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Erscheinungsdatum: 14. Oktober 2025

Rentenproteste in der Union: Koalition streitet um Nachhaltigkeitsfaktor

Neuer Vorstand der Jungen Gruppe, v.L.: Catarina dos Santos-Wintz, Pascal Reddig, Konrad Körner, Anna Aeikens
Vorstand der Jungen Gruppe, v.l.: Catarina dos Santos-Wintz, Pascal Reddig, Konrad Körner, Anna Aeikens. (CDU/CSU)

Als Bundeskanzler Friedrich Merz am Dienstag in Potsdam eine Kita besucht, um sich über die frühkindliche Bildung der ganz jungen Generation zu informieren, muss er auf den nächsten Renten-Streit in der eigenen Fraktion reagieren. Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion rebelliert, ein 18 Mitglieder starker Zusammenschluss der Abgeordneten, die zum Zeitpunkt der Bundestagswahl jünger als 35 Jahre waren. Sie wollen die in der vergangenen Woche von der Koalition verabschiedeten Eckpunkte für die Rentenreform an einer wichtigen Stelle nicht mittragen. Das geht aus einem Beschluss hervor, der Table.Briefings vorliegt.

Die Gruppe stört sich an den Plänen für die Zeit nach 2031. Für diesen Zeitraum soll das Rentenniveau nach dem Willen von Bärbel Bas dauerhaft ein Prozent höher liegen, als es nach den Regeln des Nachhaltigkeitsfaktors der Fall wäre. Bis 2031 ist der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor ausgesetzt, danach soll er wieder greifen. Für die Junge Gruppe entscheidend ist, von welchem Niveau er dann greifen wird: von den politisch stabilisierten 48 Prozent oder den bei Greifen des Nachhaltigkeitsfaktors dann eigentlich wirksamen rund 47 Prozent. Setzt sich die Arbeitsministerin durch, werden zwischen 2031 und 2040 mehr als 110 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt fällig. Dies sei vom Koalitionsvertrag nicht gedeckt und „gegenüber der jungen Generation nicht zu rechtfertigen“, heißt es in dem Beschluss, über den zuerst der Spiegel berichtet hatte. Zur Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 bekennt sich die Gruppe aber.

In den eigenen Reihen sorgte der Aufschlag zunächst für Unmut. Fraktionschef Jens Spahn teilt zwar die inhaltliche Kritik, hätte sich aber eine interne Kommunikation gewünscht, heißt es. Man werde die Pläne im parlamentarischen Verfahren „konkretisieren“, lautet nun die interne Sprachregelung. Man müsse die „jungen Wilden auch mitnehmen“, sagt ein anderes Mitglied der Fraktionsführung. In der Sitzung der Fraktion am Nachmittag erhielt die Junge Gruppe vor allem Unterstützung. Spahn kündigte an, dass es Änderungen geben werde. Und der Kanzler selbst betonte in Potsdam auf Nachfrage, dass das Kabinett die Reformpläne „nur bis zum Jahr 2031“ festgelegt habe. Danach sei das Vorgehen offen, dies hänge auch von den Ergebnissen der Rentenkommission ab.

Der öffentlich gewordene Protest kam für die Unionsspitze nicht ganz überraschend. Schon in der Fraktionssitzung vor einer Woche hatte JU-Chef Johannes Winkel die Eckpunkte kritisiert und Widerstand angekündigt. Trotzdem hatte der Koalitionsausschuss die Pläne einen Tag später durchgewunken. Wie es heißt, ist das der Grund für das Protestschreiben gewesen. Der zuständige Haushälter der Unionsfraktion, Yannick Bury, unterstützt die Junge Gruppe. Er will eine Klarstellung im Gesetzesverfahren. Der Gesetzentwurf gehe über den Koalitionsvertrag hinaus „und ist darum so nicht zustimmungsfähig“, sagte Bury Table.Briefings. Man habe klar vereinbart, keine Tatsachen über 2031 hinaus zu schaffen.

Der Koalitionspartner SPD sieht die JG-Kritik kritisch. Bernd Rützel, amtierender Vorsitzender des Sozialausschusses und zuständiger SPD-Politiker, hält die Kritik des Unions-Nachwuchses für ungerechtfertigt. Wer so tue, als sei die Haltelinie nie beschlossen worden, „spielt mit der Sicherheit der jungen Generation“, sagte er. Aus Sicht von SPD-Haushälterin Kathrin Michel entziehen die jungen Abgeordneten der Union durch ihren Vorstoß der jungen Generation „die nötige finanzielle Planungssicherheit“. Die Kritik sei aus „sozialpolitischer wie auch aus haushaltspolitischer Sicht unverantwortlich“.

Das BMAS verweist auf das parlamentarische Verfahren. Der Zeitplan des Ministeriums von August sah ursprünglich den 9. Oktober für die erste Lesung vor, diese findet nun am Donnerstag statt. Die letzte Sitzung des Bundesrats, in der die Länder dem Paket zustimmen sollen, ist am 19. Dezember.

Auch beim Infrastruktur-Sondervermögen hatte die Junge Gruppe zunächst ein Veto angekündigt. In den Verhandlungen erreichten sie so, dass die Mittelverwendung klarer eingegrenzt und die Wirksamkeit kontrolliert wird. Dass sie eine Sperrminorität in der Koalition hat – Union und SPD liegen zusammen zwölf Stimmen über der Mehrheit – gibt der Gruppe um ihren Vorsitzenden Pascal Reddig und JU-Chef Johannes Winkel Selbstbewusstsein.

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Letzte Aktualisierung: 14. Oktober 2025

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