur 72 Prozent gaben an, dass sie den Beruf wieder wählen würden – ein Rückgang von 15 Prozent.
Ein Sprecher der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung verwies auf Anfrage von Table.Media darauf, dass es sich bei den Zahlen um eine “interne, außerdem noch nicht abgeschlossene Auswertung” handele. Allerdings kündigte er an, dass auf Basis der Befragungsergebnisse nun in einem “breiten Beteiligungsverfahren” bis Ende des Schuljahres Maßnahmen entwickelt würden, um Referendarinnen und Referendare weiter zu entlasten.
Zudem würden sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt “gute Lösungsansätze zeigen”. Als Beispiele nennt die Behörde eine stärkere Integration des Themas Lehrkräftegesundheit in die Ausbildung, mehr Transparenz der Bewertungsanforderungen und die Verkürzung des Vorbereitungsaufwands bei Hospitationen. Mit Blick auf die Prüfungsbelastung verweist die Behörde jedoch darauf, dass Hamburg mit neun Unterrichtsbesuchen im gesamten Vorbereitungsdienst im Bundesvergleich bereits “eine sehr geringe Anzahl” vorgebe. Maximilian Stascheit
Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem am Ende die KI-getriebene Feedback-Software Fiete.ai die Nase vorn hatte. Das Tool für Schüler-Rückmeldungen in Echtzeit, das zugleich eine Korrektur-Hilfe für Lehrkräfte ist, hat den Start-up-Award der Didacta gewonnen. Die beiden Gründer Hendrik Haverkamp und Malte Hecht erhalten 3.000 Euro. Knapp dahinter landete Eduplaces, der erste App-Store für Bildungsanwendungen. (Table.Media berichtete) Vergeben wird der Preis von der Bielefelder EdTech-Beratung Eduvation.
Fiete.ai arbeitet auf der Basis von ChatGPT. Das Tool hilft Pädagogen allerdings durch vorinstallierte Prompt-Templates, den Fokus der Rückmeldung für die Lernenden von den üblichen Halluzinationen des Sprachmodells zu befreien. “Die Lehrkraft kann dann durch das Hochladen eines entsprechenden Textes, den Fokus beim Feedback weiter verengen“, erklärt der Gründer und KI-Experte Haverkamp, der zugleich Digitalisierungsbeauftragte des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums in Gütersloh ist. Fiete.ai hatte in Rekordzeit von rund acht Monaten nach den ersten Testläufen mit Lehrkräften eine der begehrten Landeslizenzen bekommen. Erst vergangene Woche schaltete das Start-up Schullizenzen frei, das heißt ab sofort können Schulen das Tool für ihre Lehrerschaft buchen.
Schüler können auf zwei Arten ihre Aufsätze in Fiete.ai laden. Durch das Hineinkopieren ihres Textes in das Chat-Fenster. Oder in dem sie ihren handschriftlichen Text von einer Handschrifterkennung in digitale Schrift verwandeln. Diese Methode ist unter Datenschützern nicht ganz unumstritten. Der Korrektur-Assistent von Cornelsen zum Beispiel ist auch wegen dieser Problematik noch nicht für Lehrkräfte freigeschaltet. Der Grund: manche Datenschützer sehen die Handschrift als eine personenbezogene Information. Im Alltag macht die OCR-Technologie der Handschriftenerkennung die Nutzung des Tools einfacher. Hendrik Haverkamp sagte Table.Media: “Es war der Wunsch der Bundesländer, dass Fiete quasi als erstes neues Feature eine Handschriftenerkennung bekommt, weil viele Schulen eben nicht so gut ausgestattet sind.” Christian Füller
Erzieherinnen und Erzieher im öffentlichen Dienst verdienen im Vergleich zu Beschäftigten mit ähnlicher Ausbildung überdurchschnittlich viel. Zu diesem Ergebnis kommt der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft in einer aktuellen Auswertung. Demnach liegen die Gehälter von Erzieherinnen und Erziehern derzeit zwischen 2.931 und 4.447 Euro brutto im Monat. Voraussetzung für den Berufseinstieg ist in der Regel eine dreijährige Ausbildung an einer Fachschule oder vergleichbaren Einrichtung.
Der iwd vergleicht die Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher mit anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die ebenfalls eine dreijährige Ausbildung absolviert habe. In dieser Vergleichszielgruppe liegt die Gehaltsspanne zwischen 2.929 und 3.996 Euro – und damit etwas niedriger als bei den Erzieherinnen und Erziehern.
Allerdings zeigt die Auswertung auch, dass der Erwerb von Zusatzqualifikationen oder die Übernahme kleiner Führungsaufgaben für Kita-Beschäftigte im Vergleich zu Arbeitnehmer in anderen Servicebereichen eher unattraktiv ist. Während eine “herausgehobene Fachkraft” in Kitas 3.783 Euro brutto im Monat verdient, kommen entsprechende Mitarbeiter anderer Dienstleistungssparten auf 4.787 Euro.
Kritik an dem Bericht des arbeitgebernahen Wirtschaftsinstituts kommt von der GEW. Die “oberflächliche Auswertung” beweise erneut, dass sich das iwd “nur rudimentär mit der Profession der Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt hat”, sagte GEW-Vorstandsmitglied Doreen Siebernik zu Table.Media. Es sei verkürzt, “die Profession, die sich in der Trias aus Bildung, Erziehung und Betreuung bewegt, mit den Beschäftigten des Dienstleistungssektors zu vergleichen”.
Siebernik widerspricht außerdem der Behauptung, “dass Fort- und Weiterbildungen keinen monetären Mehrwert bringen würden”. So könnten Erzieherinnen, die beispielsweise Weiterbildungen im Kontext von Leitungstätigkeiten absolvieren, “einen erheblichen Sprung in der Eingruppierung machen”. Maximilian Stascheit
Dass Friederike Gribkowsky heute ehrenamtlich dem Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA) vorsitzt, war lange nicht ihr Ziel. Dabei hat die gebürtige Schweizerin eine familiäre Vorprägung: Ihr Großvater war schon vor dem Ersten Weltkrieg Schulpräsident der deutsch-schweizerischen Schule in Istanbul. Ihr deutscher Vater gründete in Genf die Deutsche Schule – allerdings nach Ende von Gribkowskys Schulzeit.
Nach dem Abitur begann Gribkowsky ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Freiburg. Kontakt mit dem Schulwesen hatte sie erst wieder als Mutter von drei Kindern – in der Funktion als Elternsprecherin.
2009 zog die Familie nach Bukarest, Gribkowskys Mann startete dort einen neuen Job. Zwei ihrer Kinder gingen dort auf die Deutsche Schule – und Gribkowsky wurde bald wieder in der Elternarbeit aktiv. Zwei Jahre später bekleidete sie einen Posten im Vorstand der Schule.
Den Weltverband Deutscher Auslandsschulen kannte Gribkowsky zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch nachdem sie bei einer Veranstaltung deutscher Schulen in Bratislava Thilo Klingebiel, heute wie damals Geschäftsführer des WDA, kennenlernt hatte, begannen Gespräche über einen Beitritt der Schule in Bukarest. 2011 gliederte Gribkowsky die Institution in den WDA ein, unter anderem, um an ihr das deutsche Abitur zu etablieren. 2015 kam Gribkowsky in den Vorstand des WDA. “Es gab damals weder Vorstandsmitglieder von Schulen aus der Region noch von kleinen Schulen im Aufbau, so wie unsere eine war”, sagt sie. Sechs Jahre lang war sie Schriftführerin, seit 2022 ist sie als Vorsitzende tätig.
Als Vorstandsvorsitzende des Weltverbands ist Gribkowsky heute für die Lobbyarbeit der Auslandsschulen in Deutschland zuständig. Im Austausch mit dem Auswärtigen Amt und verschiedenen Ausschüssen setzt sie sich vor allem dafür ein, den Begegnungscharakter der Deutschen Auslandsschulen zu erhalten – dass also Schüler aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen die Schulen besuchen und so zusammenkommen.
Aktuelle Finanzierungsschwierigkeiten durch einen schrumpfenden Haushalt erschweren den Schulen dieses Unterfangen. Knapp zwei Prozent müssen die Schulen in diesem Jahr einsparen. Ein weiteres Problem ist der zunehmende Lehrkräftemangel, auch an vielen Auslandsschulen. Während Rom oder Barcelona noch viele Bewerbungen aus Deutschland erhalten, ist die Lage etwa in den Ländern an der Grenze zur Ukraine schwieriger.
Auf den Institutionen laste “doppelter Druck”. Durch den globalen Lehrkräftemangel seien auch staatliche Schulen vor Ort gezwungen, ihren Pädagogen mehr Geld zu zahlen. Dadurch falle es Mitgliedern des WDA immer schwieriger, ortsansässige Lehrkräfte zu gewinnen. “Viele Schulen sind inzwischen unter Druck, ihr hohes Niveau zu halten”, sagt Gribkowsky.
