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Neuer Amtsinhaber, wieder mehr Zuständigkeiten: Das überraschende Comeback des Umweltministeriums

Das Umweltministerium meldet sich überraschend stark zurück. Mit Carsten Schneider nutzt das Haus seine neuen Zuständigkeiten offensiv und wird wieder zum Gegenspieler von Wirtschafts- und Verkehrsressort – auch gegen Widerstände aus dem Kanzleramt.

Carsten Schneider und Katherina Reiche (picture alliance/dpa | Elisa Schu | Hendrik Schmidt)

Es ist eine der Überraschungen im ersten Halbjahr der neuen Regierung: Das Umweltministerium, das in den letzten Legislaturperioden unter Bedeutungsverlust gelitten hatte, ist in seine alte Funktion zurückgekehrt und agiert wieder als wichtiger Gegenspieler von Wirtschafts- und teilweise auch Verkehrsministerium. Das liegt an den wieder gewachsenen Zuständigkeiten, aber auch an Amtsinhaber Carsten Schneider.

Der hatte mit den Themen des Hauses zuvor zwar kaum etwas zu tun – anders als seine Vorgängerin Steffi Lemke, die als Agrarwissenschaftlerin und Umweltpolitikerin von Anfang an tief in der Materie steckte. Schneider profitiert davon, dass die Zuständigkeit für den Klimaschutz vom Wirtschaftsministerium zurück ins Umweltministerium gekommen ist. Damit darf er qua Amt bei vielen Themen anderer Ressorts mitreden – und macht davon auch gern Gebrauch. Zuletzt lud er sich selbst zum Koalitionsausschuss ein, um den Spitzen von Union und SPD deutlich zu machen, dass vor allem beim Verkehr und beim Bau weitaus mehr passieren müsse als bisher, wenn die Ziele erreicht werden sollen.

Zudem hat Schneider anders als Lemke wieder einen echten Gegenpart. So wie sich Jürgen Trittin als Umweltminister einst im Dauerstreit mit Wolfgang Clement profilierte oder Sigmar Gabriel als Gegenspieler von Michael Glos, so hat auch Schneider mit Katherina Reiche im Wirtschaftsministerium eine Kabinettskollegin sitzen, die viele Dinge gegensätzlich sieht. Wobei das nichts Persönliches hat – die beiden einzigen Ostdeutschen im Kabinett verstehen sich nach eigenen Angaben gut. Aber in der Sache gibt Schneider ihr regelmäßig Kontra – sei es bei den Ausbauzielen für die Erneuerbaren, beim Kampf um die Beibehaltung der Klimawirkung des Gebäudeenergiegesetzes, beim Streit um möglichst geringe Ausnahmen vom Verbrennerverbot oder bei der Modernisierungsagenda, die er als Gefahr für den Naturschutz sieht.

Ob sich Schneider bei diesen Fragen am Ende durchsetzen kann, ist in vielen Fällen noch offen. Helfen könnte ihm dabei sein enger Draht zum SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch, der als ehemaliger umweltpolitischer Sprecher der Fraktion zudem auch den Themen verbunden ist. Auch die jahrzehntelange fachliche wie politische Erfahrung seines Staatssekretärs Jochen Flasbarth dürfte sich in vielen Verhandlungen als hilfreich erweisen.

Von seiner Performance zumindest sind viele Beobachter bisher positiv überrascht. Schneider, so ist zu hören, tritt zwar stets verbindlich auf – in der Sache wisse er aber genau, was er wolle und wie er es erreicht. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass bei Reiche eher das Gegenteil eingetreten ist: Aufgrund ihrer Erfahrung in der Energiewirtschaft startete sie mit großen Erwartungen und breiter Aufmerksamkeit – doch erreicht hat sie bisher vergleichsweise wenig. Und auch gegenüber Friedrich Merz hebt sich Schneider immer wieder deutlich ab – nicht nur im Koalitionsausschuss oder beim Bund-Länder-Treffen, sondern auch auf internationaler Bühne: Nachdem Merz mit seinen abfälligen Worten über das Gastgeberland für große Verstimmung auf der COP in Belém gesorgt hatte, war es Schneider, der die Brasilianer mit viel Lob und Anerkennung wieder versöhnlich stimmte.

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Letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2025