Berlin.Table Talk of the town

Der Kanzler und seine CDU: Warum die Wahlkämpfer mit Zweifeln in die Weihnachtspause gehen

Friedrich Merz wollte mit Erfolgen ins politische Finale gehen. Geblieben sind halbe Ergebnisse, eine verlorene KAS-Wahl und wachsender Zweifel in der CDU. In der Partei mehren sich Sorgen über Stil, Versprechen und Führung.

23. Dezember 2025
Friedrich Merz beim Parteitag der CDU Baden-Württemberg im Mai (picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer)

Friedrich Merz, so viel ist sicher, hat sich das Finale ganz anders vorgestellt. In der letzten Vorstandssitzung des Jahres hatte er dafür geworben und es selbst versprochen, dass die letzten Entscheidungen gute sein würden. Ausdrücklich wollte der Kanzler die Menschen mit einem positiven Gefühl in die Feiertage entlassen. Außenpolitisch mit einem Erfolg in Brüssel, als klares Signal an Trump, Putin und die Ukraine; innenpolitisch mit der Verabschiedung weiterer Gesetze; und parteipolitisch mit einem Erfolg bei der KAS-Nachfolge. Geblieben ist wenig. Allenfalls aus Brüssel lässt sich bei nüchterner Betrachtung ein halber Erfolg vermelden: mit 90 Milliarden Ukraine-Hilfe ohne Euro-Bonds – und einem nicht erwarteten Ja von Viktor Orbán. Not bad, hätte man sagen können.

Hängen blieb gefühlt trotzdem das Wort Niederlage. Der Grund: Merz hatte zuvor allein und sehr laut auf die frozen assets gesetzt. Im Vorfeld und zu Beginn der Stunden von Brüssel hatte er das so vehement vertreten, dass alles andere wie eine politische Pleite aussehen musste. Seit seiner Wahl im Mai ist daraus ein Muster geworden – und das besorgt die Partei. Viel anzukündigen, um am Ende maximal mit der Hälfte nach Hause zu kommen – das zieht sich durch Merz‘ bisherige Amtszeit.

Helmut Kohl hat den Satz geprägt: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Merkel hat dieses Denken lange Zeit perfektioniert. Merz aber agiert so, als habe er den Satz noch immer nicht verstanden. Obwohl er in der Koalition, in Brüssel und bei der KAS-Abstimmung Bündnisse schmieden und Kompromisse aushandeln muss, verspricht er vorneweg fast alles. Darüber haben seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in ihn Schaden genommen.

Womöglich schwang all das mit, als sein Kandidat Günter Krings dann auch noch bei der KAS-Wahl durchfiel. Das Ergebnis ist ein klares Signal der eigenen Leute, dass Merz auf eine geschlossene Gefolgschaft seiner Partei nicht mehr hoffen darf. Schon in den vergangenen Wochen hatte es Unmut über diese erzwungene Kampfabstimmung gegen Annegret Kramp-Karrenbauer gegeben. Der Vorwurf: Ausgerechnet der CDU-Chef spalte das eigene Lager. Statt zu versöhnen habe er einen Graben geschaffen, heißt es auch bei Parteivertretern und Abgeordneten, die eigentlich seinen Erfolg wollen.

Wie angespannt auch um Merz herum alle sind, zeigten unfreiwillig seine Mitstreiter. Als der Sieg von AKK verkündet wurde, waren Jens Spahn und Carsten Linnemann vor allem eines: hochgradig verärgert. Sie hatten sich für Merz und seinen Kandidaten Krings in die Schlacht geworfen. Als diese verloren war, verließen sie in einer Mischung aus Frust und Zorn nahezu wortlos den Ort der Niederlage. So jedenfalls berichten es mehrere Teilnehmer, die mitgewählt haben und Zeugen wurden.

Das Ergebnis von alledem: Von Nord bis Süd zweifeln die CDU-Wahlkämpfer an ihrem Kanzler. Und hoffen zugleich auf seine Einsicht. Nicht jeder Christdemokrat, der im kommenden Jahr Landtagswahlen bestreiten muss, äußert seine Sorgen so offen wie Gordon Schnieder aus Rheinland-Pfalz. Er sagte der Welt am Wochenende: „So dürfen wir nicht weitermachen.“ Ähnliches ist seit Längerem aus Baden-Württemberg zu hören, auch wenn Spitzenkandidat Manuel Hagel jede direkte Kritik vermeidet. Alle wünschen sich, dass verabschiedete Reformen und andere Erfolge nicht mehr überlagert werden von Pannen, zu großen Versprechen und schlecht geführten Debatten. Diesen Wunsch allerdings hat es nach dem Richterwahlärger vor einem halben Jahr schon einmal gegeben.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 23. Dezember 2025