Um die steigenden Kosten abzufedern, mussten in der Vergangenheit viele Schulen die Gebühren erhöhen – laut einer Umfrage des Auslandsschulkompasses des WDA gaben 40 Prozent der befragten Schulen an, die Schulgebühren angehoben zu haben. Die Folge: “Das bedroht ganz konkret die Durchlässigkeit für sozial schlechter gestellte Familien, weil sich immer weniger Eltern die Schulgebühren leisten können”, sagt Gribkowsky.
Aus Deutschland wünscht sich die WDA-Vorsitzende mehr Bewusstsein dafür, was die Auslandsschulen für das Ansehen Deutschlands in der Welt leisten. Sie sollten als verlängerter Arm deutscher Sicherheitspolitik verstanden werden. So erhielt die Deutsche Schule Kiew 2023 einen Sonderpreis beim IHK-Auslandsschulwettbewerb 2023 dafür, dass sie trotz des russischen Angriffskriegs ihren Unterrichtsbetrieb in vorbildlicher Weise aufrechterhalten hat – online, hybrid und in Präsenz. Gribkowsky sagt: “In solchen Kriegsgebieten wachsen Menschen heran, die in den Schulen Frieden finden”. Jasper Bennink
Research.Table: Länder-Kompass Thüringen. Mittelstand auf dem Weg zu mehr Forschung. Besonders stolz ist Wolfgang Tiefensee auf die thüringischen “Kernbranchen” im Innovationsbereich: Optik, Medizintechnik und Mikroelektronik. Die Leistungen des Bundes zum Ausbau der hiesigen Forschungslandschaft seien allerdings unterdurchschnittlich. Daher begrüßt der frühere Bundesminister für Verkehr besonders eine jüngere Entscheidung des Bundes. Mehr
Research.Table: Studie: KMU fehlen Fachkräfte für Innovationen. Innovationen sind wichtig für die sozial-ökologische Transformation – dem deutschen Mittelstand fällt es laut des KfW-Innovationsberichts aber schwer, diese zu entwickeln. Ein Grund: Sie haben Probleme bei der Personalsuche. Mehr
Schulsystem | Die Mehrheit der Deutschen ist mit dem aktuellen Schulsystem unzufrieden. Das ergibt eine exklusive Forsa-Umfrage. Zudem wünschen sich die meisten ein Ende des Bildungsföderalismus. RND
AfD | In Niedersachsen hat der AfD-Abgeordnete Dirk Brandes einen Brief an Schülervertretungen geschrieben. René Mounajed vom Schulleitungsverband sieht darin einen Angriff auf die Schule als überparteilichen, demokratischen Ort. Auch Extremismusforscher Gert Pickel sieht konstatiert eine gezielte Einflussnahme und stellt eine Forderung an Schulen. NDR
Lehrkräftemangel | 111 der 370 Bediensteten des saarländischen Bildungsministeriums sind abgeordnete Lehrkräfte. Das ergab eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Frank Wagner. Zuvor hatten sich bereits die Grünen an den Landesrechnungshof gewandt. Überdurchschnittlich viele Abordnungen fallen in die Amtszeit von KMK-Präsidentin Streichert-Clivot. Saarbrücker Zeitung
Social Media | 24,5 Prozent der Zehn- bis Siebzehn-Jährigen nutzen soziale Medien riskant viel. Die meiste Zeit verbringen sie auf Whatsapp. Das ergab eine Untersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Handelsblatt
Handyverbot | Welche Regelungen haben andere Länder für die Handynutzung an Schulen? In Italien können Smartphones im Unterricht für pädagogische Zwecke genutzt werden, sind ansonsten aber verboten. Frankreich geht noch einen Schritt weiter und verbietet mit einer Ausnahme die Handynutzung auch in den Pausen. Auch sonst wird das Thema heiß diskutiert. Deutsches Schulportal
Didacta | Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz – frei nach Pestalozzi, mit Hand, Herz und Kopf. Das sagt ein ehemaliger Schulleiter zur Diskussion live von der Didacta mit Saskia Esken, Dorothee Feller, Gesine Adameck und Susanne Lin-Klitzing. Es geht um die Digitalisierung, Sprachförderung und eine engere Zusammenarbeit mit Verbänden. Dlf
04. bis 08. März 2024, online
offenes Forum Open Education Week 2024
Seit 2012 findet jährlich die länderübergreifende Open Education Week statt. Verschiedene Veranstaltungen sollen das Bewusstsein für innovative Open-Education-Praktiken schärfen. Auch die Siemens Stiftung beteiligt sich an der Woche und legt dabei den Schwerpunkt auf MINT. INFOS & ANMELDUNG
10. bis 13. März 2024, Halle
Kongress DGfE-Kongress 2024: Krisen und Transformationen
Krisen und damit verbundenen Transformationen haben Einfluss auf die Erziehungswissenschaften. Inwiefern wird in verschiedenen Vorträgen diskutiert. Anmeldungen sind noch bis zum 1. März möglich. INFOS & ANMELDUNG
13. März 2024, 13:00 bis 16:55 Uhr, Heidelberg
bildungspolitisches Gespräch Herausforderungen für Schule und Lehrer:innenbildung im Lichte der IQB-Bildungstrends
Die Pädagogische Hochschule Heidelberg lädt zu ihrem zweiten bildungspolitischen Gespräch ein. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Schule kommen zusammen, um über Lösungen für mehr Bildungsgerechtigkeit und eine Trendwende in der Kompetenzentwicklung zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
14. März 2024, 08:45 bis 14:00 Uhr, Oldenburg
Tagung Schulmanagement-Tagung 2024
Die diesjährige Schulmanagement-Tagung steht unter dem Motto “Junge Generation – anders? Schule – anders!” Nach zwei Vorträgen wird es Impulse, etwa zur Schul- und Unterrichtsentwicklung aus der Perspektive von Schülern oder Einflüssen der Digitalisierung auf Leben und Lernen von Schülern. Anmeldefrist ist der 29. Februar. INFOS & ANMELDUNG
15. März 2024, Potsdam
Preisverleihung EuropaSCHULpreis – Friedrich-Preis für Europäische Bildung
Zum dritten Mal werden Schulen ausgezeichnet, die europäischen Werte in ihren schulischen Alltag integrieren. Der Preis wird in den folgenden drei Kategorien vergeben: Begegnung in Europa, Erkundungen in Europa und Bildung in Europa. INFOS & ANMELDUNG
19. März 2024, 10:30 bis 17:00 Uhr, Berlin
Konferenz Netzwerkkonferenz MINT und Ressourcenbildung im Fokus
Das BilRessNetzwerk lädt zur Diskussion darüber ein, wie Ressourcenkompetenzen in verschiedenen MINT-Bereichen etabliert werden können und vor allem Mädchen für MINT begeistert werden können. Dabei werden auch Leuchtturmprojekte und Materialien vorgestellt. INFOS & ANMELDUNG
22. März 2024, 12:00 bis 13:30 Uhr, Frankfurt am Main
Forum Mehr Lehrkräfte, mehr Kompetenzen: Wege aus der Bildungskrise
Wie können genug Lehrkräfte gewonnen werden und wie können sie wichtige Zukunftskompetenzen erlangen? Der Stifterverband stellt dazu seine Analyse vor. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gibt dazu einen Impuls. Eine Anmeldung ist bis zum 8. März möglich. INFOS & ANMELDUNG
zu meiner Schulzeit waren die Raucher selbst in den Abitur-Jahrgängen klar in der Minderheit und gehörten auf dem Schulhof zu den Uncoolen – zumindest habe ich das so empfunden. Und wenn, dann wurden normale Zigaretten geraucht. An Cannabis war nicht zu denken, was allerdings auch daran gelegen haben dürfte, dass die Dealer schlicht nicht bis in mein münsterländisches Heimatstädtchen vorgedrungen sind. Durch die in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossene Teillegalisierung könnte sich das ändern. Denn künftig muss Gras nicht mehr illegal beim Dealer gekauft werden. Spätestens jetzt erreicht das Thema damit auch die Schulen. Vera Kraft hat sich umgehört, wie sich die Legalisierung auf die Schulen auswirkt und welche Erfahrungen es bereits mit Präventionsprogrammen gibt.
