Talk of the town
Erscheinungsdatum: 04. September 2025

Sachsen-Anhalt als Menetekel? Schwarz-Rot kämpft gegen die Stimmung – und hofft auf die Kraft der Vernunft

Sven Schulze und Reiner Haseloff (picture alliance / Geisler-Fotopress | Agentur Wehnert/M. Gränzdörfer)
Ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt liegt die AfD in Umfragen hoch im Kurs – und die Koalition steht unter Erfolgsdruck. Die Stimmung im Land ist düster, die Nervosität in Berlin groß.

Wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre...

Markus Söder prägte am Mittwochabend den Satz, die Koalition sei zum Erfolg „verdammt“. Am Donnerstag zeigte eine Umfrage der ARD, wie recht der CSU-Chef hat. Demnach steht die AfD in Sachsen-Anhalt inzwischen bei 39 Prozent, während CDU und SPD zusammen nur noch auf 34 Prozent kämen. Ein Jahr vor der Landtagswahl wird deutlich, wie sehr sich die Kräfte verschieben. Zumal ein zweiter Teil der Umfrage zeigt, welche Stimmung dem zugrunde liegt. Nur 20 Prozent der Befragten schauen zuversichtlich in die Zukunft. Mehr als 70 Prozent haben Angst und fürchten Schlimmes.  

Sachsen-Anhalt ist zwar nicht ganz Deutschland. Aber über die Stimmung im Land sagt die Umfrage trotzdem einiges. Und der Koalition führt sie vor Augen, dass sie ihr erklärtes Ziel, bis zur Jahreshälfte die Stimmung ins Positive zu wenden, nicht erreicht hat. Kein Wunder, dass es heute aus Koalitionskreisen heißt, man müsse endlich „liefern, liefern, liefern!“. Söder hatte das mit Blick auf die Wirtschaft noch unterfüttert mit einem „Tempo! Tempo! Tempo!“ 

Um auf den Erfolgspfad zu kommen, hat sich die Koalition in die Hand versprochen, nicht mehr schlecht übereinander zu reden. Überhaupt soll ab sofort die Vernunft regieren. Das fing am Mittwochabend mit der Entscheidung an, alle Handys beiseitezulegen, als man in den zweiten Teil des Abends überging: die offene Aussprache. Es setzte sich in dem Entschluss fort, am Morgen danach keine Interviews zu geben. Und es manifestierte sich schließlich darin, dass alle drei Parteien anders als früher üblich jeweils verzichteten, in Papieren und Hintergrundrunden vor allem die eigene Interpretation der Ergebnisse unters Volk zu bringen.  

Alles, was das Bündnis spalten oder auch nur wie ein neuer Konflikt aussehen könnte, soll vermieden werden. Und das auch, weil die Koalition schon nach vier Monaten erkennen muss, wie sehr in einer aufgeregten Medienwelt auch kleinste Fehler jeglichen Fortschritt zunichte machen können, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. Dafür, so heißt es am Donnerstag, will man kein Futter mehr liefern.  

Eine bedeutsame Entscheidung hat es am Abend gleichwohl gegeben. Die vier Parteichefs haben sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens Jahresanfang 2026 einen echten, also schmerzhaften und deshalb für alle schwierigen Vorschlag zur Reform des Sozialstaats vorzulegen. Wie es heißt, könnten das am Ende nur die Chefs machen – im Wissen darum, dass der große Kompromiss auch für die jeweils eigene Klientel kein Freudenfest werden wird. Alle wissen, dass das nötig ist; alle ahnen, dass nur ein mutiger, aber auch ausgewogen und fairer Vorschlag die Chance hat, angemessen viele Menschen zu überzeugen.  

Erkennbar wurde zudem dreierlei: Vermutlich werden nicht alle Beschlüsse des Koalitionsvertrages in Paragrafen gegossen werden können. Es fehlt schlicht an Haushaltsmitteln. Es wird in den entscheidenden Runden auch über Steuern gesprochen werden müssen, nicht nur über Entlastungen für alle. Und die Länder werden eine Rolle spielen. Denn auch sie sitzen im Boot, wenn es um diverse Beschlüsse des Koalitionsvertrages geht. Und auch sie stehen nahezu ausnahmslos finanziell mit dem Rücken zur Wand. 

Schaut man direkt nach Sachsen-Anhalt, dann haben auch Beschlüsse vor Ort der AfD in die Hände gespielt. So jedenfalls reagiert die AfD auf die Entscheidung von MP Reiner Haseloff, nicht mehr anzutreten. Bei Haseloff hätten Amtsbonus und Beliebtheit zur Gefahr für Spitzenkandidat Ulrich Sigmund werden können, heißt es. Sven Schulze dagegen sei „der leichteste Gegner: älter als Sigmund, sieht weniger gut aus und ist kaum bekannt.“ In Bundesvorstandskreisen der AfD gibt es aber auch Sorgen und Zweifel. Zum einen, weil viele Sigmund die Führung einer Regierung schlichtweg nicht zutrauen. Zum anderen, weil die Umfrage zwei weitere Resultate ausweist: Erstens ist Sigmund alles andere als beliebt und keineswegs beliebter als Schulze. Zweitens würden aktuell zwar 39 Prozent für die AfD stimmen, aber eine große Mehrheit lehnt einen AfD-MP nach wie vor ab.  

Sorge um Verhältnisse in Sachsen-Anhalt

Letzte Aktualisierung: 04. September 2025
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