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Ukraine: Das Ringen um Frieden ist auch ein Kampf um Energie und Profit

Der Ukraine-Krieg betrifft nicht nur Territorien, sondern auch die Energiewende und Wirtschaftsinteressen. Friedenspläne könnten Europa in eine Abhängigkeit von fossilen Energien treiben und Russlands Aggressionen belohnen.

DT
Russische Erdölförderung in Tatarstan (IMAGO / ITAR-TASS)

Die Wirkung ihrer Worte konnten Alice Weidel und ihre Getreuen, aber auch ihre politischen Gegner schon nach wenigen Minuten studieren. Kaum hatte die Ko-Vorsitzende der AfD am Mittwoch im Bundestag erklärt, Deutschland müsse (und würde unter ihrer Führung) schnellstmöglich wieder Öl und Gas aus Russland kaufen, verbreitete die russische Nachrichtenagentur Tass ihre Botschaft ausführlich. Das war nicht nur ein Dank für Moskau-freundliche Worte; es zeigte, wie sehr die AfD-Spitze im Sinne Wladimir Putins redet und handelt. Und zwar genau in dem Moment, in dem die Energiesanktionen Moskau unter erheblichen Druck setzen.

Wie Russlands Energieeinnahmen sinken

Der Krieg in der Ukraine befindet sich an einem vielleicht entscheidenden Punkt. Dabei es geht nicht ausschließlich um Territorien und Soldaten für die Ukraine. Es geht auch und vor allem um eine Nachkriegsordnung für das Land und ganz Europa. Eine Ordnung, die Donald Trump und Putin wohl am liebsten allein unter sich ausmachen würden – allem voran zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen. Zentral dabei: Sie wollen Europa damit auch eine umfassende Rückkehr zu fossilen Energien aufzwingen. Trump fordert diesen Rückschritt; Putin will ihn sowieso. Und Weidel würde mitmachen.

Bisher verdrängt der Streit über Gebiete und Sicherheitsgarantien die Frage der ökonomischen Folgen des US-Russland-Plans aus der breiten Diskussion. Doch es gibt erheblichen Grund zur Sorge. Sergey Lagodinsky, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Europaparlament, sagte Table.Briefings: „Wenn wir die bisherige Vorgehensweise von Trump und die 28 Punkte als Indiz nehmen, dann wird mit großer Sicherheit alles dafür getan, fossile Investitionen zu verlangen.“

Bestandteile aus dem Ursprungsplan zeigen, wie Moskau und Washington Partnerschaften im Bereich Energie planen – und fossile Energie meinen. Ohne das Know-how amerikanischer Spezialöl- und Gasunternehmen wird die Erschießung und Ausbeutung russischer Öl- und Gasfelder im hohen Norden schwierig. Große amerikanische Öl-Dienstleiter wie Weatherford sind nach wie vor in Russland aktiv. Mit gemeinsamen Energie-Geschäften lockt Putin die Administration von Trump seit jeher. Und Weidel macht deutlich, wer der Abnehmer der Produkte sein soll.

Rufe nach billigeren Energiepreisen sind kein AfD-Alleinstellungsmerkmal. Angesichts einer enorm schwierigen wirtschaftlichen Lage könnte es auch für andere verlockend sein, im Fall einer Waffenruhe und einem absehbaren Ende des Konfliktes ein Ende der Sanktionen gegen russische Öl-Unternehmen zu fordern – und sich in zunächst billige, aber langfristig gefährliche Energie-Abhängigkeiten zu begeben. Eine solche droht auch der Ukraine. Nicht zufällig spricht der ursprüngliche Friedensplan vom Wiederaufbau der Gas-Infrastruktur in der Ukraine, gemeinsam mit den USA. In den vergangenen vier Jahren hat Russland gut 60 Prozent dieser Anlagen zerstört. Sie wieder aufzubauen, liegt im Interesse der Amerikaner wie der Russen.

Kyjiw will deshalb ganz unabhängig von russischen Energieträgern werden. Mitte 2024 beschloss die Regierung eine Modernisierung des Energiesystems. Dabei soll der Anteil der grünen Energie von zehn Prozent im Jahr 2020 auf 27 Prozent bis 2030 steigen. Das dürfte aber weder den USA noch Russland gefallen, die um ihre Marktanteile in Europa ringen. Auch mit der Zerstörung von grüner Energieinfrastruktur in der Ukraine, wie etwa am 9. November in der nördlichen Region Tschernihiw verfolgt Moskau seine langfristigen Ziele An dem Tag beschädigten russische Drohnen das 2016 errichtete, erste große Biomasse-Blockheizkraftwerk des Landes. Es war ein Symbol der Energieunabhängigkeit.

Fachleute in Kyjiw und Westeuropa kritisieren die dazu gehörigen Überlegungen im Friedensplan scharf. So sollten 100 Milliarden US-Dollar aus eingefrorenen russischen Aktiva in Europa in den Wiederaufbau der Ukraine fließen, die USA würden gesichert 50 Prozent der Aufträge aus diesem Vorhaben erhalten. Darüber hinaus soll die EU weitere 100 Milliarden US-Dollar beisteuern. Die restlichen russischen Frozen Assets sollen sogar in gemeinsame amerikanisch-russische Projekte fließen. Ergebnis: Moskau würde von seiner Aggression profitieren. Die Folge: „Jedes wirtschaftlich schwache Land ist dann anfällig für Aggressionen der Großmächte – und es sind keine nennenswerten wirtschaftlichen Strafen dafür zu erwarten“, so der ukrainische Ökonom Oleh Pendsin im ukrainischen TV.

Der US-Friedensplan für die Ukraine ist ein Plan für Dominanz in Europa. Am stärksten zeigt das der Deal für Kritische Rohstoffe. Ursprünglich wollte Washington gar Anspruch auf so gut wie alle Naturressourcen des Landes erheben, bereits existierende Förderstätten inklusive. Nach drei Monaten Verhandlungen konnte die Ukraine ein halbwegs akzeptables Abkommen erzielen, das in Teilen kolonial wirkt, sich aber jetzt nur auf neue Förderstätten bezieht. Die sollen gemeinsam von einem amerikanisch-ukrainischen Fonds verwaltet werden. Die Details dazu sind bis heute unter Verschluss.

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Letzte Aktualisierung: 27. November 2025