In den Bildungsministerien der Länder bringt etwas anderes die Köpfe zum Rauchen: die Bund-Länder-Einigung zum Startchancen-Programm. Denn die Startchancen-Schulen sollen nach einem Sozialindex ausgewählt werden. Für die Kriterien macht der Bund grobe Vorgaben. Über die genaue Ausgestaltung können die Länder jedoch selbst entscheiden. Manche haben einen solchen Index bereits, andere müssen ihn nun schleunigst erstellen. Und nicht alle sind von der Sinnhaftigkeit des Unterfangens überzeugt, wie der Blick nach Bayern zeigt. Wir haben uns einen genauen Überblick verschafft, welche Sozialindizes in den Ländern bereits vorhanden sind – und wie diese aussehen. Die Ergebnisse haben wir Ihnen in einem exklusiven Papier zum Download bereitgestellt.
Drei Ampel-Minister, die sich einig sind – das ist mittlerweile eine besondere Erwähnung wert. Zumal Hubertus Heil (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Bettina Stark-Watzinger (FDP) alle unterschiedliche Parteibücher haben. Beim Fachkräftekongress am Montag suchten sie gemeinsam nach Lösungen, um Jugendliche besser in Ausbildungen zu bringen. Dazu trafen sie junge Menschen zum Speed-Dating und erkundigten sich nach ihren Bedürfnissen. Anna Parrisius war vor Ort und berichtet, ob es gefunkt hat.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!
In Bayern stößt die Auswahl der Startchancen-Schulen nach Sozialkriterien auf vehemente Kritik. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ute Eiling-Hütig (CSU), befürchtet, “dass ein solch flächendeckender Sozialindex all diejenigen Schulen stigmatisieren würde, die dabei auf den hinteren Plätzen rangieren, und damit auch die Schülerinnen und Schüler”. Leider zwinge das Startchancen-Programm des Bundes in gewissem Maße dazu, einen solchen Sozialindex zu erstellen, kritisierte Eiling-Hütig im Landtag.
Bundesweit sollen etwa 4.000 Schulen in herausfordernden Lagen über zehn Jahre gefördert werden. Bis zum 1. Juni müssen mindestens die ersten 1.000 benannt sein. Die im Januar beschlossene Bund-Länder-Vereinbarung schreibt vor, dass die Auswahl der Schulen nach sozialen, wissenschaftlich basierten Kriterien erfolgen muss. Nur dann können die Fördergelder des 20-Milliarden-Programms fließen. Alle Länder haben damit nun Sozialindex-Hausaufgaben. Einige sind damit längst fertig und haben jahrelange Erfahrung, wie etwa Hamburg. Andere haben noch einen langen Weg vor sich.
Zu diesen Ländern gehört Bayern. Auch die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) machte im Landtag keinen Hehl daraus, dass sie wenig von einem Sozialindex hält. “Ich persönlich bin kein Fan davon, weil ich der Meinung bin, wir brauchen passgenaue Maßnahmen vor Ort”, erklärte sie. “Wir werden aber im Zuge des Startchancen-Programms des Bundes einen Sozialindex einführen, weil uns der Bund dies vorschreibt.” Man werde es aber sehr viel differenzierter tun und nicht nur die zwei Mindestvoraussetzungen des Bundes heranziehen, Armut und Migration.
Das allerdings wäre kein bayerisches Alleinstellungsmerkmal. Viele Länder haben längst Kriterienkataloge entwickelt, damit vor allem die Schulen finanzielle oder auch personelle Förderung erhalten, die den größten Bedarf haben. Der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf spielt etwa in Hamburg, Brandenburg, Bremen, NRW, Schleswig-Holstein und Thüringen eine Rolle. Niedersachsen und Rheinland-Pfalz signalisieren, diesen Indikator ebenfalls zu übernehmen.
Lesen Sie hier: der Table.Media-Überblick zum Sozialindex in den Bundesländern
Durchforstet man die Vielzahl an Kriterien, die die einzelnen Länder auch im Zuge von landeseigenen Förderprogrammen entwickelt haben, stößt man auf Kriterien wie diese:
Die Rechnung des BMBF, durch das Startchancen-Programm die Mittelverteilung nach einem Sozialindex mit Nachdruck zu fördern, geht an mancher Stelle auf. Bayern ist ein gutes Beispiel. Bemerkenswert ist aber auch die Entwicklung in Thüringen.
Das Land hat in den vergangenen Monaten laut dem Ministerium intensiv an der Erstellung eines Sozialindex gearbeitet. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter stellte die Indikatoren und ihre Anwendung Mitte Oktober und am 9. Januar am Runden Tisch Schule vor. An ihm sind unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen und die beiden kommunalen Spitzenverbände vertreten. Anschließend erfolgte in zwei Januar-Terminen die Vorstellung bei den kommunalen Schulverwaltungsämtern. Getrennt für den Primarbereich und die Sekundarstufe I werden unter anderem der Migrationshintergrund der Schüler, der SGB-II-Bezug von Personen unter 65 Jahren und der Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf berücksichtigt.
Erarbeitet hatte die Indikatoren eine Arbeitsgruppe für die Thüringer Schulauswahl, an der “einschlägige Wissenschaftler sowie ausgewählte Statistikstellen auf kommunaler Ebene” mitwirkten, heißt es vom Ministerium. Einen sehr ähnlichen Kriterienkatalog hat Brandenburg entwickelt. Denn zum 1. Februar hat das Land ein Schuldbudget auf der Grundlage eines Sozialindex eingeführt. Die Anforderungen im Startchancen-Programm werden nach Einschätzung des Ministeriums “beim Sozialindex für Brandenburger Schulen erfüllt”.
Ganz so weit ist man in Bayern noch nicht. Aber, so ist es der Parlamentsdebatte zu entnehmen, man will sich auf den steinigen Weg machen, um die weit mehr als 500 Startchancen-Schulen im Land benennen zu können. Die Ressourcenzuweisung nach einer Kategorisierung der Schulen anhand eines Sozialindex stelle für Bayern einen Paradigmenwechsel dar, betonte Ute Eiling-Hütig. “Es wird entsprechender Anstrengungen und auch kommunikativer Begleitung bedürfen, damit dieser neue Ansatz in der bayerischen Bildungslandschaft auf allgemeine Akzeptanz trifft.” Ob der Sozialindex wirklich so weiterhelfe wie gedacht, wage sie zu bezweifeln.
Seine Gäste begrüßt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an diesem Montag in Berlin mit Zahlen, die illustrieren sollen, was Fachkräftemangel bedeutet: Zwar gebe es aktuell 46 Millionen Erwerbstätige und damit so viele wie nie zuvor. Doch bis 2035 müssen laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte ersetzt werden. Ende 2023 bezifferte das IAB die Zahl der offenen Stellen bereits auf 1,7 Millionen.
Helfen soll dagegen – neben mehr Erwerbstätigkeit oder qualifizierter Einwanderung – an erster Stelle: die Ausbildung. Es gebe mit 1,6 Millionen der 20- bis 29-Jährigen zu viele junge Menschen ohne berufliche Erstausbildung, sagt Heil. Beim Fachkräftekongress präsentieren er, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger sich in für die Ampel ungewohnter Einigkeit. Neue Maßnahmen stellen sie nicht vor. Erklärtes Ziel ist es stattdessen, dass Politik und Wirtschaft beim Kongress neue Lösungen finden.
Die drei Minister sprechen dafür mit Azubis: In einer Art Speed-Dating dürfen immer sechs Jugendliche mit einem Minister sprechen, nach 15 Minuten ertönt die Glocke zum Tischwechsel. “Ihr könnt uns sagen, wie wir besser werden können”, verspricht Heil beim ersten Date.
Die vielleicht wichtigste Frage stellt Habeck: Ob die Azubis wüssten, was andere von einer Ausbildung abhält? Dass das nicht einfach herauszufinden ist, davon überzeugte sich kürzlich das tiefenpsychologische Marktforschungsinstitut Rheingold. Beauftragt wurde es von der Joblinge AG, die NEETs (“Not in Education, Employment or Training”) in Ausbildung vermittelt – Jugendliche also, die nicht mehr zur Schule gehen, aber sich auch nicht in Ausbildung, Studium oder Arbeit befinden. Geplant war eine repräsentative Studie, doch trotz üppiger Bezahlung und viel Aufwand war es schwer, an Jugendliche heranzukommen. Herausgekommen ist daher eine qualitative Studie mit 38 Teilnehmern (zum Download).
Das Ergebnis: Die Jugendlichen stecken in ihrer Entwicklung fest. Von der Gesellschaft fühlen sie sich oft abgekapselt und misstrauen öffentlichen Institutionen. Sechs Typen machen die Forscher aus:
Dass NEETs einfach faul und verwöhnt sind, dieses Vorurteil hält Christiane Schubert, Regionalleiterin der Joblinge im Rhein-Main-Gebiet, durch die Studie widerlegt. Auch zu Arbeitsminister Heil ist die Erkenntnis vielleicht schon vorgedrungen: Beim Kongress kritisiert er allgemein eine “Jugendverächtlichkeit in der öffentlichen Debatte, als sei es die schlimmste und faulste Jugend der Welt.”
