Talk of the town
Erscheinungsdatum: 01. Oktober 2025

Kabinettsklausur: Jenseits der Tagesordnung wurde heftig gerungen

Carsten Schneider, Dorothee Bär und Katherina Reiche
Carsten Schneider, Dorothee Bär und Katherina Reiche (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Bei der Kabinettsklausur waren die Spitzen von CDU, CSU und SPD sichtlich um Einigkeit bemüht. Doch ein Streit um den Industriestrompreis offenbart die tiefen Risse in der Koalition.

Natürlich haben Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Alexander Dobrindt das Miteinander am Mittwoch gelobt und sich zum Abschluss der Kabinettsklausur hochzufrieden gegeben. Alles andere hätte man vom Kanzler, seinem Vize und dem wichtigsten CSU-Vertreter auch nicht erwartet. Zu fragil ist die Lage und zu wichtig die Botschaft, die Regierungssprecher Stefan Kornelius in einem britisch-kühlen „Wir schaffen hier eine unity of purpose“ zusammenfasste. Gemeinsame Ziele und gemeinsame Überzeugungen, die in eine gemeinsame Politik münden. 

Dass es so weit noch nicht ist, zeigte sich trotzdem. Nach Berichten von Teilnehmern kam es schon am Dienstagabend zu einer heftigen Debatte. Abweichend von der Tagesordnung hatte der Kanzler, unterstützt von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, die Frage aufgeworfen, mit welchen Mitteln man der Wirtschaft schnell und wirkungsvoll zusätzlich helfen könnte. Ausgangspunkt war die Überlegung, beim Industriestrompreis doch noch was zu machen. Vor allem Umweltminister Carsten Schneider wehrte sich dagegen, und zwar offenbar so heftig, dass manche später von einem veritablen Konflikt sprachen. Andere im Kabinett lehnten dieses Wort ab und redeten lieber von einer „Spontandiskussion ohne inhaltliche Vorbereitung“, angestoßen unter dem Eindruck massiver Probleme der Industrie.  

Ergebnis: Für einen langen Augenblick lagen die unterschiedlichen Sichten offen auf dem Tisch. Schneiders zentrales Argument: Wenn man jetzt beim Strompreis etwas mache, dann müsse man das für alle tun, auch für die Privathaushalte. Angesichts der Not vor allem der Stahlindustrie sahen das der Kanzler und Reiche anders. Dann trat Klingbeil auf den Plan und setzte sich mit dem Vorschlag durch, das Thema zwar nicht zu beerdigen, wohl aber zu verschieben. Zumal an diesem Abend eine Beschlussvorlage zum Thema sowieso nicht vorliege.

Schon am Mittwoch allerdings signalisierten Klingbeil und Reiche eine Annäherung in der Frage. Bei einem Treffen mit Betriebsräten und Gewerkschaften im Finanzministerium stellten beide einen staatlich subventionierten Industriestrompreis in Aussicht. Reiche gab sich zuversichtlich, bis Jahresende auch die nötige Zustimmung der EU-Kommission zu erreichen. Ihre Botschaft: Die Koalition wolle den Industriestrompreis mit „aller politischen Durchsetzungskraft“ erreichen. Klingbeil erklärte etwas zurückhaltender, er könne noch keine Summe nennen. Aber klar sei für ihn, dass die nötigen Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen würden. Es gehe darum, einer wichtigen Industrie zu helfen. 

Der angekündigte Griff in den KTF könnte bei Schneider neue Zweifel auslösen. Soll dieses Geld doch vor allem für Klimaschutzaktivitäten eingesetzt werden. Dass der Umweltminister seine Rolle als Klimaschützer entschlossen verteidigen will, hatte er bei der Klausur ohnehin schon bewiesen. Beim kurzen Auftritt mit Reiche und Forschungsministerin Dorothee Bär hatte er kampfeslustig bestätigt, dass der Konflikt zwischen dem Kanzler und ihm in Sachen Verbrenner-Aus nach wie vor nicht gelöst sei. Angesichts der Historie der Ampel, die auch an solch inneren Konflikten zerbrach, wird in Regierungskreisen damit gerechnet, dass dieses Problem spätestens im Koalitionsausschuss am kommenden Mittwoch gelöst wird.   

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Letzte Aktualisierung: 01. Oktober 2025

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