Talk of the town
Erscheinungsdatum: 20. August 2025

Intensive Verbindung: Wie die CDU mit Frank Gotthardt ein Unternehmen gründen wollte und welche Rolle Julia Klöckner dabei spielte

Wie Julia Klöckner sprach auch Frank Gotthardt beim Sommerempfang der CDU Koblenz (picture alliance/dpa Sascha Ditscher)

Die Verbindungen zwischen der Bundestagspräsidentin und CDU-Politikerin Julia Klöckner und dem Koblenzer Unternehmer und NIUS-Eigentümer Frank Gotthardt sind intensiver als bisher bekannt. So befürwortete Klöckner als Schatzmeisterin 2023 die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens der CDU mit Gotthardt, wie aus Unterlagen und vertraulichen E-Mails hervorgeht, die Table.Briefings vorliegen.   

Im Frühsommer 2023 wollte die CDU demnach mit Gotthardt das gemeinsame Unternehmen „CDU App GmbH“ gründen, das die IT- und Digitalstrategie der Partei verantworten und weiterentwickeln sollte. Das Projekt mit dem Namen „China Club“ war vertraulich und wurde im Adenauer-Haus in kleinem Kreis gehalten. Die Kommunikation mit Gotthardt lief meist über die Schatzmeisterin Klöckner oder den CDU-Geschäftsführer Christoph Hoppe. Beim ersten Gespräch im China Club, dem Nobel-Klub über dem Hotel Adlon, soll auch der Vorsitzende Friedrich Merz dabei gewesen sein.  

Gotthardts Unternehmen als Herz der Digitalkampagnen der CDU? Ziel des Unternehmens sollte der Aufbau einer App sein, die eine Schnittstelle zur Mitgliederdatenbank haben und Kampagnen der CDU professionalisieren sollte. Das geht aus dem Entwurf einer Absichtserklärung (Letter of Intent) hervor, der Table.Briefings vorliegt. Weiter heißt es, dass das Unternehmen die Weiterentwicklung von „Kernprozessen der CDU wie Kampagnenfähigkeit, Mitgliederpartizipation, Parteiverwaltung und Kommunikation mit Mitgliedern, Spendern, Bürgern und Mitarbeitern“ vorantreiben solle. Damit wäre der Firma eine zentrale Rolle bei Wahlkämpfen zugekommen. Auch wäre ein finanzielles Engagement Gotthardts als Mehrheitsgesellschafter für die CDU praktisch, die Kapitalspritze wäre nicht anzeigepflichtig gewesen. Die Zusammenarbeit war auf Jahre hinaus angelegt. Die Unterschrift unter der Absichtserklärung sollte bis Ende Juli 2023 erfolgen.   

In einer als vertraulich eingestuften E-Mail vom 12. Juni 2023 fasst Hoppe den Stand der Verhandlungen zusammen. Er beruft sich dabei auf ein Gespräch mit einem Mitarbeiter Gotthardts (Name ist der Redaktion bekannt). Demnach sollte die CDU nur 24,9 Prozent der IT-Tochtergesellschaft halten, die Mehrheit sollte Gotthardt übernehmen. Gotthardt solle „dauerhafter Dienstleister für Erhalt und Ausbau“ der IT-Struktur der CDU sein, heißt es in der Mail Hoppes an die Parteispitze, zu der auch Klöckner und Merz gehörten. Klöckner reagierte erfreut. „Wenn Herr Gotthardt diesen Weg mitgehen würde, wäre das ein Erfolg und eine gute Perspektive für uns als CDU“, schrieb sie und bot ihre persönliche Hilfe über „Paralleltelefonate“ an.  

In der Folge prüften externe Anwälte bereits das Zusammengehen, doch aus dem Gemeinschaftsunternehmen wurde nichts. Wie die CDU auf Anfrage mitteilte, stand die Partei „zum Zwecke der Digitalisierung ihrer Parteiarbeit regelmäßig mit unterschiedlichen potenziellen Dienstleistern im Austausch“. Einer dieser möglichen Partner sei Gotthardt gewesen. „Die Gespräche sind in einer vorvertraglichen Phase beendet worden, weil zu unterschiedliche Auffassungen über die Zusammenarbeit bestanden.“ Darüber hinaus könne man sich zu internen Vorgängen nicht äußern. CDU-intern heißt es, Gotthardt habe zu schnell zu viel gewollt.   

Welche Rolle spielte Klöckners Bekanntschaft mit dem Koblenzer Unternehmer für die Anbahnung des Geschäfts? Und kann ein Medienmanager, der ein rechtspopulistisches Portal finanziert, die Kommunikation für die christdemokratische Partei verantworten und Zugang zu Mitgliederdaten bekommen? Dazu keine Antworten von der CDU. In der Partei heißt es, Klöckner habe als Schatzmeisterin die Idee aufgebracht. Gerade im Digitalbereich brauchte die Partei eine Frischzellenkur, und frisches Geld. Ein Sprecher der Bundestagspräsidentin wollte diese und weitere Fragen nicht kommentieren und verwies darauf, dass dies Angelegenheit der CDU-Bundesschatzmeisterei sei. Von Gotthardt lag bis Mittwochabend keine Stellungnahme vor.  

Anlass für die Debatte über Klöckner und den Unternehmer war Klöckners Grußwort beim Sommerfest der CDU Koblenz vergangene Woche in den Räumen der CompuGroup Medical, dem Medizindienstleister Gotthardts. Kritiker sahen darin bereits eine indirekte Werbeveranstaltung für Gotthardts Portal NIUS. Die Verbindung von CDU-Politikern zu NIUS ist immer wieder Gegenstand von Kritik, da das Portal wegen seiner rechtspopulistischen Kampagnen und der scharfen Rhetorik in Migrationsfragen umstritten ist.  

Nach dem Sommerfest-Auftritt warfen Politiker von SPD, Grünen und Linken Klöckner ein demokratieschädigendes Verhalten vor. Der SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nannte den Auftritt „erklärungsbedürftig“. Die CDU in Rheinland-Pfalz hielt dagegen und sprach von „Diskreditierung“ namhafter Persönlichkeiten. Die Medienbeteiligung Gotthardts sehe er aber auch kritisch, sagte CDU-Landeschef Gordon Schnieder. Klöckner selbst verteidigte sich und verglich in ihrer Rede NIUS mit der linksgerichteten taz, beide unterschieden sich in ihren Methoden nicht besonders, so Klöckner. Damit begann die Debatte erst richtig. Die taz-Chefredaktion verwahrte sich gegen den Vergleich und betonte ihre publizistischen und ethischen Standards.  

Auch wenn das Amt zur parteipolitischen Zurückhaltung verpflichtet: Dass eine Bundestagspräsidentin bei politischen Veranstaltungen ihrer Partei auftritt, war bei ihren Vorgängern auch nicht anders. Doch auch in der Union wird Klöckners Verhalten nun kritisch gesehen. Nachdem sie in der Vergangenheit dem NIUS-Gründer eine Mehrheitsbeteiligung an einer sensiblen CDU-Firma geben wollte, sollte sie im neuen Amt umso mehr den Anschein einer engen Verbindung zu dem Unternehmer vermeiden, ist aus der CDU zu hören.  

Table.Today. "Wie viel NIUS ist bei der CDU erlaubt?"

Letzte Aktualisierung: 20. August 2025
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