Man könnte annehmen, dass Verkehrspolitiker und -experten in diesen Tagen hochzufrieden sind. Denn der mit Abstand größte Teil der Mittel aus dem neu geschaffenen Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ fließt in die Verkehrsinfrastruktur: Mit 11,7 von insgesamt 37,2 Milliarden Euro sind es im Haushaltsentwurf 2025, für den am Donnerstag im Haushaltsausschuss die Bereinigungssitzung stattfindet, mehr als 30 Prozent der Mittel, die nicht für die Länder oder den KTF reserviert sind; für 2026 sind mit 21,3 von 58,9 Milliarden Euro sogar über 36 Prozent für den Verkehr vorgesehen. Zudem werden im Haushalt 2026 Verkehrsinvestitionen im Umfang von 1,2 Milliarden Euro, die als militärisch erforderlich gelten, aus dem Verteidigungsetat bezahlt.
Doch tatsächlich ist die Stimmung deutlich schlechter, als diese Zahlen vermuten lassen. Denn im Kernhaushalt des Verkehrsministeriums werden die Ausgaben für Straßen und Schienen gleichzeitig deutlich reduziert: Während dort im Jahr 2024 noch Verkehrsinvestitionen im Umfang von 30,3 Milliarden Euro vorgesehen waren, sind es 2025 nur noch 23,7 Milliarden Euro, kritisiert der Bundesrechnungshof in einem Bericht für den Haushaltsausschuss, der Table.Briefings vorliegt.
Die tatsächlich zusätzlichen Ausgaben liegen 2025 also nicht bei 12,9 Milliarden Euro, sondern nur bei 6,3 Milliarden Euro. Und 2026 steigen sie voraussichtlich nicht weiter. Denn der Zuwachs um 10 Milliarden Euro, der für dieses Jahr im Sondervermögen vorgesehen ist, wird durch einen Rückgang der Investitionen im Verkehrshaushalt von ebenfalls rund 10 Milliarden Euro praktisch vollständig kompensiert.
Noch weiter relativiert werden die Zahlen, wenn man die Inflation berücksichtigt. Bezogen auf die Kaufkraft von 2019 liegen die Verkehrsinvestitionen im Verkehrsetat nach BRH-Berechnungen nicht nur niedriger als im Vorjahr, sondern sind auch geringer als in sämtlichen Jahren seit 2019. Inklusive der Gelder in Sondervermögen und Verteidigungshaushalt steigen die Mittel bei dieser Betrachtung im Vergleich zum Vorjahr zwar immer noch, aber nur um 4 Milliarden Euro. Und dieses Problem dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. „Es besteht die Gefahr, dass die zusätzlichen Mittel zu unangemessenen Preissteigerungen beim Bau von Verkehrsinfrastruktur führen“, warnt der BRH in einem weiteren Bericht zum Sondervermögen.
Die zusätzlichen Mittel kommen zum Großteil der Bahn zugute. Dort steht mit knapp 22 Milliarden Euro im nächsten Jahr tatsächlich deutlich mehr Geld für Investitionen in die Schiene zur Verfügung als bisher. Trotzdem reicht es nach Ansicht von Experten noch nicht aus. „Die Bahn hat einen Modernisierungsrückstand alleine beim Schienennetz von rund 100 Milliarden Euro“, sagt Andreas Knie, Verkehrsexperte am Wissenschaftszentrum Berlin. Paula Piechotta, Berichterstatterin der Grünen für den Verkehrsetat, fordert vor allem mehr Planungssicherheit. Dafür sollten die Verpflichtungsermächtigungen für den Aus- und Neubau von Schienenstrecken ab 2028 erhöht werden. „Ohne sichere Finanzierung drohen Planungsabbrüche und teure Bauverzögerungen“, warnt Piechotta.
Auch aus der Union gibt es Kritik am Verkehrsetat. Diese richtet sich allerdings primär dagegen, dass die Mittel für die Bundesfernstraßen kaum steigen. „Trotz des Sondervermögens werden nach derzeitiger Ausgestaltung alle Verkehrsträger unterfinanziert sein“, sagte Unions-Fraktionvize Stephan Stracke der Passauer Neuen Presse. „Die größten Lücken gibt es bei der Straße.“ Er kündigte an, dass sich die Union für in den Haushaltsberatungen für deutliche Nachbesserungen einsetzen wird. Konkrete Änderungsanträge lagen bis zur Bereinigungssitzung aber nicht vor.
In der neuen Vorlage für den Haushaltsausschuss wurde zunächst nur ein Vorschlag des Bundesrechnungshofs übernommen: Die Gelder im Sondervermögen, die zunächst nur für die Sanierung von Brücken vorgesehen waren, sollen nun auch für Tunnel genutzt werden dürfen. Denn weil der gestrichene Posten im Verkehrsetat diese umfasste, der neue Posten im Sondervermögen aber nicht, hätte es anderenfalls für die Instandhaltung von Tunneln plötzlich gar kein Geld mehr gegeben.
Dieser Text ist Teil einer Serie zum Sondervermögen. Alle bisherigen Beiträge finden Sie hier.