Talk of the town
Erscheinungsdatum: 06. November 2025

Wadephul, Dobrindt und die Migration: Warum die Antipoden der Regierung so viele Emotionen auslösen

Keine Freunde, auch wenn sie nebeneinander sitzen (picture alliance / Andreas Gora | Andreas Gora)

Außenminister Johann Wadephul steht in der eigenen Fraktion unter Druck. Seine Syrien-Aussagen sorgen für Unmut, Rivalitäten mit Dobrindt verschärfen die Lage. Eine Ablösung gilt als unwahrscheinlich – doch der Schaden ist angerichtet.

Johann Wadephul muss zurzeit viel erklären. Zu Syrien, zu Abschiebungen, zu Rückführungen. Und zur Frage, wie er zum Migrationskurs der Regierung steht. Am Donnerstag tat er das bei der Jungen Gruppe der Unionsfraktion. Eine durchaus mutige Klientel, wenn es darum geht, Ministern auf die Finger zu klopfen. Wie Table.Briefings aus Teilnehmerkreisen erfuhr, fielen dort deutliche Worte. Die abschließende Botschaft klang dagegen einigermaßen friedlich: Kommunikativ seien Fehler passiert, im Kern ziehe man aber an einem Strang. Und das heißt: Nichts wird geändert an dem Bemühen, syrische Straftäter baldmöglichst abzuschieben und bei allen anderen Rückführungen Schritt für Schritt weiterzukommen.

Das Thema Kommunikation aber bleibt; auch in der Fraktion hatte es eine Rolle gespielt. So sagte Fraktionschef Jens Spahn dort nach Informationen von Table.Briefings, die Koalition mache es Kritikern zu leicht und schaffe es zu selten, Erfolge zu transportieren. Schon eine Äußerung wie jetzt zu Syrien reiche, um die gerade im Bereich illegaler Migration erfolgreiche Arbeit zu überlagern. Eine klare Kritik am Außenminister, der sich prompt erneut erklären wollte. Wadephul schaffte es zunächst, die Abgeordneten zu beschwichtigen. Selbst jene, die ihn scharf kritisiert hatten, klatschten Beifall. Erst als er seinen Vergleich mit Deutschland 1945 wiederholte, habe er die Leute „verloren“, wie ein ihm wohlgesinnter Teilnehmer berichtet. Mit dem Vergleich fühlten sich viele Abgeordnete erpresst. „Wie soll man da noch argumentieren?“

Wadephul erlebt nicht zum ersten Mal, dass sein Rollenverständnis als oberster Diplomat mit der Stimmung in Teilen seiner Fraktion kollidiert. Nicht nur manche Medien attackieren ihn, wenn er, geprägt von Gesprächen mit EU-Partnern oder arabischen Staaten, einen anderen (in seinem Haus würden sie sagen: differenzierteren) Blick auf die Weltläufte hat als seine Parteikollegen. Inzwischen ist die Lage auf Unionsseite so aufgeheizt, dass manche schon über eine Ablösung spekulieren. Andere sind nicht ganz so streng, aber verlangen, Wadephul müsse sich von der Weltsicht in seinem Ministerium absetzen. Einer Weltsicht, die seit Annalena Baerbock grün-dominiert sei.

Was vielleicht wohlwollender klingt, macht das Problem für Wadephul nicht kleiner. Im AA, darauf bestehen die unterschiedlichsten Diplomaten, wird der Behauptung einer Grünlastigkeit vehement widersprochen. Es gehe gerade nicht um Weltanschauung, sondern um internationales Recht, verbindliche Verträge und diplomatische Einschätzungen. Dass Wadephul im Angesicht von Zerstörungen Weltkriegsvergleiche ziehe, sei seiner Stimmung vor Ort geschuldet gewesen, heißt es jetzt. Dabei hätten sich seine Zweifel gerade nicht auf Abschiebungen von Straftätern bezogen. Die strebe Wadephul an wie alle anderen; längst führe er dazu Gespräche.

Doch der Ärger ist da; und er lässt sich in der Hochgeschwindigkeitserregung auch nicht mehr einfangen. Denn es geht nicht um irgendein Thema, sondern um die Migration, den Kampf gegen illegale Einwanderung – und damit das Herzstück seines wichtigsten Kabinettskontrahenten Alexander Dobrindt. Wadephul hat aus Sicht seiner internen Kritiker – ob willentlich oder nicht – eines der wichtigsten Versprechen dieser Koalition in Frage gestellt. Und das, so sehen sie das, hätte auf gar keinen Fall passieren dürfen. Wadephul als Tabubrecher – das erklärt die Attacken am besten.

Nicht besser wird das Ganze durch die Rivalität zwischen den beiden. In der Union ist es ein offenes Geheimnis, dass Dobrindt und Wadephul nicht gut miteinander können. Und wie im Fall Waffenlieferstopp an Israel auch sehr unterschiedliche Auffassungen vertraten. Beide glauben, dass sie das Ohr des Kanzlers haben. Umso sensibler reagieren sie, wenn der eine den anderen in seiner Arbeit stört. Oder gar im Kampf für ein zentrales Ziel dieser Regierung – siehe Dobrindts Auftrag bei der Migration. Provokationen hat es indes auch umgekehrt gegeben. Dobrindts im Streit mit Warschau beschlossene Grenzkontrollen Richtung Polen gelten im AA als wichtiger Grund dafür, dass wenig später ein EU-kritischer Präsident gewählt wurde. Ähnlich kritisch wird im AA verfolgt, wie das BMI aktuell mit den rund 1.900 Afghanen in Pakistan umgeht, denen Wadephul vor wenigen Wochen noch die Einhaltung deutscher Zusagen signalisiert hatte.

Und doch wird erstmal nichts passieren; es werden sich nur alle merken. Dobrindt wird als einer der engsten, vor allem aber wichtigsten Berater von Merz nicht lockerlassen. In der Koalition ist und bleibt er ein einflussreicher Strippenzieher. Wadephul hingegen lebt bis heute mit dem leisen Makel, dass er nur die zweite Wahl war. Erst als David McAllister abgesagt hatte, kam seine Chance, Außenminister zu werden. Trotzdem wird er weitermachen. Den Außenminister schützt dabei auch, dass eine Ablösung aktuell niemandem nützen würde. Merz und seine Koalition haben noch größere Probleme.

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Letzte Aktualisierung: 06. November 2025

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