Die Steuerfrage entwickelt sich in CDU und CSU immer mehr zum Gradmesser, ob ihr konservativer Kern in der Koalition noch zu erkennen ist. Zum Schutze dieses Kerns halten die Parteispitzen offiziell an ihrem strikten Nein zu jeglicher Form von Steuererhöhung fest. Auch wenn eine Umfrage von Table.Briefings unter knapp 1.000 Entscheidern in Deutschland eine andere Botschaft bereithält: So sprachen sich übers Wochenende gut 60 Prozent der Befragten dafür aus, für Spitzenverdiener die Einkommenssteuer zu erhöhen, wenn im Gegenzug grundlegende Reformen im Sozialsystem umgesetzt werden.
Noch aber zeigen solche Zahlen selbst bei Kanzler Friedrich Merz wenig Wirkung. Der CDU-Chef erteilte Steuererhöhungen am Sonntag im ZDF-Sommerinterview eine klare Absage. Union und SPD hätten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Steuern nicht erhöht werden. „Dieser Koalitionsvertrag gilt“, so Merz. Er und Markus Söder hätten in den Koalitionsverhandlungen erklärt, keinen Vertrag mit Steuererhöhungen zu unterschreiben. „Das weiß die SPD“, erklärte der Kanzler. Der Finanzminister wiederum will Steuererhöhungen weiter nicht ausschließen. Er wolle für den Haushalt ab 2027 keine Option vom Tisch nehmen, betonte Lars Klingbeil im Bericht aus Berlin. „Ich bin gespannt, welche Ideen der Bundeskanzler und andere dann noch haben, um eine 30-Milliarden-Lücke zu schließen.“
Ein Entgegenkommen der Union in der Frage könnte der SPD schmerzhafte Reformen im Sozialstaat erleichtern. Ein neuer Vorschlag kommt vom CDU-Arbeitnehmerflügel CDA. Der Bundesvorsitzende Dennis Radtke hält eine höhere Steuerbelastung für Erben für notwendig. „Wir sollten an die Ausnahmetatbestände bei der Erbschaftsteuer und die Schenkungsteuer herangehen, Stichwort Vermögensbedarfsprüfung. Dies führt dazu, dass Milliardenvermögen verschenkt und vererbt werden, ohne dass ein Euro Steuern bezahlt wird. Diese Dinge anzugehen, wäre überfällig“, sagte Radtke im Podcast Table.Today. Wenn die Union sich bei diesem Thema bewege und die SPD bei den Sozialreformen der Union entgegenkommen würde, „dann wird ein Schuh draus“, so der CDU-Europaabgeordnete. „Das wäre gut für das Land. Das wäre auch keine Steuererhöhung, sondern das Stopfen von Schlupflöchern.“
Auch bei der Einkommenssteuer könnte es zumindest eine teilweise Finanzierung großer Entlastungen für die Mittelschicht ganz oben geben. Bei der Diskussion um das CDU-Grundsatzprogramm habe man vor zwei Jahren darüber diskutiert, beim Spitzensteuersatz große Einkommen „ein bisschen stärker zu belasten“, wenn dafür der Mittelstandsbauch abgebaut werde, sagt Radtke. „Ich fand die Idee damals gut.“ Das Gespräch mit dem CDA-Bundesvorsitzenden hören Sie ab 5 Uhr hier.