Talk of the town
Erscheinungsdatum: 04. November 2025

Frust bei Union und SPD: Wie kleine Konflikte die Koalition an ihre Belastungsgrenze bringen

Ernste Gespräche: Matthias Miersch und Jens Spahn (picture alliance / photothek.de | Florian Gaertner)

Union und SPD stehen unter Druck: Streit über Abschiebungen, Erfolge und interne Konflikte belasten die Koalition. Schwarz-Rot fehlt ein deutliches Erfolgserlebnis – während AfD und Frust in der Bevölkerung wachsen.

In der Union wird der Zustand der Koalition dieser Tage oft mit einer kaputten Beziehung verglichen. Die SPD sei wie eine unzufriedene Partnerin, die dauernd Streit suche, heißt es. Das geht so weit, dass erste Abgeordnete über eine Minderheitsregierung nachdenken. „Wenn es in einer Ehe kriselt, dann sollte man es mit einer hoffentlich erfolgreichen Mediation versuchen. Grundsätzlich ist diese Koalition aber nicht alternativlos“, sagte ein Mitglied der Unionsfraktion zu Table.Briefings.

Schon am Montag fanden einige in der CDU klare Worte. „Ich mache mir große Sorgen um den Zustand der SPD. Zu viele Sozialdemokraten haben offensichtlich bis heute nicht verstanden, welche große staatspolitische Verantwortung in diesen herausfordernden Zeiten auf dieser Koalition lastet“, sagte etwa Paul Ziemiak Table.Briefings. Jens Spahn wurde in der CSU-Landesgruppe noch deutlicher. Wie Bild berichtet, sagte der Fraktionschef dort: „Wir gewinnen gemeinsam, oder wir verlieren gemeinsam. Aber wir werden nicht gemeinsam sterben mit denen.“ Seine Botschaft: So, wie es jetzt ist, geht es nicht weiter.

Spricht man am Dienstag im Bundestag mit Abgeordneten der Union, begegnet einem entsprechend jede Menge Frust. Vor allem die Debatte um Abschiebungen nach Syrien, die durch Außenminister Johann Wadephul ausgelöst wurde, sorgt für Unverständnis. Im Koalitionsvertrag sei alles klar vereinbart, findet die Union. Unterdessen weist SPD-Fraktionschef Matthias Miersch darauf hin, die Regierung könne „die Stellungnahmen, die der Außenminister geäußert hat, nicht einfach so wegwischen“. Es komme auf die Lage vor Ort an.

Nicht zum ersten Mal bricht in der Koalition Streit über ein Thema aus, das eigentlich längst geklärt sein sollte. In der Fraktionssitzung der Union mahnt Spahn Teilnehmerkreisen zufolge, die Koalition mache es Kritikern zu leicht und schaffe es zu selten, Erfolge zu transportieren. Schon eine Äußerung reiche leider, wie aktuell zu Syrien, die gerade im Bereich irregulärer Migration sehr erfolgreiche Arbeit mit Streit zu überdecken.

In der SPD-Fraktion sind die Aussagen von Wadephul am Dienstag schon fast kein Thema mehr. Genervt ist man bei den Genossen trotzdem. Von der Union – aber teilweise auch von sich selbst. Dass SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar am vergangenen Wochenende an einer Demonstration gegen die „Stadtbild-Äußerung“ des Kanzlers teilgenommen hat, kommt auch innerhalb der SPD nicht gut an. Solche Debatten mit „blinden Aktionismus“ zu befeuern, sei nicht hilfreich, sagt ein Fraktionsmitglied Table.Briefings. Damit würden politische Nebelkerzen gezündet, die den Blick auf die eigentlichen Probleme verhindern.

Fakt ist: Die Stimmung in der Koalition droht zu kippen. Und das, obwohl Union und SPD sich einig sind: Die Regierung müsse ins Machen kommen. Müsse endlich Erfolge erzielen und diese dann auch gebührend feiern, statt sie mit Streit zu überlagern. Schließlich sind ihre Umfragewerte seit Wochen im Keller, während die AfD immer weiter gewinnt.

Was ist der Grund dafür, dass die ursprüngliche „Arbeitskoalition“ ihren Ansprüchen nicht gerecht wird? Zum einem wurden Konflikte vertagt – oder in Kommissionen geschoben. Hinzu kommen tiefe Wunden aus dem Sommer, die auf Seiten der SPD nach wie vor nicht verheilt sind. Noch gravierender aber ist für die Seelen aller, dass Schwarz-Rot ein Erfolgserlebnis fehlt. Zwar sind die Zahlen bei der irregulären Migration so niedrig wie lange nicht mehr. Allerdings ist das nicht allein der Verdienst von Schwarz-Rot. Und die eigentliche Hoffnung lag auf der Wirtschaft und einer Reform-Agenda. Aus dem Umfeld des Kanzlers heißt es immer wieder, am Ende würden er und seine Koalition vor allem daran gemessen.

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Letzte Aktualisierung: 04. November 2025

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