Es war der erste kleine Krisengipfel der schwarz-roten Koalition. Der Grund: Die Stromsteuersenkung. Sie gehörte zu den zentralen Wahlversprechen der CDU, im Sofortprogramm stand die Entlastung an oberster Stelle. Problem: Jetzt fehlte das Geld, zumindest für private Verbraucherinnen und Verbraucher. Entsprechend angespannt war die Stimmung von Kanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil, so berichten es Teilnehmer. Gleich zu Beginn hätten beide an Absprachen und eine stringente Kommunikation erinnert. In den vergangenen Tagen war hier zu viel durcheinandergeraten. Und weil Vertrauen gut ist, aber Kontrolle besser, mussten die Koalitionäre ihre Smartphones während der Sitzung abgeben.
Man habe zunächst „therapeutische Gespräche“ geführt, sagt ein Teilnehmer. Darüber, dass die Koalition sich künftig besser abstimmen will. Etwa soll CSU-Chef Markus Söder aus den Medien von der Haushaltsplanung in Sachen Stromsteuer erfahren haben, statt, wie üblich, aus dem Kanzleramt. In der SPD macht man den Kanzleramtschef dafür verantwortlich. Thorsten Frei hätte die CSU informieren müssen, so heißt es aus Kreisen der Sozialdemokraten. In der internen Sitzung – Frei war wegen eines Termins im Wahlkreis abwesend – soll jedoch der Kanzler die Verantwortung übernommen haben. Man war sich zwar einig, dass die Kommunikation hier künftig besser laufen müsse. Verbesserungsvorschläge wie die von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, künftig kurzfristige Schaltkonferenzen für die Mitglieder des Koalitionsausschusses zu organisieren, wurden aber abgelehnt.
Union und SPD suchten zunächst nach einer Finanzierungsidee für die Stromsteuerabsenkung. Mit der Streichung des Dienstwagen-Privilegs, der Mütterrente oder Kürzungen bei der Gebäudesanierung wurden von SPD oder Union meist nur Vorschläge vorgetragen, die der anderen Seite wehtun würden. Die Union schlug vor, die Stromsteuerabsenkung fest ab dem 1.1.2027 zu verabreden, aber die Finanzierung dafür noch offenzulassen. Klingbeil, mit der schmerzhaften Erfahrung ähnlicher Luftbuchungen aus der Ampel-Zeit, lehnte ab. Der Finanzminister schlug seinerseits vor, wie bei anderen Nato-Staaten durchaus üblich, auch die Zinsen für die Rüstungsausgaben in die Ausnahme der Schuldenregel zu nehmen, um zusätzlich Luft im Kernhaushalt zu bekommen. Das indes wollte die Union nicht.
Schließlich setzten Kanzler und Vizekanzler die Botschaft, man müsse dann eben beim vereinbarten Kurs bleiben. Die Stromsteuer sei ohnehin nicht das zentrale Entlastungswerkzeug, argumentierte der Finanzminister und sprach von einer Ersparnis von lediglich 5 Euro pro Monat. Söder, der bei der ursprünglichen Entscheidung ja übergangen worden war und den Widerstand in der Bundestagsfraktion organisiert hatte, stimmte dem schließlich zu. Auch weil er dafür ein anderes Lieblingsprojekt durchsetzen konnte, nämlich die Mütterrente – und das sogar zu einem früheren Termin 2027.
Besonders in der CDU hat der Koalitionsausschuss mit den Entscheidungen zu Mütterrente und Stromsteuer für Unmut gesorgt. Diverse prominente Stimmen äußern sich kritisch. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kritisierte gegenüber Politico, es sei der Job des Finanzministers, die Entlastung auch für private Verbraucher möglich zu machen. Dafür gebe es „eine Menge Möglichkeiten“. Der CDU-Politiker Tilman Kuban sagte Bild, er finde „das Ergebnis enttäuschend“ und der CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Manuel Hagel, unterstrich, er hätte sich „kurzfristig mehr gewünscht“. Weitere Entlastungen für Privathaushalte, Familien, Handwerk und Mittelstand müssten zeitnah folgen.
Offiziell arbeitet man sich in der Union vor allem an der SPD ab. Allerdings verbirgt sich dahinter auch Kritik am Kanzler. Horcht man in die CDU hinein, werden manche deutlicher. Dort herrscht Unmut darüber, dass einerseits argumentiert wird, man habe sparen müssen und gleichzeitig die Mütterrente früher komme als gedacht. Söder habe sich mal wieder durchgesetzt, heißt es dort.
Es bleibt das Dilemma dieser Koalition: Schwarz und Rot haben trotz der Rekordschulden von knapp 800 Milliarden Euro weitere Milliardenlöcher. Und die Ideen dazu widersprechen sich fundamental – je nach Parteibuch. Wenn die Wirtschaft nicht anspringt, wird es ohne Strukturreformen und Kürzungen nicht gehen. Das hat diese Koalition bisher allerdings nicht gelernt. Die Mehranmeldungen der einzelnen Ressorts allein für den Haushalt 2025 lagen bei knapp 50 Milliarden Euro – davon knapp 18 Milliarden Euro auch aus unionsgeführten Ressorts.