Das Problem aus Sicht der Joblinge: Unternehmen bemühten sich bisher zu wenig, die heterogene Gruppe der NEETs zu erreichen. Ein Gegenbeispiel präsentiert der Fachkräftekongress mit Stefan Sinnhuber, Geschäftsführer einer gemeinnützigen KfZ-Werkstatt in Oldenburg: Er bildet bewusst Schulabbrecher aus, schwache Hauptschüler und Förderschüler, viele haben Migrationshintergrund.
Ein Jahr lang absolvieren sie eine Einstiegsqualifizierung, ein von der Bundesagentur für Arbeit gefördertes Praktikum. Wenn sie die schaffen, gehen sie in der Ausbildung regulär zur Berufsschule, erhalten im Betrieb aber Nachhilfe. Bis zum Gesellenbrief kann es fünfeinhalb Jahre dauern, die Abschlussprüfung müssen die meisten mehrmals wiederholen. Erfolgsfaktoren aus Sicht von Geschäftsführer Sinnhuber: Wertschätzung, 1:1-Betreuung und vertraute Bezugspersonen.
Geht es nach Sinnhuber, sollte das Konzept bundesweit auf Handwerksberufe ausgeweitet werden. “Könnte nur ein Drittel der aktuell 1,6 Millionen 20- bis 29-Jährigen ohne Berufsausbildung so versorgt werden, gäbe es 500.000 zusätzliche Fachkräfte“, rechnet er vor. “Es bräuchte Anschubfinanzierungen, dann trägt sich das Konzept selbst.”
Wie es noch gehen kann, erklärt auf einem anderen Podium Henning Hanebutt, Geschäftsführer eines Dachdeckerbetriebs. Sein Unternehmen arbeitet neben Schülerpraktikanten schon länger mit jungen Jobbern zusammen – schließlich gehen viele junge Menschen heute lieber erstmal jobben. “Wir zeigen ihnen, dass es einen Mehrwert hat, morgens um 6 Uhr aufzustehen”, sagt Hanebutt. Manche kämen dann wieder – als Azubis.
Lesen Sie auch: Große Lernlücken bei Azubis: Betriebe steuern selbst nach
Arbeitsminister Heil präsentiert derweil bei der Abschlussveranstaltung des Kongresses eine Lösung, die er schon mehrmals gefordert hat: Es brauche endlich an allen weiterführenden Schulen richtige Berufsorientierung. “Gerade im Handwerk haben wir viele tolle Berufe, von denen viele nichts wissen.” Jugendliche litten in einer komplexer werdenden Welt unter einem “wahnsinnigen Defizit an Orientierung”.
Als hätte die Jury auf Heil gehört, gewinnt beim ersten Deutschen Fachkräftepreis am Abend in der Kategorie Ausbildung der Technologiekonzern Schott. Er organisiert Roadshows an Schulen. Wer bei einem Speed-Dating punktet, kann ohne Einstellungstest gleich zum Bewerbungsgespräch. Vielleicht überzeugt das ja ein paar junge Menschen, die sonst nicht gleich eine Ausbildung finden würden. mit Kira Münsterberg
Für Kinder und Jugendliche bleibt Cannabis zwar weiter illegal, doch das Gesetz zur Teillegalisierung könnte trotzdem erhebliche Auswirkungen auf Minderjährige haben. Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung und Suchtprävention – allein schon, weil sie ein Ort sind, an dem Kinder und Jugendliche gut erreicht werden können. Doch wie gut sind Schulen gewappnet, sich dieser Verantwortung zu stellen? Forscher haben untersucht, wie effektiv gängige (Präventiv-)Programme für Schulen sind. Zudem zeigt ein Blick nach Kanada, welche vier Ansätze besonders vielversprechend sind.
Wenn das Verfahren am 22. März nicht im Bundesrat durch Einspruch der Länder abgebremst wird, wird der Besitz und Erwerb von Cannabis ab April teilweise legal. Für das Gesetz stimmte am 23. Februar bereits eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten. Bei der vorangegangenen Debatte stand der Kinder- und Jugendschutz im Fokus – sowohl bei Befürwortern als auch bei Gegnern des Gesetzes. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, es brauche weniger Tabuisierung und mehr Aufklärung.
Lauterbachs Optimismus, mithilfe des Cannabisgesetzes den Kinder- und Jugendschutz zu stärken, teilen nicht alle. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, kritisiert, die Teillegalisierung vermittele “ein falsches Signal der Harmlosigkeit des Cannabiskonsums”. Er fürchtet auch bei Jugendlichen einen höheren Konsum und einen negativen Effekt auf schulische Leistungen. Noch deutlicher wird Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU), der eine “neue Drogenwelle auf unsere Schulen zukommen” sieht.
Auch Psychologe Reiner Hanewinkel befürchtet, dass junge Menschen durch die höhere Verfügbarkeit nun leichter an die Droge kommen. “Viele Jugendliche halten Zigarettenrauchen für gefährlicher als Cannabiskonsum und sind sich der möglichen psychischen Folgen von Cannabis nicht bewusst“, sagt der Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) im Gespräch mit Table.Media. Das Ziel müsse daher sein, Jugendlichen eine realistische Einschätzung der Risiken zu vermitteln.
Ein Projekt, das ab Frühjahr 2024 in allen Bundesländern ab der achten Klasse zum Einsatz kommen soll, ist “Der grüne Koffer“. Psychologie-Professor Hanewinkel hat das Programm zusammen mit anderen Forschern untersucht. In ihrer Studie kommen sie zu dem Schluss, dass das Methodenset zur Cannabisprävention nach durchschnittlich drei Schulstunden Wirkung zeigt. Die Teenager, die an dem Projekt teilnahmen, wussten besser als andere Gleichaltrige über Wirkung und Risiken von Cannabis Bescheid. Teils fingen sie sogar erst später oder gar nicht mit dem Cannabiskonsum an. Ähnliche Effekte zeigten sich laut Hanewinkel auch beim interaktiven Workshop “Cannabis – Quo vadis?”.
Die besten Präventionsprogramme seien jene, die nicht nur situations- und substanzbedingt angelegt sind und alle Ebenen, also Lehrer, Schüler und Eltern, mit einbeziehen, sagt Florian Beckenbauer, Geschäftsführer des Vereins Keine Macht den Drogen (KMDD). Manchmal brauche es die akute Krisenintervention an Schulen, aber: “Aufklärung sollte nicht wie ein Feuerlöscher nur dann eingesetzt werden, wenn es brennt.”
Einen Leitfaden, wie Schulen und Lehrkräfte mit dem Thema Cannabis umgehen sollen, lieferte 2018 die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), ausführlichere Infos finden sich mittlerweile online. In Reaktion auf die Teillegalisierung planen nun einige Bundesländer ihre Fortbildungs- und Präventionsangebote auszubauen. Hessen und Bayern wollen beispielsweise neue Online-Fortbildungen für Lehrer zum Thema Suchterkrankung anbieten. Zudem steht seit Beginn des zweiten Schulhalbjahres den Schulen in Hessen das Programm “Cannabis Kompakt” der BZgA zur Verfügung. Mit dem Projekt sollen Jugendliche der achten und neunten Klassen in drei Unterrichtseinheiten etwas über die Risiken des Cannabiskonsums lernen.
Vorbild für umfassendere Maßnahmen könnte Kanada sein, wo der Freizeit-Cannabiskonsum seit 2018 legal ist. Dort verabschiedete die Regierung einen Aktionsplan für einen ganzheitlichen Gesundheitsschutz in der Schule. Eine Studie des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences analysiert, wie der Aktionsplan Schulakteure unterstützen soll, substanzbedingte Störungen bei Jugendlichen zu verhindern. Vier evidenzbasierte Präventionsansätze sind dabei zentral:
Die große Befürchtung, die Legalisierung treibe den Cannabiskonsum unter Jugendlichen rapide nach oben, scheint sich in Kanada bislang nicht zu bewahrheiten. Gesunken ist der Konsum allerdings auch nicht. Einen Vorteil hat das Gesetz zur Teillegalisierung in Deutschland bereits jetzt, stellt Psychologe Hanewinkel fest: Schulen können das Thema nun einfacher auf die Tagesordnung bringen, ohne Angst haben zu müssen, dadurch in ein schlechtes Licht zu geraten. Angesichts der knappen Kapazitäten an vielen Schulen bedeute das aber eine zusätzliche Herausforderung.
Bildungsberater, KMK-Kenner, Reformer: In seiner Kolumne denkt Ex-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles regelmäßig Bildungspolitik neu. Erfahren Sie hier mehr über die Vita unseres Kolumnisten.
