Talk of the town
Erscheinungsdatum: 24. August 2025

Wie das Sondervermögen in den Ländern wirkt

Sachsen nimmt mehr ein, als es ausgibt

Mit der Grundgesetzänderung vom Frühjahr hat sich die Finanzarchitektur der Länder grundlegend verschoben: Erstmals seit Inkrafttreten der Schuldenbremse dürfen sie wieder reguläre Kredite aufnehmen – flankiert von insgesamt 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität. Doch anders als beim Bund fehlt für die Länder jede Vorgabe, dass diese Mittel zusätzlich zu bestehenden Investitionen eingesetzt werden müssen. In seiner Stellungnahme für die Anhörung im Haushaltsausschuss an diesem Montag würdigt Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), das Sondervermögen zwar als „wichtigen Schritt für die Zukunftsfähigkeit“, kritisiert aber zugleich den fehlenden Anspruch auf Zusätzlichkeit speziell bei den Bundesländern: Ohne klare Regeln drohe, dass die Milliarden alte Löcher stopfen, statt eine überfällige Investitionswende einzuleiten. Der Vergleich von Bremen, Sachsen und Baden-Württemberg zeigt, wie unterschiedlich die Ausgangslagen sind.    

Bremen bleibt das finanzschwächste Bundesland – mit Abstand. Kein Land ist stärker verschuldet, die Handlungsfähigkeit hängt am Tropf des Länderfinanzausgleichs. Zwar darf Bremen künftig rund 140 Millionen Euro jährlich an neuen Krediten aufnehmen – zusätzlich zu den 400 Millionen Euro Sanierungshilfen. Doch die Auflagen sind schärfer als anderswo, und die Verlockung ist groß, das neue Geld nur zur Stabilisierung bestehender Strukturen einzusetzen. Genau davor warnt das IMK: Ohne zusätzliche reale Investitionen schrumpfen die Effekte des Sondervermögens auf null. 

Sachsen: Sparsamkeit unter Druck. Der Freistaat hatte lange das Image des Musterhaushaltes mit niedriger Verschuldung, Rücklagen und zögerlicher Investitionspolitik. Doch gegen Ende der Ära Stanislaw Tillich wurden die Folgen der Sparpolitik deutlich: Lehrermangel, Lücken bei der Polizei und marode Infrastruktur. Unter Michael Kretschmer fließt zwar mehr Geld in diese Bereiche, doch Belastungen wie der Strukturwandel in der Lausitz und die schwächelnde Autoindustrie zwingen trotz Subventionen zu Krediten. Die neuen Sondervermögen haben die Verschuldung erstmals seit Jahren steigen lassen. Die CDU-SPD-Minderheitsregierung plant zwar Einschnitte, vor allem im Sozialen, doch Kultus- und Innenressort bleiben Priorität. Der Spardruck ist geblieben. Ökonomen befinden: Wenn Länder wie Sachsen die 100 Milliarden aus Berlin nicht als Zusatz, sondern als Ersatz für eigene Investitionen nutzen, ist die Chance auf einen echten Investitionsschub vertan. 

Baden-Württemberg: stark – aber nicht unverwundbar. Stuttgart profitiert von hoher Steuerkraft, dennoch steigen Personal- und Investitionslasten rasant. Sondervermögen sollen helfen, die milliardenschweren Projekte in Digitalisierung, Infrastruktur und Klimaschutz neben der Kernverschuldung zu stemmen. Doch die Zinswende setzt Grenzen – bis 2029 könnte sich die Belastung verdoppeln. Dabei zeigen die IMK-Berechnungen: Real decken die 500 Milliarden Sondervermögen nur rund drei Viertel des geschätzten Investitionsbedarfs. Für Baden-Württemberg bedeutet das: Trotz bester Ausgangslage droht auch hier eine Unterdeckung, wenn das frische Geld nicht konsequent in zukunftsträchtige Projekte fließt. 

Drei Wege, ein Problem. Bremen ringt ums Minimum, Sachsen kämpft gegen Spardruck, Baden-Württemberg gegen steigende Kosten. Doch gemeinsam gilt für alle drei Länder: Der Bund öffnet die Tür mit 100 Milliarden, ohne auf die Einhaltung der Zusätzlichkeit zu bestehen. Damit könnten die Länder kurzfristig Luft bekommen – oder langfristig eine historische Chance verspielen: Das Sondervermögen macht nur einen Unterschied, wenn es wirklich zusätzlich wirkt. 

Dieser Text ist Teil einer Serie zum Sondervermögen. Alle bisherigen Beiträge finden Sie hier.  

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Letzte Aktualisierung: 24. August 2025

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