Talk of the town
Erscheinungsdatum: 22. Juli 2025

Wirtschaftsgipfel beim Kanzler: Prinzipielles Lob und vielerorts leise Zweifel

Nicht nur das Geschlechterverhältnis sorgte für Verwunderung beim Investitionsgipfel im Kanzleramt (picture alliance / PIC ONE | Ben Kriemann)

Nach manchen Ereignissen klaffen die Bewertungen derselben deutlich auseinander. Jüngstes Beispiel: das Treffen mächtiger CEOs mit Friedrich Merz nebst Gruppenfoto mit dem Kanzler. Am Tag danach gibt es zwar für die Grundbotschaft viel Lob. Doch zugleich schauen Familienunternehmer und Wirtschaftsverbände kritisch auf das von drei CEOs initiierte und einer PR-Agentur organisierte Treffen.  

So loben die Familienunternehmen das Treffen im Grundsatz. Alles, was die wirtschaftliche Lage verbessern könne, sei „richtig und wichtig“, erklärt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Zugleich aber beklagt er, dass zwar drei Familienunternehmen eingeladen waren, die wahren Kräfteverhältnisse in der deutschen Wirtschaft aber nicht abgebildet worden seien. „90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen.“ Diese stellten 60 Prozent der Arbeitsplätze. „Sie sind entscheidend für den Standort Deutschland.“   

Die Familienunternehmen wollen Ergebnisse sehen. „Es reicht nicht, Symptome mit mehr Geld zu behandeln“, so Kirchdörfer nach dem sogenannten Investitionsgipfel. „Wir brauchen mehr Tempo und einen deutlich breiteren Reformansatz.“ Christoph Ahlhaus, Bundesgeschäftsführer des Verbandes Der Mittelstand, klingt ganz ähnlich. Es sei gut, dass der Kanzler das Thema wieder zur Chefsache mache. „Klar ist aber auch: Der Mittelstand drängelt sich nicht aufs Foto, um irgendwie dabei zu sein.“ 

Auch von den großen Wirtschaftsverbänden kommt offiziell vor allem Lob. Niemand möchte angesichts der wirtschaftlichen Lage derjenige sein, der jetzt an Investitionsversprechen herummäkelt. Aber hört man sich jenseits offizieller Statements um, dann beäugen in den großen Verbänden, ob DIHK, BDI, BDA oder andere, viele das Ereignis kritisch. So wird es als große „PR-Aktion“ betrachtet, die einen PR-Termin hervorgebracht habe. Auch wird die Sorge ausgedrückt, die Initiatoren könnten, unterstützt vom Kanzler, versuchen, neue Parallelstrukturen zwischen den Großkonzernen und der Politik zu schaffen. Merz gilt nicht gerade als Freund der Verbände; auch deshalb wird sein Tun jetzt nicht ohne Misstrauen betrachtet.    

Teilnehmer des Gipfels betonen allerdings, dass genau dies nicht passieren soll und die Verbände schon vor Monaten eingeweiht worden sein. Es sei um ein „finanziell wuchtiges Signal“ gegangen, was naturgemäß vor allem von den großen Dax-Unternehmen kommen müsse, sagte ein Teilnehmer der Runde Table.Briefings: „Das können nicht Verbände bestimmen.“ Es wird dabei auf das Geld verwiesen; mehr als 100 Milliarden Euro würden zusätzlich zu den ursprünglichen Plänen der Unternehmen mobilisiert.  

Die Frage, ob die Initiatoren eine neue Parallelstruktur zu den klassischen Verbänden errichten, wird von Teilnehmern dementiert. Der Kanzler habe intern darauf hingewiesen, dass die Vorarbeiten der sieben Arbeitsgruppen zu fünf Themengebieten durchaus aufgegriffen werden sollen. Er verwies auf seinen Wirtschaftsberater Levin Holle, der viel zu tun haben werde. Diese Aussage spricht dafür, dass Merz den anwesenden Konzernvertretern durchaus Gehör verschaffen will – was bei den kleinen und mittleren Unternehmen für Ärger sorgen dürfte.  

Im Kanzleramt sind diese Zweifel und kritischen Blicke bekannt. Trotzdem soll das Treffen in einem halben Jahr wiederholt werden, ein Termin wird bereits gesucht. Von Seiten der Initiatoren heißt es, bis dahin könnten sich ja weitere Unternehmen der Initiative anschließen. Vor der Begegnung mit dem Kanzler, der nicht selbst eingeladen hatte, waren zahlreiche der beteiligten CEOs schon bei Mathias Döpfner zusammengetroffen. Der Springer-Chef gilt als Mitinitiator.  

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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