Es kommt nicht oft vor, dass die Kultusministerinnen und Kultusminister ihre Beschlüsse selbst so bedeutsam finden, dass sie diesen einen Namen verpassen. Im Fall des “Quedlinburger Beschlusses” vom 2. Juni 2005 war das der Fall. Die schöne Stadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt ist somit nicht nur eines der größten Flächendenkmäler Deutschlands, sondern auch prominente Namenspatronin in der Beschlusswelt der KMK.
Konkret steht der Quedlinburger Beschluss für die “Eckpunkte für die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden”. Der Quedlinburger Beschluss ist so lesenswert wie die Stadt Quedlinburg sehenswert: Wer die Quelle einiger Probleme der universitären Lehrkräfteausbildung in Deutschland sucht, findet sie hier.
Vor knapp 20 Jahren bekräftigte der Beschluss die verbindliche Festlegung auf das sogenannte Zwei-Fächer-Prinzip (anders als in vielen anderen Ländern, die sich mit einem Ausbildungsfach begnügen) sowie die Ausgestaltung der Studiengänge nach Lehrämtern (und nicht nach Schulstufen). Die konsequente Umstellung auf die gestufte Ausbildung im Bachelor und Master wurde vermieden. Und es blieb den Ländern überlassen, ob sie an der bisherigen Studienstruktur mit dem Abschlussziel Staatsexamen festhalten. Zudem wurde das universitäre Privileg in der Lehrkräftebildung festgeschrieben: Das Studium erfolgt an “Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen” (womit es keine Öffnung zu den Fachhochschulen gab).
Ein paar Jahre später erfolgte eine weitere wichtige Festlegung für die universitäre Lehrkräftebildung, die bis heute – negativ – nachwirkt: Das Papier “Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken” legt fest, dass die Universitäten nicht durchgängig eigene lehramtsbezogene Lehrveranstaltungen anbieten müssen. Es findet sich der – für die Fakultäten der Fachwissenschaften – schöne Satz: “Es ist davon auszugehen, dass – von Fach zu Fach unterschiedlich – größere Bereiche des lehramtsbezogenen fachwissenschaftlichen Lehrangebots Teil des Studienangebotes eines Faches insgesamt sind.”
Eine aktuelle Studie (“Lehrkräftebildung in Deutschland 2024 – Herausforderungen und Handlungsempfehlungen”, Veröffentlichung am heutigen Mittwoch), die ich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erarbeitet habe, kommt zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland zwar eine Vielzahl von Beschlüssen, aber keine ländereinheitliche Ausbildung der Lehrkräfte gibt. Wie schrieben der Bildungsforscher Maik Walm und die Bildungsforscherin Doris Wittek doch bereits vor zehn Jahren: “Die Frage, wie Lehrkräftebildung in Deutschland realisiert wird, lässt sich mit einer simplen Feststellung grundsätzlich beantworten – überall anders!”.
Meine Untersuchung bestätigt: Die Verteilung von Fachwissenschaften, Didaktik, Bildungswissenschaft und Praxisanteilen im Studium weicht in den Ländern erheblich voneinander ab. Hinzu kommt der deutliche Unterschied bei den (geringeren) Anforderungen im ersten Staatsexamen, an dem noch sieben Länder festhalten. Selbst innerhalb der Studiengänge mit Abschlussziel Staatsexamen unterscheidet sich der sogenannte Workload (ECTS-Punkte) um bis zu 90 ECTS, was immerhin einem Zeitaufwand von 2.700 Stunden entspricht.
Vor diesem Hintergrund sollte sich die KMK dringend eine kritische Überprüfung ihrer Beschlüsse vornehmen. Sie sollte ergebnisoffen auswerten, welche Beschlüsse sich über die letzten 20 Jahre bewährt haben und welche alten Zöpfe im Lichte der Erfahrungen (und des Bedarfs) abgeschnitten werden sollten. So gibt es beispielsweise keine überzeugenden Argumente, die gegen die Öffnung des universitären Privilegs in der Lehramtsausbildung und gegen die vollwertige Einbindung der Fachhochschulen sprechen.
Die Debatte um das sehr deutsche Dogma von zwei Fächern ist bereits angelaufen, wird aber viel zu zaghaft nur für den Quereinstieg diskutiert. Ähnlich zaghaft geht es bei der Frage der zweiphasigen Ausbildung zu: Erste duale Ansätze will man erproben, allerdings noch ohne jede übergreifende Verständigung über die Verzahnung von universitären Studienzeiten und Praxisphasen.
Der Bildungsföderalismus bietet auch Chancen. Die erwähnte Untersuchung weist darauf hin, dass sich die dort dokumentierten “Sonderentwicklungen” in den Ländern auch konstruktiv für die notwendige Reform der Lehrkräfteausbildung nutzbar machen lassen. Hierzu zählt zum Beispiel das sogenannte “Hamburger Modell” einer Zentralisierung der Fachdidaktiken in einer Fakultät. Oder die Reduzierung der Lehrämter in Richtung Stufenlehrämter wie in Berlin und Bremen sowie das Angebot flexibler Bachelor-Studiengänge, in denen man sich erst ab dem fünften Semester für die konkrete Schulart entscheidet, wie dies Rheinland-Pfalz praktiziert.
20 Jahre nach Quedlinburg bietet sich für das Präsidentschaftsland Saarland die Chance einer kritischen Revision alter Beschlüsse und einer produktiven Auswertung vorhandener Praxisansätze. Zeit für einen zukunftsfesten “Völklinger Beschluss” im Juni 2024.
Grundschulen arbeiten bislang nur selten kontinuierlich und strukturiert mit außerschulischen MINT-Bildungsakteuren zusammen. Fast die Hälfte der regelmäßig kooperierenden MINT-Akteure hält den Aufbau einer Kooperation mit Schulen für schwierig. Dies zeigt eine vom Nationalen MINT Forum (NMF) geförderte Studie, die Table.Media exklusiv vorliegt. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, woran Kooperationen scheitern. Sie zeigen aber auch, wie ein struktureller Austausch zwischen Ganztagsschulen und außerschulischen Lernorten besser gelingen kann.
Etwas mehr als ein Drittel der MINT-Akteure richtet sich mit ihrem Angebot an den Grundschulbereich. Damit liegt das Angebot weit hinter dem für die Sekundarstufe, das mit rund 80 Prozent mehr als doppelt so groß ist. Darüber hinaus finden die Kooperationen im Grundschulbereich bei lediglich 40 Prozent wöchentlich und über mehrere Wochen hinweg statt. Am häufigsten scheitern die Kooperationen der bundesweiten Studie zufolge an fehlenden Ansprechpartnern in den Schulen und einer fehlenden langfristigen Finanzierung. Genauso entscheidend ist aber auch ausreichendes Personal, das in den Schulen für den finanziellen und organisatorischen Rahmen sorgt. Zu wenig Personal bei den außerschulischen Anbietern kann aber ebenfalls ein Hindernis sein, zeigt die Studie, die das TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) an der Universität Ulm durchführte.
Ob Grundschulen externe MINT-Bildung in ihr Ganztagsangebot aufnehmen, hängt oft von einzelnen engagierten Personen ab. In Schulen fehlt häufig das Wissen über die Strukturen und Möglichkeiten der außerschulischen MINT-Bildungslandschaft. Zudem beeinflussen regionale Unterschiede, wie gut ein Match zwischen Schulen und MINT-Akteuren gelingt. Während Schulen in den Stadtstaaten und Großstädten leichter einen Partner finden, gestaltet sich die Suche in vielen ländlichen Regionen und bestimmten Bundesländern deutlich schwieriger.
“Die vielen außerschulischen MINT-Angebote bilden einen großen Schatz für die Bereicherung des Ganztags-Angebots“, heißt es seitens des NMF. Mit Blick auf den Ganztagsanspruch für Grundschüler ab dem Jahr 2026 sei anzunehmen, dass außerschulische Partner für Grundschulen an Bedeutung gewinnen. Hier bräuchte es laut dem NMF gezielte Kooperationsstrukturen, bei denen ähnlich wie bei Sportvereinen oder Musikschulen ein zielgenauer und regional angepasster Austausch stattfinde.Vera Kraft
Damit die sozial-ökologische Transformation gelingt, müssen Fachkräfte gesichert und das Erwerbspotenzial erhöht werden. Darauf verweist der Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) in seinen “Empfehlungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben in der Arbeitswelt”, die Table.Media vorliegen. Das Beratungsgremium der Bundesregierung fordert eine “umfassende Bildung von der frühkindlichen Erziehung bis zur beruflichen Aus- und Weiterbildung.”
