Talk of the town
Erscheinungsdatum: 22. September 2025

Die Union, der Kulturkampf und der öffentlich-rechtliche Rundfunk

Frauke Brosius-Gersdorf, Charlie Kirk und Julia Ruhs
In den vergangenen Monaten lassen CDU und CSU sich immer wieder auf Kulturkämpfe ein (picture alliance / teutopress / AdMedia / PIC ONE | Manfred Behrens)

Kulturkampf oder Sachpolitik? In der Union schwelt ein Konflikt über Kurs und Kommunikation.

Es ist die Frage, die in der Union für Unruhe sorgt: Wie und vor allem wie sehr wollen die Schwesterparteien sich Kulturkampf-Themen widmen? Darüber gehen die Meinungen in den Reihen von CDU und CSU weit auseinander. Während die einen befürchten, die Debatten den Rechten oder Linken zu überlassen, wenn sie sie nicht selbst abdecken, mahnen die anderen, eine Regierungspartei müsse sich auf Inhalte konzentrieren. Gerade die waren in jüngster Vergangenheit aufgrund von Kulturkämpfen immer wieder in den Hintergrund gerückt. Verschiedene Fälle zeigen das deutlich. 

Etwa gab es da vor der Sommerpause die gescheiterte Verfassungsrichter-Wahl und die Causa Frauke Brosius-Gersdorf. Teile der Unions-Fraktion problematisierten die Aussagen der Juristin zu Schwangerschaftsabbrüchen. Es schien, als handele es sich bei der renommierten Jura-Professorin um eine Abtreibungsaktivistin. Fakten wurden durcheinandergebracht. Eigentlich hatte der Kanzler in der letzten Sitzungswoche eine glanzvolle Präsentation der Investitionsoffensive geplant. Am Ende überwog die Debatte um die Juristin Brosius-Gersdorf. Die Koalition schien nicht handlungsfähig. 

Nun wollte man es noch einmal versuchen. „Herbst der Reformen“ – so lautete der selbst erteilte Arbeitstitel für die kommenden Wochen. Nach dem Haushalt sollte sich Schwarz-Rot intensiv mit Reformvorschlägen für Rente, Bürgergeld, Gesundheit und Pflege befassen. Das Ziel: Jetzt nicht wieder ablenken lassen. 

Doch als Mitte September in den USA der rechtskonservative Aktivist Charlie Kirk erschossen wurde, nahmen Teile der CDU den Vorfall zum Anlass, eine Debatte über Meinungsfreiheit ins Rollen zu bringen. Teilweise rassistische, menschenverachtende und verschwörungsgläubige Aussagen von Kirk wurden nicht erwähnt. Generalsekretär Carsten Linnemann warnte vor dem Auseinanderreißen „unserer Gesellschaften“, die JU mahnte: „Meinungsfreiheit lässt sich nicht erschießen. Ruhe in Frieden, Charlie Kirk.“ Und schließlich befand die Abgeordnete Caroline Bosbach, Kirk sei ein „Kämpfer für westliche Werte“ gewesen – und löschte den Post wieder. 

Unterdessen wunderten sich andere in der Partei über die selektiven Solidaritätsbekundungen. Es habe sich schließlich auch niemand geäußert, als im Juni eine Demokratin und ihr Mann von einem als Polizist verkleideten Mann erschossen wurden. 

Vergangene Woche folgte erneut ein Kulturkampf: Nachdem der NDR sich von ihr getrennt hatte, wurde die Moderatorin Julia Ruhs für einige in der Union zur Heldin der freien Meinungsäußerung. Ruhs hatte dem NDR vorgeworfen, man habe sie von der Moderation der NDR-Folgen des Magazins „Klar“ abgezogen, weil sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „zu rechts“ sei. Dieser Darstellung folgten in der Union viele. 

So hält Jens Spahn die Entscheidung des NDR für „sehr problematisch“. Markus Söder kritisierte, das sei „kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz“. Und Carsten Linnemann sprach von einem „neuen Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland“. Er brachte das Einfrieren der Rundfunkgebühren ins Spiel, „damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren“.  

Nicht alle in der CDU teilen das. NRW-Staatskanzleichef und Medienminister Nathanael Liminski weist zwar darauf hin, dass es „für die breite und dauerhafte Akzeptanz eines pflichtfinanzierten Rundfunks“ Meinungsvielfalt und Binnenpluralität brauche. Gleichwohl mahnt der CDU-Politiker, dass für die Medienpolitik der CDU klarbleibe: „Die Programmaufsicht und die verfassungsmäßig gewährte auskömmliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind zwei Paar Schuhe und werden nicht vermengt.“ 

Andere werden hinter vorgehaltener Hand sogar noch deutlicher. Sie seien es leid, dass sich Teile der Partei immer gleich in den nächsten Kulturkampf stürzten, so heißt es etwa aus der Fraktion. Ein Mitglied des Bundesvorstands klagt zudem, er wünsche sich, dass die Union sich in diesem Herbst mit Inhalten statt Kulturkämpfen beschäftige. Denn klar sei auch, dass man damit am Ende den Falschen in die Karten spiele. 

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Letzte Aktualisierung: 23. September 2025

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