Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 11. Oktober 2025

Law as Code in der Modernisierungsagenda: Durchbruch für eine funktionierende Bürokratie

Mit „Law as Code“ sollen Gesetze künftig nicht mehr nur im Fließtext, sondern maschinenlesbar und sofort anwendbar entstehen. Warum das ein Gamechanger ist, schreibt Till Behnke, CEO des Startups Rulemapping Group in einem Standpunkt.

Die Modernisierungsagenda soll Verwaltung und Justiz verschlanken, modernisieren und reformieren – mit dem Ziel, den Staat wieder handlungsfähig zu machen und Bürger:innen sowie Unternehmen zu entlasten. Erstmals rückt dabei die digitale Gesetzgebung in den Mittelpunkt. Das ist ein entscheidender Durchbruch: Nicht länger geht es um einzelne Digitalprojekte, sondern um die Grundlage der Verwaltung selbst. Damit verschiebt sich die Debatte weg vom Gestalten kleiner Insellösungen hin zu einem echten Systemwechsel, der die Basis für eine digitale Verwaltung legt.

Gesetze im Fließtext als Kern des Bürokratieproblems

Gesetze sind von Natur aus kompliziert, um unsere komplexe Realität möglichst genau darzustellen – voller Verweise, Ausnahmen und verschachtelter Wenn-dann-Logiken. Genau diese Verästelungen machen es schwierig, sie in Software zu übertragen. Bis heute entstehen Gesetze im Fließtext. Danach beginnt der mühsame Digitalisierungsprozess: Jurist:innen legen Vorschriften aus, Programmierer:innen übersetzen sie in IT-Logiken, am Ende entstehen aufwendige Einzelanwendungen. Das dauert oft Jahre und bis dahin hat sich das Gesetz wieder geändert. 

So verschiebt sich das Problem in den Vollzug: Anwendungen müssen ständig nachprogrammiert werden, weil neue Vorschriften hinzukommen oder bestehende angepasst werden. Statt effizienter zu werden, entstehen Verzögerungen, Mehrarbeit und Kosten.

Eine digitale Verwaltung braucht digitale Gesetze

Law as Code setzt hier an: Gesetze zusätzlich in einer Form veröffentlichen, die von Maschinen gelesen und verarbeitet werden kann. Der Weg dahin führt über Visualisierungen. Werden die Elemente eines Gesetzes und ihre Abhängigkeiten sichtbar dargestellt, entsteht ein Modell, das maschinenlesbar ist und zugleich juristischer Logik folgt.

Das hat zwei Effekte: Gesetze lassen sich so direkt in digitale Verfahren übertragen, ohne lange Übersetzungsprozesse und Medienbrüche. Und sie werden auch für Menschen verständlicher. Juraprofessor Stephan Breidenbach hat die Rulemapping-Methode – auf der unsere Start-Up basiert – entwickelt, um Studierenden den juristischen Prüfprozess anschaulich zu vermitteln.

Offene Standards als Schlüssel

Law as Code kann nur wirken, wenn es auf offenen Standards beruht. Sonst drohen erneut teure Einzellösungen, die nebeneinanderstehen und nicht kompatibel sind. Offene Standards schaffen eine gemeinsame digitale Infrastruktur: Alle arbeiten auf derselben Grundlage, und wenn sich ein Gesetz ändert, genügt ein einziger Knopfdruck. Wie bei einem Systemupdate auf dem Smartphone greifen die Änderungen sofort – ob in der Steuererklärung, im Baugenehmigungsportal oder in anderen Verfahren. Niemand muss mehr hunderte Anwendungen einzeln nachprogrammieren.

Die von der SPRIND angestoßene Initiative setzt hier wichtige Impulse: Open-Source-Editoren, eine zentrale Bibliothek für digitale Gesetze und gemeinsame Schnittstellen. Auch die Rulemapping Group wird noch dieses Jahr ihre Methode als offenen Standard veröffentlichen. So entsteht erstmals die Chance auf eine Rechtsinfrastruktur, die allen gleichermaßen zugutekommt.

Das Fundament für den KI-Einsatz

Law as Code schafft außerdem die Grundlage für den sicheren Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Solange Gesetze nur als Fließtext vorliegen, kann KI sie nicht zuverlässig anwenden – ihre Ergebnisse beruhen auf Wahrscheinlichkeiten und bleiben intransparent. Erst wenn Gesetze maschinenlesbar vorliegen, können sie mit regelbasierten deterministischen Systemen verknüpft werden. Entscheidungen folgen dann klaren Regeln statt Wahrscheinlichkeiten und sind jederzeit überprüfbar. So kann KI rechtskonforme Entscheidungen unterstützen, Prozesse beschleunigen und ihren sicheren Einsatz in Justiz und Verwaltung überhaupt erst ermöglichen.

Fazit: Chance auf einen echten Paradigmenwechsel

Programme zum Bürokratieabbau gab es viele, die Hoffnung auf eine grundlegende Wende war bisher jedoch gering. Was soll diesmal anders sein? Der entscheidende Unterschied ist, dass Law as Code nicht an einzelnen Projekten ansetzt, sondern am Fundament: den Gesetzen selbst.

Und dieser Schritt ist kein fernes Zukunftsversprechen: Erste Methoden liegen vor, erste Standards entstehen und Open-Source-Werkzeuge sind in der Entwicklung. Jede Gesetzesänderung, die künftig im digitalen Format veröffentlicht wird, erweitert die digitale Rechtsinfrastruktur Stück für Stück.

Mit einem offenen Ökosystem für digitales Recht kommt der Staat endlich im digitalen Zeitalter an, in dem Bürger:innen und Unternehmen längst unterwegs sind. Wenn Bund, Länder und Kommunen jetzt konsequent auf gemeinsame Standards setzen, schaffen sie mehr als ein weiteres Modernisierungsprojekt: die Basis für einen Staat, der dauerhaft schneller, verlässlicher und näher an der digitalen Lebenswirklichkeit arbeitet. 

Till Behnke ist Mitgründer und CEO des AI Legal Tech Startups Rulemapping Group. Zuvor hat er betterplace.org, die größte Spendenplattform in Deutschland, und nebenan.de, Deutschlands größtes Nachbarschaftsnetzwerk, gegründet.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2025

Teilen
Kopiert!