Talk of the town
Erscheinungsdatum: 18. November 2025

Rentenstreit: Welche Wege aus dem verhärteten Konflikt führen könnten

Das Rentenpaket der Ampel wird zur Machtprobe für Merz und die Junge Gruppe. Am Ende entscheidet sich, ob ein Begleittext reicht oder das Gesetz geändert wird. Klar ist: Ohne ein Zukunftsbild für die Rente wird es keinen Frieden geben.

Am Ende steht und fällt das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition mit zwei Fragen. Einmal: Kommt die Junge Gruppe gesichtswahrend aus der Sache raus? Und: Schafft es Friedrich Merz, die Wogen auf beiden Seiten, sprich sowohl bei der SPD als auch bei der Jungen Gruppe zu glätten? Stand jetzt – immerhin da sind sich alle Beteiligten einig – hat sich die Debatte weg von einer Sach- und hin zu einer Machtfrage entwickelt.

Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch, von denen am Ende nur zwei wirklich realistisch sind. Ein Entschließungsantrag? Wird der Jungen Gruppe nicht ausreichen, weil er am Ende keine bindende Wirkung hat. Aufschieben und dann ein Rentenpaket I gemeinsam mit einem Rentenpaket II verabschieden? Das wäre der Jungen Gruppe wohl am liebsten, weil dann all die Fragen, die gerade noch offenbleiben, geklärt werden könnten. Dass es so kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Sowohl die SPD als auch die mit der Mütterrente ins Rennen gehende CSU pochen darauf, dass das Paket noch im Dezember durch den Bundestag geht. Auch die junge Gruppe in der SPD-Bundestagsfraktion stellt sich gegen die Unionskollegen.

Wie sich das Rentenniveau mit und ohne Haltelinie entwickelt

Bleiben folgende Möglichkeiten: Ein Begleittext im Gesetz, der der Jungen Gruppe mit viel Überzeugungsarbeit ausreichen könnte – oder eben doch eine Änderung des Gesetzes. Merz setzt noch am ehesten auf die Begleittext-Variante. Man könnte darin etwa noch einmal festhalten, dass die Kommission sich einer Reform widmen will. Verbindlich ist aber auch eine solche Ergänzung nicht. Wie die Folgekosten finanziert werden sollen, bliebe ungeklärt. Anders wäre es bei einer Änderung oder Anpassung des Gesetzestextes. Man könnte nach einem Kompromiss suchen, der sicherstellt, dass das Rentenniveau weitgehend konstant bleibt, aber dennoch ein Großteil der Kosten gedeckt sind. Dafür müsste Merz aber die SPD gewinnen. Das könnte bei den Abgeordneten sogar leichter gelingen als bei der Parteispitze, die derzeit wenig Spielraum für Änderungswünsche lässt.

Bernd Rützel als zuständiger SPD-Berichterstatter hat nichts gegen Zusatzerklärungen oder angepasste Gesetzesbegründungen. Inhaltlich müsse das Paket aber so kommen wie vom Kabinett beschlossen, so der Sozialausschuss-Vorsitzende. Die Junge Gruppe habe sich eines von sechs Elementen der Gesamtreform herausgepickt. Das gehe nicht und „schadet nicht nur der Regierung und der Koalition, sondern vor allem der jungen Generation“.

Bei der Suche nach einer Lösung könnte es helfen, die zugrunde liegenden Zahlen zu betrachten. JU-Chef Johannes Winkel spricht von Zusatzkosten in Höhe von 120 Milliarden Euro infolge des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Die Summe bezieht sich auf den zusätzlichen Bundeszuschuss zur Rentenversicherung im Zeitraum zwischen 2032 und 2040. Sie entspricht in der Größenordnung den Schätzungen der Rentenversicherung beim Fortschreiben einer sogenannten Haltelinie. Sie berücksichtigt aber keine weiteren Reformschritte, die ein Absinken des Zuschussbedarfs zur Folge haben könnten. „Das Problem des Rentenpaketes ist, was fehlt“, sagt Peter Haan vom DIW: Es mache keine Finanzierungsvorschläge, obwohl es viele Ideen gebe. Eine Abschaffung der Rente für besonders langjährig Versicherte (ursprünglich „Rente mit 63“) etwa würde ihm zufolge schon kurzfristig Effekte haben, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ab 2031 erst langfristig.

Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung speist sich aus Steuer-, nicht aus Beitragsmitteln. Diese Lasten werden also nicht allein von (jungen) Beitragszahlern und Arbeitgebern, sondern von allen Steuerzahlern getragen. In den vergangenen 20 Jahren ist der Bundeszuschuss gemessen an der Entwicklung des BIP gesunken. Allerdings wird für die nächsten Jahre, in denen die geburtenstärksten Jahrgänge in Rente gehen, ein deutlicher Anstieg prognostiziert. Und Zusatzkosten für die Steuerzahler entstünden auch durch die „Mütterrente III“. Sie betragen rund fünf Milliarden Euro jährlich, also 45 Milliarden Euro zwischen 2032 und 2040.

In der bisherigen Debatte spielt kaum eine Rolle, dass der umstrittene Gesetzentwurf bereits eine Absenkung des Rentenniveaus vorsieht. Das Rentenniveau gibt an, wie hoch die Rente eines sogenannten Standardrentners (45 Beitragspunkte) im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittseinkommen (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) ist. Derzeit liegt dieses Niveau – gesetzlich festgeschrieben – bei 48 Prozent. Nach dem vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf sänke es bis 2040 auf etwa 46 Prozent ab, ohne Gesetzesänderung läge es einen Prozentpunkt niedriger bei rund 45 Prozent. Die im Durchschnitt gezahlte Rente liegt aktuell bei 1.300 Euro. Bei einem Rentenniveau von 46 Prozent läge sie rechnerisch ungefähr 55 Euro, bei 45 Prozent 80 Euro niedriger.

Im Dezember soll die neue Rentenkommission eingesetzt werden. Sie brauche mehr Mut als die letzte, sagt Hermann Gröhe Table.Briefings, der eines der Mitglieder war: „Keine Stellschraube darf zum Tabu erklärt werden“, so der frühere Gesundheitsminister – weder Eintrittsalter noch Niveau. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat schon erklärt, was sie von der Rentenkommission erwartet: eine Empfehlung für eine neue Kenngröße für das „Gesamtversorgungsniveau“ über alle drei Säulen – gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge – hinweg, wie es Friedrich Merz bereits angekündigt hat. Es brauche ein „Leitbild für die Zukunft der Rente“, so die aktuelle Vorsitzende des DRV-Bundesvorstands, Anja Piel.

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Letzte Aktualisierung: 18. November 2025

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