Talk of the town
Erscheinungsdatum: 25. August 2025

Herbst der Reformen: Wie Schwarz-Rot den Neustart schaffen will

Kurzzeitig drohte der geplante Neustart von Schwarz-Rot diese Woche doch noch gestört zu werden. CDU-Außenminister Johann Wadephul hatte bereits vergangene Woche ein Veto gegen das von SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegte Wehrdienstgesetz eingelegt, das an diesem Mittwoch ins Kabinett kommen soll. Dem CDU-Minister ist die Idee, die jungen Menschen freiwillig in die Bundeswehr zu locken und ihnen einen Fragebogen zum möglichen Dienst zu schicken, zu unambitioniert. Doch nachdem auch das Kanzleramt dringend um Konsens gebeten und Merz nach Informationen von Table.Briefings direkt mit Wadephul gesprochen hatte, wurde der Ministervorbehalt in der Staatssekretärsrunde am Montag wieder eingesammelt. 

Die Kritik in der Union an den Plänen des SPD-Ministers bleibt indes. Zwar setzt Pistorius ziemlich genau das um, was im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, nämlich, dass „zunächst“ versucht wird, junge Menschen freiwillig zur Bundeswehr zu bekommen. Doch Wadephul, wie auch CSU-Chef Markus Söder und CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, wünschen sich einen Automatismus zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, um die von der Nato vorgegebenen Ziele von 80.000 zusätzlichen Berufssoldaten und 140.000 neuen Reservisten in Deutschland in den kommenden Jahren zu erreichen. „Insbesondere bei den aktiven Soldaten brauchen wir bis 2035 einen enormen Aufwuchs auf 260.000 Männer und Frauen. Dafür müssen wir jetzt konkrete Meilensteine vereinbaren, die einen Spurwechsel von der Freiwilligkeit zur Pflicht vorsehen, wenn diese nicht ausreicht, um unsere Ziele zu erreichen“, sagte Röttgen Table.Briefings. 

Im bisherigen Entwurf ist bewusst unklar formuliert, unter welchen Umständen eine Rückkehr zur Pflicht unterhalb des Spannungs- und Verteidigungsfalls greift. Und: Der Bundestag muss zustimmen. Während eine Mehrheit der SPD-Wählerschaft Umfragen zufolge eine Rückkehr zur Wehrpflicht befürwortet, dürfte das mit dem linken Flügel der SPD nur schwer zu realisieren sein. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, gerade deswegen müsste jetzt alles versucht werden, um durch Freiwilligkeit ans Ziel zu gelangen.  

Aber auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte, verlangt Nachbesserungen an dem Entwurf. Er hält das von Pistorius einst so gelobte schwedische Modell nur für unzureichend umgesetzt. „In Schweden ist die Musterung verpflichtend und nicht nur die Beantwortung eines Fragebogens“, sagte Otte im Podcast Table.Today. Deutschlands Truppe brauche mehr als durch Freiwilligkeit erzielt werden kann. Die verpflichtende Musterung soll laut bisherigem Entwurf erst Mitte 2027 beginnen, das Kanzleramt hätte das gerne noch früher gehabt.

Dass die Koalitionsfraktionen den Kabinettsbeschluss aber nochmal anpacken, ist eher unwahrscheinlich. Auf die Fraktionen von Union und SPD lastet nach der verpatzten Richterwahl ohnehin reichlich Druck. An diesem Donnerstag kommen die Vorstände in Würzburg zur Klausur zusammen, ein besseres Miteinander und neues Vertrauen steht ganz oben auf der Wunschliste. Nach Informationen von Table.Briefings soll deshalb auch eine gemeinsame Erklärung zu den anstehenden Projekten und der bisherigen Bilanz veröffentlicht werden. So will man wieder eine einheitliche Sprachregelung finden.  

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger, forderte, dass man an die Erfolge der ersten 100 Tage in der Wirtschafts-, Migrations- und Außenpolitik anknüpfen und jetzt mutig weitere Reformen angehen sollte. Der Koalitionsvertrag bilde eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit, sagte Bilger Table.Briefings. Der CDU-Abgeordnete ist sich sicher: „Die Klausurtagung markiert den Auftakt für die gemeinsame Arbeit in den entscheidenden kommenden Monaten.“  

Zentrale Themen bei der Tagung sind das Wehrdienstgesetz und die Verteidigungsfähigkeit. Dazu ist als Gastredner Nato-Generalsekretär Mark Rutte geladen. Außerdem wollen die Abgeordneten über die Resilienz der liberalen Demokratie mit der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlins, Nicola Fuchs-Schündeln, reden. 

Das Podcast-Gespräch mit dem Wehrbeauftragten Henning Otte hören Sie ab 5 Uhr hier.  

Table.Today mit Michael Bröcker und Helene Bubrowski. "Was bleibt von Robert Habeck?"

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Letzte Aktualisierung: 25. August 2025

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