Viel Potenzial sieht der RNE bei drei Gruppen: Schulkinder, Jugendliche ohne Ausbildung und Langzeitarbeitslose. “Für die Transformation müssen wir mehr in die Köpfe unserer Kinder investieren”, sagt RNE-Vorsitzender Reiner Hoffmann. Als Maßnahmen nennt der RNE:
Deutschland mache bei der Ausbildung seines Nachwuchses Rückschritte, gerade im Vergleich zu anderen Industrieländern, sagt Hoffmann. Er verweist auf einen steigenden Anteil an Menschen in Deutschland mit Abschlüssen der Sekundarstufe I, also Haupt- oder Realschulabschlüssen. “Anderswo sinkt deren Anteil, erreicht ein höherer Anteil eines Jahrgangs die Hochschulreife”, sagt Hoffmann, früher Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Zwei zentrale Stellschrauben sieht der RNE-Chef: “Wir müssen deutlich mehr in Bildung investieren“. Das sei nur möglich, wenn der Staat seine Einnahmeseite verbessere oder anderweitig seine Ausgabespielräume erhöhe. “Wir kommen in der Debatte nicht weiter, solange die Politik nicht entschieden mehr Mittel für die gesamte Bildungskette von der frühkindlichen Erziehung bis zur beruflichen Weiterbildung zur Verfügung stellt.” Als zweites großes Hindernis sieht Hoffmann den Bildungsföderalismus, etwa mit Blick auf den Digitalpakt. Mit den Geldern des Bundes hätten die Länder häufig andere Löcher gestopft, wogegen der Bund dann aufgrund des Bildungsförderalismus keine Handhabe gehabt habe. Caspar Dohmen
Die ausführliche Analyse lesen Sie in unserem ESG.Table.
Der digitale Weiterbildungsanbieter Fobizz aus Hamburg hat einen neuen strategischen Partner an seiner Seite. Künftig gehört der Inhalteproduzent für Unterrichtsentwürfe und Lernmaterialien to teach zu der Plattform. Die to teach-Gründer Felix Weiß und Marius Lindenmeier waren die ersten, die mit ihrem EdTech konsequent auf Künstliche Intelligenz setzten, um Lehrkräften bei der Erstellung von Lernmaterial zu helfen.
Weiß und Lindenmeier bleiben beide Geschäftsführer von to teach. “Es geht uns darum, Lehrkräfte zu unterstützen und gemeinsam einen Mehrwert sowohl im Klassenzimmer als auch in der Vorbereitung für modernes Unterrichten zu schaffen”, sagte Weiß zu Table.Media. Die Kooperation wird am heutigen Mittwoch offiziell verkündet.
Der Wandel, der mit dem Kauf einhergeht, ist für Fobizz größer als für den Inhalte-Creator to teach. Das Hamburger Unternehmen von Diana Knodel war der Shooting-Star des vergangenen Jahres. Knodel setzte mit der Veröffentlichung von ChatGPT voll auf Künstliche Intelligenz. Das traf zum einen die Bedürfnisse einer Lehrerschaft, die dem Thema KI neugierig gegenüberstand – und die digitalen Fortbildungsangebote geradezu überrannte. Für Online-Seminare gab es zum Teil 1.700 Interessenten.
Zum anderen akquirierte Fobizz mit einem KI-Assistenten in den zuständigen Bundesländern seine ersten Landeslizenzen. “Wir sind gestartet als Weiterbildungsplattform für Lehrkräfte und sind heute Dienstleister für Lehrkräfte und Schulen rund um Digitalisierung und KI”, sagte Knodel zu Table.Media. “Wir verstehen uns als täglicher Begleiter für Lehrkräfte, speziell beim Thema KI – und können nun auch Unterrichtsmaterialien anbieten.”
Knodel und Weiß betonen, dass die Lehrkräfte durch die Künstliche Intelligenz bei Fobizz und to teach nicht fremdgesteuert würden. Denn die Lernmaterialien bei to teach werden nicht aus dem allgemeinen Korpus der Großen Sprachmodelle wie ChatGPT gepromptet. Vielmehr fokussieren Weiß und Lindemeier das LLM, indem sie gezielt Inhalte aus Lehrplänen und Curricula zur Grundlage machen.
Darin soll auch die nähere Zukunft bestehen. Fobizz und to teach werden wohl Unterrichtsmaterialien anbieten, die einerseits von den Lehrkräften auf ihre Schüler ausgerichtet werden und die andererseits eng an die Bildungspläne des jeweiligen Bundeslandes angelehnt sind. Christian Füller
Lehrerinnen und Lehrer aus dem Ausland haben es schwer, ihren Berufsabschluss in Deutschland anerkennen zu lassen. Das zeigt der aktuelle Anerkennungsbericht des Bundesbildungsministeriums, den das Kabinett in der vergangenen Woche verabschiedet hat (zum Download).
Demnach haben im Jahr 2022 knapp 2.000 ausländische Lehrer beantragt, ihren Beruf auch in Deutschland ausüben zu dürfen. Lediglich 14 Prozent von ihnen bekamen eine volle Gleichwertigkeit der Ausbildung anerkannt. Fast zwei Drittel erhielten Ausgleichsmaßnahmen als Auflage, mussten für die Anerkennung also zunächst Weiterbildungen in Deutschland absolvieren. Weitere 10 Prozent erhielten einen partiellen Berufszugang. Sie dürfen daher nur bestimmte Tätigkeiten ausüben. In 13 Prozent der Fälle wurde der Antrag vollständig abgelehnt.
Häufig erhalten ausländische Lehrerinnen und Lehrer die Auflage, zunächst ein zweites Fach zu studieren. In den meisten Bundesländern ist die Ausbildung in mindestens zwei Fächern Voraussetzung. “International betrachtet ist dies eher eine deutsche Besonderheit: In der Regel findet in anderen Ländern eine Ausbildung in nur einem Fach statt”, heißt es in dem Bericht. Die Autoren kritisieren, dass das Studium eines zweiten Fachs sehr aufwendig sei und es selten spezielle Programme für ausländische Fachkräfte gebe. “Um trotzdem mehr Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen zu gewinnen, ist eine Lösung die Lehramtsbefähigung für ein einzelnes Fach”, heißt es in dem Bericht weiter. In Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen werde dies bereits praktiziert.
Außerdem schlagen die Autoren des Anerkennungsberichts vor, generell mehr ausländische Qualifikationen durch Eignungsprüfungen oder Anpassungslehrgänge auszugleichen. Darüber hinaus brauche es “flächendeckende Angebote an berufsfeldbezogenen Sprachkursen“, da für die Anerkennung in der Regel Kenntnisse auf C2-Level erforderlich seien. Maximilian Stascheit
Um (junge) Gründer, Pädagogen, Verlagsleute und Menschen aus der Bildungsverwaltung zu vernetzen und mit digitalen Technologien bekannt zu machen, gibt es bald einen eigenen Studiengang, den “MBA EdTech Management”. Die Fachhochschule des Mittelstandes und die EdTech-Beratung Eduvation kooperieren bei dem neuen Angebot, das im Herbst starten soll und etwa 14.000 Euro kosten wird. Zielgruppe des Studiengangs sind nicht etwa nur Start-ups, sondern alle, die sich mit dem Einsatz und dem Management moderner Bildungstechnologien befassen.
Im Moment ist der Studiengang noch in der Akkreditierung. Tim Brüggemann rechnet aber fest mit einem Beginn im Wintersemester. Er leitet das Programm und ist zugleich Vizepräsident für Lehre an der Hochschule des Mittelstandes. “Wir sind ja selbst ein EdTech, unsere Inhalte kann man leicht von überall her studieren”, sagte er Table.Media. Eigene Start-up-Studiengänge gibt es nach Auskunft Brüggemanns in der Bundesrepublik noch nicht. Die Lücke schließt das Programm – und bezieht auch Mitarbeitende von Schulbuchverlagen, Bildungsorganisationen, Stiftungen und der Kultusbürokratie mit ein. “Bildungstechnologien boomen, wer das mitgestalten will, sollte sich professionalisieren”, sagte Brüggemann.
Das Dozenten-Team bestehe aus “erfahrenen Unternehmer*innen und führenden Köpfen der EdTech-Branche”, heißt es in der Beschreibung des Studienganges. Träger der privaten Hochschule ist die Stiftung Bildung & Handwerk in Paderborn. Wer sich über den Studiengang informieren will, kann das am 7. März um 17 Uhr im Rahmen einer Video-Konferenz tun. Die Studiengebühren bereiten laut Brüggemann bisher niemandem Kopf zerbrechen – die Arbeitgeber zahlten. cif
Die gesundheitliche Beeinträchtigung von Referendaren in Hamburg nimmt offenbar zu. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung, über die das Hamburger Abendblatt berichtete. 465 von 1.231 angeschriebenen Nachwuchslehrkräften hatten sich daran beteiligt. Mehr als zwei Drittel von ihnen gaben an, dass ihre Gesundheit unter der Arbeit leide. Fast jeder fünfte Befragte fühlte sich “gesundheitlich stark beeinträchtigt” – ein leichter Anstieg (vier Prozentpunkte) gegenüber der letzten Befragung von 2017. Weitere 51 Prozent gaben an, sich “etwas gesundheitlich beeinträchtigt” zu fühlen.
