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Berliner Verhandlungen: Warum Merz und Selenskyj vorsichtig optimistisch sind – und Lawrow wettert

Merz und Selenskyj zeigen vorsichtigen Optimismus bei den Berliner Friedensgesprächen, während Lawrow scharf reagiert. Die amerikanische Beteiligung schafft neue Dynamik für mögliche Sicherheitsgarantien und einen Waffenstillstand.

Wolodymyr Selenskyj und Friedrich Merz
Selenskyj und Merz nach den Gesprächen (picture alliance / Andreas Gora)

Sie wirken gelöst. Friedrich Merz wird gar emotional, als er am Montagabend mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor die Kameras tritt: „Wir haben jetzt die Chance auf einen echten Friedensprozess“, so der Kanzler. „Diese Pflanze ist noch klein. Aber die Chance ist real.“ Beide wissen, dass der Weg bis zu einem Frieden in der Ukraine noch weit ist. Zumindest einem Waffenstillstand, so hoffen es beide, sind sie in den vergangenen Stunden aber ein Stückchen nähergekommen. Die Gespräche, die seit Sonntag zwischen den Ukrainern und Amerikanern in Berlin stattfinden, werten Merz und Selenskyj als Erfolg. Und den hat es, wenn man so will, in kleinen Dosen auch gegeben.

Allem Anschein nach haben sich die Amerikaner offen dafür gezeigt, sich mit Ukrainern und Europäern auf gemeinsame Linien zu verständigen. Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen ist das nicht selbstverständlich. Die neue Sicherheitsstrategie der Trump-Regierung hat den Eindruck erweckt, dass die Amerikaner die Europäer nicht mehr als natürliche Partner betrachten. Dass das nun wieder ein bisschen anders aussieht, erleichtert beide. Merz und Selenskyj betonen deshalb wohl immer wieder ihre Dankbarkeit. „Ohne das Engagement des US-Präsidenten und den Einsatz der beiden führenden US-Verhandler in Berlin, Steve Witkoff und Jared Kushner, hätten wir nicht die Dynamik, die wir gerade erleben“, so Merz.

Im nächsten Schritt wollen Europäer und Ukrainer fünf Ziele erreichen. Sie streben einen Waffenstillstand an, bei dem die Souveränität des ukrainischen Staates erhalten bleibt. Sie wollen Sicherheitsgarantien, die echte Sicherheit geben. „Wir werden die Fehler von Minsk nicht wiederholen“, so Merz. Sie möchten, dass neben Russland, der Ukraine und den USA auch die Europäer beteiligt bleiben. Außerdem soll die Nato nicht beeinträchtigt werden und eine europäische Perspektive für die Ukraine gewahrt bleiben. Das klingt entschlossen und verschließt zugleich nicht alle Tore für einen Kompromiss, der – auch das scheint allen klar – der Ukraine Schweres abverlangen wird.

In Stein gemeißelt ist noch nichts – und doch herrscht leise Zuversicht. Zum ersten Mal hat die amerikanische Seite deutlich gemacht, dass es ihr mit Sicherheitsgarantien ernst ist. Das demonstrierte sie mit der Entscheidung, den aktuellen Nato-Oberbefehlshaber und ranghöchsten US-Soldaten in Europa (Saceur) Alexus Grynkewich mitzubringen. Mit ihm wurde nicht drumherum geredet, sondern über alles gesprochen, was militärische Sicherheit für die Ukraine ausmacht. Ergebnis: Die Garantien, so hat es Merz in der PK gesagt, gehen materiell und in der Frage der Verbindlichkeit sehr weit. Das hat offenkundig viele beeindruckt.

Auch bei der Frage der Territorien kam offenbar so gut wie alles auf den Tisch. Und dabei hat es, anders als zwischenzeitlich berichtet, keinen amerikanischen Druck auf die Ukraine gegeben, den ganzen Donbas aufzugeben, also auch jene Gebiete, die von den Ukrainern seit mehr als vier Jahren verteidigt werden. Im Gegenteil gebe es „ein Einvernehmen“ darüber, dass man ihr nichts abverlangen werde, was Selenskyj seiner Bevölkerung nicht mehr erklären könne. Das dürfte wohl heißen: Gebiete, die sie noch hält, kann Selenskyj kaum aufgeben. Das lässt sich den eigenen Menschen gegenüber nicht rechtfertigen.

Heikel bleibt der Einsatz der eingefrorenen russischen Vermögen – wenn auch nicht für Selenskyj und Merz. Im Fokus sind hier einige Zweifler in der EU – und ein darüber besonders verärgertes Russland. Merz sagte auf der PK, er teile die Bedenken der Zweifler nicht, aber er verstehe sie. Zugleich sehe er beim Prüfen aller Optionen nur die der Frozen Assets, um auf Grundlage des Artikels 122 des EU-Vertrags die Verteidigung der Ukraine und damit auch Europas Sicherheit in den kommenden Jahren zu finanzieren. Würde man freie Mittel aus den Corona-Hilfen oder europäische Bonds nutzen wollen, bräuchte man im Europäischen Rat Einstimmigkeit. Die aber, das wissen alle, ist derzeit in weiter Ferne. Deshalb wird der Kanzler bis zum Ende des EU-Gipfels mit Verve für seine Lösung kämpfen.

Und Moskau? Es zeigt sich gereizt – was nur dann passiert, wenn es konkret wird. Russlands Außenminister Sergej Lawrow kommentierte die Verhandlungen scharf. Nun scheint zu passieren, was der Kreml verhindern wollte: dass Europa wieder mitspielt. Prompt erklärte Lawrow, mit der derzeitigen Führung in Europa habe Russland nichts zu besprechen. Zugleich behauptete er, „Europas aggressives Verhalten“ sei „das größte Risiko für die Welt“. Überall in Europa erwache ein Nationalismus, der sich gegen Russland vereine. Das gesagt, wartet Moskau nun auf eine Reaktion aus den USA. In der Hoffnung, dass alles wieder relativiert werde.

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Letzte Aktualisierung: 15. Dezember 2025