Talk of the town
Erscheinungsdatum: 16. Juli 2025

Merz in London: Wie Deutschland die Briten wieder näher an Europa bringen will

Friedrich Merz und Keir Starmer im Mai in Kyjiw (picture alliance / Capital Pictures)

In diplomatischen Kreisen wird das Papier als „historischer Durchbruch“ gefeiert, manche fühlen sich an Aachen und den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag erinnert. An diesem Donnerstag wird Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Besuch bei Premierminister Keir Starmer in London den deutsch-britischen Freundschaftsvertrag unterzeichnen, den schon Merz’ Vorgänger im Amt Angela Merkel und Olaf Scholz vorbereitet haben.  

Mit dem 23-seitigen Vertrag werden die Beziehungen Großbritanniens und Deutschlands politisch, wirtschaftlich und kulturell so eng geknüpft, wie es mit einem Nicht-EU-Mitglied möglich ist. De facto wird an vielen Stellen der Brexit, der auch in Großbritannien mehrheitlich kritisch gesehen wird, rückgängig gemacht.  

Das Bundeskabinett hat dem Freundschafts- und Sicherheitspakt bereits zugestimmt.  

Dies sind Diplomaten zufolge die wichtigsten Punkte:  

  • Eine enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit und gegenseitige Abstimmung auch über „nukleare Themen“; dazu soll es einen jährlichen strategischen Dialog der Außenminister geben 

  • Intensivierung der trilateralen Absprachen zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland  

  • Gemeinsame Initiativen gegen Cyber-Angriffe  

  • Gemeinsamer Einsatz für das 1,5 Grad-Klimaschutz-Ziel und die Sustainable Goals der UN 

  • Enge Kooperation zwischen Goethe-Institut und British Council  

  • Stärkere sicherheitspolitische Zusammenarbeit bei Migrationsfragen, Grenzschutz und bei grenzüberschreitenden Ermittlungen (Interpol) 

  • Enger wirtschafts- und finanzpolitischer Austausch und gemeinsame Initiativen zur Stärkung des industriellen Mittelstands  

  • Gemeinsame Anstrengungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, besonders der Windkraft in der Nordsee 

  • Ausbau der Eisenbahn-Direktverbindungen  

  • Gemeinsame Entwicklung einer innovativen und nachhaltigen Wohnungspolitik  

  • Engere Zusammenarbeit bei Weltraum- und KI-Forschung  

  • Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wird als größtes Sicherheitsrisiko für Europa bezeichnet   

  • Visaerleichterungen für Schulreisen  

Der Vertrag beinhaltet auch eine Beistandsklausel. Im Falle einer „strategischen Bedrohung“ für Deutschland oder Großbritannien ist automatisch die andere Seite ebenso betroffen – mit der klaren Zusage, gemeinsam zu reagieren. Die Klausel geht über die bisherigen Vereinbarungen der Nato hinaus.  

Der Sozialdemokrat Starmer und der Christdemokrat Merz haben schon vor der Bundestagswahl eine Beziehung zueinander aufgebaut. Merz hatte sich immer wieder telefonisch mit dem Premier ausgetauscht. Starmer kündigte zudem schon im August 2024 bei seinem ersten Besuch in Berlin an, dass UK und Deutschland den Kooperationsvertrag intensiv vorantreiben wollen.  

Im Kanzleramt wird das Weimarer Dreieck – die traditionellen Beziehungen zwischen Polen, Frankreich und Deutschland – stets zusammen mit Großbritannien gedacht. 3+1 heißt die Formel, mit der Merz Europas Kern angesichts der zahlreichen geopolitischen Herausforderungen stärken will. Der deutsch-britische Vertrag gilt dabei als ein wichtiger Meilenstein.  

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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