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Krisenmanagement: Warum Schwarz-Rot beim Thema Rente keinen Ausweg findet

Jens Spahn kämpft mit Vertrauensverlust in der eigenen Fraktion: Die Junge Gruppe und Teile der SPD zweifeln am Rentenpaket. Ohne klare Verbindlichkeit droht die Koalition an einem zentralen Vorhaben zu scheitern.

LB
Jens Spahn und Matthias Miersch (picture alliance / Andreas Gora | picture alliance / Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr)

Das Problem, das Jens Spahn aktuell mit seiner Fraktion hat, wird am Mittwochmorgen schon sichtbar, bevor er überhaupt etwas gesagt hat. Normalerweise sind die Reihen der Abgeordneten während einer Generaldebatte gut gefüllt. Besonders dann, wenn der Fraktionsvorsitzende spricht. Und erst recht, wenn die aktuelle politische Lage prekär ist. Doch als Spahn am Rednerpult sagt, der Kanzler könne sich auf diese Koalition verlassen, sind gut ein Drittel seiner Leute nicht da.

Die schwarz-rote Koalition steht in diesen Tagen vor einer entscheidenden Frage: Sind die Zusagen, die Friedrich Merz als Kanzler und Spahn als Fraktionschef machen, noch verlässlich? Ihr Gespür für Fraktion und Partei jedenfalls scheint begrenzt zu sein. Das zeigt der Streit ums Rentenpaket. Die Konsequenz: Nicht mehr nur beim Koalitionspartner zweifelt man an der Verlässlichkeit, sondern auch in den eigenen Reihen.

Da ist zum einen die SPD. Sie fühlt sich zum zweiten Mal von der Unionsführung im Stich gelassen – und hält deshalb dagegen. Nach der misslungenen Richterinnenwahl ist die Erwartung hoch, dass CDU und CSU jetzt liefern. Zumal Fraktionschef Matthias Miersch bei für die SPD schwierigen Themen immer für eine Mehrheit gesorgt hat. Stichworte: Familiennachzug und Bürgergeld. Geht es nach den Sozialdemokraten, dann darf sich an dem Rentenpaket nichts mehr ändern. Sollte Miersch in dieser Stimmung einen Kompromiss eingehen, wäre zwar die Junge Gruppe der Union beschwichtigt, aber dann, so ist zu hören, würden viele SPD-Abgeordnete dem Paket nicht mehr zustimmen.

In der Unionsfraktion fehlt zugleich das Vertrauen, um sich auf einen Deal nach dem Motto „Erst das Rentenpaket, dann Reformen“ einzulassen. Die Zusage des Kanzlers, dass die Koalition das Rentenpaket zunächst durchwinkt und anschließend eine Kommission Reformen auf den Weg bringt, hinterfragen längst nicht mehr nur die Mitglieder der Jungen Gruppe. Immerhin hat Merz sowas schon einmal gesagt. Gleich zu Beginn der Legislatur bat der Kanzler Partei und Fraktion um Verständnis für das Schuldenpaket. Den Abgeordneten versprach Merz, anschließend zu konsolidieren – und das geliehene Geld zu investieren. Stattdessen floss vor allem aus dem Kernhaushalt viel Geld in konsumtive Ausgaben. Laut IW wurde fast jeder zweite Euro aus dem Sondervermögen zweckentfremdet.

Die Junge Gruppe fordert deshalb Verbindlichkeit. Nur: Wie kann die aussehen? Seit Tagen wird dazu viel gesprochen. Spahn versucht in unterschiedlichen Konstellationen Brücken zu bauen, aber seine Spielräume sind begrenzt. Ein Entschließungsantrag oder ein Begleittext im Gesetz reichen der Jungen Gruppe nicht, weil es dann keine Verbindlichkeit gäbe. „Natürlich ist ein Entschließungsantrag per se nicht verbindlich“, sagte Pascal Reddig, Chef der Jungen Gruppe, im Podcast Table.Today. Auch bei der Zusage, im nächsten Jahr ein zweites Paket auf den Weg zu bringen, bleibt er skeptisch. „Wir haben beim Thema Sondervermögen gesehen, dass wir sehr weit in Vorleistung gegangen sind“, so Reddig. Er habe im Nachgang nicht gesehen, dass mit dem Koalitionspartner solche Reformen möglich seien. „Da geht es nicht um den Kanzler und die Union.“ Es gehe darum, ob die SPD zu großen Reformen bereit sei. Da habe er noch Skepsis, sagt Reddig.

Um aus der Sackgasse herauszukommen, bräuchte es einen Vorschlag, der allen helfen würde, das Gesicht zu wahren. Den aber gibt es nach wie vor nicht. Zumal auch die CSU und Markus Söder noch ein Wort mitreden. Glaubt man den Sozialdemokraten, dann ist es nicht zuletzt der CSU-Chef, der eine Verschiebung ablehnt, weil er seine Mütterrente jetzt durch den Bundestag bekommen will. Das Vorhaben war eines der wichtigsten Wahlkampfversprechen der CSU. Dass sich Söder an diesem zentralen Punkt noch bewege, sei – Stand Mittwochabend – ausgeschlossen, heißt es in der CSU. Zumal er in zwei Wochen seinen nächsten Parteitag hat.

Spahn will trotzdem versuchen, das Paket am Freitag zu einen, um es im besten Fall nächste Woche zur Abstimmung zu stellen. Wie Table.Briefings erfuhr, soll die Fraktion am Freitag um 8 Uhr über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses unterrichtet und auf eine gemeinsame Linie eingeschworen werden. Anschließend wollen Spahn und Kanzleramtschef Thorsten Frei sich mit der Jungen Gruppe treffen, um die Wogen zu glätten. Im Plenum zeigte der Fraktionschef schon mal, wie er sich die Lösung vorstellt. „Verantwortungsethik bestimmt unser Handeln“, so Spahn. Was wohl heißt: Am Ende soll sich daran auch die Junge Gruppe orientieren – und zustimmen.

Im Worst-Case allerdings bleibt das Paket ungeeint. Dann könnte die Fraktionsführung in Absprache mit dem Kanzler, Lars Klingbeil und Bärbel Bas nur noch versuchen, die Zustimmung zu erzwingen. Es wird gerade hoch gepokert. Und der Einsatz ist nichts weniger als die Zukunft der Koalition.

Das Podcast-Gespräch mit Pascal Reddig hören Sie ab 5 Uhr hier.

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Letzte Aktualisierung: 26. November 2025