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Koalitionschaos und Managerfrust: SPD-Chef trifft Wirtschaftsverbände zum Krisenmeeting

Die Debatte um Bärbel Bas hat die ohnehin angespannte Stimmung in der Koalition noch einmal verschärft. Vor der Abstimmung über das Rentenpaket am Freitag versucht vor allem Lars Klingbeil, die Wogen zu glätten.

Lars Klingbeil und Bärbel Bas (picture alliance / photothek.de | Florian Gaertner)

Die Stimmung in der Koalition ist kurz vor der Abstimmung über das Rentenpaket mies; die Union ringt mit sich und ihrer Jungen Gruppe. Zugleich reißt die Kritik an Äußerungen von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas nicht ab, seien es Unternehmerverbände oder auch der CDU-Wirtschaftsflügel. Die Zukunft des Rentengesetzes wird sich zwar endgültig erst am Freitag entscheiden. Doch schon jetzt gibt es Bemühungen, die angespannte Stimmung rund um die Ko-Vorsitzende der SPD zu entspannen. Und es gibt zahlreiche Stimmen, die für mehr Sachlichkeit und einen Verzicht auf scharfe Rhetorik werben.

Wie Table.Briefings aus Regierungskreisen erfuhr, nimmt sich der SPD-Vizekanzler des Themas an und will das Verhältnis zur Wirtschaft verbessern. Demnach trifft sich Lars Klingbeil am Donnerstagmorgen mit den Hauptgeschäftsführern der vier großen Wirtschaftsverbände DIHK, BDA, BDI und ZDH. Es gehe darum, wieder in einen „konstruktiven Austausch über die Zukunft des Standorts“ zu kommen, heißt es im Ministerium. Das Gespräch sei nach den Äußerungen der Arbeitsministerin und der unfreundlichen Reaktion der Arbeitgeber beim Arbeitgebertag zu einem „Krisentreffen“ mutiert, sagte einer der Beteiligten aus der Wirtschaft Table.Briefings.

Die Lage der deutschen Wirtschaft sei zu ernst für Befindlichkeiten. Und die Kommunikation der SPD gegenüber den Unternehmen sei aktuell mehr als fragwürdig. „Wir brauchen das volle Commitment der Regierung, die Wirtschaft spürbar zu entlasten und sie nicht als Gegner zu sehen“, heißt es. Um eine Einseitigkeit zu vermeiden, wird sich Klingbeil am Freitag auch mit Vertretern der IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) austauschen. Für den Vizekanzler sei es „höchste Priorität, für neues Wachstum zu sorgen und Arbeitsplätze zu sichern“, heißt es.

Mit Blick auf die Gesamtstimmungslage wirbt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst für ein verbales Abrüsten. Im Podcast Table.Today fordert der CDU-Regierungschef mit Blick auf die Debatte rund um Bas beide Seiten auf, wieder zusammenzukommen. „Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ist da und sie muss weg“, sagt Wüst. „Wir haben es in Deutschland immer geschafft, in solchen Situationen nach vorne zu kommen, wenn die Tarifpartner und die Politik eng zusammenhalten.“ Was früher konzertiere Aktion hieß, könne heute „Bündnis für Innovation und Arbeit“ heißen, so der CDU-Politiker.

Der entscheidende Punkt sei, dass alle ein konkretes Commitment eingehen und ein Ziel hätten. „Deswegen wäre es gut, wenn eine Arbeitsministerin gerade in einer solchen Situation gesprächsfähig ist, und zwar zu beiden Seiten. Das wird man nicht sein können, wenn man die Arbeitgeberseite zu Gegnern erklärt. Das sollte man schnell ausräumen“, sagt Wüst. Von außen müsse keiner vermitteln, sagt er, „die haben ihre Telefonnummern, die sollen sich anrufen und ein Bier zusammen trinken gehen.“ Im Rentenstreit zeigt Wüst durchaus Verständnis für die SPD. „Sie liegt unter 20 Prozent und hat den Kanzler verloren. Aus dieser eher schwachen Position finde ich jetzt nicht überraschend, dass sie sich mit Sozialreformen schwertut. Wenn du voll im Saft stehst, dann hast du die Kraft, mehr zu tun.“

Auch Rainer Schlegel, der frühere Präsident des Bundessozialgerichts, wirbt für eine Versachlichung. Er betont, Reformen seien notwendig und könnten gelingen, wenn eben die Interessen aller zum Ausgleich gebracht würden. Er wünsche sich, dass auch die Gewerkschaften deutlich machen, dass die Beitragssätze in der Sozialversicherung zu hoch seien für ihre Mitglieder. Reformen, so seine Botschaft, sind zwingend, aber müssen gemeinsam angegangen und beschlossen werden. Nicht nur, aber auch, um Arbeitsplätze zu schützen und zu erhalten.

Der ehemalige Richter mahnt die Arbeitnehmervertreter, das große Ganze im Blick zu behalten. „Dass sich einige Gewerkschaften vermehrt in erster Linie als Interessenvertretung von Leistungsempfängern und weniger der versicherten und beitragspflichtigen Arbeitnehmer verstehen, ist für mich irritierend“, klagt er. „Die soziale Sicherung war immer ein gemeinsames Anliegen der Sozialpartnerschaft“, so Schlegel, der auch CDU-Mitglied ist.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi beklagt eine Einseitigkeit der Arbeitgeber – und fordert gemeinsames Handeln. Sie sei schon verwundert über deren Empfindlichkeit, obwohl sie „seit über zwei Jahren nichts auslassen, um Beschäftigten oder der Bundesregierung die Schuld für alle wirtschaftlichen Probleme in diesem Land zuzuschieben“. Gleichzeitig fordert auch Fahimi, alle miteinander müssten „endlich gemeinsam an der zentralen Frage arbeiten: Wie sichern wir Innovationen und Arbeitsplätze in unserem Land?“. Nötig sei dafür „ein neuer sozialpartnerschaftlicher Ansatz“.


Das Gespräch mit Wüst hören Sie ab 5 Uhr hier.

Table.Today mit Hendrik Wüst. "Ist diese Koalition noch zu retten, Herr Wüst?"

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Letzte Aktualisierung: 03. Dezember 2025