Grund für die starke Belastung sind der Studie zufolge vor allem die zahlreichen Prüfungen. Nur knapp die Hälfte der Befragten empfindet die Prüfungsverfahren als transparent. Fast zwei Drittel fühlen sich dadurch belastet. Die Unterstützung durch Mentoren und die Vorbereitungszeit für Hospitationen empfinden angehende Lehrkräfte ebenfalls als unzureichend. Zudem klagen viele Referendare über fehlende Erholungspausen und unangemessene Beachtung des Themas Gesundheit durch Seminarleiter.
Die Erfahrungen des Referendariats wirken sich auch auf die weitere Karriereplanung aus: So beabsichtigen nur 32 Prozent der Befragten, später in Vollzeit in den Beruf zu starten. 2017 waren es noch 35 Prozent. Nur 72 Prozent gaben an, dass sie den Beruf wieder wählen würden – ein Rückgang von 15 Prozent.
Ein Sprecher der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung verwies auf Anfrage von Table.Media darauf, dass es sich bei den Zahlen um eine “interne, außerdem noch nicht abgeschlossene Auswertung” handele. Allerdings kündigte er an, dass auf Basis der Befragungsergebnisse nun in einem “breiten Beteiligungsverfahren” bis Ende des Schuljahres Maßnahmen entwickelt würden, um Referendarinnen und Referendare weiter zu entlasten.
Zudem würden sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt “gute Lösungsansätze zeigen”. Als Beispiele nennt die Behörde eine stärkere Integration des Themas Lehrkräftegesundheit in die Ausbildung, mehr Transparenz der Bewertungsanforderungen und die Verkürzung des Vorbereitungsaufwands bei Hospitationen. Mit Blick auf die Prüfungsbelastung verweist die Behörde jedoch darauf, dass Hamburg mit neun Unterrichtsbesuchen im gesamten Vorbereitungsdienst im Bundesvergleich bereits “eine sehr geringe Anzahl” vorgebe. Maximilian Stascheit
Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem am Ende die KI-getriebene Feedback-Software Fiete.ai die Nase vorn hatte. Das Tool für Schüler-Rückmeldungen in Echtzeit, das zugleich eine Korrektur-Hilfe für Lehrkräfte ist, hat den Start-up-Award der Didacta gewonnen. Die beiden Gründer Hendrik Haverkamp und Malte Hecht erhalten 3.000 Euro. Knapp dahinter landete Eduplaces, der erste App-Store für Bildungsanwendungen. (Table.Media berichtete) Vergeben wird der Preis von der Bielefelder EdTech-Beratung Eduvation.
Fiete.ai arbeitet auf der Basis von ChatGPT. Das Tool hilft Pädagogen allerdings durch vorinstallierte Prompt-Templates, den Fokus der Rückmeldung für die Lernenden von den üblichen Halluzinationen des Sprachmodells zu befreien. “Die Lehrkraft kann dann durch das Hochladen eines entsprechenden Textes, den Fokus beim Feedback weiter verengen“, erklärt der Gründer und KI-Experte Haverkamp, der zugleich Digitalisierungsbeauftragte des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums in Gütersloh ist. Fiete.ai hatte in Rekordzeit von rund acht Monaten nach den ersten Testläufen mit Lehrkräften eine der begehrten Landeslizenzen bekommen. Erst vergangene Woche schaltete das Start-up Schullizenzen frei, das heißt ab sofort können Schulen das Tool für ihre Lehrerschaft buchen.
Schüler können auf zwei Arten ihre Aufsätze in Fiete.ai laden. Durch das Hineinkopieren ihres Textes in das Chat-Fenster. Oder in dem sie ihren handschriftlichen Text von einer Handschrifterkennung in digitale Schrift verwandeln. Diese Methode ist unter Datenschützern nicht ganz unumstritten. Der Korrektur-Assistent von Cornelsen zum Beispiel ist auch wegen dieser Problematik noch nicht für Lehrkräfte freigeschaltet. Der Grund: manche Datenschützer sehen die Handschrift als eine personenbezogene Information. Im Alltag macht die OCR-Technologie der Handschriftenerkennung die Nutzung des Tools einfacher. Hendrik Haverkamp sagte Table.Media: “Es war der Wunsch der Bundesländer, dass Fiete quasi als erstes neues Feature eine Handschriftenerkennung bekommt, weil viele Schulen eben nicht so gut ausgestattet sind.” Christian Füller
Erzieherinnen und Erzieher im öffentlichen Dienst verdienen im Vergleich zu Beschäftigten mit ähnlicher Ausbildung überdurchschnittlich viel. Zu diesem Ergebnis kommt der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft in einer aktuellen Auswertung. Demnach liegen die Gehälter von Erzieherinnen und Erziehern derzeit zwischen 2.931 und 4.447 Euro brutto im Monat. Voraussetzung für den Berufseinstieg ist in der Regel eine dreijährige Ausbildung an einer Fachschule oder vergleichbaren Einrichtung.
Der iwd vergleicht die Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher mit anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die ebenfalls eine dreijährige Ausbildung absolviert habe. In dieser Vergleichszielgruppe liegt die Gehaltsspanne zwischen 2.929 und 3.996 Euro – und damit etwas niedriger als bei den Erzieherinnen und Erziehern.
Allerdings zeigt die Auswertung auch, dass der Erwerb von Zusatzqualifikationen oder die Übernahme kleiner Führungsaufgaben für Kita-Beschäftigte im Vergleich zu Arbeitnehmer in anderen Servicebereichen eher unattraktiv ist. Während eine “herausgehobene Fachkraft” in Kitas 3.783 Euro brutto im Monat verdient, kommen entsprechende Mitarbeiter anderer Dienstleistungssparten auf 4.787 Euro.
Kritik an dem Bericht des arbeitgebernahen Wirtschaftsinstituts kommt von der GEW. Die “oberflächliche Auswertung” beweise erneut, dass sich das iwd “nur rudimentär mit der Profession der Erzieherinnen und Erzieher beschäftigt hat”, sagte GEW-Vorstandsmitglied Doreen Siebernik zu Table.Media. Es sei verkürzt, “die Profession, die sich in der Trias aus Bildung, Erziehung und Betreuung bewegt, mit den Beschäftigten des Dienstleistungssektors zu vergleichen”.
Siebernik widerspricht außerdem der Behauptung, “dass Fort- und Weiterbildungen keinen monetären Mehrwert bringen würden”. So könnten Erzieherinnen, die beispielsweise Weiterbildungen im Kontext von Leitungstätigkeiten absolvieren, “einen erheblichen Sprung in der Eingruppierung machen”. Maximilian Stascheit
Dass Friederike Gribkowsky heute ehrenamtlich dem Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA) vorsitzt, war lange nicht ihr Ziel. Dabei hat die gebürtige Schweizerin eine familiäre Vorprägung: Ihr Großvater war schon vor dem Ersten Weltkrieg Schulpräsident der deutsch-schweizerischen Schule in Istanbul. Ihr deutscher Vater gründete in Genf die Deutsche Schule – allerdings nach Ende von Gribkowskys Schulzeit.
Nach dem Abitur begann Gribkowsky ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Freiburg. Kontakt mit dem Schulwesen hatte sie erst wieder als Mutter von drei Kindern – in der Funktion als Elternsprecherin.
2009 zog die Familie nach Bukarest, Gribkowskys Mann startete dort einen neuen Job. Zwei ihrer Kinder gingen dort auf die Deutsche Schule – und Gribkowsky wurde bald wieder in der Elternarbeit aktiv. Zwei Jahre später bekleidete sie einen Posten im Vorstand der Schule.
Den Weltverband Deutscher Auslandsschulen kannte Gribkowsky zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch nachdem sie bei einer Veranstaltung deutscher Schulen in Bratislava Thilo Klingebiel, heute wie damals Geschäftsführer des WDA, kennenlernt hatte, begannen Gespräche über einen Beitritt der Schule in Bukarest. 2011 gliederte Gribkowsky die Institution in den WDA ein, unter anderem, um an ihr das deutsche Abitur zu etablieren. 2015 kam Gribkowsky in den Vorstand des WDA. “Es gab damals weder Vorstandsmitglieder von Schulen aus der Region noch von kleinen Schulen im Aufbau, so wie unsere eine war”, sagt sie. Sechs Jahre lang war sie Schriftführerin, seit 2022 ist sie als Vorsitzende tätig.
