Talk of the town
Erscheinungsdatum: 30. Juli 2025

Johann Wadephul: Der Kurier des Kanzlers

Johann Wadephul am 11. Mai bei Benjamin Netanjahu (picture alliance / AA/photothek.de | Thomas Imo)

Wenn Johann Wadephul am Donnerstag ins Flugzeug Richtung Israel steigt, wird er Schweres im Gepäck haben. Wadephul reist zu einem besonderen Verbündeten – und muss ihm erklären, warum sich in Deutschland immer massiver die Stimmung dreht. Er wird erläutern, was das Sicherheitskabinett in Sachen Gaza beschlossen hat. Vor allem aber muss er im Auftrag seines Kanzlers begründen, warum auch Deutschland von der israelischen Regierung einen klaren Kurswechsel erwartet. Die Forderungen sind eindeutig: Kümmert Euch um die humanitäre Lage in Gaza; hört auf mit Vertreibungen; und unterlasst alles, was zur Annexion des Westjordanlands führen könnte. So klar und unmissverständlich hat Jerusalem all das aus Berlin noch nie zu hören bekommen.  

Es ist mit die schwierigste Mission eines deutschen Außenministers in den letzten Jahrzehnten. Besonders ist die Reise aber auch aus einem anderen Grund. Wie unter einem Brennglas zeigt sie, welche Rolle der Außenminister in dieser Regierung bislang hat – und welche nicht. In einer dramatisch brüchigen Welt mit einem unberechenbaren Donald Trump, einem aggressiven Wladimir Putin und auch einem rücksichtslosen Benjamin Netanjahu erinnert er nicht an Joschka Fischer, der nach Terroranschlägen einst selbst in Israel vermittelte. Er erinnert eher an die von Jules Verne entworfene Romanfigur Michael Strogoff, der als Kurier des Zaren bemüht ist, das Schlimmste zu verhindern.  

In all diesen Krisen bleibt Wadephul bislang der Kurier des Kanzlers. Er ist Erklärer und Überbringer, prägen kann er nur wenig, weil Friedrich Merz selbst die Botschaften setzt und die Dinge regelt. Und wenn der Außenminister in einer Formulierung mal zuspitzt, wird er sofort von den eigenen Leuten angegangen. Kein einfaches Umfeld, um sich und dem Auswärtigen Amt eigenes Profil zu geben. Es ist deshalb kein Wunder, dass jüngst erstmals seit langem eine kleine Unruhe publik wurde, als sich gut 100 meist jüngere Diplomaten kritisch zur israelischen Politik in Gaza positionierten. Bislang ziehen zwar so gut wie alle mit, doch manche würden sich auf Dauer schon einen stärkeren, weil profilierteren Minister wünschen.  

Mit der Einrichtung des Nationalen Sicherheitsrats wird das nicht leichter. Im Gegenteil zeichnet sich ab, dass dieses Gremium vor allem beim Blick auf die aktuellen Großkrisen neben Wadephul eine eigene Rolle entwickeln wird. Der Rat soll bis Ende August, Anfang September stehen. Wie Politico am Mittwoch berichtete, sind inzwischen 13 Stellen beim Haushaltsausschuss beantragt, darunter drei B3-Führungsposten. Anders ausgedrückt: Ein kleines Referat wird das nicht werden.  

Deshalb sollte Wadephul bald damit beginnen, sich raumgreifend neue Ziele zu geben. Nur dann kann es ihm gelingen, sich und seinem Ministerium eine andere Identität als die des Kuriers zu geben. Dass das angesichts der Weltlage möglich ist, erzählen sich die Diplomaten auf den Fluren schon seit längerem. Wann kümmert er sich um die großen afrikanischen Staaten? Wann weitet er den Blick Richtung Südamerika? Und wann schaut er nach Indien und Japan? Zwei Länder, die sich als noch engere Partner automatisch anbieten. Immerhin: Besuche dort sind in Planung. Es könnte der zweite Abschnitt in einer nicht einfachen Amtszeit werden.

Letzte Aktualisierung: 30. Juli 2025
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