Talk of the town
Erscheinungsdatum: 09. November 2025

Brandmauer und Parteienverbot: Bundespräsident fordert Verteidigung der Demokratie – und geht so weit wie nie.

Frank-Walter Steinmeier (picture alliance/dpa/Pool AP | Maryam Majd)

Frank-Walter Steinmeier fordert eine starke Brandmauer gegen Extremismus: Rechtsextreme dürfen keine Macht erhalten, Beamte müssen Werte verteidigen, und Parteien, die die Verfassung angreifen, droht ein Verbot.

In seiner Rede zum 9. November hat Frank-Walter Steinmeier in nie gekannter Form dafür plädiert, extremistischen Parteien den Weg zu einer Beteiligung an der Macht zu versperren. Der Versuch, Extremisten zu zähmen, indem man mit ihnen auf die eine oder andere Art kooperiere, sei immer gescheitert, sagte Steinmeier in Erinnerung an den 9. November 1918, die Reichspogromnacht 1938 und den Fall der Mauer 1989. Sein Wunsch an diesem 9. November: „Vertrauen wir uns selbst! Tun wir, was getan werden muss!“

Für Steinmeier ist die Lehre aus der Geschichte klar: „Der waghalsige Versuch, Antidemokraten zu zähmen, indem man ihnen Macht gewährt, ist nicht nur in Weimar gescheitert.“ Mit Extremisten dürfe es keine Zusammenarbeit geben - „Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten.“ Wenn dadurch ein Teil des demokratisch gewählten Parlaments von der Gestaltung ausgeschlossen werde, sei dieser Ausschluss selbst gewählt. „Jeder hat, wenn er die Regeln akzeptiert, die Möglichkeit, auf das demokratische Spielfeld zurückzukehren.“

Das Staatsoberhaupt nennt die AfD nicht beim Namen, aber lässt keinen Zweifel, wen er meint. Neben der russischen Aggression werde Deutschland vor allem durch eine Kraft bedroht: „durch rechtsextreme Kräfte, die unsere Demokratie angreifen und an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen“. Einfach abzuwarten, dass der Sturm vorbeiziehe und solange in sichere Deckung zu gehen, reiche nicht. „Zeit zu verlieren haben wir nicht. Wir müssen handeln. Wir können handeln! Unsere Demokratie ist nicht dazu verurteilt, sich auszuliefern!“

Steinmeier verteidigt eine Brandmauer. „Kommunalverwaltungen, die Polizei, die Bundeswehr, Lehrerinnen und Lehrer an Schulen, Hochschullehrer – sie alle müssen für unsere Werte einstehen, unmissverständlich, Tag für Tag.“ Natürlich müssten Beamtinnen und Beamte im parteipolitischen Sinne neutral sein. Sie dürften aber nicht neutral sein, wenn es um den Wertekanon des Grundgesetzes gehe. „Wer sich gegen den freiheitlichen Kern unserer Verfassung stellt, der kann nicht Richterin, Lehrer oder Soldat sein.“ Auch der Ausschluss von Wahlen sei möglich. „So ein Ausschluss ist nicht undemokratisch. Im Gegenteil: Er ist Ausdruck der wehrhaften Demokratie!“

Nicht anders sieht es Steinmeier beim Parteienverbot. Zum eigenen Schutz enthalte das Grundgesetz die Möglichkeit, Vereine, Gruppen und Parteien zu verbieten, „wenn sie sich aggressiv-kämpferisch gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung richten“. Aktuell würden Gruppen vom rechten Rand reflexhaft rufen, das sei undemokratisch. „Da kann ich nur sagen: Sie haben es selbst in der Hand!“ Greife eine Partei die Verfassung an, wolle sie ein anderes, nicht freiheitliches System? „Da ist die Antwort unserer Verfassung klar: Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit des Verbots rechnen.“

Der Präsident mahnt die politische Mitte zu neuer Vernunft. Er wisse, dass „die Kräfte Mitte-Rechts“ bei der Abgrenzung gegen den Rechtsextremismus die Hauptlast trügen. Aber auch Mitte-links habe große Verantwortung. „Ich nenne es die Verantwortung des richtigen Maßes.“ Es sei wenig hilfreich, jede unliebsame Äußerung pauschal als „rechtsextrem“ zu diskreditieren und jeden Anlass zu nutzen, den Parteien Mitte-Rechts doch ein gemeinsames Lager mit Rechtsextremen zu unterstellen. „Damit rütteln Sie auf andere Weise auch selbst an der Brandmauer.“ Es sei gefährlich, wenn Themen wie Migration und Sicherheit nicht besprochen werden könnten, weil sofort der Rassismusvorwurf im Raum stehe. „Das darf nicht geschehen!“

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Letzte Aktualisierung: 09. November 2025

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