Als Vorstandsvorsitzende des Weltverbands ist Gribkowsky heute für die Lobbyarbeit der Auslandsschulen in Deutschland zuständig. Im Austausch mit dem Auswärtigen Amt und verschiedenen Ausschüssen setzt sie sich vor allem dafür ein, den Begegnungscharakter der Deutschen Auslandsschulen zu erhalten – dass also Schüler aus verschiedenen sozialen Schichten und Kulturen die Schulen besuchen und so zusammenkommen.
Aktuelle Finanzierungsschwierigkeiten durch einen schrumpfenden Haushalt erschweren den Schulen dieses Unterfangen. Knapp zwei Prozent müssen die Schulen in diesem Jahr einsparen. Ein weiteres Problem ist der zunehmende Lehrkräftemangel, auch an vielen Auslandsschulen. Während Rom oder Barcelona noch viele Bewerbungen aus Deutschland erhalten, ist die Lage etwa in den Ländern an der Grenze zur Ukraine schwieriger.
Auf den Institutionen laste “doppelter Druck”. Durch den globalen Lehrkräftemangel seien auch staatliche Schulen vor Ort gezwungen, ihren Pädagogen mehr Geld zu zahlen. Dadurch falle es Mitgliedern des WDA immer schwieriger, ortsansässige Lehrkräfte zu gewinnen. “Viele Schulen sind inzwischen unter Druck, ihr hohes Niveau zu halten”, sagt Gribkowsky.
Um die steigenden Kosten abzufedern, mussten in der Vergangenheit viele Schulen die Gebühren erhöhen – laut einer Umfrage des Auslandsschulkompasses des WDA gaben 40 Prozent der befragten Schulen an, die Schulgebühren angehoben zu haben. Die Folge: “Das bedroht ganz konkret die Durchlässigkeit für sozial schlechter gestellte Familien, weil sich immer weniger Eltern die Schulgebühren leisten können”, sagt Gribkowsky.
Aus Deutschland wünscht sich die WDA-Vorsitzende mehr Bewusstsein dafür, was die Auslandsschulen für das Ansehen Deutschlands in der Welt leisten. Sie sollten als verlängerter Arm deutscher Sicherheitspolitik verstanden werden. So erhielt die Deutsche Schule Kiew 2023 einen Sonderpreis beim IHK-Auslandsschulwettbewerb 2023 dafür, dass sie trotz des russischen Angriffskriegs ihren Unterrichtsbetrieb in vorbildlicher Weise aufrechterhalten hat – online, hybrid und in Präsenz. Gribkowsky sagt: “In solchen Kriegsgebieten wachsen Menschen heran, die in den Schulen Frieden finden”. Jasper Bennink
Research.Table: Länder-Kompass Thüringen. Mittelstand auf dem Weg zu mehr Forschung. Besonders stolz ist Wolfgang Tiefensee auf die thüringischen “Kernbranchen” im Innovationsbereich: Optik, Medizintechnik und Mikroelektronik. Die Leistungen des Bundes zum Ausbau der hiesigen Forschungslandschaft seien allerdings unterdurchschnittlich. Daher begrüßt der frühere Bundesminister für Verkehr besonders eine jüngere Entscheidung des Bundes. Mehr
Research.Table: Studie: KMU fehlen Fachkräfte für Innovationen. Innovationen sind wichtig für die sozial-ökologische Transformation – dem deutschen Mittelstand fällt es laut des KfW-Innovationsberichts aber schwer, diese zu entwickeln. Ein Grund: Sie haben Probleme bei der Personalsuche. Mehr
Schulsystem | Die Mehrheit der Deutschen ist mit dem aktuellen Schulsystem unzufrieden. Das ergibt eine exklusive Forsa-Umfrage. Zudem wünschen sich die meisten ein Ende des Bildungsföderalismus. RND
AfD | In Niedersachsen hat der AfD-Abgeordnete Dirk Brandes einen Brief an Schülervertretungen geschrieben. René Mounajed vom Schulleitungsverband sieht darin einen Angriff auf die Schule als überparteilichen, demokratischen Ort. Auch Extremismusforscher Gert Pickel sieht konstatiert eine gezielte Einflussnahme und stellt eine Forderung an Schulen. NDR
Lehrkräftemangel | 111 der 370 Bediensteten des saarländischen Bildungsministeriums sind abgeordnete Lehrkräfte. Das ergab eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Frank Wagner. Zuvor hatten sich bereits die Grünen an den Landesrechnungshof gewandt. Überdurchschnittlich viele Abordnungen fallen in die Amtszeit von KMK-Präsidentin Streichert-Clivot. Saarbrücker Zeitung
Social Media | 24,5 Prozent der Zehn- bis Siebzehn-Jährigen nutzen soziale Medien riskant viel. Die meiste Zeit verbringen sie auf Whatsapp. Das ergab eine Untersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Handelsblatt
Handyverbot | Welche Regelungen haben andere Länder für die Handynutzung an Schulen? In Italien können Smartphones im Unterricht für pädagogische Zwecke genutzt werden, sind ansonsten aber verboten. Frankreich geht noch einen Schritt weiter und verbietet mit einer Ausnahme die Handynutzung auch in den Pausen. Auch sonst wird das Thema heiß diskutiert. Deutsches Schulportal
Didacta | Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz – frei nach Pestalozzi, mit Hand, Herz und Kopf. Das sagt ein ehemaliger Schulleiter zur Diskussion live von der Didacta mit Saskia Esken, Dorothee Feller, Gesine Adameck und Susanne Lin-Klitzing. Es geht um die Digitalisierung, Sprachförderung und eine engere Zusammenarbeit mit Verbänden. Dlf
04. bis 08. März 2024, online
offenes Forum Open Education Week 2024
Seit 2012 findet jährlich die länderübergreifende Open Education Week statt. Verschiedene Veranstaltungen sollen das Bewusstsein für innovative Open-Education-Praktiken schärfen. Auch die Siemens Stiftung beteiligt sich an der Woche und legt dabei den Schwerpunkt auf MINT. INFOS & ANMELDUNG
10. bis 13. März 2024, Halle
Kongress DGfE-Kongress 2024: Krisen und Transformationen
Krisen und damit verbundenen Transformationen haben Einfluss auf die Erziehungswissenschaften. Inwiefern wird in verschiedenen Vorträgen diskutiert. Anmeldungen sind noch bis zum 1. März möglich. INFOS & ANMELDUNG
13. März 2024, 13:00 bis 16:55 Uhr, Heidelberg
bildungspolitisches Gespräch Herausforderungen für Schule und Lehrer:innenbildung im Lichte der IQB-Bildungstrends
Die Pädagogische Hochschule Heidelberg lädt zu ihrem zweiten bildungspolitischen Gespräch ein. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Schule kommen zusammen, um über Lösungen für mehr Bildungsgerechtigkeit und eine Trendwende in der Kompetenzentwicklung zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
14. März 2024, 08:45 bis 14:00 Uhr, Oldenburg
Tagung Schulmanagement-Tagung 2024
Die diesjährige Schulmanagement-Tagung steht unter dem Motto “Junge Generation – anders? Schule – anders!” Nach zwei Vorträgen wird es Impulse, etwa zur Schul- und Unterrichtsentwicklung aus der Perspektive von Schülern oder Einflüssen der Digitalisierung auf Leben und Lernen von Schülern. Anmeldefrist ist der 29. Februar. INFOS & ANMELDUNG
15. März 2024, Potsdam
Preisverleihung EuropaSCHULpreis – Friedrich-Preis für Europäische Bildung
Zum dritten Mal werden Schulen ausgezeichnet, die europäischen Werte in ihren schulischen Alltag integrieren. Der Preis wird in den folgenden drei Kategorien vergeben: Begegnung in Europa, Erkundungen in Europa und Bildung in Europa. INFOS & ANMELDUNG
19. März 2024, 10:30 bis 17:00 Uhr, Berlin
Konferenz Netzwerkkonferenz MINT und Ressourcenbildung im Fokus
Das BilRessNetzwerk lädt zur Diskussion darüber ein, wie Ressourcenkompetenzen in verschiedenen MINT-Bereichen etabliert werden können und vor allem Mädchen für MINT begeistert werden können. Dabei werden auch Leuchtturmprojekte und Materialien vorgestellt. INFOS & ANMELDUNG
22. März 2024, 12:00 bis 13:30 Uhr, Frankfurt am Main
Forum Mehr Lehrkräfte, mehr Kompetenzen: Wege aus der Bildungskrise
Wie können genug Lehrkräfte gewonnen werden und wie können sie wichtige Zukunftskompetenzen erlangen? Der Stifterverband stellt dazu seine Analyse vor. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gibt dazu einen Impuls. Eine Anmeldung ist bis zum 8. März möglich. INFOS & ANMELDUNG