Talk of the town
Erscheinungsdatum: 08. Juli 2025

Wahl von drei Verfassungsrichtern - Warum die Linke mitmacht und was das für die Union bedeutet

Am Freitag muss Unionsfraktionschef Jens Spahn zeigen, dass er führen kann. Denn dann sollen die Abgeordneten der Unionsfraktion bei den Verfassungsrichterwahlen für die umstrittene Kandidatin der SPD stimmen: Frauke Brosius-Gersdorf. Die Juristin wird von CDU und CSU heftig kritisiert, unter anderem für ihre Haltung beim Thema Abtreibung. Dennoch wirbt die Fraktionsspitze um Jens Spahn für ihre Wahl.  

Die Bedenken der eigenen Leute hat man am Montagabend während der Fraktionssitzung versucht zu beruhigen. Wer danach immer noch unzufrieden war, sollte sich noch einmal in seiner Landesgruppe melden, so hieß es. Man will die Kritik ernst nehmen, von deren Heftigkeit Spahn und auch Friedrich Merz überrascht gewesen sein sollen. Aber: Der Beschluss bleibt im Grundsatz. 

Allerdings hat die Koalition in einem Punkt doch auf die Kritik reagiert. Nicht Brosius-Gersdorf, sondern Ann-Katrin Kaufhold, die ebenfalls von der SPD nominiert worden ist, soll künftig Vizepräsidentin des Gerichts werden. Darüber entscheidet allerdings formal der Bundesrat. Hintergrund für die Zustimmung der Union ist ihr eigener Kandidat, Günter Spinner, Richter am Bundesarbeitsgericht, der ebenfalls eine Mehrheit braucht. Und am Ende gilt in der Politik das Prinzip: wie Du mir, so ich Dir. So wie CDU und CSU von den Sozialdemokraten erwarten, dass sie für Spinner stimmen, will die Union auch die SPD-Kandidaten stützen. 

Am Ende könnte es bei allen drei Kandidaten knapp werden, die der Wahlausschuss am Montagabend nominiert hat. Denn anders als im Wahlausschuss haben Union, SPD und Grüne im Plenum keine Zweidrittelmehrheit mehr. Ohne Stimmen von AfD oder Linken wird es bei keiner der Abstimmungen reichen. Deshalb haben Union, SPD, Grüne und FDP noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags vor der Konstituierung des neuen die Verfassungsänderungen beschlossen. Aber das Problem stellt sich nun wieder.  

Müssen also doch Unvereinbarkeitsbeschlüsse gebrochen werden? Nicht direkt. Denn in diesem Fall lässt die Union die SPD die Gespräche mit der Linken führen. Am Ende können CDU und CSU dann sowohl mit Blick auf die AfD als auch auf die Linke sagen, sie hätten lediglich gemeinsam mit dem Bundesverfassungsgericht einen Vorschlag gemacht und selbst dafür gestimmt. Man könne sich nicht davon abhängig machen, wer mitstimmt, so heißt es jetzt schon vorsorglich aus Fraktionskreisen. 

Am Ende könnte die Rechnung sowohl für die SPD als auch für die Union aufgehen. Die Wahl ist geheim. Die AfD hat schon angekündigt, für Spinner zu stimmen. Doch Union und SPD wollen nicht, dass die Zweidrittelmehrheit von der AfD abhängt. Das könnte funktionieren. Denn die Linke, erfuhr Table.Briefings aus Fraktionskreisen, will zumindest in Teilen für die Kandidaten stimmen. Man wolle so zeigen, dass eine Mehrheit in der parlamentarischen Mitte, zu der die Fraktion sich zählt, weiterhin möglich sei, so heißt es. Dass die Union sich dafür auf Gespräche einlässt, will man dieses Mal noch nicht zur Bedingung machen. Allerdings könnte das im Herbst, wenn es erneut um die Schuldenbremse geht, schon anders aussehen.  

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!