Talk of the town
Erscheinungsdatum: 18. August 2025

Krieg in der Ukraine – wie sich Donald Trump als Vermittler geriert, aber Festlegungen vermeidet

Gemessen an dem Druck, den Donald Trump zuletzt auf Wolodymyr Selenskyj ausgeübt hatte, empfing er den ukrainischen Präsidenten in Washington freundlich. Ein Eklat wie im Februar blieb aus. Trump vermied einseitige Festlegungen zugunsten von Wladimir Putin. Der Ukraine-Krieg müsse zu einem guten Ende für alle Beteiligten führen. Das deutete darauf hin, dass das Gespräch Trumps mit sieben europäischen Staats- und Regierungschefs, unter ihnen Friedrich Merz, am späten Abend deutscher Zeit im Weißen Haus möglicherweise doch etwas zielführender verlaufen könnte, als befürchtet. 

Die Europäer reisten am Montag mit Grummeln im Bauch in die US-Hauptstadt. Alle gemeinsamen Auftritte – zunächst in der ukrainischen Botschaft, später im Weißen Haus – dienten als Zeichen der Solidarität und dem Bemühen, Trump bei der Stange zu halten. Die Vorstellung, die USA könnten darauf bestehen, dass die Ukraine Teile ihres Territoriums an Russland abtritt, hatte große Sorge ausgelöst. Seit dem Alaska-Gipfel zwischen Trump und Putin hatte es unbestätigte Medienberichte gegeben, wonach Trump die Chance auf ein schnelles Friedensabkommen sieht, wenn die Ukraine Russland den gesamten Donbass überlässt. Der US-Präsident forderte in einem Post auf seiner Plattform Truth Social: „Der ukrainische Präsident Selenskyj kann den Krieg mit Russland fast sofort beenden, wenn er will, oder er kann weiterkämpfen.“ Auch soll die Ukraine nicht der Nato beitreten und die 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierte Krim nicht zurückerhalten.  

Selenskyj konterte auf X: „Russland muss diesen Krieg beenden, den es selbst begonnen hat.“ Während der Begegnung von Trump und Selenskyj mit der Presse kam es nicht zu derlei Forderungen und Gegenforderungen. Der ukrainische Präsident ließ die Frage nach Gebietsabtretungen unbeantwortet, und auch Trump erwähnte das Thema nicht.  

Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Keir Starmer und Ursula von der Leyen stemmen sich gegen Gebietsabtretungen. Die Argumentation der Europäer ist: Die Grenzen eines souveränen Landes dürfen nicht mit Gewalt neu gezogen werden. Denn das würde bedeuten, dass sich die Invasion der Ukraine für Putin auszahlte. Die Europäer wollten zudem beim Besuch im Weißen Haus darauf drängen, dass es konkrete Sicherheitsgarantien für die Ukraine seitens der USA gibt. Die Aussagen der Trump-Regierung zu diesem Thema waren bislang unscharf, was die Europäer beunruhigt. Sie glauben, dass ein Schutz der Ukraine vor neuen potenziellen Angriffen Russlands nach einer Waffenruhe nur gewährleistet werden kann, wenn sich neben den Europäern auch die USA engagieren.  

Trump selbst ging bei diesem Thema nicht ins Detail. Er sagte lediglich in allgemeinen Worten, dass die USA zur Hilfe bereit seien. „Wir werden uns beteiligen.“ Auf eine konkrete Frage nach einem möglichen Ende der Unterstützung antworte der US-Präsident, das werde er nie sagen. Trump versuchte, die Rolle eines Vermittlers einzunehmen, dessen einziges Interesse sei, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Die europäischen Politiker seien alle Freunde von ihm – und Freunde von Selenskyj, befand Trump. Merz sagte nach der ersten Gesprächsrunde, das Komplizierte komme jetzt erst. Man müsse an einem Waffenstillstand arbeiten und Druck auf Russland ausüben. Auch Emmanuel Macron will, dass die Waffen so schnell wie möglich schweigen. Und Trump sagte schließlich vorher, dass in ein bis zwei Wochen klar sein könne, ob das „schreckliche Sterben endet“.

Erneut versprach Trump, dass es sehr bald zu einem trilateralen Treffen mit Selenskyj und Putin kommen könne. Er kündigte an, den Machthaber im Kreml unmittelbar nach den Gesprächen mit Selenskyj und den Europäern anzurufen und zu unterrichten. Die nicht in Washington anwesenden Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich am Dienstagmittag zu einer Videokonferenz zusammenschalten, um sich berichten zu lassen, wie das Gespräch mit Trump verlief. 

Der russische Präsident hat sich bislang noch nicht zu einem Dreiertreffen bereit erklärt. Für ihn gibt es ohnehin keinen Grund, den Krieg in der Ukraine rasch zu beenden. Innenpolitisch gibt es kaum Widerstand. Moskau steht zudem wirtschaftlich und militärisch trotz Problemen gut genug da, um weiterzumachen. Laut einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada würden gut drei Viertel der Menschen in Russland Putin auch nach seiner aktuellen Amtszeit als Präsidenten sehen wollen. Moskau muss deutlich weniger Ressourcen aufwenden, um die US-Regierung bei Laune zu halten und ihr die eigene Position zu verkaufen als Kyjiw und die EU. Damit versucht der Kreml, einen Keil in die transatlantischen Beziehungen zu treiben und die EU zu einem Nebendarsteller auf der geostrategischen Bühne zu degradieren. 

Das Treffen in Washington wird auch im Podcast Table.Today analysiert. Sie hören ihn ab 5 Uhr hier

Table.Today. "Zieht der Westen an einem Strang?"

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 18. August 2025

Teilen
Kopiert!